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XV

Alfred ging: aber nicht, um sich geschickt loszureißen von der im Schmutz kriechenden Milada, sondern um ihr Geld, Hilfe, Rettung zu bringen, zu ihr zurückzukehren; Er verachtete sie nicht, Wirklichkeit fühlte er in ihr, sie war »Mensch von seinem Menschen«. Daheim wanderte er mit Ungeduld durch schattendunkle Heimatzimmer, erwartete den Vater, rüttelte vergebens an der eisernen Kasse, in der Hoffnung, der Vater hätte sie offen gelassen. Endlich kam der Alte; aber es war schlechte Gelegenheit. Der Vater sperrte sich in seinem Zimmer ein, Wasser plätscherte um ihn, Duft von Heliotrop vergiftete süß-schleimig die Atmosphäre. Lange ließ der Alte den Jungen klopfen, endlich öffnete er, sah den Sohn teilnahmslos an, verwirbelt das Gesicht durch nervöse Aufregung, auswulstend die schmalen Lippen im Spekulantenfieber. Nur den Hund »Cäsarus« rief er an sich heran, kniete nieder zu dem Tier, strähnte es lange mit weißem Elfenbeinkamm. Behaglich knurrte der Hund.

»Ich komme mit einer Bitte, ich brauche Geld.«

»Was? Schon wieder Geld? In wessen Tasche geht das Taschengeld?«

»Papa!«

»Also wieviel?«

»Viel ... zweitausend Kronen mindestens!«

»Kleinigkeit! Zweitausend Kronen!«

»Was bedeuten zweitausend Kronen für dich!«

»Es tut mir leid, ich kann nicht.«

»Weniger auch nicht?«

»Nein, nichts. Augenblicklich nichts.«

»Und mein Geld? Ich habe dir doch mein Honorar aus der Klinik gegeben? Davon müssen noch siebenhundert Kronen da sein.«

»Hast du mit deinem Vater über nichts zu sprechen als über Geldgeschäfte?«

»Ich brauche aber das Geld!«

»Zweitausend Kronen? Alles für eine? Alles für das stadtbekannte Laster?«

»Willst du mir mein Geld geben oder nicht?«

»Nein. Ich habe alles für dich ausgegeben. Glaubst du, deine Existenz kostet nichts? Deine Anzüge, du gehst einher wie ein Prinz, dies Essen ... alles zahle ich! Auch die Wohnung ... weshalb sollst ausgerechnet du gratis leben, was wäre das für eine Mode? Du verdienst ganz schön...«

»Hättest du mir das wenigstens doch vorher gesagt...«

»Das ist doch selbstverständlich. Jede ordinäre Tippmamsell zahlt ihren Leuten für Kost und Quartier.«

»Und wo ist mein mütterliches Erbteil? Hast du das auch ausgegeben für meine Verpflegung, Quartier und Kost?«

»Geh zum Vormundschaftsgericht, dort werde ich Rechenschaft geben, aber nicht hier... jetzt kommt Baumöhl, zieh dich zurück. Und kein Wort mehr von Geld!«

Baumöhl erschien. Ein grau-fettiges Vorhemd bauschte sich ihm über die Brust, hastig zeratmete er siegreiche Botschaft, wühlte in dick pomadisiertem, grauem Haar.

»Dawidowitsch, hej, was sagen Sie jetzt?«

»Nu?... Was is?« (Ordinär zerschleimte der Alte die Worte.)

»Sie nehmen an! Was hab' ich gesagt? Wer hat recht?«

»Sie nehmen an? Wer?«

»Sie nehmen an, die Serben! Sie machen in die Hosen, alles nehmen sie an.«

»Sicher?«

»Offiziell!«

Der Vater erblassend, mit erblassender Stimme: »Nicht möglich!«

»Nicht möglich? Hier, die Extraausgabe! Nicht möglich! Schwarz auf weiß, und er sagt, nicht möglich! Die Skupschtina nimmt alle Bedingungen des Ultimatums vorbehaltlos an, quand même ... Unmöglich? Tatsache!«

»Vor einer halben Stunde hab' ich telegraphisch Ordre gegeben!«

»Telegraphisch? Waffenaktien?«

»Dreißigtausend Waffen, zehntausend für dich, fünfzehntausend für den Aiblhuber, zwanzigtausend für mich!«

»Alles? Zehntausend? Auch mein Geld? Das ist ja alles! Auch mein alles Geld?«

»Wenn ich dir schon sag!«

Baumöhl, wütend, verzweifelt im Zimmer umher: »Wir sind erschossen! ... Mein Geld, mein alles Geld ... was meine guten Kinder mitbekommen sollen, die ...«

»Was soll ich sagen! Ich habe eine Million ...«

»Dein Geld ... liegt mir stark auf ... aber ich hab's doch gewußt ... die Dawidowitsch, eine feine Mischpoche ... Auf exotische Windhunde, da hat er Gedanken« (wütend stieß er nach dem freundlich wedelnden Hund), »der Sohn, mit feinen Chonten treibt er sich herum ... mit meinem Geld ... dafür habe ich fünfundvierzig Jahre geschuftet ... Verbrecher! Beide! Schieber!«

»Schweigen Sie!« zischte Alfred.

» Sie haben zu zischen! Was haben Sie verloren? Ihre Kinder ... haben Sie Ihre Kinder ruiniert? Mein Geld hat der da verloren, was heißt verloren«, (ganz nahe bei Alfred, ausdünstend gemeinen Dunst) »defraudiert! Schuft! Defraudiert!«

»Kommen Sie mir nicht zu nahe!« sagte Alfred.

» Sie kommen mir nicht zu nahe! Sie haben zu reden! Ihr Papa, vielleicht ist er nicht bekannt! ... Vier Stückel Zucker hat er nie gestohlen im Kaffeehaus, Tag für Tag? Wenn er geht Birnen kaufen, naa, nie nimmt er etwas mit? Und Sie? Und Ihre Milada? Alles mein Geld!«

»Sie! Ich warne Sie!« sagte Alfred; letzte Ermannung, letzte Verzweiflung, krachender Untergang der ganzen Welt, Milada, Vater, Million, alles ballte sich zu leiser Stimme, knochig zugespannter Hand.

Der Alte erhob sich aus schlaffer Vernichtung.

»Alfred, geh, mein Sohn, schweig! Deiner seligen Mutter zuliebe, geh ins Freie, laß mich allein!« (Höchstes versprechend:) »Du sollst bekommen dein Geld, alles! Jetzt aber geh nur, geh!«

»Du bekommst dein Geld! – Nicht einen blechernen Knopf wird er sehen, so wahr ich lebe, Benedikt Baumöhl! Parch! Der braucht Geld?« Zum Vater: »Den ehrlichen Aiblhuber haben Sie ruiniert, ehrlich ist er dreißig Jahre und mehr hinter dem Pflug gegangen, Sie aber haben damals schon gewuchert und gekauft die grüne Frucht am Halm! Mit meinem Geld haben Sie spekuliert auf der Börse, Sie Hasardeur ... Fletschen Sie nur die Zähne! Aiblhuber wird Sie lehren, die Zähne zu fletschen. Erschlagen wird er Sie!«

»Mich? Wer bin ich, wer ist Aiblhuber?«

»Ich werde Ihnen gleich sagen, wer Sie sind!«

»Sie werden mir sagen, Baumöhl! Sie stadtbekannter Halsabschneider! Kein Offizier darf mit Ihnen Geschäfte machen, ausgeschlossen sind Sie von der Börse! So sind Sie bekannt!«

»Aber jetzt wird man Sie ausschließen, ich bring Sie vor den Börsenrat! Enden werden Sie im Kriminal! Ich werde Ihnen zeigen, mein Geld defraudieren! Wer hat Ihnen gesagt, Abschlüsse machen in Waffenaktien, wer hat Sie gewarnt? Aiblhuber ist Zeuge, darüber sprechen wir noch beim Gericht! Wer hat Ihnen zugeredet wie einem kranken Pferd?«

Der Vater, versinkend in sein weites, elegantes Gewand: »Sie haben recht, auf was wart ich noch ... Sie haben recht, ich war gewarnt, ich war verblendet! Soll ich wieder anfangen in Getreide hausieren mit achtundfünfzig Jahren ... Gott der Güte, ich hab' genug ... nur einen Revolver brauch ich ...«

Baumöhl, ungesättigt noch in seiner Wut, ausspritzend gemeines Wort aus schaumigem Mund, ein blinkendes Nickelstück ausspritzend aus speckiger Geldbörse: »Was? Revolver? Da, zehn Heller, von mir aus, kauf dir e Strick!«

Alfred, den Vater haltend an seiner schönen, zarten Greisenhand:

»Lieber Papa!«

»Papa? Aufgewachsen bei ›lieber Papa‹? Zerspring, frecher Bocher! Häng dich auf, auf meinen Strick, Nebuchant!«

Der Vater, emporschlotternd aus weitem, blau-elegantem Anzug, wankte Baumöhl entgegen, Alfred aber, mit gekrümmter Hand, schmetterte Ohrfeigen nieder auf Baumöhls zorngeblähtes Gesicht! Dann, im Triumph, sang der Vater heiseren Gesang: »Wenigstens ein Fraß hat er ihm gegeben ... Alles ist jetzt gut! Gott soll ich danken, wenigstens e Fraß!«

»Und jetzt hinaus!« sagte Alfred.

»Lassen Sie mich, Alfred, lassen Sie mich, ich bin gestraft genug ... O Gott, es kann nicht sein ... Ich kann es nicht glauben ... Herr, telegraphieren Sie, Herr, stornieren Sie das Geschäft ... Alfred, gehen Sie weg ... Ihre Hände ... Sie haben mir weh getan! ... Alfred, ich bitt Sie, lassen Sie mich aus ... Dawidowitsch, reden Sie, helfen Sie mir, Sie helfen auch sich! Verzeihen Sie mir, ich bin doch ein Mensch, ich hab' Kinder, fünf lebende Kinder! Denken Sie an sich! Aiblhuber tut Ihnen was an! Er kennt sich nicht in seiner Wut! Man kann noch stornieren! Wo haben Sie abgeschlossen ... in Wien ... in Berlin ... ? ... In ...«

Der Vater würgte stumm. Seine Finger spreizten sich, ängstliche Augen starrten groß aus spitzem Knochengerüst.

»Um Gott ... um Gott ... der Mensch erstickt ... Sagen Sie doch, sprechen Sie doch ... in Wien? ... In ... Nicken Sie nur etwie mit dem Kopf! Nichts? Wo? In ...? Nichts? Der Mensch erstickt? Getroffen hat ihn der Schlag! Wo bleibt Gott? Alfred, was stehen Sie, fort, holen Sie einen Arzt! Wo bleibt Gott? Wo bleibt Gott?« – Laut schreiend stieß er Alfred die Küche hindurch, die Treppe herab.

 

»Was sagt der Professor? Werde ich sterben?«

»Nein, Papa, beruhige dich!«

»Wie kann ich mich beruhigen? Ich werde sterben. Ich habe es gehört! Von Mohnkörnern war die Rede ... Mohnkörner sind Opium.«

»Nein, der Professor meint nur, du hättest Stimmbandpolypen, so groß wie Mohnkörner. Du kannst hundert Jahre alt werden!«

»Hundert Jahre? Das ist ein Fluch! Ich will sterben, laß mich sterben! Gestern hatte ich eine Million!«

»Was liegt am Geld?«

»Am Geld liegt nichts, aber eine Million! Dein Geld, Herzenskind, dein mühsam erspartes und was deine Mutter selig dir hinterlassen hat, alles hat dein Vater verloren. Gott hat mich gestraft!«

»Versündige dich nicht!«

»Versündige dich nicht? Ja, du hast recht, Alfred, nimm einen Stock, eine eiserne Hacke nimm, schlag deinen alten Vater tot! Wozu brauchst du einen Vater, der betrügerische Krida macht? Was erwartet mich? Das jüdische Altersasyl ... die Volksküche ... oder das Kriminal!«

Alfred konnte das Jammern des Vaters nicht mehr ertragen. Er ging zum Fenster, preßte die Stirn gegen das Kindergitter, das die sorgengierige Mutter eingebaut hatte zum Schutz gegen »Unfälle, Kümmernis und Sorge«. Weinen hörte er hinter sich, langgezogenes, heiseres Gewinsel, ähnlich dem Klagen des Hundes Cäsarus, der im Zimmer, in der Finsternis eingeschlossen, oft Stunden durchwinselte mit langgestreckter, eingepreßter Stimme. Der Vater lag am Sofa, zitterndes Weinen durchschüttelte ihn ganz. Locker faßte Alfred des Vaters Stirn, die kalte Greisenstirn, durchzogen von holzigen Adern.

»Fürchte dich nicht!« sagte der Sohn.

Der Alte schüttelte den Kopf, riß Alfreds Hand herum.

Warme Feuchtigkeit rann ihm aus den Augen, lau bestrich sie die kalte Stirn. Kraftloses Verzweifeln rann aus dem kraftlosen Kopf. Einzige Hilfe blieb: Licht. Alfred zündete drei Flammen an; knallend schlug vom flackernden Zündholz die weiße Flamme in die Dauerbrenner, brutal niederblendend alles. Der Alte verkroch sich, löschte die Tränen an dem Sofakissen, niederzwingend seinen Kummer, schon reckte er sich, schon richtete er sich auf.

Scham ergriff Alfred, den Alten, den zärtlich umstreichelten, jetzt zu sehen in seiner Zerknitterung.

Durch Gitterstäbe starrte er in die Nacht, lange sah er nichts, durch Auerbrenner geblendet, endlich wurde sichtbar wie Meeresgrund die dunkle Straße, viele Menschen, geballt aneinander, umringend Laternenpfähle, lichte Hüte im dunkelgelben Sommernebel, weiße Extraausgaben waren wie Tücher in den Händen.

Milada erwachte in Alfred, erwachte im ersten freien Augenblick, anreißend zuckenden Schmerz und böse blendendes Bild: weiße Tücher, weiße Kissen waren am Boden hingewälzt, die bösen Spiegelsplitter zu verbergen, vor Glassplittern zu schützen die nackte Geliebte.

Zur Arbeit in der Fabrik war sie zu schwach, aber »Liebesarbeit« mußte sie nun leisten. Wie gemein war der Augenblick, sehen mußte er die Geliebte in zärtlicher Umschlingung, in ungewollter Wollust, beim schnöden Gelderwerb.

Alfred, am Vater vorbei, getrieben vom Hunger zur Tat, nur heraus aus passivem Leiden, aus niederstürzender Bestürzung: aber der Vater haschte mit kraftloser Hand nach ihm, den Kopf hart hingepreßt gegen das Kissen. Alfred gab ihm die Hand, hielt lange des Vaters Hand, entglitt dem endlich Schlafenden, schloß das Fenster, fürchtend den Heliotropgeruch des Alten, fürchtend die Atmosphäre, die aus der Küche, aus Andulkas Kajüte, vom Lager des Hundes, dem alten Pelz unter dem Herd, übel hereinschwelte: mehr noch fürchtend den tiefen Hauch der Nacht, Gift für die arme Kehle des Vaters, die ausgeweinte!

Er löschte das Licht, legte sich hin.

Milada erstand in der Dunkelheit: schwarze Hitze prallte herab von der Decke des Zimmers, flimmernde, noch wallende Erhitzung durch drei Auerlampen. Böse Falten im Teppich, dreieckig gefaltete, stachen ihn aus dem Schlaf, wilde Wollust, halb erst erträumt, ließ ihn böse Augen aufreißen, böse verschlucken leere Dunkelheit ... Schweiß sickerte leer über das Auge herab. Milada, im schwarzen Wald, unter Kieferbäumen, aushauchend harzigen Geruch wie die heißen Bäume ringsum, Milada, ihn überwälzend mit Zärtlichkeit, Angst; Sausen der Stille in der leeren Hitze, harter Boden, harte Hände, anfassend an den Hüften, geöffneter Mund, eröffneter Schoß, wilde Wut, niederstürzend aus dem innersten Körper in die letzte Erfüllung!

Wehrlos war er gegen das Dunkel, gegen gewaltsam aufraffende Träume; wehrlos gegen den Neid, der ihn tiefer noch aufrührte, wehrlos gegen Eifersucht, die ihm die Zähne zusammenbiß, bittere Galle aufpumpte gegen die Zunge. Er war still, solid, ein guter Sohn, wachend am Lager des guten, vom Unglück getroffenen Vaters. Aber dort, im schwarzen Wald, im Hotelzimmer, auf den Bänken des Parks, weiß glimmernd in plissiertem Kleid, im ausgeräumten Zimmer, die Spiegeltrümmer mit Decken verbergend, überall wälzte sich Milada mit ihrem Galan, streckte schamlos die Hand von der letzten Blöße fort nach Banknoten, nach gewaltigem Geld.

Aber etwas Gutes hatte alles: der Krieg war abgewendet, abgewendet das schauerlich klirrende Wort, von Alfred nur als sinnlos getürmtes Grauen geahnt; lange hatte er früher gezittert beim Anblick einer Photographie aus dem Balkankriege: ein Türke zerrauften Haares, dunklen Turban mit drei queren Streifen auf dem Kopf. Im rechten Auge aber, zwischen den Augenlidern starrte ein braunes Stück Fleisch, grauenhaft verdorrt, heraus: ein Stück Zunge, dem Verwundeten von bestialischen Serben aus dem Mund geschnitten, an Stelle des ausgestochenen Auges in die leere Augenhöhle gepreßt! Es war eine Photographie, von Pierre Loti aufgenommen, auf die Titelseite eines Buches über den Türkenkrieg gegen die Serben gedruckt.

Schrecklich war Miladas schmutzbeschmiertes Hemd, schrecklich der Vater, zerknittert durch Selbstverachtung, durch schlaff verzweifeltes Gewinsel, schrecklich er selbst, »e Fraß« niederschmetternd auf Baumöhl, aber vor unendlichen Serbengreueln war die Welt bewahrt. Halt war im Menschen. Überall war »Mensch von seinem Menschen«, Güte von seinem guten Willen, begütigende Abgeordnete in der Skupschtina. Nichts war ganz verloren. Lange hatte Alfred überlegt, ob dem Türken durch ärztliche Kunst, durch plastische Operation zu helfen sei, von Narkose träumte er, von dem weißen Skalpell des Professors, hervorblitzend aus der Alkoholschale, vom Sekundenfall funkelnder Äthertropfen, von unendlicher Betäubung und letztem Trost in der Verzweiflung. Aus schwerem Schlaf kreischte ihn empor das Schrillen der Glocke im Korridor.

Stumpfbrutal glänzte das Gesicht Baumöhls im harten Morgenlicht, von strahlender Spekulantenfreude bedeckt. Schwarz in langem Leibrock, klug verkniffenen Gesichts bohrte sich Aiblhuber vor.

»Herr Dawidowitsch! Was schlafen Sie jetzt! Wachen Sie auf! Herr, was sind Sie für ein Mann! Recht haben Sie gehabt, Ihre Nase möcht' ich haben! Ihren Verstand! Keine Spur, daß die Serben annehmen, Krieg is, zerschmettern wird man sie von jetzt in vierzehn Tagen!«

Aiblhuber: »Jetzt wirst schauen, Brüderl, wie Leben kommt in unsere Papiere! Die Serben, die müßte man nicht erschießen, erwürgen möcht' ich sie alle mit einer Hand!« Knochige Faust, schwarzer Würgring wurde seine Hand.

Entgeistert hob sich der Vater: »Nicht möglich!«

Wut des gestörten Schlafes, Abscheu vor Baumöhls fettiger Gestalt riß Alfred empor. Ganz nahe an seinem Vater, riechend den üblen Heliotropgeruch, sah er Baumöhls elendes Wort, Aiblhubers schwarz gekrümmte Faust in seines Vaters Gesicht gespiegelt. Alfred verließ das Zimmer, um in die Klinik zu gehen.


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