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Begleitwort

Die Arbeiten, die ich in diesem Sammelwerk dem Publikum vorlege, erstrecken sich über ein Vierteljahrhundert. Eine Anzahl von ihnen sind in Abständen von Jahren als Einzelveröffentlichungen publiziert worden, so die Kunst der Erzählung 1904, das Gespräch über die Liebe 1906, der Literat 1911, die beiden Reden über Humanität und Gestalt 1924, außerdem jene drei ersten zusammen mit dem Versuch »Was ist Besitz?« 1921 in dem Band »Imaginäre Brücken« bei Kurt Wolff. Die siebenunddreißig Stücke des ersten Teils sind hingegen nur in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt gewesen, ausgenommen der Nachruf an Ferruccio Busoni, den ich im Verlag S. Fischer für die Freunde des hingegangenen Meisters als Privatdruck erscheinen ließ, ausgenommen ferner die beiden Briefe an den jungen Philosophen, die vorher niemals veröffentlicht wurden.

So weit das Bibliographische. Was das Geistige betrifft, von der Dienlichkeitserwägung an bis zur Ordnung und letzten Redaktion, muß ich gestehen, daß ich mich zur Herausgabe nicht ganz leicht entschlossen habe. Ohne das dringliche Interesse und beharrliche Zureden Johannes von Guenthers, der in diesem Fall nicht nur pflichtgemäß als literarischer Beirat des Grethleinschen Verlages handelte, sondern mir auch durch seine (darf ich sagen: allzu freundliche?) Überzeugung von der Nützlichkeit, ja Unaufschiebbarkeit des Unternehmens half, ohne diese Ermunterung hätte ich Mut und Lust dazu wohl noch lange nicht gefunden. Ich liebe es nicht, Bücher zu machen. Wenn ein Buch nicht als solches geboren ist, warum soll man es dann erst mühselig herstellen; das Vorhandensein der Bestandteile schafft die Notwendigkeit noch nicht, und obschon es viele tun, obschon es heute fast die Regel ist: hier rechtfertigt der Brauch keineswegs die Befolgung. Die Bücher, die man schreiben muß und die dann gebieterisch das Leben des Autors regieren, ja ihn in ein unwirkliches, scheinhaftes (bisweilen freilich auch überwirkliches) Leben, entfernt vom wirklichen, drängen, sind ja Last und Plage genug. Da regt sich dann das Bedenken, ob man befugt ist, diesen elementarischen und gegenwärtigeren Gebilden in den Weg zu treten; sie beanspruchen soviel Zeit zur Entstehung, existieren sie einmal, so wollen sie, durch die Fülle des Gleichartigen ohnehin behindert und beengt, nicht von ihrem Erzeuger selbst in eine unlautere Konkurrenz mit Theorie und Äußerung gestellt werden. Der Tag fordert mancherlei an Meinung, Deutung, Erklärung, Parteinahme, Polemik, Verteidigung, Abwehr und Manifest; möge es, sagt man sich, der nächste Tag wieder verschlingen, es ist am Ende nicht mehr wert, was kümmern sich Zukunft und Zukünftige um die vergänglichen Wichtigkeiten.

Indessen, als ich mir überlegt hatte, daß es schließlich doch eine Art Lebensdienst sei, den ich mit den Arbeiten im Laufe vieler Jahre geleistet, und daß das Vielfältige und oft Gelegentliche, in den rechten Zusammenhang gebracht, nicht nur einen bestimmten Sinn ergeben, nicht nur die Einheit einer Person und eines Werkes aufzeigen und bestätigen würde, sondern auch, genau wie gedichtete Gestalt und erfundene geschaute Welt, wenn auch in bescheidenerem Maß, als Mitgeteiltes nur, zum Bild werden könne, Bild eines Kampfes, eines Weges, fühlte ich den hypochondrischen Widerstand schwinden, meinen Ehrgeiz höher zu spannen, schien mir nicht vonnöten.

Altaussee, im Mai 1928
J. W.


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