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4

Dick glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Gespannt prüfte der das Lichtbild, das er in der Hand hielt. Ja, es war so. Zu gut waren die Einzelheiten des Fingerabdrucks des Mörders von Slough in seinem Gedächtnis eingeprägt, als daß er sich hätte irren können.

»Merkwürdig!« sagte er endlich. »Was wollen die Leute von Derrick? Er hat, wie er selbst zugibt, nur ganz minderwertige Silbergeräte in jenem Haus aufbewahrt. Diese können es also nicht sein, die einen Einbruch in seiner Wohnung lohnenswert machen. Das ist aber schon der zweite Versuch ...«

»Nein, der dritte«, verbesserte ihn Bourke. »Einmal wurde, ohne daß Derrick etwas davon erfahren hatte, im Haus eingebrochen. Wissen Sie, was ich glaube? Nein? – Setzen Sie sich erst einmal, Staines. Wie Sie wissen, ritt der alte Derrick, der Vater Walters, ein ganz besonderes Steckenpferd?!«

»Ja, sein Sohn erzählte mir erst gestern davon.«

»Von der Fingerabdrucksammlung seines Vaters?«

»Ja.« Dick nickte bestätigend.

»Wir nannten den Alten hier im Yard bloß den ›Amateur-Daktyloskopen‹; er muß Tausende aller möglichen Abdrücke gesammelt haben. Sein ganzes Sehnen und Trachten ging darauf hinaus, die Polizei mit ihrer Annahme, es gäbe keine Fingerabdrücke verschiedener Personen, die einander völlig gleich seien, ins Unrecht zu setzen. Sonst geizig wie ein Shylock, war ihm für sein Steckenpferd nichts zu teuer. Er war so ein Fanatiker, wie es nur je ein Bibliophile gewesen sein mag. Den ganzen Tag brachte er in seinem Arbeitszimmer mit dem Tabellieren und Registrieren der gesammelten Abdrücke zu. Sogar uns vom Yard, die wir doch bestimmt in dieser Art Erkennungsdienst keine Waisenknaben sind, konnte er allerlei Neues bringen. Ich bin fest überzeugt, daß er seiner Theorie doch noch zum Erfolg verholfen hätte, wenn er nicht vor der Zeit ins Jenseits abberufen worden wäre.«

Bourke unterbrach sich und blickte seinen Inspektor nachdenklich an. Nach kurzer Pause fuhr er fort: »Ich bin nun zu der Überzeugung gekommen, daß es dem alten Derrick kurz vor seinem Tode doch noch gelungen sein muß, die lange gesuchte Doublette von Fingerabdrücken zu finden; er wird den Abdruck, den der Mörder von Slough auf der Mordwaffe hinterlassen hatte, zwischen den von ihm neu gesammelten wiederentdeckt haben.«

»Aber«, gab Staines zu bedenken, »Walter Derrick hatte doch, soweit ich unterrichtet bin, die ganze Sammlung seines Vaters verbrennen lassen, nicht wahr?«

»Die ganze? Wer weiß! Das einzige, was wir wissen, ist, daß der Sohn nach seiner Rückkehr die von ihm aufgefundenen Sammlungsstücke zerstören ließ. Ich habe damals die Sammlung mit eigenen Augen gesehen; sie füllte die ganze Längswand im Arbeitszimmer des alten Derrick aus. Walter Derrick bot uns bei seines Vaters Tod die komplette Sammlung an. Wir lehnten jedoch ab, da es uns nicht gestattet ist, Fingerabdrücke Unbestrafter zu sammeln. Vielleicht sind aber, trotz der Zerstörung durch den Sohn, einige besonders wichtige Stücke übriggeblieben, hinter denen die Einbrecher nun her sind. Warum sollten sie auch sonst dort einbrechen? Walter Derrick gibt selbst an, daß in seiner Wohnung so gut wie gar keine Wertgegenstände aufbewahrt werden. Die einzige Erklärung für die Einbrüche ist vielleicht in dem Wunsch der Einbrecher zu suchen, ein sie besonders interessierendes Stück der Sammlung in ihre Hände zu bekommen, oder es wenigstens den Blicken Unbefugter zu entziehen. Man hat ja überhaupt nichts vermißt; gestohlen wurde gar nichts: Also wozu der große Aufwand und das Risiko, das die Einbrecher bei ihren wiederholten Versuchen eingegangen sind?« Bourke streckte dramatisch seine Hände aus: »Legen Sie dem oder den Einbrechern die Handschellen an, Staines, und ich wette, Sie werden den Mörder von Slough festgenommen haben.«

Der Inspektor ging an die Aufklärung des neuen Falles mit besonderer Methode heran. Er versuchte, alles, was er von dem Fall wußte, aus seinem Gedächtnis auszuschalten, um dessen einzelne Phasen möglichst unvoreingenommen prüfen zu können. Eine Gewißheit hatte er wenigstens: Die blauäugige Krankenpflegerin von Brighton konnte aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschaltet werden; er hatte sich mit eigenen Augen von ihrem Alibi überzeugen können. Er hatte Mary Dane seit jenem Maskenball nicht wiedergesehen, hatte sie aber auch nicht vergessen. Allein Tommys Briefe hatten dafür gesorgt. Im letzten hatte der Lord geschrieben:

»Ich sah sie in Littlehampton auf einer Promenadenbank sitzen und hielt sofort meinen Wagen an, um sie begrüßen zu können. Sie war recht liebenswürdig und erkundigte sich eingehendst nach Dir. Das alte, in der Weltgeschichte umhergefahrene Wrack Cornfort wachte während der Unterhaltung auf, um sich mit mir dreiviertel Stunden lang über das schöne Wetter zu unterhalten. Heute fahre ich nach Petworth, wo der alte Drachen von Tante wohnt, die ich, leider Gottes, besuchen muß. Daß sie in einem Schloß wohnt, das von der Umgebung durch einen Wallgraben abgeschlossen wird, macht die Aussicht, dort einige Wochen verbringen zu müssen, für mich nicht schmackhafter. Du kannst Dir nach meinen Mitteilungen denken, wie ›gern‹ ich hinfahre. Aber was soll ich machen? Jetzt, wo die Sozialisten den armen Kapitalisten alles wegnehmen wollen, was sie haben, muß man sehen, wie man sein Leben fristen kann.«

Staines' Nachforschungen nach dem Mörder von Slough, die er gleichzeitig mit der Untersuchung der Einbrüche in Derricks Haus betrieb, schienen im Sand zu verlaufen. Nichts Neues war ausfindig zu machen. Einige Tage später erhielt er von Walter Derrick eine Einladung zum Lunch. Das Schreiben schloß folgendermaßen:

»Haben Sie etwas Neues hinsichtlich des Fingerabdruckes auf dem Bierglas Larkins ausfindig machen können? Hat Ihnen diese neue Spur auf die Sprünge geholfen?«

Warum interessierte sich Derrick für den Erfolg Staines'? Der Inspektor dachte nicht im Traum daran, die Neugierde Walter Derricks zu befriedigen. Er war sich selbst noch gar nicht so sicher, daß Bourke mit seinem Verdacht recht hatte. Derricks Vermögen war in Grundstücken angelegt; er war darin dem Beispiel seines Vaters gefolgt, der das Geld nur durch Spekulationen auf dem Immobilienmarkt erworben hatte. Um endlich einmal die wirkliche Höhe der Hinterlassenschaft festzustellen, beschloß Staines, die Hilfe einer befreundeten Hypothekenmaklerfirma in Anspruch zu nehmen. Er hatte das Glück, gleich an die rechte Schmiede zu kommen. Schmeichelhaft war die Auskunft, die der Makler über die Methoden des alten Derrick gegeben hatte, für den Verstorbenen keineswegs.

»Einer der gerissensten Schieber Londons«, berichtete der alte Herr, nachdem er Dicks Mission erfahren hatte. »Er hatte für unsere Branche eine Nase wie ein Bluthund. Sie wissen ja, wie klein er anfing; er hatte ein unbedeutendes Bauunternehmen und schwang anfangs selbst die Kelle wie nur irgendeiner seiner Leute. Mein Vater erzählte mir einmal, daß er den damals noch jungen Derrick beim Aufbau seines eigenen Hauses überrascht habe.«

»Hat er viele Grundstücke hinterlassen?« wollte Dick wissen.

»Im Gegenteil. Sein Vermögen festzulegen, dazu war er zu schlau. Er spekulierte nur damit. Er wußte auf die Sekunde genau zu sagen, wann es Zeit wurde, abzustoßen und wieder zu kaufen. In dem halben Jahr, das seinem plötzlichen Tod vorausging, haben wir für ihn für etwa achthunderttausend Pfund Grundstücke versilbert. Ich erinnere mich der Transaktion um so genauer, da die Auszahlung unserer Provision bei ihm auf Schwierigkeiten stieß. Einige Monate darauf verkaufte er durch Haytors zwei Geschäftshäuser. Barzahlung, Sir, einhundertundvierzigtausend Pfund, bar auf den Tisch gezahlt. Schecks nahm er überhaupt nicht; er traute, wie er sagte, den Banken nicht über den Weg. Ich selbst spazierte mit ihm einmal seiner Wohnung zu, während er eine Aktenmappe mit über einer viertel Million in Banknoten unter den Arm geklemmt bei sich trug.«

»Ehe er starb, dürfte er wohl sein ganzes Vermögen wieder in Grundstückswerten angelegt haben?« schlug Staines auf den Busch.

»Nein, nicht daran zu denken, Sir. Er hatte zwar, wie ich zufällig weiß, die Absicht, kam aber nicht mehr zum Kauf. Ich hatte in seinem Auftrag bereits Verhandlungen angeknüpft, ein Citygrundstück für ihn zu kaufen: der Kaufpreis sollte vierhunderttausend Pfund betragen. Er starb aber, ehe die Verhandlungen zum Abschluß gekommen waren.«

»Hatte er Feinde?«

»Nicht, daß ich wüßte. Das ist ja das Merkwürdige, daß er, obwohl er so geizig war, doch gut zu leiden gewesen ist. Sogar meine Kollegen, die die Kosten für seine Spekulationen zu tragen hatten, waren ihm wohlgesinnt. Für das Grundstück auf dem Lowndes Square wurden ihm häufig recht hohe Summen geboten, aber er lehnte alle Angebote ab. Das Haus wollte er, wie er sagte, überhaupt nicht verkaufen. Wahrscheinlich spielte bei diesem Entschluß, so unfaßbar mir auch der Gedanke ist, irgendeine Sentimentalität mit. Er hatte das Haus ja eigenhändig mit bauen helfen und es dann später, auch wieder nach eigenen Plänen, ummodeln lassen. Jedenfalls wollte er niemals irgendein Angebot auf das Grundstück berücksichtigen.«

Staines traf mit Walter Derrick in dessen Klub auf der Mall zusammen. Lächelnd begrüßte ihn der Gastgeber: »Die verdammten Einbrüche haben mich ganz nervös gemacht«, sagte er. »Vorige Nacht konnte ich kein Auge schließen. Was ich noch sagen wollte. Larkin entsinnt sich nun der Einbrecherin; er beschreibt sie als wirkliche Schönheit. Das hat man davon, wenn man Junggeselle ist: Sogar nachts lassen einen die Weiber nicht in Ruhe, und wenn sie einbrechen müssen!«

Er kicherte vergnügt vor sich hin, wurde aber wieder ernst, als er auf die Unannehmlichkeiten zu sprechen kam, die der Einbruch für ihn zur Folge gehabt hatte.

»Ich will heute abend noch auf mein Landgut fahren«, teilte er seinem Gast mit. »Ich habe zur Unterstützung Larkins noch einen zweiten Mann engagiert.« Nach kurzem Schweigen setzte er hinzu: »Wenn ich nur wüßte, was die Leutchen eigentlich in meinem Haus suchen. Ja, wenn es zu Vaters Lebzeiten passiert wäre, dann könnte ich die Einbrüche eher begreifen; er hatte ja immer sein ganzes Vermögen zu Haus. Als ich nach seinem Tod die Hinterlassenschaft: übernahm, fand sich das gesamte Vermögen von vierhundertzwölftausend Pfund in einer Kassette, die er unter dem Bett stehen gehabt hatte.«

Überrascht blickte Dick auf.

»Wieviel sagten Sie, daß Sie gefunden haben?« fragte er gespannt.

»Vierhundertzwölftausend Pfund!« wiederholte Derrick.

»Und das war alles, was Sie erbten?«

Walter Derrick lächelte.

»Viel ist es ja nicht, aber für mich langt es«, entgegnete er. »Ja, das ist das ganze Erbteil. Die Leute halten mich für einen Millionär. Das bin ich nun zwar nicht, aber ich fühle mich trotzdem als solcher, was Ihnen, wenn Sie vierhunderttausend Pfund besäßen, wohl auch so ginge.«

Bei Dick dämmerte es langsam.

»Haben Sie sich denn niemals erkundigt«, fragte er, »ob nicht etwa noch weitere Gelder vorhanden waren? Hat Ihnen denn der Anwalt Ihres Vaters ...?«

»Mein Vater hatte keinen Anwalt«, gab Derrick zurück. »Warum aber diese Fragerei, Mr. Staines? Einige Kleinigkeiten hat mein Vater ja noch hinterlassen, Landgrundstücke usw., aber alle ohne besonderen Wert. Nein, die vierhunderttausend waren alles, was ich vorfand.«

Ungläubig starrte ihn Dick an. »Wollen Sie mich wirklich glauben machen, daß Sie sich niemals erkundigten, welche Geschäfte Ihr Vater vor seinem Tod gemacht haben könnte?«

»Nein, ich habe es nicht der Mühe für wert befunden, es zu tun. Was aber wollen Sie mit Ihren Fragen sagen, Mr. Staines?«

»Gleich werde ich Ihnen Auskunft geben, Mr. Derrick«, hielt ihn Dick noch einen Augenblick hin. »Starb Ihr Vater plötzlich, oder war er längere Zeit bettlägerig?«

»Er starb unerwartet. Er legte sich hin und war weg. Bis dahin ist mir nicht bekannt, daß ihm etwas gefehlt hätte. Also, nun sagen Sie mir doch endlich, was Sie wissen!?«

»Hören Sie: Das Geld, das Sie als Gesamterbschaft betrachten, war der Kaufpreis für ein Grundstück, über das Ihr Vater kurz vor seinem Hinscheiden verhandelte. Ich weiß aber aus bestimmter Quelle, daß er innerhalb des letzten halben Jahres vor seinem Tod zweimal größere Beträge – einmal achthundert- und ein andermal einhundertfünfzigtausend Pfund – in barem Geld ausgezahlt erhielt. Ihr Vater hat also kurz vor seinem Tod über eine Million Pfund in bar erhalten. Das, was Sie fanden, ist folglich nur ein Bruchteil davon. Da er nun, wie mir auch von anderer Seite bestätigt wird, mit Banken nichts zu tun haben wollte, muß das Geld irgendwo in Ihrem Haus verborgen sein.«

Der andere sah seinen Gast an, als habe dieser den Verstand verloren. Sein sonst so gesund gerötetes Gesicht war leichenblaß geworden.

»Halten Sie mich nicht für ganz verrückt, Staines«, brachte er endlich mühsam heraus, »daß ich so unsäglich dumm war, die Erbschaft anzutreten, ohne mich nach Einzelheiten zu erkundigen. Erzählen Sie mir, was Sie von der Sache wissen, und wenn sich durch Ihre Mitteilungen noch größere Vermögensteile finden sollten, werden Sie mich nicht undankbar finden. Ihnen habe ich es doch nur zu verdanken, daß mir endlich reiner Wein über die Vermögensverhältnisse meines Vaters eingeschenkt wird.«

Dick überging das verhüllte Angebot mit Stillschweigen, gab aber den erbetenen Rat: »Wir müssen Ihr Haus vom Keller bis zum Dach gründlich durchsuchen«, meinte er. »Sicherlich ist dort irgendwo ein Versteck vorhanden, von dem Sie bisher keine Ahnung hatten. Ihr Vater hat ja das Haus nach eigenen Plänen um- und gleichzeitig wahrscheinlich ein Versteck mit einbauen lassen.«

Eine Frage, die Derrick auf den Lippen zu schweben schien, blieb unausgesprochen. Er hatte es eilig, den Rat Dicks schnellstens zu befolgen. Die beiden Herren brachen auf, um sich nach dem Lowndes Square zu begeben. Als ihnen Larkin öffnete, begrüßte er sie und wandte sich an Derrick: »Ich habe Ihre Nachricht erhalten, Sir.«

»Eine Nachricht von mir?« verwunderte sich der andere.

»Ja, Ihren Anruf, in dem Sie mir mitteilen ließen, daß heute abend ein Herr vorsprechen werde, um die Zimmer für neue Teppiche auszumessen.«

Dick blickte Derrick verständnisvoll lächelnd an.

»Es ist gut, Larkin«, begnügte sich der Hausherr seinem Wächter zu erwidern, und begab sich mit seinem Begleiter ins erste Stockwerk hinauf. »Ich habe keine derartige Botschaft gesandt, Mr. Staines«, wandte er sich an den Inspektor. »Sie wissen ja selbst, daß ich heute nach Godalming fahren wollte und nicht im Traum daran dachte, hierher zurückzukehren. Ein ziemlich abgegriffener Trick das, Mr. Staines, die Leute durch einen fiktiven Anruf aus dem Bau zu locken. Man mußte ja gewärtig sein, daß mich Larkins anrufen würde, um den Befehl bestätigt zu erhalten.«

»Vielleicht war das sogar beabsichtigt«, gab Dick zurück. »Man wollte Sie wohl bestimmt heute abend hier haben. Nun, der Wunsch kann den Herrschaften erfüllt werden; ich werde mein Quartier ganz in der Nähe aufschlagen.«

Derrick schien die Sache ernster zu nehmen.

»Ich möchte nur wissen, was die Leute von mir wollen«, rief er besorgt aus. »Sie sollen mich in Frieden lassen.« Er schwieg und runzelte nachdenklich die Stirn: »Nein, es ist unmöglich; das kann es nicht sein.«

Gewaltsam schüttelte er seine Besorgnisse ab und wurde nach wenigen Minuten wieder der Lustige, als den Staines ihn kannte.

»Kommen Sie, wir wollen die Schatzsuche beginnen«, bat er.

Sie blieb vergeblich, so sehr die beiden sich auch bemühten, das vermutete Versteck ausfindig zu machen. Nachdem sie alle Schränke, Kästen und Wände abgeklopft, mußten sie sich endlich doch geschlagen geben.

Die Mauern schienen gebaut zu sein, um schwerstem Geschütz standzuhalten; die Eichenbohlen des Fußbodens waren zu massiv, um Aushöhlungen enthalten zu können. Nur die Planlosigkeit des ganzen Baus fiel den Suchenden auf. Treppen und Winkel tauchten unvermutet auf, Nischen und Balkone waren an den unmöglichsten Stellen angebracht; nur das, was sie suchten, das Schatzversteck, blieb unauffindbar. Endlich betraten die beiden Männer das Zimmer neben der Küche, in der Dick in jener Regennacht die Einbrecherin überrascht hatte. Derrick öffnete einen verschlossenen Schrank.

»Hier ist etwas, was Sie interessieren dürfte, Mr. Staines«, sagte er und entnahm dem Fach eine rostige Stahlkassette, die er mit dem darin steckenden Schlüssel aufschloß: »Hier in diesem Kasten fand ich die vierhundertzwölftausend Pfund, mein Erbteil.«

An der Innenseite des Kassettendeckels war eine klammerähnliche Vorrichtung angebracht, die ein Instrument festhielt, das einer medizinischen Spritze ähnelte. Am oberen Ende des Saugers befand sich ein Gummiball, während der untere Teil in einer trompetenartigen Ausbuchtung endigte.

»Was ist denn das für eine merkwürdige Vorrichtung?« fragte Dick und betrachtete das Instrument mit großem Interesse.

»Ich habe keine Ahnung«, gab Derrick zurück.

Den Zylinder krönten zwei parallel laufende, etwa zehn Zentimeter lange Messinghalter. Sie waren es, die Dick endlich auf den Zweck der Vorrichtung brachten. Er preßte den Gummiball auf den Deckel der Stahlkassette und zog an den beiden Messinghaltern. Mit einem »Klick« schnappte eine Feder ein, und so sehr Dick sich auch bemühen mochte, den Saugball vom Deckel loszulösen, wollte es ihm doch nicht gelingen. Der ganze Mechanismus war weiter nichts als eine Vacuumsaugpumpe. Erst als Staines die vorher eingeschnappte Feder entdeckt und sie zurückgeschoben hatte, ließ sich der Sauger wieder von der Kassette lösen.

»Lag das mit in der Kassette?« erkundigte sich Dick, auf den Sauger zeigend.

»Ja, beim Geld«, gab Dick Auskunft.

Da die Suche ergebnislos verlaufen war, brachen sie sie ab. Staines begab sich anschließend zu einem alten Baumeister, der sich in Wandsworth Road nach einem arbeitsreichen Leben zur Ruhe gesetzt hatte. Sein Gedächtnis hatte zwar ziemlich nachgelassen, aber es genügte noch, um sich der Umstände zu entsinnen, unter denen er seinerzeit vom alten Derrick den Bau des Hauses auf dem Lowndes Square übernommen hatte. Vor der Vollendung, so erzählte der Alte, habe man einen großen Geldschrank angeschleppt gebracht, der, ohne daß er wisse wo, eingebaut worden war. Josua Derrick hatte ihn höchst eigenhändig während der arbeitsfreien Sonntage an Ort und Stelle ummauert. Die Schlußarbeiten hätten fremde Maurer verrichtet, die Derrick aus dem Ausland hatte kommen lassen.


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