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Winter auf Maloja!

Der wilde Hochpaß eine fast flache Tafel von strahlendem Weiß, daß die Augen, die lange darauf hinsehen, schmerzen und, geblendet von dem Glanz, sich schließen müssen. Ganz Maloja mit seiner hartgefrorenen Schneedecke gleich einer Riesenleinwand, darauf Sivo Courtien sein Riesenwerk hätte schaffen können – wäre seine Hand nicht matt, sein Geist nicht schwach, seine Seele nicht müde des Kämpfens und Ringens geworden ...

Für die Kinder von Maloja war die lange Winterzeit eine lange Festzeit. Zwischen hoch aufgeworfenen Schneemauern gingen sie zur Schule. Bei Sonnenschein war's, als hätte man für die Kleinen den Weg durch mit Brillantstaub bestreute Silberberge gebahnt. Die Knaben, die sich bereits den Schneeschuh der Erwachsenen anschnallten, spotteten über jene, die durch den funkelnden Hohlweg mühsam zur Paßhöhe aufsteigen mußten. Selbst die Schlittenfahrer wurden von den »Großen« verächtlich angesehen. Aber ob klein, ob groß – alle zogen in heller Winterfreude zur Schule, mit geröteten Wangen und blitzenden Augen einer Schar jubelnder Bergkobolde ähnlich. Man sah es den Eltern dieser fröhlichen Schar nicht an, daß einstmals auch sie lustige, glückliche Kinder gewesen.

Das waren sie auch nicht gewesen. Eltern und Großeltern und Urgroßeltern dieser kleinen Malojaleute waren als Kinder stille, ernsthafte Menschlein, denen man schon ansehen konnte, daß aus ihnen stille, ernsthafte Frauen und Männer werden würden, von so dunkler Gemütsart wie das Gewand, das sie trugen.

Es war der erste Winter, daß auf Maloja solche jubelnde Kinderschar zur Schule zog.

Jeden Tag von neuem mußte die Lehrerin von Maloja diese eigentümliche Erscheinung bemerken und darüber sich in Gedanken verlieren: sie selbst hatte den Kindern keinen solch fröhlichen Schulgang bereiten können; nicht mit allem guten Willen, allem strengen Pflichtgefühl, aller Liebe zu den Kindern, die eigentlich keine rechte Liebe war, sondern eben nur Pflichterfüllung.

In der Frühe eines jeden Tages stand Maira am Fenster, um die Kinder zur Schule kommen zu sehen, auf ihren Jubel zu lauschen und über die Wandlung zu sinnen, die mit den jungen Seelen sich vollzogen hatte – sich vollzogen durch einen anderen.

Diese Erkenntnis erregte nicht ihren Neid, gewiß nicht – schuf ihr jedoch ein leises Weh: nicht etwa über die Lust, die nicht sie den Kindern geschenkt, sondern über die Ohnmacht ihres Willens, an dessen Wunderkraft sie geglaubt und der nicht einmal Kindern Lachen und Lust geben konnte. Sie glaubte nicht mehr daran. Wie aber sollte sie mit ihrem erschütterten Glauben dem Freunde helfen, der gleichfalls seiner Güter Höchstes verloren?

Sie waren beide um ihren Talisman, ihren Lebensquell, ihren Lebensinhalt gekommen! Und beide schon jetzt, schon so bald!

Wodurch darum gekommen? ... Der Mann durch seine Leidenschaft. Und die Frau?

Mit dem ganzen Ernst ihres Wesens legte sie sich beständig diese Frage vor, streng sich prüfend, unerbittlich sich erforschend. Als sie sich dann die Antwort erteilte, erfuhr sie eine tiefe Erschütterung: Durch ihre Liebe hatte ihr Wille seine Kraft verloren!

Auch sie, selbst sie, ward durch das höchste und herrlichste Gefühl einer Frau in ihres Wesens Kern geschwächt; auch sie war erkrankt. Ihre Liebe hatte sie verleugnen wollen, wie der Jünger seinen Herrn und Heiland verleugnete. Aber die Gotteslästerung hatte sich an ihrer Seele gerächt und dieser die Kraft genommen, als sei ihre Seele von einem Gebresten, einem Todesübel befallen worden. Sie hatte ihre Liebe ersticken und erwürgen, sie fassen und in einen Abgrund werfen wollen, als wäre sie ein Ding. Aber ihre Liebe hatte ihr mit Posaunenton zugerufen: ›Ich lebe in dir! Und sieh – ich bin göttlichen Ursprungs! Du kannst nicht töten, was unsterblich ist.‹

Alle ihre Entsagung war nicht Entsagung, ihre Hoffnungslosigkeit nicht Hoffnungslosigkeit gewesen.

Das war es: daß ihre Liebe nach Leben schrie. Sie wollte ausgesprochen sein, aufgejubelt zu der Gottheit, die ihren Menschen als höchstes und letztes aller Sakramente die Liebe gab. Hätte sie den Mut besessen, Sivo Courtien das Geheimnis ihrer leidenschaftlichen Liebe, die in keinem Atemzuge Schwesterliebe war, wissen zu lassen – ganz gleich, ob sie wieder Liebe empfing –, so hätte das Heldenhafte dieses Geständnisses ihrem Willen jene Kraft gegeben, die keine Gewalt zu biegen und zu brechen vermochte. So wenigstens glaubte sie in den dunklen Stunden, die seit dem Sommer über sie kamen.

Wie sie litt! Wie sie die Empfindung ihrer Schwäche als Geißel über ihrer Seele schwang, bis diese blutende Wunden davontrug. Mit blutender Seele ließ sie ihrem Munde keinen Schmerzenslaut entschlüpfen. Sie war jedoch auf diese Kraft nicht stolz. Nie mehr würde eine Kraft sie beseelen, auf die sie stolz sein durfte: auch ihr Stolz war gebrochen.

Was konnte diese in Finsternis gesunkene Frauenseele wieder zu lichten Höhen erheben?

Welche Tat, welche Liebestat?

Wenn sie in aller Frühe an dem Fenster ihrer hohen Warte stand, auf das weiße Land hinausschaute und auf den Jubel der zur Schule ziehenden Kinder lauschte, mußte sie an ihre eigene Kindheit, an die Kindheit ihres Freundes zurückdenken, die ohne Kinderfreude gewesen war. Ob sie und er wohl andere Menschen geworden wären, wenn sie beide eine frohe Kindheit gehabt hätten? Was für »andere« Menschen? War Sivo Courtien etwa kein glücklicher Mann?

Sie hatte gehört, er sei nicht in seinem Atelierhause geblieben; er sei hinuntergezogen. Andere hatten es ihr erzählt. Auch weshalb er nicht oben geblieben. Alle sprachen davon. Nur einer schwieg. Und – Maira dankte dem jungen Lehrer sein Schweigen.

Mehr als je scheute sie sich, unter Menschen zu gehen; denn sie wußten es alle und flüsterten es einander zu: deshalb kam Sivo Courtien herunter!

Nur von anderen hatte sie's gehört, ihn selbst sah sie nicht. Zu ihr kam er nicht. Er mied sie, floh sie. Scheu und Scham hielten ihn fern von ihr. Wie sie sich schämte, daß Scham den Freund hinderte, zu ihr zu kommen! Und sie konnte nichts tun, um dieses qualvolle Erröten vor ihr aus seiner Seele zu nehmen, die so rein gewesen war wie die Luft des Engadin an einem glanzvollen Wintertage, von Leidenschaften so unbefleckt wie die Schneegefilde, darauf der Knabe seine ersten Künstlergedanken niederschrieb, die ihre liebevolle Hand heimlich mit Arvenzweigen und dem immergrünen Laube der Alpenrosen bekränzte. Das waren gute Zeiten gewesen! Gute Zeiten auch die Jahre, in denen er in der Ferne verweilte, um ein Künstler zu werden, dessen Name zusammen genannt ward mit dem seiner Heimat; gute Zeiten, als sie, das unwissende Mesnerkind, erreicht hatte, fern von dem Freunde zu streben und zu streben, zu lernen und zu lernen, um seiner Heimat die erste Schule zu geben – um des geliebten Mannes weniger unwürdig zu sein. Denn nur darum hatte sie ihr Liebeswerk vollbracht! Daß sie es nur darum getan, war eine Schuld; und jede Schuld auf Erden wurde gerächt.

Wie weit lagen jene guten Zeiten hinter ihr; wie gleichgültig war ihr selbst das Gefühl ihres Unrechts geworden, seitdem er sich schämen mußte, sie wiederzusehen ...

Da drängte die fröhliche Kinderschar in das Haus, dessen Gemäuer den wüsten Lärm römischer Kohorten gehört hatte, und erfüllte die greisen Wände mit Jugendlust. Aber – Maira lauschte jeden Morgen darauf – die Kinder wurden schweigsam und scheu, sobald sie das Zimmer betrat. Auf dieses in ihrer Gegenwart plötzlich eintretende Schweigen lauschte das junge Mädchen. Dann erschien gewöhnlich auf der Schwelle des daranstoßenden Raumes, in dem die älteren Kinder – Mädchen und Knaben zusammen – unterrichtet wurden, der Lehrer, und im Augenblick war jede Scheu verschwunden, ertönte wiederum fröhliches Stimmengewirr. Denn jeden neuen Morgen wußte Dionisio Fidora einen neuen Scherz, mit dem er die Kinder begrüßte. Sie brauchten nur seine leuchtenden Augen zu sehen, um sogleich über das ganze Gesicht zu strahlen. Wie sie zu ihm eilten, ihn umringten, sich an ihn hängten!

Der Jüngling, umgeben von den Kindern, war jeden Tag ein Bild, auf das Maira voll aufrichtiger Freude schaute. Dies wurde auch dadurch nicht beeinträchtigt, daß sie wußte, was ihr junger Mitbewohner bei dieser stürmischen Begrüßungsszene jedesmal dachte: ›Siehst du, wie sie mich lieben! Ich brauche nur mein Lachen leuchten zu lassen, und die Seelen sind mein!‹

Ihre Gedanken erwiderten dann wohl den seinen: ›Aber nicht meine Seele! Die gehört mir ... Nein – sie gehört dem Geliebten!‹

Dann hielten Lehrer und Lehrerin Schule. Die Klasse der Älteren begann jeden Tag mit einem Gesange. Worte und Melodien waren von Dionisio eigens für die Kinder gedichtet und komponiert. Sein Mandolinenspiel begleitete die Lieder, wobei er die führende Stimme sang. Es waren nur heitere Weisen, welche die Kinder auch außerhalb der Schule anstimmten. Die Leute von Maloja hörten staunend auf den Gesang ihrer Mädchen und Knaben. Es ereignete sich, daß die Ernsthaften und Stillen von ihren Kindern diese und jene Melodie lernten: der Jüngling aus dem grünen Bergell brachte in die stumme Malojawelt Klang und Sang.

Heiter wie der Anfang gestaltete sich der ganze Unterricht der älteren Knaben und Mädchen. Das schwere, freudlose Lernen wurde ihnen bei ihrem jungen Lehrer zur hellen Lustbarkeit, zum vergnüglichen Spiel. Trotzdem lernten sie gut. Die Kleinsten freuten sich auf das Größerwerden; denn sie kamen alsdann von Maira fort zu den Großen, die in der Klasse solche hübsche Lieder sangen und so lustig lernten, daß sie lieber in der Schule waren als zu Hause, Und – die Lehrerin wußte das.

Wie still es in ihrer Klasse zuging, wie schwer ihr das Unterrichten fiel, wie schlecht die Kinder bei ihr lernten! Deshalb mußte der Lehrer bleiben, sollte sie auch für sich sein Fortgehen mehr und mehr wünschen müssen.

Wollte sie gerecht gegen ihn sein – und das blieb ihre feste Absicht –, so mußte sie gestehen, daß er ihr keinen Grund gab, ihn »mehr und mehr« fortzuwünschen; keinen anderen als das unheimliche, an Grauen streifende Gefühl, das sie bisweilen in seiner Nähe befiel. Dann schalt sie sich auf das heftigste; dann, um ihrer Empfindung unrecht zu geben, sah sie auf seine triumphierende Schönheit, hörte auf sein sonniges Lachen, erinnerte sich der Liebe, die er den Kindern einflößte, und rief sich mahnend zu: ›Wer von Kindern geliebt wird, muß ein guter Mensch sein! Kinder können nur gute Menschen lieben!‹ Sie bedachte nicht, daß sie, die Gute und Reine, seit langer Zeit vergeblich um die Liebe der Kinder rang, die dem Jüngling aus dem Süden in erster Stunde zugefallen war.

Nie wieder hatte sich dieser seiner Hausgenossin gegenüber vergessen wie in jener sternenhellen Nacht, wo Maira vor ihrem Hause vergeblich gewartet hatte; nie wieder hatte er in ihrer Gegenwart den Namen ausgesprochen, den beständig ihr Herz rief. Die Rücksicht, mit der der Fremde die Tochter des Mesners behandelte, war Zartheit; sein Benehmen fast ehrerbietig. Dabei ließ er keine Absicht merken, als ob diesem Betragen ein besonderer Zweck zugrunde läge. Alles an ihm war freie, natürliche Anmut, wie sie Maira bis dahin an keinem Manne gesehen. Sie war eine Eigenschaft jenes glücklichen Menschenschlages, mit dem das rauhe Volk der Alpen nichts gemein hatte – nichts gemein haben wollte.

Welch schlechte Lehrerin Maira war! Wie sie den Kindern, die sie lieben sollte, nicht nur nichts von ihrem Herzen, sondern auch wenig von ihren Gedanken geben konnte; denn ihre Gedanken weilten selbst während ihrer Lehrstunden nicht bei ihrer Pflicht. Wäre sie in Wahrheit die ehrliche Natur gewesen, die sie doch sein wollte, so hätte sie der Gemeinde erklären müssen: ›Ihr vertraut mir eure Kinder an. Ich kann jedoch das große und schöne Amt nicht ausüben, bin nicht wert, eure Kinder zu erziehen, muß zurücktreten von dem, was ich schuf. Entlaßt mich meines Amts als dessen unwürdig – wie ihr Gian Vital verjagtet. Und Gian Vital war euer getreuer Diener!‹ ... Zu allem Schweren ihrer Lebensbürde auch noch die Last ihrer Selbsterkenntnis!

War der Unterricht aus, so atmete sie auf; denn dann kam das Beste des Tages: des Tages Feierstunde. Da manche Kinder von der Schule weit entfernt wohnten, so wurde – zuerst nur für diese, später für alle – im Schulhause eine kräftige heiße Suppe bereitet, und Maira konnte sich als sorgendes Hausmütterlein erweisen. Dann verwandelte sich das Schulzimmer der Älteren zum Bankettsaal, dessen Tafel Dionisio stets einen festlichen Schmuck zu geben wußte, und wenn der auch nur aus mächtigen Sträußen von Arvenzweigen bestand, in alte, bunte Majolikagefäße gesteckt – er wußte eben in allem Anmut zu verbreiten, ohne dieser Tugend sich bewußt zu sein. Wenigstens hatte es so den Anschein, und selbst Maira mußte ihm darin gerecht sein. Dabei fühlte sie sich in Gegenwart des jungen Lehrers von aller Anmut verlassen. Was hatte sie auch mit dieser Göttin zu schaffen?

An diesen Mahlzeiten der Kinder nahmen Lehrer und Lehrerin teil. Dionisio unterhielt die Gesellschaft mit Geschichten. Er erzählte so gut, wie er die Mandoline spielte und Lieder sang. Aber während er nur daran zu denken schien, den Kindern Vergnügen zu bereiten, dachte er nur daran, daß Maira zuhörte. Für sie erfand er diese hübschen, lustigen Geschichten, für sie gestaltete er diese schwermütigen und oft tiefsinnigen Sagen. Und wenn er gewahrte, daß sie aufmerksam lauschte, daß ihr Blick gedankenvoll auf seinem Gesicht ruhte, oder wenn gar ein Lächeln über ihre stillen Mienen glitt, so konnte der Erzähler zum Poeten werden. Dann hätte er durch seine Begeisterung, zu der er seine Erregung zu steigern wußte, jede andere hingerissen; bei dieser Zuhörerin mußte sich seine Eitelkeit indessen mit Geringerem begnügen. Sie tat es auch. Und wenn ihm Maira in ihrer herben Art einmal sagte: »Das ist schön!« so fühlte er sich mehr belohnt, als wenn ihm »jede andere« entzückt zugelächelt hätte. Je fremder und ferner sich das ernste Mädchen von der glänzenden Jünglingsgestalt hielt, um so unlöslicher schlug sie dessen Phantasie in Banden: auch für dieses Mannes Seele gab es kein Befreien und Erlösen.

Bisweilen kam es vor, daß die Kinder – sie blieben bis zum Nachmittage – sich verspäteten und daß bei umwölktem Himmel eine frühzeitige Dunkelheit anbrach. Dann steckte jedes Kind in seiner kleinen Laterne ein Lichtlein an, und es war schier märchenhaft, wie alle die Flämmlein von der Paßhöhe niederfuhren zur Tiefe. Auf Schneeschuhen und Schlitten glitten die Kleinen pfeilschnell herab, mit Gesichtern, die plötzlich aufleuchteten im Lichtschein und sogleich wieder verschwanden, als würden sie von der Finsternis verschlungen. Aber noch lange schallten Lachen und Jubel empor zur Höhe, wo es nun einsam und still ward.

Änderte sich nach einem schönen Tage plötzlich das Wetter, kam starker Schneefall oder gar Sturm, so mußte das junge Malojageschlecht in der Schule übernachten, was ein Fest bedeutete. In dem einen Zimmer bereiteten sich die Knaben ein duftendes Heulager, in dem anderen die Mädchen; und das ganze Haus hatte mit den kleinen Nachtgästen zu tun. Maira verrichtete bei ihren schweren Gedanken die vermehrte Arbeit nicht immer sehr freudig und schämte sich vor Dionisio, der dann seine besten Stunden hatte und sich als getreuer Hausgenosse erwies.

Bei zwar bedenklicher, aber nicht bedrohlicher Witterung traten die Kinder unter Anführung ihres Lehrers den Heimweg an. Nächsten Tags wußten sie nicht genug zu rühmen, wie sorglich sie geleitet wurden: jedes Kind sicher zurück zu den Seinen.

Wenn Dionisio bei Nacht und Nebel die Kinder heimbegleitete, fragte sich Maira bisweilen, wie es wohl wäre, wenn sie zu Haus auf seine Rückkehr warten würde? Mit Sorge, mit Angst warten, sollte das Wetter sich verschlechtern und zum wilden Schneetreiben, zum Orkan werden! Wie es wohl wäre, wenn sie des glücklich Wiederkehrenden schnellen Schritt, seine helle Stimme, sein sonniges Lachen vernehmen und ihm entgegeneilen würde: »Da bist du ja, Lieber! Wie sehr habe ich mich um dich gesorgt! Gott sei Dank, daß du da bist!«

Und wenn sie, die jetzt Einsame und Unglückliche, den Wiedergekehrten mit beiden Armen hätte umfassen und ihr Haupt an seine Brust bergen können, darin ein starkes, reines Herz für sie schlug?

Welche Gedanken, welche Vorstellungen! Und das nur, weil sie einsam und unglücklich war. Aber auch sie ein Geschöpf Gottes, erfüllt von der Sehnsucht nach Glück, dem Verlangen nach Liebe ...

Ein Wintertag nach dem anderen verstrich; aber keinen Tag wartete Maira auf den Freund, den Scham abhielt, zu der Freundin seiner Kindheit zu kommen.

Wie unglücklich mußte er sein! Unglücklich trotz seiner glückseligen Liebe.


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