Richard Voß
Zwei Menschen
Richard Voß

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Otto von Glenck

          Die Sonne sank... So sahn wir dich versinken,
Du Sonnensohn, ins heilige Flammengrab.
Du gingst von uns, das ewige Licht zu trinken,
Und mit dir sank des Lebens Glanz hinab.

Vor dir der Tag und hinter dir die Nacht!
So ist, du Strahlender, dein Los gewesen.
Als du es hast nach langer Qual vollbracht.
Da war's kein Sterben, war es ein Erlösen.

Ein altes Wort sagt, daß jung sterben muß,
Im Lenz des Lebens, wen die Götter lieben:
Auf seine Stirne drücken sie den Kuß,
Der ihn entführt der Welt, der kalten, trüben.

Die Götter liebten. Lieber, dich zu sehr.
Die glanzumflossenen Anne ausgebreitet.
Empfingen sie dich mit dem Heldenheer,
Das dich zu ihrem Throne hat geleitet.

Denn du auch littest für dein Vaterland,
Und hättest gern empfangen Todeswunden;
Auch du warst als ein Kämpfer ausgesandt,
Du Sieger, der das Leben überwunden.

Noch Andres, Höh'res warst du: ein Symbol
Des Menschlich-Schönen, Guten, Edlen, Wahren.
Dein leuchtend Wesen – ach, du mußtest wohl
Es erst durch deinen Tod ganz offenbaren.

In der Verklärung Glorie gingst du hin...
Noch blühen Blumen und die Vögel singen.
Ich fühl voll Grauns, daß ich noch immer bin
Und mich nicht könnt' als Opfer für dich bringen.

Aus Rosen wind ich dir den letzten Kranz.
Jedoch aus weißen nicht – aus leuchtend roten!
Sie krönen dich mit ihrem Purpurglanz,
Des Lebens König und nicht einen Toten.

So sehn wir dich in voller Jugendpracht,
Du Reinster aller Reinen, ohne Fehle.
Dir zum Gedächtnis hast du uns vermacht
Den schönen Abglanz deiner lichten Seele.

Es herbstelt und der bleiche Winter naht.
Es weht der Wind die welken Blätter nieder.
Das Ende kommt auch meinem Lebenspfad.
Müd Hand und Herz! Bald, bald seh ich dich wieder.

Und sei's auch nur im Traum der langen Nacht,
Die unser harrt, wenn alle Schatten weichen.
Vielleicht, daß doch vom Schlaf der Geist erwacht,
Und wir uns einmal noch die Hände reichen.

Dann werden deine Eltern, wird dein Kind
Voll Wiederfindens-Wonnen dich umfangen.
Wo die Verklärten ewig glücklich sind,
Wird selig dir dein Weib am Halse hangen.

Wer um dich trauert und dich jetzt beweint
– Ein jeder, der dich kannte, mußt' dich lieben! –
Es bleibt mit dir in deinem Geist vereint,
Wer in der dunklen Welt zurückgeblieben.

Voll Grausens ist sie, voller Tod und Qual.
Du tatest wohl, aus ihr dich fortzuheben,
Aus diesem blutgetränkten Erdental
Zu reinen lichten Höhen auszuschweben.

Wohin dein Sehnen lebenslang dich trug.
Nun ist es dir durch deinen Tod gelungen:
Empor zur Sonne machtest du den Flug,
Und hast dir so des Lebens Preis errungen.

Dein Innres einem Saitenspiele glich,
Drauf Melodien, nur Melodien erklangen.
Als Meister Tod die Geige für dich strich –
Im ersten Mißton alle Saiten sprangen.

Du liebtest dieses Buch. Es sei dein eigen.
Dein teurer Name soll es für mich weihn.
Was du mir warst, bedecke heiliges Schweigen;
Was du mir bist und bleibst – auch das ist mein!

Waldhaus »Ueber allen Wipfeln«, in der Ottoklause
Herbst 1916

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