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Fünfzehntes Kapitel

Formosante, die ihrem Geliebten weiter folgt, verfehlt ihn bei den Batavern. Sie eilt hinter ihm her auf die Insel Albion, zum Unglück halten widrige Winde sie im Hafen zurück

Amazan kam in das Land der Bataver. Sein Herz war bekümmert; doch empfand er süße Genugtuung, hier ein schwaches Abbild des Landes der glücklichen Gangariden zu finden: Freiheit und Gleichheit; Reinlichkeit, Überfluß, Duldsamkeit. Aber die Damen des Landes waren so kalt, daß keine ihm Anträge machte, wie er sie überall bekommen hatte; er war der Mühe des Widerstandes enthoben. Hätte er diese Damen bestürmen wollen, er würde sie unterjocht haben, eine nach der anderen, ohne von irgendeiner geliebt zu werden. Aber sein Herz ging nicht auf Eroberungen aus.

Formosante war nahe daran, ihn bei dieser kaltblütigen Nation einzuholen; es fehlte nur ein Augenblick.

Amazan hatte bei den Batavern eine Insel mit dem Namen Albion so außerordentlich loben hören, daß er sich entschloß, mit seinen Einhörnern zu Schiff dorthin zu gehen. Günstiger Ostwind trug ihn in vier Stunden an die Küste dieses Landes, das berühmter ist als Tyrus und die Insel Atlantis.

Die schöne Formosante, die ihm an die Ufer der Düna, der Weichsel, der Elbe und der Weser gefolgt war, kommt endlich an die Mündung des Rheins, der damals seine eilenden Wasser in das germanische Meer ergoß.

Sie hört, daß ihr teurer Geliebter nach der Küste Albions gefahren sei; sie glaubt, sein Schiff noch zu sehen; sie jubelt hell auf, was alle batavischen Damen in Erstaunen versetzte, da sie sich nicht vorstellen konnten, daß ein junger Mann so viel Freude hervorrufen könne. Was den Phönix betrifft, so schätzten sie ihn nicht sehr hoch; sie meinten, seine Federn ließen sich nicht so gut verkaufen wie die der Enten und Gänse ihrer Sümpfe. Die Prinzessin von Babylon mietete zwei Schiffe, die sie mit ihrem Gefolge auf diese glückliche Insel bringen sollten, welche bereits das Ziel ihrer Wünsche, die Seele ihres Lebens, den Gott ihres Herzens trug.

Da erhob sich, gerade in dem Augenblick, da der treue, unglückliche Amazan seinen Fuß auf den Boden Albions setzte, ein verhängnisvoller Westwind; die Schiffe der Prinzessin von Babylon konnten nicht Anker lichten. Beklemmung des Herzens, bitterer Schmerz, tiefe Melancholie bemächtigten sich Formosantes: sie setzte sich auf ihr Bett und wartete voll Kummer, ob der Wind sich nicht drehe; aber er blies acht volle Tage mit einer Heftigkeit, die verzweifeln machen konnte. In diesem acht Tage währenden Jahrhundert ließ sich die Prinzessin von Irla Romane vorlesen; zwar verstanden die Bataver nicht, welche zu schreiben, aber sie verkauften, als Händler der ganzen Welt, den Geist anderer Nationen ebenso wie ihre Waren. Die Prinzessin ließ bei Marc-Michel Rey alle Erzählungen kaufen, die Ausonier und Welsche geschrieben und deren Verkauf diese Völker schlauerweise verboten hatten, um die Bataver zu bereichern. Sie hoffte, in diesen Geschichten irgendein Abenteuer zu finden, das dem ihren gleichen und ihren Schmerz lindern würde. Irla las, der Phönix gab sein Urteil ab, aber die Prinzessin fand weder in der »Emporgekommenen Bäuerin«, noch in »Tansai« oder im »Sofa« und in den »Vier Facardins« etwas, das die mindeste Ähnlichkeit mit ihren Abenteuern gehabt hätte. Sie unterbrach alle Augenblicke die Lektüre, um zu fragen, von welcher Seite der Wind käme.


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