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Wer nicht ganz und gar blasiert ist, wird sicherlich beim Anblick der Straße von Gibraltar von den eigentümlichsten Gefühlen ergriffen. Bildet doch diese merkwürdige Pforte schon seit Jahrtausenden die Grenze zwischen dem Bekannten und Unbekannten, zwischen Kultur und Barbarei.
Zwar hat sie der menschlichen Wißbegierde und Abenteuerlust keine Schranken zu setzen vermocht. Schon Phönizier und Griechen fuhren über die Säulen des Herkules hinaus, weit an der afrikanischen Küste hin. Ferner ist es Tatsache, daß Franzosen, Engländer, Portugiesen und andere Europäer an dem Rumpfe des mächtigen Körpers, den wir Afrika nennen, sich wie Schmarotzer festgesaugt haben – man nennt das Kolonisieren. Aber von Kolonisation zu Zivilisation ist ein gewaltiger Sprung; manche Menschen zweifeln, ob diese Dinge überhaupt etwas miteinander zu tun haben. Jedenfalls ist auf diesem Terrain noch wenig, sehr wenig erreicht worden, und man kann wohl sagen, daß Europa seine Schwester Afrika noch blutwenig kennt.
Durch diese Straße fahren jeden Tag Dutzende von Schiffen unter Segeln und Dampf: Panzerschiffe, Kreuzer und Kanonenboote jeder Gestalt und Nationalität, keuchende Kolosse von Frachtdampfern, die Millionen Tonnen mit sich nach Osten und Westen schleppen, Passagierdampfer mit glänzenden Rümpfen und mit Räumen und Ausstattungen wie Paläste, zierliche Jachten mit geschmückten Herren und Damen auf Deck.
Einige Meilen südlich voraus erstreckt sich ein Land – reich und herrlich von Natur, aber mit Menschen, die unter dem Fluch der Verwahrlosung und Barbarei, unter Tyrannei und Aussaugung, Menschenhandel und Grausamkeit jeder Art seufzen. Der Lustsegler oder der Kauffahrer folgen vielleicht, von Neugierde getrieben, der Küste von Marokko bis nach Ceuta, – dem Wachtposten Spaniens in Afrika, der zu der festen Burg der Engländer in Spanien hinüberblickt – aber weiter als die Kanonen der Festung reichen, wagt kein Segler in der Nähe des Strandes, El Rif genannt, zu bleiben. Sollte der Wind abflauen, so könnte es geschehen, daß unvermutet längsseits von deinem Schiff einige Fahrzeuge von seltsamer Gestalt und Ausrüstung lägen, voll schmutzigbrauner Teufel mit rostigen Hiebern und Steinschloßpistolen, die nie gewußt haben, was Mitleid ist, die nicht allein die Absicht haben, dich deines irdischen Gutes zu berauben, sondern auch deinen Leib dem Sklavenhändler zu verkaufen, der vielleicht schon hinter den nächsten Felsen am Strande wartet.
In den Küstenstädtchen und in der Hauptstadt verkehren wohl eine Menge Europäer, die meisten in Geschäften, einige auch aus Neugierde; sonst aber ist das Land ein verschlossenes Buch für uns. Dieser Teil von Afrika, der sozusagen gerade vor unserer Türschwelle liegt, ist weniger bekannt, beachtet und von den Strahlen der Kultur erhellt, als es vor ein paar tausend Jahren der Fall war.
* * *
Ich sehe, daß meine Betrachtung mich zu weit geführt hat, und fürchte, daß ich vielleicht falsche Erwartungen in dem Leser wachgerufen habe, Erwartungen von Abenteuern unter den Rifpiraten und Sklavenhändlern Marokkos. Nein, in dieser Hinsicht kann ich nicht dienen! Der »Fram« wurde nicht von Seeräubern genommen und seine Besatzung nicht in Gefangenschaft geschleppt. Derartiges erlebten wir nicht, im Gegenteil: von Kap Spartel steuerten wir quer über die Straße unter die Küste Spaniens und folgten derselben, bis der »Fram« friedlich seinen Anker vor Gibraltar innerhalb der alten Mole, auf der Nordseite des Felsens und der Stadt warf. Dort lagen wir gut geschützt vor allen Winden neben kleinen Fahrzeugen von Spanien, Italien, Frankreich, Tunis, Malta und vielen andern Ländern, während alle Sprachen des Mittelmeeres an unsere Ohren schlugen.
Unser erster Gang galt dem Posthause und der Telegraphenstation. Auf jenem empfingen wir ein ansehnliches Paket Briefe und Zeitungen, und auf dieser sandten wir Grüße nach Hause nebst Nachricht von unserer Ankunft und unserem Wohlbefinden an Bord, sowie Mitteilung an Baron Francheville.
Es war am 31. August. Wir hatten Wort gehalten und den »Fram« vor dem 1. September nach Gibraltar gebracht. Die Abrede lautete dahin, daß der Baron gleich nach Empfang unseres Telegramms Paris verlassen und wir seine Ankunft in Gibraltar erwarten sollten, ehe wir unsere Schritte nach Hause lenkten. Wir hatten also wenigstens vier bis fünf Tage vor uns.
Am nämlichen Tage brachte uns der Telegraph die befriedigendste Antwort aus Norwegen und eine lange Depesche von dem Baron, so lang, wie sie nur bei Kriegskorrespondenten üblich ist. Er bedauerte sehr, daß er vor Ablauf dreier Wochen Paris noch nicht verlassen könne, dankte uns in den schmeichelhaftesten Ausdrücken, daß wir ihm seinen Kutter nach dem Mittelmeer gebracht hatten, und machte uns den Vorschlag, sogleich nach Norden zu reisen und ihn in Paris zu besuchen. In diesem Fall werde sein Agent in Gibraltar den »Fram« übernehmen. Zögen wir es aber vor, einstweilen den Kutter zu benützen oder ihn nach einem südfranzösischen Hafen im Mittelmeer zu fahren, so stehe er natürlich zu unserer Verfügung.
* * *
Monk und ich, wir hatten uns beeilt, an Land ein Quartier zu suchen. Die Kojen auf dem »Fram« mochten gut sein, sie waren in ihrer Art sogar vorzüglich, aber ich muß gestehen, daß die Hotelbetten besser waren, wenigstens zur Abwechslung. Holt dagegen wollte den Kutter als Nachtquartier nicht aufgeben, und das war gut; denn Henriksen war in der Nacht nicht immer so ganz sicher an Bord zu treffen. Er hätte ein freundliches Wirtshaus entdeckt und dort enge Freundschaft geschlossen mit den Stammgästen: englischen Marinesoldaten, Unteroffizieren, Steuerleuten von Dampfern aller Nationen und Matrosen aus der ganzen Welt. Da das Hafentor mit unerbittlicher Strenge jeden Abend um acht Uhr geschlossen wird, so geschah es dann und wann, daß Henriksen der Rückzug abgeschnitten wurde und er die Nacht am Lande verbringen mußte – und in diesem Fall würde der »Fram« ohne Besatzung geblieben sein, wenn Holt nicht gewesen wäre.
Der Leutnant, der die Verhältnisse kannte, hatte sich sogleich einen Paß vom Gouverneur erworben, der ihm gestattete, das Tor zu allen Zeiten des Tages und der Nacht zu passieren.
Wir hatten auf einer kleinen Veranda vor unsern Zimmern im »Hotel Trafalgar«, mitten auf einer Terrasse von Wein- und Apfelsinengärten, Platz genommen und rauchten unsere Zigarren draußen im Dunkel, während die Glastüren der erhellten Zimmer hinter uns offen standen.
Der Mond stand hinter dem Gibraltarfelsen, sodaß seine Scheibe uns verborgen war; auf die Meeresbucht aber, die sich zu unseren Füßen ausdehnte, warf er sein Zauberlicht, ein glitzerndes silberhelles Licht, das bis hinüber zu den weißen Häusern von Algeciras auf der anderen Seite der Bucht drang und den Krümmungen des Ufers gegen Norden folgte, um die alten grauen Mauern von San Roque an den rotbraunen Felsen zu erreichen.
Nun, was sagte der Konsul zu deinem Bericht? So fragte Monk. Worauf Holt antwortete:
O – nicht viel; er schrieb nieder, was ich erzählt hatte, ließ mich unterzeichnen und bat, daß auch ihr beide auf das Konsulat kommen und die Aussage mit Namensunterschrift bezeugen möchtet.
Wie heißt der Konsul?
Es ist der Bankier Zaccone, der gleiche, den Villers Baron als seinen Kommissionär hier bezeichnet hat, ein Maltheser, so viel ich weiß, und einer der bedeutendsten Geschäftsleute der Stadt. Uebrigens besorgt er nur vorübergehend während der Vakanz die Geschäfte des Konsuls. Jedenfalls erwartet er, daß wir alle ihm unsere Aufwartung machen werden; er lud uns auf sein Landhaus bei Mayorga, eine Meile von hier im Innern der Bucht, ein. Es ist ein ausgezeichnet höflicher und angenehmer Mann.
Und du erzähltest nur, was wir zu erzählen für gut befunden hatten?
Jedenfalls nicht mehr. Ich berichtete kurz, daß wir unter ungefähr der und der Breite und Länge die Bark »Ozean« von Grimstad anscheinend verlassen fanden. Ferner, daß wir versuchten, sie in den Hafen zu bringen, sie aber hätten verlassen müssen und an der afrikanischen Küste scheitern sahen.
Und er legte dem Ausdruck »anscheinend verlassen« keine besondere Bedeutung bei?
Nein, er fragte bloß, ob uns das Schicksal der Mannschaft bekannt sei. Darauf antwortete ich, daß wir keine Kenntnis davon hätten und überzeugt seien, daß keiner von ihnen an Bord sich befunden habe, als das Schiff an der Küste strandete.
Es gefällt mir nicht recht, bemerkte ich, daß wir nicht genaue Auskunft geben, ich möchte ungern einen Bericht unterschreiben, der zwar dem Wortlaut nach richtig ist, aber nur halben Bescheid gibt – überdies zweifelt wohl keiner von uns daran, daß die Schurken, die sich vor uns versteckten, die norwegische Besatzung über Bord geworfen oder auf andere Weise aus der Welt geschafft haben. Wenn wir die ganze Sache anzeigen, so sendet vielleicht der englische Oberkommandant ein Kriegsschiff aus, um die Räuber aufzuspüren. Es steht zu befürchten, daß sie dem Schwert der Gerechtigkeit entrinnen, wenn wir nicht offen alles erzählen. Wir tragen eine zu große Verantwortlichkeit.
Aber als wir heute vormittag die Sache besprachen, da warst du ebenfalls der Ansicht, daß uns die Leute, wenn wir alles erzählten, was uns zugestoßen, auslachen würden, in der Meinung, daß wir betrunken, verrückt oder etwas derartiges wären; oder nicht?
So ist's; aber ich habe nachher mehr über die Sache nachgedacht. Es ist unsere Pflicht, alles anzuzeigen, selbst wenn wir uns damit der Gefahr aussetzen, als Aufschneider betrachtet zu werden.
Dessen können wir sicher sein, fiel Monk ein. Heutzutage gibt es keine Seeräuber mehr auf dem Atlantischen Ozean – Seeräuber, welche ganze Schiffsbesatzungen töten.
Und doch – – –
Meinst du, ich habe die Sache schon aufgegeben? sagte Holt.
Er sah uns nicht an, sondern starrte auf die mondbeleuchtete Straße hinaus.
Ich betrachtete ihn etwas überrascht. Monk lächelte nur.
Nein, fuhr er fort, ich verlasse diese Gegend nicht, bis ich getan habe, was ich kann, um die Spitzbuben aufzuspüren und über sie ins reine zu kommen.
Oder, besser gesagt, über das junge Mädchens deine Patientin auf dem »Ozean«, bemerkte Monk ruhig.
Nun ja, meinetwegen! Ich will nicht leugnen, daß ich sie gerne wiedersehen möchte. Ich habe ihr versprochen, sie nicht im Stich zu lassen, sie beschützen zu wollen – es war an jenem Abend, als sie zum Bewußtsein kam, am Abend vor dem Ueberfall. Sie fürchtete sich entsetzlich, wieder in die Hände jener Menschen zu fallen, mit denen sie an Bord gekommen war.
Aber hat sie nicht erzählt, daß ihr Vater mit dabei gewesen ist?
Ja, in der Tat; aber nichtsdestoweniger fürchtete sie sich. Sie war so schwach, daß ich sie nicht weiter ausfragen durfte. Im Gegenteil tat ich, was ich konnte, um sie auf andere Gedanken zu bringen; ich wollte meine Fragen aufschieben bis zum nächsten Tag. Wer konnte ahnen, daß die Schurken uns noch in derselben Nacht auf so tückische Weise überfallen und dann verschwinden würden!
Aber was willst du denn tun? Hast du schon mit Monk darüber gesprochen?
Der Leutnant warf einen etwas unsichern Blick auf Monk: Nein; aber als ich heute zum Konsul gehen wollte, hielt er mich auf und warnte mich dringend, etwas von den Spitzbuben und dem Streich zu erzählen, den sie uns gespielt hatten – wenn ich das junge Mädchen wiederzusehen wünsche, fügte er hinzu.
Ja, das habe ich getan, und ich hatte auch meine Gründe dafür, wenn ich auch damals gerade keine Zeit hatte, sie dir zu erklären, fiel Monk ein.
Aber jetzt hast du Zeit; laß hören! Holt war eifriger, als ich ihn jemals gesehen hatte.
Monk seufzte wie jemand, der sich einem harten und unabwendbaren Schicksal unterwirft; dann zog er ein kleines Paket aus seiner Tasche, welches er auf den Tisch legte.
Hier ist alles, was ich vom »Ozean« rettete. Glücklicherweise habe ich es in geteertes Segeltuch gewickelt und auf meiner Brust geborgen, ehe wir über Bord springen mußten. Es ist herzlich wenig, aber wir konnten ja das Schiff nicht einmal ordentlich untersuchen, so heillos viel hatten wir an Bord zu tun. – –
Ich ergriff das Paket und öffnete es. Es enthielt nur ein altes Gebetbuch und eine kleine Brieftasche aus feinem Juchtenleder. In einem Fach derselben befanden sich mehrere spanische Banknoten und im andern ein kleines Stück zähes, starkes Papier mit Strichen, Punkten und Figuren, die ich nicht verstand. Vorne im Gebetbuch stand mit großen, plumpen Buchstaben geschrieben: Anton Antonisen. Bark »Ozean« von Grimstad, den 5. April 18–. Es war wie gesagt alt, schien aber wenig gebraucht zu sein; ich konnte nichts Merkwürdiges daran entdecken.
Davon werden wir kaum fett werden, es müßte denn sein, daß das Pergament dort gedeutet werden könnte. Verstehst du, was die Striche und Figuren darstellen?
Nein, noch nicht; aber das Gebetbuch sagt uns doch nicht so ganz wenig.
Holt war nicht vertraut mit Monks Wegen – ich glaube, er hat nicht einmal meine Schilderungen einzelner seiner Abenteuer gelesen – genug, er starrte, nachdem er gleich mir das Buch und die Brieftasche untersucht hatte, Monk mit unverhohlener Verwunderung an.
Davon sollt ihr später hören, fuhr dieser fort. Nun zur Sache: Die Bark »Ozean« segelte um den 20. Juni dieses Jahres von Santos, wo sie eine Kohlenladung gelöscht hatte, ab. Nach der Abfahrt brach an Bord das gelbe Fieber aus, und am 1. August waren fünf bis sechs der Matrosen, der Zimmermann und der zweite Steuermann in den Wellen begraben. Als das Schiff Santos verließ, bestand die ganze Besatzung desselben, Führer und Steuermann inbegriffen, aus sechzehn Mann nebst zwei Reisenden, der Frau des Kapitäns und dem kleinem Töchterchen desselben. Von der ganzen Besatzung blieben also acht Mann und die Frau mit ihrem Mädchen übrig.
Aber sie leben noch und du hast mit ihnen gesprochen? fragte Holt unschuldig.
Holt! du bist ein Idiot, rief ich. Alles, was Monk uns erzählt, besteht ja nur in Mutmaßungen. Immerhin kannst du Gift darauf nehmen, daß er der Wahrheit ziemlich nahe kommt.
Das wäre doch der Teufel, murmelte Holt nachdenklich und begann eifrig an seinen Fingern zu zählen. Woher willst du zunächst wissen, daß nur 16 Mann an Bord waren? In jedem der beiden Roofe waren 7 Kojen, zusammen also 14; wenn man den Bootsmann, Zimmermann, Kapitän, Steward und zwei Steuermänner hinzurechnet, gibt das immer 20 Mann, und ferner – – –
Ich habe meine Gründe, antwortete Monk. Es waren nur 16 Mann an Bord, nicht 20. Jeder konnte ja sehen, daß 2 Kojen in jedem Roof nicht benützt worden waren; sie lagen voll alten Tauwerks und dergleichen. Du selbst hast gestern mit Henriksen darüber gesprochen, wie man heutzutage weit weniger Mannschaften brauche als früher. Der »Ozean« war mindestens zwanzig Jahre alt und ursprünglich für zahlreichere Mannschaft eingerichtet.
Weiter, sagte Holt resigniert. Ich gebe nach. Daß das Fahrzeug irgendwo in Südamerika Kohlen gelöscht hat, will ich auch nicht anzweifeln – es lagen ja noch Kohlenstückchen im Raum umher, – aber warum es gerade in Santos gewesen sein soll, und weshalb das Schiff den Hafen am 20. Juni oder wenigstens um diese Zeit verlassen hat, das verstehe ich nicht. Ich habe weder ein Schiffsjournal noch andere Papiere an Bord gesehen. Und was die Reisenden anbetrifft, so will mir gar nicht in den Sinn, daß ein Schiffsführer Weib und Kind mit nach dieser Pesthöhle nehmen sollte. Wahrscheinlicher ist, daß es zufällige Reisende waren.
Monk nahm eine Zeitung aus dem Bündel, welches neben ihm auf dem Tisch lag – wir hatten dasselbe mit der Post von daheim erhalten – und trat damit unter das Lampenlicht. Es war eine Nummer des »Morgenbladet«.
Hier steht unter »Handel und Schiffahrt« zu lesen: »Dank den Bemühungen der brasilianischen Behörden ist Santos in den zwei letzten Jahren vom gelben Fieber fast vollständig befreit gewesen, und ebenso haben die. Hafenverhältnisse sich bedeutend verbessert. Viele norwegische Schiffe haben darum im letzten Jahr vorteilhafte Kohlenfrachten nach diesem Hafen übernommen. Indessen sind die letzten Neuigkeiten von diesem Ort trauriger Natur. Das Fieber ist wieder ausgebrochen und wütet mit furchtbarer Heftigkeit, und die Löschverhältnisse verschlimmern sich zusehends. Alle Schiffe flüchten, wenn sie können, aus dem Hafen.«
Das war es. Was den Tag der Abfahrt anbetrifft, so erinnerst du dich wohl, daß der Chronometerkasten sich noch an Bord des »Ozean« befand. Im Innern des Kastens auf der unteren Seite des Deckels las ich auf einem Streifen Papier, der dort festgeklebt war: St. v. Gr. mit. mt. 18./6. 18.. u. s. w. (d. h.: Stand von Greenwich Mittelzeit mittags u. s. w.) Nun hast du uns ja während deines Navigationsunterrichtes auf dem »Fram« selbst erzählt, daß der Seemann keinen Hafen verläßt, ohne den Stand seines Chronometers bestimmt zu haben. Wahrscheinlich hat der Führer des »Ozean« dies auch kurz vor der Abfahrt getan, nicht wahr? Wir werden uns also kaum sehr irren, wenn wir die Abfahrt auf den 20. Juni, zwei Tage nach dem 18. festsetzen. Einverstanden? – Gut! Nun zum gelben Fieber! Jedermann konnte sehen, daß eine Krankheit an Bord geherrscht hatte – nicht wahr?
Fahr nur fort und halt uns nicht zum Narren!
Ich habe mich an nichts anderes zu halten, als was wir alle gesehen haben. Im Medizinkasten fehlten jene Medikamente, die gegen Fieberanfälle gebraucht werden, z. B. Chinin, wie ihr wohl wißt. Ueberdies befand sich in dem einen Roof nicht einmal Bettzeug. Was ist also wahrscheinlicher, als daß dieser Roof als Lazarett benützt worden ist; als die Patienten gestorben oder genesen waren, hat man ihr Bettzeug aus Furcht vor Ansteckung über Bord geworfen.« – –
Aber weshalb sollten denn gerade acht Mann vor dem ersten August gestorben und begraben worden sein?
Monk nahm das Gebetbuch und legte es offen auf den Tisch unter das Lampenlicht:
Bei dem Durchblättern dieses Buches wurde ich darauf aufmerksam, daß es an dieser Stelle häufig geöffnet worden ist. Hier steht das Begräbnisrituale, und überdies sind hier mit Bleistift am Rande acht Namen verzeichnet, jeder mit einem beigefügten Kreuz und Datum – das letzte ist der 1. August. Der Schiffer hat bei jedem Begräbnis den Namen des Verstorbenen aufgeschrieben. Was sollten diese Namen sonst zu bedeuten haben? Habt ihr etwas einzuwenden?
Nein, nur weiter!
Jawohl; nur muß ich noch bemerken, daß wir die Verschläge des Zimmermanns und des ersten Steuermanns leer fanden, sodaß die beiden als verstorben betrachtet werden müssen – – –
Der »Ozean« hat also acht Wochen auf seiner traurigen Reise zugebracht. – Da kommt eines schönen Tages ein Boot mit acht Mann und einem Weib in Sicht – Schiffbrüchigen. Diese Menschen werden an Bord des »Ozean« genommen und – – – –
Hier wurde Monk von Holt unterbrochen, der sich erhoben hatte und die kleine Veranda mit langen Schritten durchmaß:
So, das ist also deine Erklärung, wie die Räuber an Bord gekommen sind? Was mich betrifft, so scheint es mir wahrscheinlicher zu sein, daß sie von Südamerika mitgekommen sind. Das kann übrigens gleichgültig sein. Aber leider ist da ein anderer Punkt, über den kein Zweifel obwalten kann! Die Schurken haben jedenfalls die norwegische Besatzung des Schiffes überfallen und aus dem Weg geräumt – – samt der Frau und dem Kinde, fügte er finster hinzu. – – Das ist ein Grund mehr für mich, nicht zu ruhen, bis ich die Elenden aufgespürt habe!
Man kann bekanntlich auch einem Schelm unrecht tun, bemerkte Monk ruhig, zündete sich eine frische Zigarre an und streckte sich behaglich in dem bequemen Binsenstuhl aus. Ich für meine Person hege keine so schlechten Gedanken von diesen südländischen Herren, die wir an Bord des »Ozean« getroffen haben, wenn sie uns auch auf eine etwas ungenierte Weise behandelten.
Es kommt mir vor, als ob Scherz hier nicht am rechten Platze wäre, nahm Holt wieder das Wort. Ich spreche nicht von uns, sondern von der unglücklichen Besatzung des »Ozean«, dem Weibe und dem Kinde. Hätten die Mörder nur einen Funken von menschlichem Gefühl gehabt, so würden sie wenigstens ein Boot ausgesetzt und sie in demselben expediert haben.
Monk wollte gerade antworten, als Holt, der einen Augenblick in Gedanken vertieft gewesenen zu sein schien, plötzlich aufsprang und sich vor uns hinpflanzte, mit geballten Händen und vor Gemütsbewegung bleichem Gesichte:
Jetzt weiß ich, was ich durchs Fernrohr gesehen habe, als wir uns der Bark näherten! Ich glaubte, etwas an den Nocken der Groß- und Fockraa baumeln zu sehen – – So wahr ich lebe! Die Schurken haben die armen Leute gehängt und die Leichen bei unserer Annäherung über Bord geworfen – – – deshalb versteckten sie sich – – gleich nach einer solchen Arbeit empfängt man nicht gerne Besuch!
Seine Worte erregten ein schmerzliches Gefühl in meinem Herzen: sie trugen allzusehr das Gepräge der Wahrheit. Aber nach alter Gewohnheit blickte ich Monk an, ehe ich etwas sagte, und zu meiner Beruhigung lag ein launiges Lächeln auf dem Gesicht des Biedermannes – ein Lächeln, das nichts mit Hängen und Tod zu tun hatte. Holt ließ sich keine Zeit, die Wirkung seiner Worte zu untersuchen, sondern spazierte unruhig auf und ab, die Augen fest auf den Boden gerichtet.
Monk! rief ich, warum sprichst du nicht und befreist Holt von seiner peinlichen Furcht?
Welcher Furcht?
Der Furcht, einen Schwiegervater zu erhalten, der Männer, Weiber und Kinder hängt!
Dein Scherz scheint mir sehr übel angebracht zu sein, – Holt war im Ernst zornig. Ich lasse mich nicht länger davon abhalten, dem Konsul und den englischen Behörden vollständigen Bescheid darüber zu geben, was an Bord des »Ozean« geschehen ist. Monk mag tun, was er will.
Du könntest doch zuerst meine Meinung hören, – Monks Stimme klang sehr geduldig – und worauf ich dieselbe stütze. Ich bin nämlich der Ansicht, daß die ganze überlebende Besatzung vom »Ozean« in diesem Augenblick sich wohlbehalten unter Menschen befindet. Meinst du, norwegische Seeleute ließen sich hängen wie junge Katzen, ohne Widerstand zu leisten? Haben sich Spuren von einem Kampf an Bord gefunden?
Sie können im Schlaf überrumpelt und gebunden worden sein, wie es uns widerfahren ist. Ich will einen Eid darauf ablegen, daß ich etwas an den Raaen habe baumeln sehen! – Und wenn sie nicht ermordet worden sind, wo sind sie dann? – Du hast doch selbst alle Boote des Schiffs auf ihrem Platz gesehen? – Holt redete hastig und mit einem finstern Ausdruck.
Schon seit du an Bord des »Fram« davon sprachst, habe ich darüber nachgegrübelt, was du an den Raaen baumeln gesehen hast, – Monk hatte seine gleichgültige Miene abgelegt und sprach mit Bestimmtheit – aber ich konnte keine Erklärung finden bis zu dem Tag, als wir an Bord des »Ozean« den Donkey heizten und mit der Dampfwinde das große Boot aussetzten. Als wir damals nach beendeter Arbeit die Takel von den untern Raaen niederholten, wurde es mir klar, daß du mit dem Fernrohr etwas Derartiges gesehen hast. Sie holten die Flaschenzüge nieder, die benutzt worden waren, um ein Boot auszusetzen, weiter nichts – – – was sagst du dazu?
Hast du mehr zu sagen, so sage es sogleich! Ich bin zu dumm, um erraten oder kombinieren zu können, das weiß ich; – Holt zeigte eine komisch verlegene Miene.
Gut, meinetwegen; ich werde alles erzählen, was ich von dieser Sache zu sagen habe. – Einige Stunden vorher, ehe wir an Bord kamen, ist vom »Ozean« ein Boot ausgesetzt worden, und es muß dies das nämliche gewesen sein, in dem die Spanier an Bord gekommen waren. Es war bei dieser Gelegenheit an Deck gehißt worden, – – deshalb nannte ich die Spanier Schiffbrüchige. Wir wollen annehmen, daß sie sich nach ihrer Ankunft an Bord unpassend benommen haben, – indem sie sich des Schiffes bemächtigten, den Führer zwangen, seinen Kurs zu ändern oder etwas Derartiges; wahrscheinlich waren sie bewaffnet und konnten die schwache Schiffsbesatzung überwältigen. Wir wollen ferner annehmen, daß die Norweger die Sache schließlich satt bekommen haben, einen Entschluß faßten und das Schiff verließen, nachdem sie das fremde Boot ausgesetzt hatten, das auf Deck stand. – Du wirst fragen, warum die Norweger das Schiff nicht in einen Hafen führten und die Spanier den Händen der Gerechtigkeit überlieferten, – oder willst du lieber glauben, daß die Spitzbuben ihnen gutwillig gestatteten, das Boot auszusetzen und sich zu entfernen? Auf das erstere will ich dir antworten, daß sie wahrscheinlich nicht stark genug gewesen sind, um ihre unangenehmen Gäste im Zaum zu halten und zugleich das Schiff zu steuern; überdies befand sich eine Frau mit ihrem Kind an Bord, und da ist man nicht so kühn, sondern meidet lieber die Gefahr. – Schließlich muß ich bemerken, daß allen Anzeichen nach der Roof an Steuerbord als Gefängnis benützt worden ist – denk nur an die Bretterstücke, die über alle Türen und Oeffnungen genagelt waren! Jedenfalls bin ich davon überzeugt, daß die norwegische Mannschaft das Schiff im Boot der Spanier verlassen hat, daß es mit Proviant und allem Notwendigen versehen war, ja, daß sie sogar ihre Neider u. s. w. mitgenommen haben. Ihr wißt doch, daß in der Kajüte die meisten notwendigen Gegenstände, die Schiffspapiere und Karten fehlten, und daß auch die Kleider der Mannschaft in Säcken mitgenommen worden waren, – die Kisten konnten sie natürlich nicht forttransportieren, sie waren noch da. Sie haben das Schiff schnell, aber in leidlich guter Ordnung verlassen. Um nicht in den ersten Stunden verfolgt zu werden, haben sie das Ruderjoch zerstört, ehe sie das Schiff verließen.
Sobald die Norweger fort waren und die Spanier aus dem Roof ausbrechen konnten, holten diese die Takel nieder, um mit dem Schiff manövrieren zu können. Da eben kamen wir über sie, und dann – – – Nun, das mag vorläufig genügen; oder glaubt ihr nun nicht auch, daß aller Wahrscheinlichkeit nach die überlebende Besatzung des »Ozean« in diesem Augenblick in Sicherheit ist?
Holts Miene drückte eine so komische Mischung von Zweifel, Befriedigung und – Aerger aus, daß ich mich des Lachens nicht enthalten konnte.
Ja, lache du nur; aber ich muß mich ärgern, daß ich Takel für Menschen angesehen habe und von einer Landratte belehrt werden muß, die kaum ein paar Tage an Bord eines Raaseglers gewesen ist. Da du, Monk, aber alles zu wissen scheinst, – der Teufel mag wissen, woher du das alles hast, denn du hast nicht mehr gesehen, als wir andern auch so könntest du mir wohl auch sagen, warum die Norweger das junge Mädchen nicht mit sich genommen haben?
Wahrscheinlich ist es allzu krank gewesen, als daß sie es hätten wagen dürfen; überdies – – –
In diesem Augenblick wurde Monk unterbrochen, indem ein Aufwärter in das Zimmer hinter uns trat: Mr. Holt? Ein Brief für Sie. Und er verschwand wieder.
Holt nahm den Brief, öffnete ihn schnell, warf einen Blick auf den Inhalt und las dann laut. Der Brief war in englischer Sprache geschrieben und von unserem Konsul; er lautete:
Geehrter Herr!
Mein spanischer Kontorist, der den Auftrag hatte, Ihren heute abgegebenen Bericht über den Untergang der Bark »Ozean«, dessen Augenzeuge Sie waren, niederzuschreiben, damit er der norwegischen Behörde übersandt werden könnte, hat mich auf eine Notiz im Blatt » Gazeta de Cadiz« vom 31. August d. J. aufmerksam gemacht. Für den Fall, daß Sie nicht Spanisch lesen, gestatte ich mir, die Notiz in englischer Uebersetzung wiederzugeben. Ich vermute, daß der Inhalt Sie und Ihre Herren Kameraden interessieren wird.
Das Blatt schreibt:
»Der Fischdampfer »Tagus« brachte vor vier Tagen acht Mann, eine Frau und ein Kind ein, die man zehn Meilen von der Küste in einem Schiffsboot angetroffen hatte. Sie behaupteten, aus Norwegen zu stammen und wurden auf das norwegisch-schwedische Konsulat geführt, wo sie erklärten, der Bark »Ozean« von Grimstad (Norwegen) anzugehören, die ballastet auf der Heimreise von Santos nach Norwegen sich befunden habe.
»Für das Verlassen des Schiffes gaben sie folgenden merkwürdige Grund an: Nachdem die Hälfte der Mannschaft am gelben Fieber gestorben war, hatten sie in offener See 200 Meilen nördlich von Madeira ein Boot mit neun Mann und einer Frau angetroffen, die Spanisch sprachen und sich für Schiffbrüchige ausgaben. Diese Menschen wurden an Bord genommen, erwiesen sich aber als Seeräuber ( sic!) und bemächtigten sich des Schiffes.
»Es gelang indessen der Besatzung des letzteren, die um ihr Leben fürchtete, den Spaniern durch List die Waffen zu entreißen und sie in den Roof einzusperren, worauf das Boot ausgesetzt wurde und die Besatzung mit der Frau und dem Kinde des Kapitäns nach der Küste ruderte. Was später mit dem Schiff geschehen war, wußten sie nicht; sie sagten nur noch aus, daß sie bei dem Verlassen des Schiffes das Ruder zerstört hätten, um nicht verfolgt zu werden.
»Wie unwahrscheinlich der Konsul diesen Bericht auch fand, so unterließ er doch nicht, die Sache dem Generalkapitän zu melden, der seinerseits sogleich das Kanonenboot »Estramadura« zum Aufsuchen des Schiffes beorderte. Das Kanonenboot ist heute zurückgekehrt, hat aber, wie sich erwarten ließ, kein solches Schiff auf der bezeichneten Höhe gesehen. Wahrscheinlich ist es von seinem Führer in den Grund gebohrt worden. Dieser gesteht nämlich, Haupteigentümer der Bark gewesen zu sein, die ziemlich alt, aber gut versichert war. Die ganze Besatzung ist vom Konsulat unter Arrest nach Norwegen gesandt; die dortigen Behörden sind unterrichtet worden. –
»Wohl haben wir Beispiele davon, daß unsere Regierung durch ungebührlich hohe Taxen und Steuern die Bevölkerung einzelner Provinzen dazu getrieben hat, das Räuberhandwerk zu ergreifen; aber wir haben doch noch nie gehört, daß unsere braven Seeleute ihre Zuflucht zu dieser Beschäftigung genommen hätten.« – – –
So weit die Zeitung.
Ich würde Ihnen sehr verbunden sein, wenn Sie mir morgen einen Besuch abstatten wollten.
Ich verbleibe u. s. w.
J. Zaccone
fung. Konsul für Norwegen und Schweden,
in Gibraltar.
Monk sah uns mit triumphierender Miene an, als wollte er sagen: Nun, sind meine Mutmaßungen nicht vollkommen zutreffend gewesen?
Es muß ein radikales Blatt sein, das so über die Regierung Ihrer Majestät der Königin von Spanien zu schreiben wagt, bemerkte er dann.
Der Henker hole die ganze spanische Regierung, – es war Holt, der sich so unehrerbietig aussprach – aber wir müssen sogleich etwas für die armen Leute vom »Ozean« tun. Kaum sind sie den Räubern entwischt, so fallen sie in die Krallen der Gerechtigkeit. Wir wollen augenblicklich dem Konsul mitteilen, was wir an Bord des »Ozean« gesehen und erlebt haben, damit er an die Behörden in Norwegen telegraphieren kann.
Und was willst du dann tun? Monk fragte, ziemlich geistesabwesend wie jemand, der seiner Frage weit voraus denkt.
Ich mache eine Fahrt hinab nach der marokkanischen Küste und untersuche jedes Loch, wo das Boot mit den »Räubern« vom »Ozean« gelandet haben kann. Es sind nicht viele Häfen dort; an der ganzen marokkanischen Westküste gibt es nur etwa sechs bis acht, und anderswo zu landen ist unmöglich.
Wie willst du hingelangen?
In zwei Tagen geht ein englischer Dampfer nach den Kanarischen Inseln, er muß alle marokkanischen Häfen anlaufen – dies habe ich heute erfahren.
Du hast also deinen Plan schon entworfen? – Du zeigst einen großen und lobenswerten Eifer im Dienst der Gerechtigkeit.
Holt erhob sich rasch mit hochgerötetem Gesicht, sodaß ich mich veranlaßt fand, mich ins Gespräch zu mischen:
Wenn Holt reist, so reise ich mit, aber wir wollen zuerst hören, ob Monk einen andern und bessern Plan hat. Du mußt doch zugeben, Holt, daß alles, was er bisher »angenommen« hat, bis auf Punkt und Tüpfelchen richtig gewesen ist, und wenn es jemand gibt, der diese Geschichte aufklären kann, so ist er es.
Ja, was dies anbetrifft, so will ich alles mögliche zugeben. Aber ich glaube nicht, daß jemand so eifrig wie ich bestrebt ist, Licht in die Sache zu bringen. Was mich, anbelangt, so – –
So bist du der fahrende Ritter geworden, der seine Dame sucht, das wissen wir wohl; aber heutzutage sollte ein Ritter sich mit einer solchen Sache lieber an einen Detektiv wenden. Nun, Monk, was soll Holt tun?
Er soll nicht mit dem Konsul sprechen. Dieser Herr wird nicht reinen Mund halten, sondern es als seine Pflicht betrachten, die Sache den spanischen Behörden zu melden. Meine Meinung ist, daß die Leute, die wir suchen, zwar an der marokkanischen Küste gelandet sind, sich aber wahrscheinlich in diesem Augenblick in Gibraltar oder einem andern Hafen in der, Nähe befinden. Nach der afrikanischen Küste hinabzufahren und die Häfen zu untersuchen, ist kein übler Plan. Wenigstens würde man einen Anhaltspunkt für weitere Nachforschungen erhalten, selbst wenn sie wieder nach Europa verduftet sein sollten. Aber als gewöhnliche Reisende zu fahren, nützt wenig – die marokkanischen Behörden werden kaum aus zugänglichen Menschen bestehen, und von ihnen ist sicher keine Hilfe zu erwarten. Bedenkt, daß wir die Leute, die wir suchen, nicht einmal gesehen haben!
Aber etwas muß doch getan werden!
Allerdings! Und mein Plan besteht darin, daß ich vor allem an den Polizeimeister in Christiania telegraphiere und ihm mitteile, daß wir den »Ozean« getroffen hätten, nachdem die Besatzung denselben verlassen, und daß wir sichere Beweise für die Wahrheit ihres Berichtes besäßen. Dies wird vorläufig genügen, um die armen Leute in Ruhe zu lassen. Gleichzeitig bitte ich den Polizeimeister, der mich kennt, die Sache bis auf weiteres geheim zu halten. – – Dann suchen wir morgen den kommandierenden englischen Admiral auf der Station hier auf und stellen ihm die Sache vor; er ist selber Seemann und wird einsehen, daß unser Bericht wahr ist. Er hat immer ein Kanonenboot zur Verfügung. Ich halte es für möglich, ihn zu bewegen, dasselbe nach der afrikanischen Küste zu senden und die notwendigen Untersuchungen vorzunehmen. Die Engländer suchen ihren Stolz darin, auf allen Meeren der Welt die Polizei auszuüben. Keine Seele außer dem Führer der Expedition braucht etwas von dem Zwecke derselben zu bemerken – und, was die Hauptsache ist, die örtlichen Behörden werden sich zu seiner Verfügung stellen, was die Untersuchung wesentlich fördern wird. Wie gefällt euch dieser Plan?
Er ist ausgezeichnet! rief Holt. Es ist der bekannte Admiral Freemantle, der in diesen Gewässern befehligt. Ich bin überzeugt, daß er das Kanonenboot absendet, wenn wir ihm die Sache ordentlich vorstellen. Aber zum Teufel, warum hast du das nicht gleich gesagt, dann hätte ich nicht so viele Worte zu machen brauchen!
Ich mußte doch Zeit haben, um nachzudenken, antwortete Monk geduldig. Es geht nicht so schnell bei mir: mein Gehirn arbeitet langsam.
Ich kann wohl gleich beifügen, daß am nächsten Tage das Telegramm nach Christiania gesandt wurde und wir dem englischen Admiral unsern Besuch abstatteten. Dieser Herr war nicht wenig erstaunt, als er unsern Bericht hörte; schließlich aber wurde der Chef des Kanonenbootes »Plever« gerufen und noch am gleichen Abend stach dasselbe in See – um nach Portsmouth zu gehen, wie es offiziell hieß. Holt bekam Erlaubnis, die Expedition mitzumachen, die sich der afrikanischen Küste entlang bis südlich nach Mogador erstrecken sollte – etwa 400 Meilen von der Gibraltarstraße.
Monk und ich wollten unterdessen in Gibraltar bleiben.