Carl Franz van der Velde
Das Liebhaber-Theater
Carl Franz van der Velde

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17.

Während dieses Monologs hatte sich der neue Volteggio in seiner zwölfzeiligen Rolle mit Lorbern bedeckt, die er, weil er bis zum Gefecht im fünften Akte nichts besseres zu thun wußte, rasch mit den Rosen einer Stundenliebe vertauschte. Mit ritterlichem Muthe suchte er den Postmeister und den Junker Benno von Birk zugleich aus den Herzen der beiden Conrectors-Töchter zu verdrängen. Da diese Anbeter für die Mädchen theils zu alt, theils zu jung waren, so gelang ihm das bei der goldenen Mittelstraße seiner Jahre mit bewundernswürdiger Geschwindigkeit, und als die Musik des zweiten Zwischenaktes anfing, stand er schon mit seinen beiden Eroberungen hinter der rechten Säule des Prosceniums und küßte 228 die ewig lachende Albertine, die mit ihrem Munde sonst nicht viel anzufangen wußte, munter nach dem Takte.

Während dem suchte Bayard seine Blanca in allen Verstecken des Theaters und der Garderoben, und war fast allenthalben ein unwillkommener Störer geheimer Freuden. Hier sagte der ältliche Admiral, von seinem Monarchen belauscht, der Duenna Süßigkeiten vor, dort raubte der Ritter Rochefort der schönen Constantia Gritti den ersten Kuß, und die edle Lucretia, von ihrem Bayard Numero Eins verlassen, machte, ihrem Namen treulos, eben einige Manövres, die Hauptleute Talmond und Tremouille, und allenfalls auch den Weiberhasser Tardieu in die Schußweite ihrer Reize zu locken. Der Prinz von Bourbon aber rannte eben so wild wie Bayard auf den Bretern herum, um seine Miranda, die ihm abhanden gekommen war, aufzusuchen.

Alles fühlt der Liebe Freuden,
tändelt, schnäbelt, scherzt und küßt!
und ich soll die Liebste meiden,
weil sie nicht zu finden ist!

229 summte Bayard endlich verdrießlich, und stand in dem Augenblicke in Laura's-Lust am Waldgrunde vor der Gesuchten. Jauchzend flogen sie sich in die Arme.

Du hast sehr gut gespielt, Eduard, und die Rittertracht steht Dir herrlich, flisterte Aphanasia, mit ihrem niedlichen Finger seinen zierlichen, mit Gummi aufgeklebten Schnurrbart streichelnd.

Gegen Aphanasia und ihr Spiel versinke ich doch in das Nichts, antwortete er, in des holden Mädchens Anblick versunken: und bliebe noch etwas an mir übrig, so danke ich es Dir allein. Wen solltest Du nicht begeistern?! Diese einfache, schwarze Tracht ist herrlich gewählt. Sie zeigt die Schönheit flitterlos, und läßt ihr so ihren vollen Effect. Was Laura mit der Masse ihrer Juwelen nicht bewirken konnte, das erreicht blos Dein hohes, strahlendes, reines Auge!

Schmeichler! rief Aphanasia und hing wieder an seinen Lippen, und Beide überhörten in der Umarmung ein leichtes Rauschen, das sich 230 hier hinter Bayards Zelt, was in der Nähe stand, erhob.

Weißt Du es schon, daß Dein Vater versöhnt ist? fragte Wespe, als er den Mund wieder frei hatte.

Ich sah von weitem die Friedensumarmung der beiden edlen Ritter, scherzte Aphanasia: und freuete mich sehr. Doch glaube darum nicht, daß wir am Ziele sind. Zwischen der Versöhnung und dem Ja, worauf es hier eigentlich ankommt, gähnt noch eine entsetzliche Kluft.

Die Hauptsache ist in Ordnung, sprach Wespe getrost. An die Versöhnung muß sich in dem guten Herzen Deines Vaters bald die Dankbarkeit schließen. Denn daß der Bayard noch gegeben und so gut gegeben wird, das dankt er doch einzig und allein mir, meines unsterblichen Prologs gar nicht zu gedenken.

Aber wie viel Ränke und Schelmereien hast Du auch deßwegen gesponnen! rief Aphanasia, mit dem Finger drohend. Mein Vater muß Dir schon für alle die Sünden dankbar 231 seyn, mit denen Du seinetwegen Dein Gewissen belastet hast. Schon die Liebesschwüre, mit denen Du die Unerfahrenheit der theuern Laura täuschtest, verdienen –

Die herzlichsten Küsse von meiner Aphanasia! fiel Wespe, sie umarmend, ein: denn es ist fürwahr kein kleines Opfer, sich in eine Dirne verliebt zu stellen, die man verachtet.

Das Rauschen hinter dem Zelt wurde stärker, aber während der Umarmung der Liebenden abermals überhört.

Wenn sie das hörte! rief Aphanasia: ich glaube, es wäre jetzt noch um unsern Bayard geschehen, sie bekäme Krämpfe und ließe sich nach Hause fahren.

Das thäte sie wohl nicht, meinte Wespe: denn dann brächte sie sich muthwillig um den Applaus für ihr wirklich sehr gelingendes Spiel und blamirte sich dabei noch entsetzlich. Andern Verdruß aber würde sie uns wohl machen, so weit ihr böser Wille und ihre schwache Kraft reichten. Aber das haben wir nicht zu fürchten. Sie liegt gewiß jetzt irgendwo liebselig 232 und liebewarm an Falkenbergs Brust und denkt unter seinen Küssen nebenbei an Erbachs Huldigungen, an den Brautstand mit mir und an, Gott weiß, was noch. Denn ein Herz wie das ihrige, ist im Stande, um das Universum der Männerwelt die Liebesarme zu schlingen!

Da rauschte es plötzlich sehr vernehmlich hinter dem Zelte. Es spukt! schrie Aphanasia erschrocken und flog davon. Indem klingelte der Souffleur, der Vorhang des dritten Aktes ging in die Höhe, und Bayard eilte in die Garderobe, um die Ordenskette des heiligen Michael, die er bei dem süßen Geschwätz vergessen, noch in der Geschwindigkeit über den Panzer zu werfen.

 


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