Carl Franz van der Velde
Das Liebhaber-Theater
Carl Franz van der Velde

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16.

Gern hätte Bayard auf der Stelle diese rührende Versöhnungscene seiner Blanca vertraut, aber Volteggio's Scenen-Probe trat jetzt ein, und der arme Wespe, unvermögend die Lust mit der Pflicht zu vereinen, mußte, wie das oft im Leben der Fall ist, das Utile dem Dulci vorziehen. Die Probe des Studiosi, der, nach abgelegter Fuchsmütze, den Augen des weiblichen Personals sehr wohlgefiel, war tadellos, und der zweite Akt begann.

In der Scene, die den Helden mit der einem andern vermählten Geliebten zusammenführt, boten Aphanasia und Wespe, von Liebe und Hoffnung begeistert, alles auf, der Liebe Schmerz und Glück, den harten Kampf der Pflicht und der Entsagung Glorie mit brennenden Farben zu schildern, und da das Herz auf dem höchsten Gipfel der Empfindung den 226 Pinsel führte, da Jugendreiz und Jugendfeuer das Paar unterstützten, so gelang die Schilderung so vortrefflich, daß das weibliche Publicum recht herzlich weinte, und sogar bei den Männern hier und da Augen naß wurden; der Amtsrath stand wieder hinter seiner Säule, sah, hörte, vermißte die früher gewünschte Lebhaftigkeit des Liebhabers nicht, bewunderte, wurde gerührt, und schluchzte am Ende ganz vernehmlich.

Das ist nicht Kunst! Das ist Natur! rief er zuletzt, als das Licht, das ihm plötzlich aufging, seine Rührung erstickte. So spielen zwei Dilettanten nicht, wenn sie sich nicht schon vorher in einander verliebt haben. Und diese müssen ganz rasend in einander verliebt seyn. Jetzt ist mir auch die harrende Dienstbereitwilligkeit des Herrn Referendar, jetzt sind mir die christlichen Sühn-Ermahnungen Aphanasia's klar. Ja, das thut mir leid um alle Beide, aber daraus kann in Ewigkeit nichts werden. Zwar der saubere Brauß – der hat seine Braut vertrunken, vertrunken im 227 eigentlichen Sinne Absit! Aber für einen bloßen Assessor halte ich denn doch mein einziges Kind zu hoch, und – wenn ich auch den Nairen verziehen habe, so habe ich ihn deßhalb doch nicht vergessen!

 


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