Carl Franz van der Velde
Das Liebhaber-Theater
Carl Franz van der Velde

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12.

Die gesetzten Trümpfe hatten Wunder gethan. Pünktlich und vollzählig hatte sich das Personale in der General-Probe eingefunden. Eben so musterhaft als die immer treu memorirenden Damen, hatte das Officier-Corps seine Rollen gelernt; selbst Brauß, der nicht Lust hatte, sich für seine Faulheit zu schießen, wußte seinen Bayard vollständig. Da sämmtliche junge Männer nicht ohne Darstelltalente waren, so ging die Probe wie am Schnürchen, und mit nie gefühlter Directorseligkeit saß der Amtsrath auf dem Sammetsessel des Feldmarschalles in der Loge und applaudirte in einem fort.

Aphanasia war noch immer böse auf Wespe und hielt sich heute zum ersten Male mehr zu ihrem bestimmten Bräutigam. Dieser, statt das neue Glück dankbar zu erkennen und klüglich zu benutzen, sah darin nur einen, seiner Vortrefflichkeit gebührenden Tribut, dessen Verspätung er durch die Huldigungen bestrafte, 183 die er an Frau von Horst, eine alte, aber noch recht anziehende Bekanntschaft, verschwendete. Von Coulisse zu Coulisse floh Aphanasia vor dem armen, gebeugten, versöhnunglustigen Wespe, für den sie seit der Spielprobe nie allein zu sprechen gewesen war. Wespen verfolgte Laura, die in seinem Benehmen das Resultat einer neuen Eifersucht sah, welche sie von neuem verdient zu haben sich wohl bewußt war. Ihr flatterten der Graf Erbach, der Lieutenant Falkenberg und die beiden fremden Officiere nach, und so zog sich diese Kette von Verfolgern und Verfolgten langsam hinter den Coulissen herum, während Fräulein von Birk, den Plaudereien des blühenden Seethal Gehör gebend, die zärtlichen Werbungen des verblühten Barons Appenrode zurück wies, dieser sich aus Verzweiflung mit der Postmeisterin mesallirte, und der Postmeister sich dafür bei der immer heitern Albertine schadlos hielt. Den Beweis vollendend, daß Amor ewig die süßlächelnde Thalia umschwebt, stand der Junker von Birk mit seiner 184 Camilla auf Laura's Lieblingplätzchen, und in Beiden brannte des Südens Liebeglut, die sie auf den Bretern dargestellt, in hellen Flammen fort.

Je entzückter der Amtsrath über die wirklich seltene Rundung der Probe war, desto grimmiger wurde Wespe über Aphanasia's Eigensinn. Endlich im fünften Akte, als Blanca, ihrem Manfrone verzeihend, abgegangen war, und Bayard nicht mehr vom Platze kam, gelang es dem unglücklichen Liebhaber, sich so zu stellen, daß ihm die zürnende Geliebte ohne Aufsehn nicht mehr ausweichen konnte.

Wenn ich, sprach er mit zorndunklem Gesicht: nicht noch heute mit Ihnen eine Viertelstunde allein sprechen kann, so bin ich morgen mit dem ersten Grauen des Tages auf dem Wege nach der Residenz, um meine Bewerbung um den hiesigen Posten zurückzunehmen.

Es wäre wohl nicht edel, antwortete Aphanasia bitter: nicht einmal männlich, den Vater durch Störung seines liebsten Vergnügens dafür zu bestrafen, daß die Tochter Ihre 185 poetischen Rede-Uebungen nicht länger anhören mag.

Es ist Ihnen Genuß, mich zu verkennen, erwiederte Wespe. Ich bedauere, daß ich Ihnen diese Freude rauben muß. Bayard wird morgen auch ohne mich gespielt werden. Ein Freund von mir wird meine Stelle vertreten.

Da schlug Aphanasia die schönen Augen nach ihm auf, und ihre Blicke schienen ihn um Verzeihung zu bitten, wegen des Unrechts, das sie ihm dießmal angethan. Eine Stunde nach der Probe, hier! flisterte sie ihm zu, und in seliger Wonne blickte er der Entfliehenden nach.

Bravo, Bravissimo! schrie aus Leibeskräften der Rittmeister Erbach, als Bayard abermals ausgelitten hatte. Allons, darauf, meine Herrschaften, daß wir das Bravo, das wir morgen erndten werden, heute schon in voraus hören!

Bravo, Bravo! lachten die Herren und Damen, und klatschten, bis ihnen die Hände weh thaten.

186 Bravissimo, auf jeden Fall! rief der Amtsrath. Nur eines fehlt noch nach meiner Ansicht. Aber es ist recht, daß es fehlt, die Darstellung wäre sonst vollkommen, und das soll ja kein Menschenwerk seyn.

Und das wäre? fragte Wespe, begierig auch hier dem Director mit Rath und That beizuspringen.

Ein kleines Gefecht auf der Scene, antwortete der Amtsrath. Das Stück wird einem Helden zu Ehren gespielt, und handelt von einem Helden, und doch wird der ganze Krieg so trocken abgefertigt mit etwas Spectakel hinter den Coulissen.

Sie tadeln, rief Brauß vornehm lächelnd: was ich gerade an Kotzebue loben würde, wenn es mir überhaupt möglich wäre, ihn zu loben! Die Gefechte auf der Bühne sind immer eine Partie honteuse des Theaters gewesen, und ich sehe sie nie, selbst in der Residenz, ohne dem Hanswurst im Trauerspiele zu begegnen.

Ach, wenn es nur recht gemacht wird, meinte der Amtsrath. Mein Theater ist nicht 187 viel kleiner als das in der Residenz. Hinreichende Mannschaft haben wir durch die Güte der Herren Officiere. Es wäre nur um die Dressur zu thun.

Ja, meine Leute haben nur die moderne, sprach der Rittmeister: und wie ich ihnen die antike, von der ich nichts verstehe, bis morgen geben soll, das weiß ich doch nicht.

Und wo wollten der Herr Amtsrath eigentlich das Gefecht einschieben? fragte Wespe rasch.

Sie wissen wohl schon wieder den beßten Rath?! rief der Amtsrath, das Buch vorbringend. Hier im fünften Akte zwischen Bayards Abgange und dem Auftreten des Prinzen von Bourbon.

Wenn die Herren Officiere mich unterstützen wollen, sprach Wespe: so will ich morgen früh versuchen, wie weit ich morgen mit der antiken Dressur komme. Ich habe aus der Bibliothek des Seniors eine alte Chronik mit Kupfern, in der sich viel darüber finden wird. Es kommt nur darauf an, ein interessantes Schlacht-Tableau von kurzer Dauer zu 188 Stande zu bringen, und das getraue ich mir schon mit solchen Hilfmitteln.

Dachte ich's doch! rief der Amtsrath; disponiren Sie über uns!

Wir haben ein Dutzend Franzosen, eben so viel Spanier und Venetianer unter den Waffen, sagte Wespe. Talmond und Termouille mögen die Franzosen führen. Rochefort und ich, durch die Rüstungen unkenntlich, die Feinde. Es wird supponirt, daß die Franzosen eine Recognoscirung aus dem Eng-Passe machen, und sich bei dem Angriff der Feinde zurück ziehen. So geht Gefecht, Rückzug und Verfolgung über die Bühne. Spießgefecht und Musketen-Chargen füllen den Hintergrund, während die Führer mehr vorn einen kurzen, gut eingeübten Schwerterkampf zum Beßten geben.

So können Sie also fechten, Herr Referendar? fragte Falkenberg, der sich in Lauren verliebt und in Wespen einen glücklichen Nebenbuhler zu finden glaubte, mit der Ironie der Eifersucht.

189 Ich studirte in Halle, Herr Lieutenant! antwortete dieser ernsthaft.

Das weiß der Teufel, wie er's macht! grämelte der Amtsrath. Er kann alles, und was er angreift, das gelingt ihm.

Die Disposition ist nicht übel, meinte der Rittmeister.

Und daß die Kerls ihre Schuldigkeit thun, dafür werde ich sorgen! rief der wilde Seethal.

Also morgen früh sechs Uhr, wenn es gefällig wäre, sprach Wespe, sich höflich dankend verneigend: damit wir vor dem Gottesdienste fertig sind und ihn durch unsern Spectakel nicht stören.

Das ist löblich und schicklich, junger Mann! rief der Amtsrath. Dann brummte er Aphanasien zu: Daß dieser Pasquillant mir alles recht und alles zu Dank machen würde, hätte ich nicht gedacht! Gute Nacht, meine Herren! rief er laut und ärgerlich, und ging fort.

Ich sehe Sie heute noch, schöne Frau? flisterte Herr von Brauß der Frau von Horst, mit der er sich zuletzt fast immer leise unterhalten hatte, beim Abschiednehmen zu.

190 So bald sich der Troß verlaufen hat, hier! flisterte sie zurück, mit warmen Blick und Händedruck, und entschwebte.

Größtentheils zärtlich gepaart, folgte ihr die Schauspielertruppe, und mancher Armdruck, und mancher heiße Kuß ward durch das Gedränge in dem dunkeln Ausgange begünstigt und versteckt.

Ein tolles Treiben, durch und gegen einander! lachte der Assessor Walther, der überall den stummen Beobachter gemacht hatte und jetzt zuletzt geblieben war. Was für eine Masse Liebe von allen Gattungen wird hier in einer Probe consumirt! Wohl dem, der, gleich mir, schon eine geliebte Braut und zu viel Phlegma zur Untreue hat! So viel ist aber doch bei mir beschlossen, daß meine Töchter, wenn mir der Himmel dermaleinst welche schenkt, in ihrem Leben diese Breter nicht betreten sollen!

 


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