Carl Franz van der Velde
Das Liebhaber-Theater
Carl Franz van der Velde

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15.

Trompeten schmetterten, Pauken wirbelten, der Vorhang rauschte auf. Vor dem strahlenden Tempel des Ruhmes stand Aphanasia als Fama, die großen, weißen Fittiche entfaltend, das Haupt mit Lorbern gekrönt, die goldene Tuba in der Hand. Durch das ideale Costüm, 221 wie durch Körperschöne und edle Haltung, eine vollendete Olympierin. Ihre sanfte, melodische Stimme verherrlichte die guten Jamben des Gedichtes. Von dem feinen Lobe seiner Feldherrnthaten schwoll dem alten General das Herz. Und als die liebliche Fama seine Milde schilderte, als sie das Gute aufzählte, was er gethan in seinem strengen Berufe, das Böse, das er verhindert, das Elend, das er gelindert, als sie ihm dankte im Namen der Tausende, die er beglückt oder gerettet, da rollten die Thränen des ehrwürdigen Greises auf die Logenbrüstung nieder, und er drückte dem weinenden Amtsrathe, der sich hinter ihn gestellt hatte, schweigend die Hand.

Jetzt rief Fama's Wink den Genien, die, mit ihren Psycheflügeln herbei flatternd, die Büste des Generals unter einer fernen, sanften Flötenmusik im Tempel aufstellten. Fama setzte ihr den Lorberkranz auf. Hoch loderte aus den Urnen rechts und links die bengalische Flamme empor und schuf in der hellen Erleuchtung noch einen neuen helleren 222 Tagesglanz, und in dem Augenblicke sank der Vorhang nieder.

Es ist zu viel, Freund, es ist zu viel! rief der General, den Amtsrath umarmend. Ich habe bei weitem nicht alles das Gute vollbracht, was Sie von mir rühmen, wenn ich mir auch bewußt bin, es recht redlich gewollt zu haben. Ich danke! ich danke herzlich! Ich dachte nicht, diesen Geburttag noch zu erleben, und Sie haben ihn zu meinem beßten Freudentage gemacht!

Ich bin glücklich, Ihro Excellenz, sprach der Amtsrath tief bewegt: wenn es Ihrem alten Verehrer gelang, Ihnen einen frohen Augenblick zu schaffen.

Wer hat den Prolog gedichtet? fragte der General, sich die Augen trocknend. Mein Urtheil kann hier natürlich nicht entscheiden, aber ich muß doch bekennen, daß ich ihn vortrefflich finde.

Der Assessor Wespe, erwiederte der Amtsrath stolz. Ein Freund meines Hauses. Ich werde die Ehre haben, Ewr. Excellenz den 223 jungen Mann bei dem Souper vorzustellen. Ich muß es selbst gestehen: Er hat brav geschrieben. Das Gedicht ist schön, und um so schöner, je wahrer es ist.

Der Graf und die Gräfin Erbach mischten sich lobend und preisend in das Gespräch. Der Amtsrath überließ ihnen den General, und eilte in die Garderobe, sich in den Vater Ligny zu metamorphosiren. Eben klingelte der Souffleur zum Aufziehen, da war er erst fertig und rannte nun mit klingenden Ritterspornen, vom: »Pst! und Stille!« des Personals verfolgt, nach der linken Säule des Prosceniums, hinter der er das ganze Theater überschauen konnte. Eben so passend, als vortheilhaft costümirt, saß schon Bayard-Wespe draußen bei der Landcharte, und Ligny staunte und freute sich über den ritterlichen Anstand des jungen Mannes, den er ihm in diesem Grade gar nicht zugetraut hatte. Und als sich nun Bayards Spiel immer mehr entwickelte, als seine treuherzige Vertraulichkeit mit dem Waffenbruder, die zierliche französische Courtoisie 224 gegen die Damen, der strenge, würdevolle Ernst gegen den tückischen Manfrone, die zarte, schonende Gemüthlichkeit gegen die liebesieche Miranda hinter einander hervortraten, da stand Ligny immer entzückter hinter seiner Säule, und brummte nur immerfort in abgebrochenen Sätzen:

Er spielt brav – sehr brav! Brauß muß sich verkriechen. Der machte aus dem Bayard einen windigen, eiteln, anmaßenden, modernen Chevalier. Wespe stellt einen altfranzösischen Helden hin. Ich weiß nicht, wo mein Groll hingekommen ist! Er hat mir es angethan!

Jetzt sank unter donnerndem Geklatsch und Bravorufen der Vorhang, und der Amtsrath stürzte dem herabkommenden Bayard entgegen.

Alles verziehen! alles verziehen! schrie er, die Arme nach ihm ausbreitend. Prolog süperbe, General geweint, vortrefflich genannt, nach dem Autor gefragt, den Bayard wie ein Cherubini gespielt, Nair ist versöhnt, Freunde für immer!

Es war meine schönste Hoffnung! 225 antwortete Wespe, und schloß den Nairen entzückt in seine Arme.

 


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