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Briefe 1820 – 1829

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An Ludwig Uhland

Berlin, 24. Februar 1821

(...) In unserm nördlichen Deutschland geht es mit der Dichtkunst abwärts; die Dresdener Leute sind gar matt, die Berliner nicht besser, Tieck ist verstummt, leider meist wegen Krankheit. Fouqué sänge wohl noch, aber es mag es niemand mehr hören, in der Gesellschaft wird er mit seiner Ritterwut fast wie ein Toller angesehen, und im Buchhandel sagt ihm jeder Verleger ab. – Unsere Literatur im ganzen verfällt in wüste Trümmer ...; es fehlt an Gemeinsamkeit, an Ordnung, an Sammelplätzen, an Zucht und Kritik, von den Gewerbeverhältnissen des Buchhandels bis zu den geistigen Beziehungen der Kunsterzeugnisse gilt dies durch alle Mittelstufen. Auch in diesem Gebiete kündigt sich der große Umschwung an, der in allen andern Gebieten des Lebens teils schon eingebrochen ist, teils heranrückt und gewiß in die größten Wetterschläge ausbricht! – Ich sehe in den politischen Dingen nur schwere Ungewitter und zumeist für unser deutsches Vaterland, dem sein Bundestag und einzelne Landstände noch lange nicht genügenden Halt und Bestand geben. Möge Torheit und Eigensucht doch ihr Ziel finden, ehe sie uns an den äußersten Rand des Unheils gebracht haben. Aber leider gibt sich, wie die Geschichte zeigt, wenig im Guten, es will alles im Bösen, unter harten Schlägen gewonnen sein! – Gerüchte, denen wir nicht ganz auf den Grund kommen können, nennen Dich bald Bräutigam, bald Ehemann. Laß uns wissen, auf welcher der beiden Stufen Du die Glückwünsche Deiner Freunde annimmst. (...)

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An Justinus Kerner

Berlin, 1. Juli 1821

(...) Beschuldige mich nicht wegen meines Schweigens, ich würde gerne schreiben, und Briefe könnten mir Ersatz bieten für so manche Entbehrung; allein die Umstände lassen mich nur täglich mehr in dem Vorsatze beharren, allen Briefwechsel auf die unausweichlichsten Fälle zu beschränken; mein Aufenthalt hier ist unsicher, meine Verhältnisse unentschieden, die Entfernung groß, meine Freunde zahlreich, die Gegenstände schwierig zu behandeln: lauter Gründe, um lieber gar nicht zu schreiben, wenn man nicht alle Zeit und Mühe dem einen und jetzt sehr unfruchtbaren Geschäfte widmen will. – Mir geht es übrigens wohl, ich habe von meinem hiesigen Aufenthalte manche Annehmlichkeit und manchen Vorteil, und sehe sehr gelassen der Entwicklung der Dinge zu, welche dem betrachtenden Geist unendlichen Stoff und reichen Erfahrungsertrag zuführt! In meinen eigenen Verhältnissen hat sich nichts geändert, außer daß ich die Sendung nach Amerika nun ganz und gar abgewendet habe und nicht mehr die Rede davon ist. Eine neue Anstellung, die nur in wenigen Fällen nach meinen Wünschen und nach meinen Zuständlichkeiten sein könnte, warte ich ruhig ab; vieles, was andere hastig anstreben, hat für mich keinen Wert, manches, was andere wenig reizt, wäre meiner Neigung gemäß. Mir wird schon zuteil werden, was mir das angenehmste ist! Am wenigsten möchte ich jetzt Deutschland verlassen, dessen vaterländisches Interesse in den jetzigen Weltverhältnissen meinen höchsten Anteil erweckt. – Leider ist meine arme Frau fast immer krank, sie entbehrt die mildere Luft des Südens, und der kurze Sommerbesuch von Bädern kann sie dafür nicht entschädigen. (...)

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An Johann Wolfgang Goethe

Berlin, 6. März 1827

Ew. Exzellenz

dürften aus den ergangenen Ankündigungen und den darauf erfolgten wirklichen Anfängen der neuen Literaturzeitung, zu deren Herausgabe hier ein Gelehrtenverein unter dem Namen der »Sozietät für wissenschaftliche Kritik« zusammengetreten ist, von dem Zweck und der Richtung dieses Instituts bereits genügende Kunde genommen haben, um uns der näheren Erörterung und besonderen Rechtfertigung des Gegenstandes selbst leicht zu überheben. Gleich bei Gründung dieses wissenschaftlichen Vereins mußten die Stifter und ersten Teilnehmer, ihrer würdigen Absicht und bedeutenden Aufgabe bewußt, indem sie die wünschenswertesten Förderer und Genossen in auswählenden Überblick zu fassen strebten, vor allen des Namens eingedenk sein, der als die erste und schönste Zierde unsrer Literatur den weiten Kreis derselben mit unverzüglichem Glanz durchleuchtet. Wie lebhaft und eifrig indes das Verlangen sein mochte, dem neuen Unternehmen die Gunst und den Anteil Ew. Exzellenz zu gewinnen, so schien es gleichwohl den Verhältnissen angemessen und war in unsrem Gefühl tief begründet, mit unsrer Eröffnung dieserhalb noch zu zögern und Ew. Exzellenz Mitwirkung und Beitritt nicht für ein bloß im Vorhaben schwebendes, noch erst zu erwartendes Werk in Anspruch zu nehmen. Jetzt aber, nachdem das Unternehmen, wenn auch noch jung und unvollkommen, doch kräftig und fest, in zuverlässigem Fortschritt durch die Tat vor Augen gestellt und in einer Reihe von gelieferten Arbeiten der Sinn und Geist desselben bestimmter ausgesprochen ist, jetzt darf unsre Gesellschaft nicht länger anstehn, ihren frühsten Wunsch, ihr eifrigstes Begehren, zu günstiger Erfüllung ehrerbietigst darzulegen! Die freudigste Einstimmigkeit hat diesmal alle sonst notwendig erachteten Formen der Erwägung und Entscheidung völlig beiseite gesetzt, und gleicherweise eine ungewöhnliche Form der zu machenden Eröffnung verfügt. Den Unterzeichneten ist der ehrenvolle Auftrag erteilt worden, Ew. Exzellenz namens der Gesellschaft zur Teilnahme an derselben ergebenst einzuladen. Wir kennen die Rücksichten, welche uns gebieten, jeden unmittelbaren Anspruch auf bestimmte Tätigkeit von dieser Einladung fernzuhalten, wir ordnen im voraus unsre eifrigsten Wünsche hierin jeder anderen Beziehung willig unter; aber wir würden es uns zur hohen Ehre rechnen, wenn Ew. Exzellenz unsrem Unternehmen eine beifällige Zustimmung gönnen, unsren Blättern die Hoffnung, nach Gelegenheit und Umständen von Ihrer Hand bereichert zu werden, nicht verschließen, und uns demnach gestatten wollten, in dem Verzeichnis unsrer Mitglieder Ihren höchstverehrten Namen aufzuführen, um unsrerseits vor der Nation nicht in dem Vorwurfe zu stehn, die in solcher Hinsicht anerkanntest darzubringende Gebühr der Verehrung verabsäumt zu haben. –

Indem wir Unterzeichnete uns des empfangenen Auftrags hiedurch ehrerbietigst entledigen, können wir nicht unterlassen, uns des ausgezeichneten Vorzugs lebhaft zu erfreuen, der uns gewährt, mit dem Ausdrucke der gemeinsamen, absehen unsrer Sozietät Ew. Exzellenz gewidmeten Huldigung zugleich den unsrer persönlichen ehrfurchtsvollsten und anhänglichsten Gesinnungen zu vereinigen, in welchen wir die Ehre haben zu verharren

Ew. Exzellenz gehorsamst-ergebenste
Hegel
K. A. Varnhagen von Ense

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An Johann Friedrich Cotta

Berlin, 11. Mai 1827

Wollen Sie, Hochverehrter! meinen jungen Freund H. Heine, den Verfasser der zwar überdreisten, aber auch hochgenialen »Reisebilder«, von welchen der zweite Teil eben jetzt erschienen ist und großes Aufsehn macht, für das »Morgenblatt« während der nächsten Zeit beschäftigen, die er in England und demnächst in Frankreich zuzubringen gedenkt, so bitte ich Sie, ihm dies und die Bedingungen, die er freilich sehr günstig gestellt erwartet, mit ein paar Worten nach London unter Adresse von L. A. Goldschmidt & Co. gefälligst anzuzeigen. Besondere Wünsche würde er gern berücksichtigen; seinen eignen Zwecken zufolge kann sein Aufenthalt in England etwa drei Monate dauern, wäre in bezug auf das »Morgenblatt« eine Verlängerung angemessen, so hätte darüber, der großen Teurung wegen, ein näheres Abkommen stattzufinden. Auf sein an mich gerichtetes Ersuchen teile ich Ihnen diesen Antrag mit.

Heine ist Doktor juris, aber bisher jeder amtlichen oder bürgerlichen Laufbahn fremd geblieben; als Neffe des reichen Salomon Heine in Hamburg befindet er sich in einer Lage, die ihm erlaubt, völlig unabhängig zu bleiben. Sein Talent brauche ich Ihnen nicht anzurühmen. Er ist ein würdiges Gegenstück zu Börne, mit dem Vorzuge, den immer das produktive poetische Genie vor dem kritischen prosaischen hat.

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An Johann Wolfgang Goethe

29. Februar 1828

Ew. Exzellenz

höchst verehrtes Schreiben vom 19. d. hat mich in die lebhafteste Freude versetzt, die ich gestern in unsrer Geschäftsversammlung den anwesenden Mitgliedern unsrer Sozietät mitzuempfinden gab, und jetzt in flüchtigen Zeilen, wie sie mir heute nur erlaubt sind, kaum nach Gebühr auszusprechen vermöchte! Wir empfangen mit innigstem Dank das herrliche Erbieten Ew. Exzellenz und sehen dessen geneigter Erfüllung mit aller Kraft des Verlangens entgegen, welche durch das wirksamste Bewußtsein, was uns selbst und der Welt ein solch tätiger Anteil Ew. Exzellenz zu bedeuten hat, in uns allen aufgeregt wird. Wir bitten Ew. Exzellenz noch insbesondre, in Form und Ausdehnung der gütigst angebotenen Rezension keine Regel unserer Einrichtung als irgendeine Schranke denken zu wollen, indem unsre Jahrbücher doch immer, was von Ew. Exzellenz Hand ihnen zukommt, als in seiner Art Einziges zu betrachten haben, welches seine Regel mitbringt, aber nicht empfängt. Zu solcher Aristokratie, wenn das Wort in diesem Sinne gelten kann, bekennen wir uns willig! –

Auch wegen der höchstschätzbaren Erinnerung hinsichtlich des Werks des Hrn. von Eckendahl, welches den meisten von uns noch unbekannt war, haben wir unsren wärmsten Dank darzubringen. Es ist beschlossen worden, dasselbe dem Hrn. Mohnicke in Stralsund, der sich insbesondre für schwedische Geschichte und Literatur gemeldet hat, mit dem Bemerken anzutragen, daß die Rezension, wenn sie nach der Überzeugung des Rezensenten nicht günstig ausfallen könnte, unterbleiben soll.

Übrigens kann ich Ew. Exzellenz mit Vergnügen den guten Fortgang unsrer Jahrbücher anzeigen. Ungeachtet mancher heftigen Feindschaft, die besonders im Stillen durch gelehrte und politische Kotterien entgegenzuwirken sucht, gewinnen sie im Publikum mehr und mehr Eingang und stärken sich auch besonders in sich selbst durch Zuwachs der Teilnehmer und durch ihre nähere Verständigung. Eines gewissen gelehrten Schwalles, der in den deutschen wissenschaftlichen Arbeiten oft so schwer den Geist frei werden läßt und mit dem auch wir unsre Not haben, hoffen wir uns nach und nach einigermaßen zu entledigen, denn es wäre vermessen, dies unbedingt zu versprechen. Schon jetzt aber fehlt es nicht an Aufsätzen, welche Gehalt und Darstellung glücklich verbinden, wofür ich nur die Rezension des Generals von Pfuel über Fains Manuskript von 1812 und Wilhelm Neumanns Rezension von Jacobis Briefwechsel anführen will. Andre Rezensionen, wie von Bopp, von Dirksen, eine zu erwartende von Rückert, haben das in andrer Art große Verdienst, daß kein in demselben Fache Fortarbeitender ihrer entbehren kann. Friedrich Roth in München, welcher in die Sozietät selbst einzutreten durch Verhältnisse gehindert ist, schreibt mir in unparteiischer Anerkennung, daß den besten unsrer Rezensionen keine andern in den übrigen gelehrten Blättern des vergangenen Jahres gleichkommen, selbst die besten in dem »Edinb. rev.« nicht ausgenommen. Von bevorstehenden interessanten Aufsätzen kann ich Hegels Rezension von Solgers Nachlaß und des Ministers von Wangenheim Anzeige der Goertzischen Memoiren ankündigen; doch will der Letztere bei dieser Gelegenheit seinen Beruf zu solchen Arbeiten erst erfahrend prüfen. – (...)

Hrn. Alexanders von Humboldt gedoppelte Vorlesungen erfreuen sich fortdauernd der allgemeinsten Teilnahme. Der Reichtum seines Wissens macht ihm den Vortrag fast zur Last, da er immer wählen und sondern muß. Nie gab es in dieser Art eine glänzendere Versammlung; beide Kollegien umfassen weit über tausend Zuhörer, unter ihnen sind S. M. der König, der Kronprinz, die Prinzessinnen, und Karl Ritter, Leopold von Buch; Erman und andre solchen Ranges schreiben nach! Der Hr. Minister von Humboldt wird in einigen Wochen mit ganzer Familie die Reise nach Frankreich und England antreten und auf der Durchreise einen Tag in Weimar zubringen. Ich habe ihm angelegen, seine mannigfachen literarischen Arbeiten in eine Sammlung zu vereinigen, aber seine Bescheidenheit verkennt den Wert, welchen eine solche Sammlung so vieles Geistvollen und Scharfsinnigen, Inhaltsschweren und Formvollendeten entschieden in unsrer Literatur und grade jetzt haben würde. –

Hr. Professor Hegel beauftragt mich, Ew. Exzellenz seine dankvolle Verehrung auszudrücken. Meine Frau dankt innigst dem ihr über alles teuren Andenken; gewiß »zu guter Stunde« sind wir vereint Ew. Exzellenz eingedenk, denn so oft dies geschieht, wird die Stunde zur guten ganz unfehlbar! Wir vereinigen unsre eifrigsten Grüße für das ganze teure Haus.


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