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Briefe

Briefe 1808 – 1819

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An Achim von Arnim

Berlin, 24. Juni 1808

Ich habe durch Reimer Ihre gütige Aufforderung an mich, beizutragen für die »Zeitung für Einsiedler«, mit vielem Vergnügen empfangen. Mit dem Wunsche, besser in Ihre Absichten einzugehen, als es mir möglich sein dürfte, schicke ich Ihnen als Beweis meines guten Willens die beifolgenden Blätter. Der Dithyrambus an Wolf ist von mir, und vorigen Sommer in einem kleinen festlichen Kreise, dessen Mittelpunkt Wolf war, verteilt worden. Schon lange habe ich gewünscht, ihn wieder abgedruckt zu sehen, und zwar mit meinem Namen. Sie verzeihen wohl, wenn ich Ihnen die Geschichte dieser Dichtart mitteile, die, Ihnen unbekannt, nicht das Interesse sein kann, Ihnen aber bekannt, leicht überschlagen wird. Joh. Heinr. Voß rühmte sich gegen Wolf, die deutsche Sprache (oder er) könnte jetzt fast alle griechischen Metren nachbilden, und nahm von dem zweifelnden Wolf die gebotene Ausforderung auf Galliamben an, eine Versart, von der uns außer Catulls »Atys« und wenigen griechischen Zeilen nichts übrig ist. Inzwischen versuchte Wolf selbst, in häufigen Nebenstunden solche Verse zu machen, deren er aber nach vieler Mühe kaum fünf hervorbrachte, mit denen er noch überdies unzufrieden war. Bald aber schickte Voß den herrlichen Dithyrambus, der im ersten Bande seiner Gedichte steht, und wohl billig hat er die neugesponnenen Verse an den Mann reden lassen, der ihre Möglichkeit bezweifelt hatte. Ich fand also diese Versart dem Manne schon geweihet, und konnte mich nicht beruhigen, bis ich das zweite Gedicht dieser Art geliefert; ein in der Tat glücklicher Zeitpunkt, da sowohl das erste zu geben schwerer war, als auch jetzt das dritte hervorzubringen schwerer sein möchte. Nach dem Ausspruche der damals versammelten Philologen ist mir die Arbeit gut gelungen, die auch Wolf selbst und Joh. v. Müller durch spätere Verteilung billigten. – Das andere Gedicht ist eine alte Romanze, die mein Freund, der Baron Fouqué, mir zu liebe übersetzt hat und über die ich daher schalten darf. – Ob beide Ihrem der Zeitung eingepflanzten Sinne entsprechen, kann ich von hier aus nicht entscheiden. Sollten Sie aber andere Beiträge von mir nicht unwünschenswert finden, so muß ich vor allen Dingen wissen, welche Sprünge wohl Ihr Sinn erlaubt, und ob Sie für die Art der Darstellung die gehörige Breite verstatten, welches ich besonders in Rücksicht der Polemik frage, von der ich wenigstens wissen muß, daß sie frei ist, und auch zwischen den Mitarbeitern, die ja keinesweges alle Freunde sein können. Dieses lasse Sie aber ja nicht glauben, als wolle ich die Einsiedler mit Streit behelligen, vielmehr bin ich überaus friedlich und sanftmütig, und nur ängstigend und verklemmend wäre es mir, wo schon ganz im voraus bestimmt wäre, du darfst z. B. Reichardt und seine Kompositionen nicht angreifen, oder Brentanon sarkastizieren, oder Görres formalisieren, oder Wilhelm Schlegel in den Brunnen plumpen lassen, weil es ihm besser ist, als durch Stahl und Eisen umzukommen. Können Sie mir dies zusichern, wie ich denn hoffe, so denk ich Ihnen manchen hübschen Aufsatz zuzusenden, von mir und meinen Freunden. In diesem Falle bitte ich Sie, mir auch ein Exemplar der »Zeitung f. Eins.« bei Reimer anzuweisen.

Wie es bei uns steht, werden Sie durch andere Nachrichten zur Genüge wissen, hundertmal hab ich daran gedacht, das südliche Deutschland zu suchen, aber auch dort schreckt mich so manches Ungetüm, besonders die Bildung derjenigen, mit denen unsereiner zunächst umgeht. Das Heil, worauf ich mich am meisten freute, die Universität zu Berlin, scheint weit, sehr weit entfernt. Ich muß mich nun mit den medizinischen Anstalten begnügen, die wenigstens durch ihren Umfang gut sind. Wenn Sie, wie ich vermute, in Heidelberg leben, so sagen Sie mir doch zwei Worte über die dasige Universität im Vergleich mit Halle, wie es ehemals war.

Ich wünsche Ihren Unternehmungen den glücklichsten Fortgang, besonders aber das Wunderhorn fortgesetzt zu sehen. Leben Sie recht wohl, und empfangen Sie die Versicherung meiner Achtung,

K.A. Varnhagen.

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An Jean Paul

Tübingen, 11. Februar 1809

Ich weiß nicht, ob Sie schon den Doppelroman »Die Versuche und Hindernisse Karls« in Händen haben, und bin nicht ohne einige Ängstlichkeit über Ihre Aufnahme dieses Buchs: zwar sagt jedermann mir, Sie könnten nicht zürnen, und solche sagen dies, die die letzte Szene mit Wilhelm Meister sehr mißbilligen, allein es bleibt mir doch eine Ungewißheit, die mir peinlicher ist, als der schärfste ausgesprochene Tadel von Ihnen mir wäre. Wenn ich bedenke, daß selbst Goethe, ungeachtet der klarsten Stellen hierüber, die innige Liebe und tiefe Ehrfurcht mißkennen könnte, die mit der Parodie so völlig besteht, wie Platons ewiges Zitieren des Homers mit dessen Verbannung aus der Republik: so weiß ich freilich nicht, wie es hätte anders werden sollen, und wie man die Griechen verstehn will, möchte aber doch lieber die Hunderte von Exemplaren still wieder in das Manuskript zurückrufen, als so verkannt sehen, wie wir es gemeint. Daß mein Freund Neumann Ihre Schreibart gut nachbildet, scheinen Sie selber bestätigen zu wollen gleichsam durch die Additionsprobe zu dem Subtraktionsexempel: den Ausruf »Himmel! welch ein Himmel!« finde ich mit dem freudigsten Erstaunen in Ihrem Neujahrsaufsatz des Morgenblatts. Wenn Sie unserm eifrigsten Wunsche gemäß das Buch rezensieren wollen (denn von Ihnen sähen wir uns am liebsten gezüchtigt, da dem doch nicht wird zu entgehn sein), so bitten wir Sie auch aus Ihrem reichen Vorrat um die Anekdote von der Flinte, die im Buche vergebens gesucht wird. Noch muß ich Ihnen sagen, daß wir zwar anfangs Kapitel um Kapitel schrieben, aber späterhin noch fremde Hände hinzukamen, die die Ordnung störten und dann auch mehrere Kapitel hintereinander aus Einer Feder flossen.

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An Ludwig Uhland

Wien, 9. Januar 1810

(...) Justinus [Kerner] wird Dir von meinen abenteuerlichen Schicksalen erzählt haben; wahrscheinlich ist es Dir mit seinen Nachrichten gegangen, wie mir öfters mit seinen mündlichen Reden, weil ich so oft das Falsche geglaubt, glaubte ich endlich das Wahre nicht: aber es ist diesmal vollkommen wahr, daß ich, weil ich in Hamburg nicht leben konnte noch sterben, und in Berlin keine Ruhe fand, mit drei Freunden so schnell als möglich zur österreichischen Armee reiste, wo ich Offizier bei einem Linienregiment wurde und in der großen Schlacht von Wagram einen Schuß oben durch den Schenkel bekam. Zwei Sommermonate voll der schönsten Blüte und Himmelsanmut mußte ich im Spital zubringen, wo ich kriegsgefangen wurde, und das ich noch nicht völlig geheilt verließ, um nach Wien zur Auswechslung gebracht zu werden. Hier hatte ich einige der angenehmsten Wochen, heiter, lebhaft, sorglos und hoffnungsvoll flogen die glücklichen Tage hin. Endlich ging ich nach Ungarn zu meinem Regiment, wo ich vor Kot und Regen, vor Dummheit und Elendigkeit der ganzen Umgebung fast gar nicht gelebt habe, außer einige Tage, da Marwitz und ich uns gegenseitig besuchten. Mit meinem Obersten, den ich von einem Nervenfieber glücklich geheilt, ging ich auf Urlaub nach Wien, wo ich Justinus, den ich in Hamburg glaubte, auf die Weise traf, wie er Dir erzählt hat. Ich war eben im Begriff, mit meinem Obersten nach Italien zu reisen, aber dies hat sich indes geändert, die Reise ist aufgeschoben, und wir gehn in kurzem zu unserm Regiment nach Prag; denn dieses Glück fügte sich mir, zu einem Regiment zu kommen, was in dieser zweiten Stadt der Monarchie seine Garnison hat. Die Ungewißheit der Dinge und die meines eigenen Treibens lassen mich fürs erste noch beim Militär bleiben, besonders da ich in meinem Obersten einen edlen Freund habe. Dies ist meine gegenwärtige Stellung in der Welt, und ich bin damit, so sehr ich es überhaupt sein kann, zufrieden. – Von Dir hör ich durch Justinus, daß Du noch bis zum Frühjahr still in Tübingen bleiben wirst, ich habe oft Gelegenheit, Dich um die heilige Ruhe zu beneiden, in welcher Dir vergönnt ist, viel höheres und reicheres Leben zu entfalten, als alles das bunte Treiben ist, das mich bisher fortgerissen hat und noch jetzt umwogt. Wie oft hab ich, besonders in Ungarn, wo ich lange Zeit fürchterlich allein war, an einem großen reißenden Flusse, der Vag, unter uralten herrlichen Bäumen, ohne Nachricht, ohne Lebensfreude, kurz unter den Tausenden eines ganzen Regiments mit meinem bessern Sein verlassen, wie oft hab ich da Deiner herrlichen, naturkräftigen Lieder gedacht, und was ich davon auswendig wußte, mir vorgesagt! (...)

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An Karoline von Humboldt

Prag, 10. November 1811

(...) Seitdem ich wieder in Prag bin, ist gewiß kein Tag vergangen, an dem ich Ihrer nicht lebhaft und innig gedacht hätte: allein ich konnte es nicht über mich gewinnen, in unsre junge Bekanntschaft, die durch heitre Sonnenwärme immer schöner gedeihen möge, alle den alten Mißmut und Trübsinn auszuschütten, der in dichten Wolkennebeln über meine Seele herzog; jetzt muß es um vieles besser stehn mit mir, da doch der Gedanke an Sie wie ein heller Strahl durch jene Wolken durchzubrechen vermag! Ich sehe innig erfreut auf diesen Schein und warte mit kindlichem Vertrauen ab, ob er nicht ringsumher sich ausbreiten und die Schatten weit an den Horizont verjagen wolle!

Wenn Sie mich fragen, auf welche Weise ich in Teplitz gelebt habe, so gerate ich in die größte Verlegenheit. Von keiner Zeit meines Lebens habe ich eine so verworrene Vorstellung. Es versteht sich, daß ich Rahel täglich, und, soviel ich konnte und sie wollte, ausschließlich sah; ihre Gegenwart gab mir eine außerordentliche Beruhigung, und manche heftige Unruhe, die ich mein ganzes Leben lang in geheimer Tiefe wirken fühlte, stellte ihre dunklen Arbeiten ein. Inzwischen die Trennung, die mir sehr schmerzlich fiel, hatte sich von Anfang her in unser Zusammensein als Gedanke eingeschlichen und trat oft in unglücklichen Augenblicken mit einleuchtenden Erinnerungen des Unzusammenhangs hervor, den unsre äußern Zustände dem Innern ließen. Rahel kann mir nur immer lieber und werter werden; wenn ihr Geist mir das verehrendste Staunen auferlegt, so ergreift mich die Regung ihres Herzens so tief, daß ich ihm gern jedes Opfer brächte. Von Ihnen, teure Freundin, sprachen wir oft und viel, aber an anhänglicher, belebender Zuneigung für Sie kann ich nicht sagen, wer dem andern von uns beiden nachstand. Rahel ist nach Berlin zurückgekehrt, wo, wie ich vermute, nicht ganz glückliche Verhältnisse sie empfangen haben.

Ich lernte in Teplitz den Prinzen Georg von Mecklenburg-Strelitz kennen; auch seine Schwester war dort; gemeine Leute drängten sich unverschämt mit Glück an die Vornehmen, daher überließ ich dem Zufall, ob er mich von diesen, die ich schätzte aus vielen Gründen, wollte finden lassen ohne Hinzudrängen, er brachte uns mehrmals in Gespräche zusammen, allein sie fanden nicht die Stellen, wo wir zusammengehörten, und ich schied, höchst vergnügt erfahren zu haben, wie zärtlich nicht nur, sondern auch wie einsichtsvoll der Erbprinz Sie verehrt und liebt. Die Prinzessin von Solms wußte sich, wie mir schien, nicht recht zu helfen, die sanfte Empfindsamkeit, welche der Ausdruck ihres Gesichts ist, konnte nicht verleugnen, daß sie sich in ganz andre Züge und Blicke zu verwandeln gewohnt sei, und diesen Widerstreit auf die eine oder die andere Seite beizulegen fand sich kein Anlaß. Ich habe jedoch selten auf einnehmendere Weise gebildete Empfindung und Einsicht vorspiegeln gesehn.

Noch viele andere Preußen waren dort: Prinz August, Golz, auch Beymes auf einige Tage; dann Wolf, Fichte; dann eine Gräfin Schlabberndorf, die Sie kennen. Von Ihnen mußte sehr oft die Rede sein, es geschah mit Liebe und Wohlwollen jederzeit, und die Mannigfaltigkeit der Gestalten und Lebensbeziehungen, die sich nach und nach um Ihr Bild herumdrängten, wie es vor meiner Seele schwebte, gab einen angenehmen Hintergrund, aus dessen anregenden Figuren es desto reizender hervortrat. (...) Wie vieles gäbe ich darum, Sie heute Abend besuchen zu können, da mich dieses Bild nicht einen Augenblick verläßt, und mich, wäre Zauberei nicht durch irdische Last erdrückt, gewiß durch Traum und Wachen unaufhörlich in Ihre Gegenwart zauberte! Vielleicht, wär ich erst da, säß ich dann so stumm und bewegungslos Ihnen gegenüber, wie mir wohl oft geschieht, wenn ich mich schäme, von Literatur zu sprechen, und wüßte Ihnen nicht einmal zu sagen, wie herzlich ich Ihnen ergeben bin: allein mein Zustand wäre darum nicht weniger beruhigt und schön.

Hier besuche ich keinen Menschen und lebe ganz eingezogen. Nur Clemens Brentano, der auf einige Zeit hier ist, kommt fast täglich zu mir und ist mir eine teilnehmende, erwünschte Gesellschaft. Wenn Sie mir schreiben, wird es wirklich sein, als bräche in einer traurigen Wüste plötzlich ein frischer Quell aus grünenden Felsen hervor. Tun Sie es bald, ich bitte Sie darum, und rechnen Sie nicht genau mit einem Menschen ab, der ewig Ihr Schuldner zu sein wünscht! Freuen Sie sich des munteren Winters in Wien, um den ich Sie recht beneide! aber wie froh würde ich sein, einen Teil desselben noch mit Ihnen dort zu verleben, und ich darf diese Hoffnung hegen. Leben Sie recht wohl! Empfehlen Sie mich den verehrten Ihrigen und allen Freunden.

Mit inniger Hochachtung
Ihr treuer
K. A. Varnhagen von Ense

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An Johann Wolfgang Goethe

Prag, 20. November 1811

Ew. Exzellenz werden aus der Vorerinnerung der beifolgenden handschriftlichen Blätter erkennen, daß sie nicht darauf berechnet waren, früher als gedruckt vor Ihre Augen zu kommen. In der festen Überzeugung, gegen Ew. E. dadurch nicht verstoßen zu können, von meinen Freunden aber und dem Publikum Dank zu verdienen, bot ich meinem Freunde, dem Dr. Cotta in Tübingen, diese kleine Schrift zum Drucken an. Seine freundliche Antwort zeigt ihn dazu geneigt, allein er bittet mich zugleich, falls sie bei ihm erscheinen solle, vorher die Zustimmung Ew. E. zu erlangen, weil, wie er sagt, er selbst so wenig wie ich etwas tun möchte, das Ihnen vielleicht unangenehm wäre. Ich glaube, wenn Herr Cotta die Schrift gesehen hätte, so würde er mich an bedachter, zarter Gesinnung für Ew. E. nicht zu übertreffen scheinen; da ihm ihr Inhalt nur angedeutet worden war, so kann ich nicht anders, als mich über seine Besorgnis freuen.

Wenn ich in früheren Jahren, bewegt von Dichterwerken, die meine Seele mit ahndungsreichem Leben durchschauerten, mich so hingerissen fühlte, daß mir unerträglich scheinen wollte, in keiner, auch gar keiner Berührung Ew. E. zu stehen, die mit anderen deutschen Männern das Leben mir reichlich gewährt hat, so hätte die übereilende Begeisterung eine Gelegenheit wie diese nur zu heftig ergriffen. Jetzt, da meine liebevolle Verehrung in eben dem Grad gestiegen, als das Bedürfnis, sie stürmisch zu äußern, verschwunden ist, jetzt, da eine nähere Bekanntschaft nur dann, aber dann auch einen unschätzbaren Wert für mich hätte, wenn sie sich glücklich ereignete, ohne daß ich ausdrücklich sie machen müßte, bin ich verlegen, wie ich mit Ew. E. eine Sache verhandeln soll, die ich Ihrem Ausspruch nur in Folge meiner innigsten Zuneigung, von der Sie jedoch nichts wissen, anheimstellen kann. Ich bitte aber Ew. E., die beifolgenden Blätter für mich reden zu lassen, und ihren Inhalt als Liebeszeugnis für mich, den Sammler, wie für die Verfasser anzunehmen!

Ich übergebe daher das Ganze Ew. E. Händen; erhält es, wie ich hoffe, Ihre Zustimmung, so mögen Sie es entweder unmittelbar an Hrn. Cotta oder mir zurückschicken; um dieses letztere bitte ich jedoch auch in dem Fall, daß die Bekanntmachung von Ihnen nicht gewünscht würde: ich habe keine Abschrift, und mir wäre ungemein leid, diese Bruchstücke, wenn auch andere nicht teil daran haben sollen, für mich selbst zu entbehren.

Die Urschrift des Briefwechsels besitz ich nicht mehr; gern würde ich sonst im Vertrauen durch größere Mitteilungen Ew. E. überzeugt haben, daß ich nicht zu rühmend davon gesprochen. Könnte noch ein Zweifel walten, ob diese abgerissenen Stellen wirklichen Briefen angehören, bei deren Abfassung an keinen solchen Gebrauch gedacht wurde, so will ich Ew. Exzellenz, da man wohl das Publikum so zu betrügen für erlaubt hält, die Wahrheit mit meinem Ehrenwort verbürgen. Nur dadurch, daß sie gleichsam absichtslos aus der Natur hervorgegangen, können die sorglosen Äußerungen Teilnahme erwecken, die von jeder künstlichen Abfassung zerstört würde. Gern würde ich sagen, von welcher Hand die mit G. bezeichneten Stücke als die bei weitem bedeutendsten herrühren, allein ich müßte erst die Erlaubnis dazu einholen, welches wegen allzugroßer Entfernung jetzt unmöglich ist. Die Zeitangaben sind alle nach der Wahrheit, die Örter auch, nur Hamburg vertritt die Stelle eines anderen Ortes, der nicht genannt werden durfte.

Indem ich nun an dem Ende dessen bin, was ich Ew. E. eigentlich zu sagen hatte, und im Bewußtsein, an wen ich schreibe, den Vorrat unzählicher Gefühle, die aus segenreichen Stunden, von Ihnen belebt, in meiner Brust gedrängt zurückblieben, die alle seit Jahren Ihnen zumeist sich zuzuwenden strebten und deren vergebliches Ringen in leisen Schlummer überging, wenn ich dieser Gefühle ganze Geschlechter überblicke, so kann ich nicht anders, als mit inniger Wehmut von Ew. E. Abschied nehmen, da ich die armen aus ihrem Schlafe nicht erwecke und bedenke, daß diese Gelegenheit, der sie wachend mit Heftigkeit zustürzen würden, auf die der schönste Teil ihres Daseins sich bezogen und die sie jetzt versäumen, vielleicht für sie niemals wiederkehrt!

Ich habe die Ehre mit tiefster Verehrung und unbeschränkter Ergebenheit zu verharren

Ew. Exzellenz
gehorsamster
K.A. Varnhagen von Ense

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An Ludwig Uhland

Prag, 23. Dezember 1811

Ich habe alles, was ich von Dir in Abschriften besaß, weggeschenkt, selbst die Blätter von Deiner eigenen Hand, aber an jemand, bei dem sie nicht schlechter verwahrt sind als bei mir, und in vieler Rücksicht besser. Die letzten Tage im Ausgang des Sommers lernt' ich in Teplitz Beethoven kennen, und fand in dem als wild und ungesellig verrufenen Mann den herrlichsten Künstler von goldenem Gemüt, großartigem Geist und gutmütiger Freundlichkeit. Was er Fürsten hartnäckig abgeschlagen hatte, gewährte er uns beim ersten Sehen, er spielte auf dem Fortepiano. Ich war bald mit ihm vertraut, und sein edler Charakter, das ununterbrochene Ausströmen eines göttlichen Hauchs, das ich in seiner übrigens sehr stillen Nähe immer mit heiliger Ehrfurcht zu empfinden glaubte, zogen mich so innig an ihn, daß ich tagelang der Unbequemlichkeit seines Umgangs, der durch sein schweres Gehör bald ermüdend wird, nicht achtete, und besonders die letzten Tage nur mit ihm und seinem Freunde Oliva, einem der besten Menschen, den Kerner auch gekannt hat, zubrachte. Wüßt ich es nicht durch unverwerfliche Zeugnisse, daß Beethoven der größte, tiefsinnigste und reichste der deutschen Tonkünstler ist, so hätte der Anblick seines Wesens es mir, sonst in der Musik ganz Unkundigen, dargetan. Er lebt nur für seine Kunst, und keine irdische Leidenschaft entstellt ihre Ausübung bei ihm, unglaublich fleißig und fruchtbar ist er. Er sucht das Weite auf seinen Spaziergängen, und auf einsamen Wegen zwischen Bergen und im Wald, beruhigt in die großen Züge der Natur blickend, denkt er Töne, freut er sich seines eigenen Herzens. Ich erwähne solcherlei, damit Du ja nicht versuchen mögest, ihn mit irgendeinem andern Musiker zu vergleichen, sondern ihn bestimmt absondern mögest. Könnte ich Dir sagen, wie schön, wie rührend fromm und ernst, als küsse ihn ein Gott, der Mann aussah, als er uns auf dem Fortepiano himmlische Variationen vorspielte, die so reines Erzeugnis eines waltenden Gottes waren, daß der Künstler sie dem Verhallen überlassen mußte, und, wie gern er auch gewollt, sie nicht auf dem Papier festhalten konnte! Diesem nun, mein teurer Freund, habe ich alle Deine Gedichte, die abzuschreiben leider nicht Zeit war, auf sein Begehren geschenkt, und Du kannst hoffen, bald einen Teil davon komponiert zu sehn. (...) Seit einigen Monaten lebt Brentano hier; ich sehe ihn aber jetzt wenig. Er hatte mich in Teplitz durch seine Keckheit genötigt, ihn zu züchtigen; dies kann leicht einmal wiederholt werden müssen, und diese Scheu hält mich ab, ganz mit ihm Freund zu sein. Sonst haben wir uns recht lieb und stimmen in vielen wichtigen Punkten einverstanden überein. Seine Lebhaftigkeit hat einen großen Reiz, aber sie erlaubt sich alles und wird auf der einen Seite leicht beleidigend, auf der andern fade. Von Herzen gutmütig, gescheuten Sinnes, scharfen Verstandes und tiefen Gefühls, das dann mit Lebensgewalt als Einsicht hervorspringt, scheint er oft von allem diesen das Gegenteil; wunderlich springen die Geister in ihm bald Lust- bald Trauerspiel, aber eben oft nur als Seiltänzer. So scharf wie Brentano sieht niemand Schwächen ein, und meisterhaft zieht er die verborgenste Verderbnis mit der Zange des Witzes zum offenbaren Tagesschein hervor. An trefflichen Dichterwerken ist er reich; und besonders ein großes Gedicht in Romanzen, die Erfindung des Rosenkranzes, ein Gedicht voll wirklichen Lebens und Tuns, eine schöne geschichtliche Zeit mit allen Reizen der irdischen Welt und des Zauberreichs darstellend, wird einst, wenn es nach Jahren vollendet ist, die Dichterkrone nicht vergebens für ihn fordern. (...) Vor einiger Zeit schrieb ich an Goethe in einer literarischen Angelegenheit und hatte die Freude, von ihm einen sehr schönen Brief zu erhalten. Sein Leben leset Ihr dort wohl früher als wir hier in Prag, aber gewiß nicht mit mehr Entzücken! Ich habe es rezensiert für ein Wiener Blatt und hoffe, Euren Sinn dabei mit ausgesprochen zu haben. (...)

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An Johann Friedrich Cotta

Prag, 20. Januar 1812

Meine auf Ihren Rat bei Goethe gemachte Anfrage wegen des kleinen Buchs, das ich über ihn wollte drucken lassen, Die Briefauszüge »Über Goethe. Bruchstücke aus Briefen« erschienen 1812 in den Nrn. 161, 162, 164, 168, 169 und 176 des Morgenblatts für gebildete Stände. hat die angenehmste Antwort erhalten.

»Zu einer Zeit«, sagt er, »da ich im Begriff stehe, mir und andern von meinem Leben und meinen Werken Rechenschaft zu geben, konnte mir wohl nichts erwünschter sein, als zu vernehmen, wie so bedeutende Personen, als jene Korrespondenten sind, aus deren Briefen Sie mir gefällig Auszüge mitteilen, über mich und meine Produktionen denken. Diese beiden Wohlwollenden machen ein recht interessantes Paar, indem sie teils übereinstimmen, teils differieren. G. ist eine merkwürdige, auffassende, vereinende, nachhelfende, supplierende Natur, wogegen E. zu den sondernden, suchenden, trennenden und urteilenden gehört. Jene urteilt eigentlich nicht, sie hat den Gegenstand, und insofern sie ihn nicht besitzt, geht er sie nichts an. Dieser aber möchte durch Betrachten, Scheiden, Ordnen der Sache und ihrem Wert erst beikommen und sich von allem Rechenschaft geben. Merkwürdig ist es mir, daß zuletzt E. mehr an G. herangezogen wird, eine Wirkung, welche diese letztere Natur notwendig gegen denjenigen ausüben muß, der sie liebt und schätzt.

Doch was sage ich das Ihnen, der Sie die Personen, ihre Verhältnisse und den ganzen Briefwechsel kennen, dagegen ich mir hievon nur ein unvollkommenes Bild aus den Bruchstücken zusammenbauen muß. So sehr ich übrigens von dem Wohlwollen dieser Personen und von der Teilnahme an mir gerührt bin, so wünschte ich doch, wo nicht die ganze Korrespondenz, doch größere Auszüge daraus zu sehn, teils um mir ein deutlicheres Bild von den Individualitäten zu machen, teils auch über Mitlebende und kürzlich Abgeschiedene ihre Gesinnungen zu vernehmen, wie mir die Stellen über Jean Paul, Johannes Müller, Heinse sehr merkwürdig gewesen sind. Vielleicht können Sie in der Folge mir doch eins und das andere mitteilen. Was den Druck betrifft, so lassen Sie mich darüber noch denken. Es sind so wenige Bogen, daß sie auf eine eigene Art gedruckt werden müßten, wenn sie ein Heftchen machen sollten. Irgendwo in einer Sammlung stünden sie wohl am schicklichsten, aber freilich: in welcher? Doch das eben wäre zu bedenken.«

Aus diesem Briefe, den ich Ihnen, verehrtester Herr Doktor, im Vertrauen mitteile, ersehn Sie, daß Goethe selbst dem Drucke sehr geneigt ist. So wenig, wie er meint, macht es nun wohl nicht aus, da hat ihn das in meiner Handschrift sehr zusammengegangene Manuskript getäuscht. Ich überlasse jedoch jede Verfügung mit bescheidenster Ergebenheit ihm allein. Nur, dachte ich, würden Sie vielleicht am ersten einen schicklichen Ort finden, und einen wohlersonnenen Vorschlag am liebsten ihm selbst an die Hand geben.

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An Johann Wolfgang Goethe

Prag, 3. Februar 1812

Wenn ich einige Zeit gezögert habe, das überaus freundliche Schreiben Ew. Exzellenz zu beantworten, so lag dies mehr an der unaufgelösten Verwirrung, mit welcher ich das Neue in meiner Beziehung zu Ihnen betrachtete, als an äußeren Abhaltungen, die ich doch auch gehabt habe. Indem ich ausging, Ihre mir zur Bedingung gemachte Billigung für das Bekanntwerden jener Bruchstücke zu erlangen, durfte ich nur hoffen, auf literarische Weise Ihren Anteil zu erwecken, und ich dachte mich allzuglücklich, mit Ihnen, wenn auch noch so fernher und leise, in einer unmittelbaren Berührung gestanden zu haben, ein Glück, das in meiner Erinnerung wie das glänzende Bild eines herrlichen Jugendanblicks bis in das späteste Alter freudig fortscheinen sollte. Die milde Freundlichkeit aber und die persönliche Teilnahme, womit Sie in jene Eröffnungen gütig eingingen, und die Neigung, mit welcher Sie denselben nachfragen, rückt mich unverhofft aus meiner bisherigen Stelle in eine andere hinüber, die meine freieste Hoffnung nie erflogen hatte, und auf welcher ich mich nicht ohne Beschämung und Verlegenheit finde. Ich soll Ihnen mitteilen, von wem jene Bruchstücke sind; gern hätte ich Ihnen gleich in meinem ersten Briefe das gesagt. Allein ich fühlte bald, daß mein innigstes Empfinden und Denken in seiner persönlichsten Eigenheit an jedes Wort, das ich Ihnen darüber hätte sagen mögen, sich anschmiegen würde, und obgleich ich keinen Augenblick zweifeln konnte, Ihnen alles, was sonst Gewohnheit, Schonung und Scheu, Scham oder Stille vor der Welt zu verbergen suchen, unbedingt hinzugeben, denn Sie waren ja längst der geliebteste Vertraute und dem Inneren wohlbekannt: so nahte ich Ihnen doch mit zu ehrfürchtiger Liebe, als daß ich aufdringlich Sie hätte veranlassen wollen, gegen mich, wenigstens durch Höflichkeit, ein Verhältnis zu erwidern, mit dessen einseitiger Pflege so viele Bessere als ich Ihnen ungekannt zugetan sind. Jetzt aber bringt Ihre Güte selbst mir die Gelegenheit liebreich entgegen, die ich zu ergreifen Scheu getragen hatte, und so ist mir denn bei Ihnen eine nicht mehr bloß literarische, sondern eine menschliche Teilnahme gewonnen, die mich mit tiefster Rührung erfüllt! Gleichwohl, wie entzückend auch diese Wendung mir ist, so würde mich doch die Wehmut, zu der sich die Betrachtung meiner selbst bescheiden muß, vielleicht verhindern, dies dargebotene Glück zu erfassen, wenn ich nicht meinem schwachen Beginnen Nachdruck und Licht gegeben sähe durch ein Gemüt und einen Geist, denen ich durch liebevolle Innigkeit vertraut bin, und die würdiger Ihnen gegenüberstehen! Der Briefwechsel, welcher jene Auszüge gegeben hat, ist zwischen Rahel Robert und mir, und alles mit dem Buchstaben G. unterzeichnete ist von der Hand meiner hochverehrten Freundin. Sei mehreren Jahren habe ich das Glück, sie zu kennen, und keinen Augenblick seither wankte die Überzeugung in mir, daß die Welt, wie ich sie kenne, etwas besitze, das mir einen tieferen Wunsch geben könne als den, mit und bei jener zu leben. Und weil ich meistens von ihr getrennt und in andere Verhältnisse verschlagen war, so konnte ich desto besser, durch täglich neue Erfahrung, jene Überzeugung bewähren. Ich habe niemand auf der Welt lieber, und die herzlichste Zuneigung, die ich sonst zu vielen Freunden trage, steht weit zurück gegen dieses Verhältnis, welches dadurch, daß meine Freundin in ihrem Herzen weniger auf mich und meine Anhänglichkeit beschränkt ist, in ihrem Geiste selbstständiger lebt und in ihrem Handeln unbedingter wirkt, an seinem schönsten Genügen selbst für mich nichts verliert. Dieses aus den wenigen Worten so glücklich von Ihnen erkannt, so klar ausgesprochen zu sehen, war mir ein heilvolles Wahrzeichen des innersten Zusammenhanges; und wie die Liebenden inmitten des Gefühls, dem nichts von außen scheint zuwachsen zu können, doch heiliger an ihre Liebe glauben nach dem Segen des Priesters, so fand ich meine Freundschaft mir selbst beglaubigt mit heiligen Worten, die der Dichter darüber gesprochen hat! – Durch lange, schmerzliche Trennung habe ich die Briefe erkauft, die mir vor allen Schriften, wie Rahel vor allen Menschen, lieb und teuer sind; ungern ließ ich den größten Teil derselben in Rahels Verwahrung, die aus Besorgnis sie mit nach Berlin nehmen wollte, als sie im vorigen Sommer von Teplitz dahin zurückkehrte. Die wenigen, die ich zurückbehielt, und die ich seitdem bekam, hätte ich Ihnen gern sogleich zugeschickt, wenn ich nicht fürchtete, sie der Post anzuvertrauen, und wenn nicht überdies, ohne die zusammenhängende Folge aller, grade das Leben darin unverständlich erschiene und unvermeidlichen Mißverständnissen erläge. Dieses reine Geschöpf, von großartiger Innigkeit erfüllt, unschuldig, zart und wahrhaft in unerschütterlichem Bewußtsein, menschlich und liebreich wie das erhabenste Bild der Geschichte und edel und schön in jeder Handlung, vermochte nicht der schmählichsten Verfolgung böser Nachrede zu entgehen, und nie hat sie sich gerechtfertigt oder dem Scheine gefügt: aber in ihren Briefen sind überall die Triebfedern ihres Lebens, das fremde Einwirken und ihre innersten Regungen aufgedeckt, und das zerreißende Unglück ist dort aufbewahrt, dem ihre Bestimmung auf der Erde erlegen ist. Es ist nicht möglich, einen so strengen, vom Schicksal gebrauchten Zusammenhang, als der ihres Lebens und der Äußerungen desselben ist, zu umgehen, und vergebens würde ich suchen, durch größere Bruchstücke das Bild vollständig zu machen oder das Schroffe der früheren mit dem Leben zu verbinden; es würde immer einzeln und schroff jedes Neue dastehen und nur als umschlossener Scharfsinn erscheinen, der, so wie all ihr Geist und Talent, wie gewaltig er sein möge, verschwindet gegen das quellende Leben ihrer Brust! Ja, lassen Sie mich vielmehr vergessen, wenn ich von meiner Freundin rede, daß ein hoher Geist in ihr wohnt mit allen seinen reichen Geschlechtern des Scharfsinns, Witzes, der Einbildungskraft und Vernunft, daß ein Urquell reinen, begeisterten Schauens der Natur und Geschichte ihr Gemüt durchströmt, und die Züge der edelsten Wahrhaftigkeit unvertilgbar in ihr aus allen Lügenbildern der Welt allsogleich hervordringen: viele Dichter und Weise bietet die Welt, und mancherlei nicht schlechtere Wahl des Lobes und des Anschließens kann man treffen: aber die Unschuld und Kindlichkeit dieses wahrhaften Menschenherzens ist das Schönste, was jemals meinen Augen sich aufgetan hat. Wie würde ich mich glücklich preisen, Ihnen dies rührende Bild zu eröffnen, dem nichts gefehlt hat zu seiner Vollendung, als daß es solche Augen gefunden hätte! Mit innigem Verlangen gehen meine Gedanken den Weg, den sie mir zur persönlichen Bekanntschaft versprechend andeuten, und ich lasse mein Entzücken kaum durch die Furcht stören, daß vielleicht bis dahin über meine unzuberechnenden Tage ganz anders verfügt werden muß! Vergönnen Sie mir indes, Ihnen für einen der Ihrigen zu gelten, und erlauben Sie dem strebenden Mut, diese angeknüpfte Bekanntschaft als die glücklichste Förderung seines geistigen Weiterkommens dankbar festzuhalten und in dieser Rücksicht Ihre Gunst lebhaft anzusprechen! (...)

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An Karoline von Humboldt

Prag, 13. Mai 1812

(...) Ach ich schreibe Ihnen heute nur, weil ich Ihrer bedarf und Ihre Freundschaft um etwas bitten will, und ich warne Sie mit Grund, denn ich weiß allerdings, daß ich, auch so, vieles sagen werde, was wie ein Herzenserguß aussieht, und doch nur der äußerste Umriß davon ist. – Ich will nach Berlin reisen, und wenn meine Absicht gelingt, den österreichischen Dienst verlassen. Die unaussprechliche Güte, das zarte Wohlwollen und die liebenswürdige Sorgfalt, die mir der vortreffliche Graf Bentheim beweist und die mich zurückhalten sollten, werden überboten durch strengere Betrachtungen, deren schmerzliches Wirken ich am meisten empfinde. Jede Lebensart kann mir jetzt eher angemessen sein als die vorhandene, und es gilt jetzt nicht, irgendeinem Bilde, einer Idee aus höheren Kreisen nachzuhängen, sondern nur nach dargebotenen, aus dem Leben selbst entsprossenen, frischen und heitern Weisen irgendein Leben einzurichten. Was ich sonst an Einkünften besaß, habe ich verloren, ich muß also eine Anstellung suchen, und diese aus tausend Rücksichten am liebsten im Preußischen, wo sich fast alles zusammen- oder wiederfindet, was mich gereizt hat oder wird reizen können. In einem Schreiben an Herrn von Humboldt bitte ich daher um Pässe nach Berlin, und überdies, wenn dies tunlich ist, um Empfehlungen, vorzüglich an Hardenberg, denn Goltzens habe ich in dem Briefe nur erwähnt, um anzudeuten, daß ich an ihn einer Empfehlung nicht bedarf. Aber auch an Wittgenstein oder Hatzfeldt wären mir Briefe sehr willkommen. Dies alles nun, verehrte Freundin, stell ich in Ihre Hände, von denen ich alles Gute für mich erwarte, und ich vertraue Ihrem gütigen Verwenden, durch welches ich diejenigen der genannten Schreiben, die mit den Verhältnissen des Herrn von Humboldt nicht im Widerspruche stehn, gewiß zu erhalten hoffe. Ich gestehe Ihnen, daß das Fach der auswärtigen Angelegenheiten mir das wünschenswerteste derjenigen erscheint, in welchen ich angestellt werden könnte, obgleich viele preußische Diplomaten mir grade von diesem eine höchst ungünstige Schilderung gemacht haben; meine Persönlichkeit, die sich in geselligen Verhältnissen und ernsten Geschäften zugleich gefällt, scheint mich dieser Laufbahn entgegenzuführen. (...)

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An Karoline von Humboldt

Prag, 22. Juni 1812

(...) Sie reden mir mit teurer Besorgnis von meinem vorhabenden Wege ab, allein Sie fördern mich darauf zu gleicher Zeit, denn sowohl das Schreiben an den Staatskanzler als die gütige Abmahnung in dem Briefe des Herrn von Humboldt nehme ich mit Recht als den Ausdruck Ihrer Gesinnung an, und wenn ich Sie bitte, jenem meine Danksagung dafür auszurichten, so ist dies eigentlich nur ein Umweg, den meine Gedanken gehn. Könnte ich Ihnen mündlich alles erzählen, Sie würden doch meine Schritte billigen; in einem Briefe kann ich das wenigste sagen. Den Einen Punkt haben Sie richtig vermutet, teuerste Freundin! nämlich die nur durch die Zufälligkeit der Umstände für den Augenblick eingeschläferte Gefahr, in einer Sache, die allen Sinnen wie dem innersten Gemüt mißfällt und widerstrebt, den lebendigsten Anteil, nämlich mit Leib und Leben, zu äußern; eine Gefahr, die für mich noch die schlimmere mit sich führt, mitten in Europa verlegt und verloren zu werden, als wär es in den Wäldern Amerikas oder den Sandwüsten von Afrika (...). Mir ist alles recht, wobei mein Leben nicht aller Erquickung entbehrt und von dem öffentlichen Leben nicht abgeschieden wird. Daher ich mir es auch gern gefallen lasse, in Österreich zu bleiben, wenn der Graf Metternich eine schickliche Anstellung für mich ausfindet; er sagte mir, er wolle darüber nachdenken und ließe mich ungern weggehn, wenn aber die leidigen Geldrücksichten ihn keine günstige Lage hier für mich finden lassen wollten, so würde er mir an den Staatskanzler, mit dem er vieljährig verbunden und auch in Geschäften sehr gut gestellt sei, solche Empfehlungen geben, deren Wirksamkeit er verbürgen könne. (...)

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An Karoline von Humboldt

Berlin, 5. November 1812

(...) Meine Empfehlungen wurden günstig aufgenommen, meine persönliche Erscheinung gewann mir Zuneigung und Aufmerksamkeit, die ersten Männer verwenden sich noch für mich mit allem Eifer, und der König, der sich meiner von Prag und Teplitz her gütig erinnerte, hat gegen den Staatskanzler geäußert, er wünsche mich hier zu behalten: unglücklicherweise aber haben die Franzosen auf mich einen ungerechten Verdacht geworfen und diesen so dringend ausgesprochen, daß man deshalb Scheu trägt, mich anzustellen; da dieser Verdacht ebenso grundlos als bei meinen jetzigen Schritten lächerlich ist, so werde ich die Arbeit versuchen, ihn zu vernichten, und manches dazu ist schon gut vonstatten gegangen: den Grafen St. Marsan habe ich vermöge einer Denkschrift schon eines andern überzeugt, und der Graf Goltz, der ein Zeuge meiner frühern Meinungen und Absichten ist, den man nicht verwerfen kann, ist eifrigst für mich tätig. Sie sehn, daß meine Hoffnungen noch immer im grünem Kleide gehn, und wenn sie es auch noch nicht mit einem bessern, so haben sie doch keineswegs das Ansehn, es mit einem schlechtem zu vertauschen. Doch ist der Umstand, daß ich nun mir ein längeres Abwarten muß gefallen lassen, ungeachtet aller übrigen Begünstigungen viel mißlicher, als er es an sich wäre, denn meine äußerst beschränkten Hülfsmittel, auf die nur aufmerksam zu machen schon nachteilig ist, könnten leicht kurz vor dem Ziele ausgehn, und schon jetzt, da ich auf jeden Fall den Weg zur Entscheidung noch nicht zur Hälfte zurückgelegt, jene äußern Mittel aber fast in ihrer Ganzheit erschöpft habe, entstehn mir daraus viele sorgenvolle Überlegungen. Das Wiedersehn so vieler alten Freunde und lieber Gegenstände bleibt mir die glücklichste Erheiterung, die kräftigste Belebung; die Stadt, die Anstalten, die Bildung und Sinnesart der Menschen gefällt mir wie damals, als dies alles zum erstenmal auf mich wirkte. Und doch hat alles so außerordentlich gelitten, und leidet noch! und doch sind grade meine Freunde meist von harten Unglücksfällen getroffen und aus ihren angenehmen Lagen verrückt worden! Auch unsre liebe Freundin Rahel, um derentwillen mir Berlin so besonders wert ist, findet Ursache, einen andern Aufenthalt zu wünschen und Ereignisse zu beklagen, die aus allgemeinen Übeln für sie ein besonderes, ausgedehntes Unglück wurden. Sie leidet jetzt sehr an Krankheit, die ohne heftige Gestalt auf tausend schmerzliche Art ihr körperliches Wohlsein untergräbt; sie kann oft in vielen Tagen nicht ausgehn, und selten weit; sie, die sonst eine Heldin im Gehn, im Wachen, in jeder körperlichen Ausdauer war! (...)

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An Karoline von Humboldt

Berlin, 26. Februar 1813

(...) Mein Oberst, dem ich beifolgenden Brief baldigst zu geben bitte, wird Ihnen aus meinen Kriegsberichten dasjenige mitteilen, was Sie näher ansprechen kann, und wird Ihnen erzählen, welche Auftritte wir in Berlin während dieser letzten acht Tage erlebt haben, die doch zu ernsthaft sind, als daß man ihre bloß lustige Seite allein betrachten dürfte. Kosaken sprengten durch die Stadt und wurden von Würzburgern, von Flinten- und Kanonenschüssen fruchtlos verfolgt; so schreckend dies Schauspiel auch für ruhige Bürger war, so könnt ich mich doch nicht enthalten zu versuchen, es auf der Stelle festzuhalten, und so entstand beifolgendes Schattenbild nach dem Leben, das ich Ihnen zum Andenken dieses Tages hier überschicke und das wenigstens die lieben Kinder etwas ergötzen wird. Wir erwarten jetzt, nachdem die ganze französische Kriegsmacht hier in der Gegend versammelt war und zum Teil schon wieder weiter gezogen ist, mit jedem Tage den gänzlichen Abzug der Franzosen und den Einzug der Russen, die von den Generalen Tettenborn und Czernicheff kommandiert sind.

Die Wendung der Ereignisse scheint auch für mein Schicksal entscheidend zu werden und mich in gewisser Art auch Ihnen näher zu führen! Der Staatskanzler hat mir aus Breslau geschrieben, ich solle mich sofort dorthin begeben, um als aktiver Offizier in die Armee einzutreten, und da ich entschlossen bin, diesem Rufe zu folgen, so hoff ich mich Ihnen bei unserem ersten Wiedersehn als Landsmann, in der preußischen Uniform, vorzustellen, und gewiß werde ich keinen kleinsten Anspruch, den ich mehr auf Ihre Güte und auf Ihr Angehören machen kann, jemals vergessen. Einige Umstände hindern jedoch meine Abreise nach Breslau noch auf einige Zeit, und ich hoffe, noch ein paar Zeilen von Ihnen in Berlin zu empfangen. (...)

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An Karoline von Humboldt

Hamburg, 17. April 1813 (...)

Ich war in Breslau, um dort meine schon eingegangenen Verbindlichkeiten bei dem Staatskanzler zu lösen; es gelang ganz nach meinem Wunsch, mir wird der russische Dienst in Preußen angerechnet, als diente ich in Preußen. Ich eilte über Berlin, wo ich Ihren Brief bekam und nur anderthalb Tage blieb, nach Hamburg zu Tettenborn, bei dem ich bis diesen Augenblick bin, und zu meiner großen Freude, denn ich segne den Augenblick, da ich diese Wahl getroffen. Der General, den ich schon früh als liebenswürdig und wohlwollend kannte, scheint nur emporgestiegen, um diese Eigenschaften herrlicher zu offenbaren. Er ist besonders gegen mich von ausgezeichneter Güte, und ich lebe in den angenehmsten Verhältnissen. Heute ist auch Graf Wallmoden angekommen, der den Oberbefehl über die Korps von Tettenborn, Dörnberg und Czernicheff führt. Graf Trogoff, der ihm vorausgegangen war, ist in diesem Augenblick auf der Elbe eingeschifft, um weiterzugehn. Wir haben hier ein beträchtliches Korps hanseatischer Truppen gebildet, die größtenteils schon vor dem Feinde stehn, dicht vor Bremen sind unsere Vorposten und in Verden, und in wenigen Tagen werden wir selbst mit Macht vorgehn. Die Begeisterung ist unbeschreiblich, der Zulauf zu den Waffen überaus groß, die Niedergeschlagenheit der Franzosen steht damit in Verhältnis. Unsre Sache steht gut und kann nicht mißlingen. (...)

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An Karoline von Humboldt

Paris, 19. April 1814

Kaum atmen wir aus den Unruhen der Feindseligkeiten auf, und gleich bietet mir der Frieden zum Zeichen seiner Wiederkunft zwei langentbehrte, höchstersehnte Geschenke, ich bekomme einen Brief von Ihnen und einen von Rahel! Beinahe drei Monate zogen wir in rastloser Arbeit wie auf offenem Meere losgelassen umher, bloß Kriegsheere in der Ferne signalisierend wie Schiffe, und kamen an tausend Klippen glücklich vorüber. Tief im Rücken des Feindes, auf seinen Seiten, in unaufhörlichem Fechten und Marschieren, mußten wir freilich auf unsere eigene Verbindung ganz verzichten, und von Deutschland kam nichts zu uns, so wenig wie von uns etwas zurückgelangen konnte. Urteilen Sie daher, teuerste Freundin, von meiner Freude, diese ersten Briefe wieder zu bekommen! (...) In Paris sind wir, das ist schon alltäglich, es ist, als ob wir alle hier zu Hause gehörten, ich wünsche wenigstens nicht, daß wir nach Deutschland als in die Fremde zurückkehrten. Wir konnten schon früh sehr leicht nach Paris kommen, allein wir wußten es möglich zu machen, dieses Ereignis als das Ende einer Reihe von Wundern herbeizuführen und uns damit im fünften Akte zu überraschen, was im ersten Akte versäumt wurde. Die Lilien blühen in Frankreich, aber einige Bienen schwärmen doch noch darum her; ich weiß nicht, weshalb man sie konserviert, doch gewiß nicht des Honiges wegen!

Was eigentlich geschehn ist, begreift man nicht, man hat weder Geist noch Gemüt stark genug, um die Vorgänge zu fassen; die Menschen leben blind und taub in Nichtigkeit hin, Sie können es glauben, liebe Freundin, unsere Regierungen sind den Dingen nicht gewachsen, die, auch ohne Bonaparte, unbezwingbar hereinbrechen. Ich sehe es an allem, an den ungleichartigsten, unbedeutendsten Zügen, daß es bei uns einmal gewaltsam anders werden wird. (...)

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An Karoline von Humboldt

Baden, 23. Juni 1814

(...) Mir ist es in der letzten Zeit recht traurig ergangen; erst ließ mich mein General wegen Geschäften in Paris allein zurück, was ich bei der heftigsten Sehnsucht nach deutscher Luft nur in der Hoffnung baldiger Endschaft der Geschäfte überstand; allerdings reisten die hohen Leute ab, mit dieser Abreise war die meinige verbunden, und fröhlich blickt' ich schon nach dem Rhein: aber jetzt grade, da ich reisen konnte, fühlt' ich alle meine Glieder hinsinken, mußt' ich mich niederlegen und ein Nervenfieber aushalten, das mich beinah verzweifeln machte. Alles war abgereist, kein Freund, kein Bekannter um mich, in tötender Einsamkeit lag ich da, von tausend Zufällen gequält, mehr noch von der wüsten Stimmung des Gemüts; drei Wochen dauerte das, und Dr. Harbaur stellte mich noch schnell genug wieder her, aber ich blieb unsäglich schwach und fange erst jetzt langsam an, mich zu erholen. Erst als ich anfing, wieder besser zu werden, besuchte mich der ehrwürdige Graf Schlabrendorff, der selbst unwohl gewesen war und erst wieder anfing auszugehn; dieser treffliche Mann hat mich durch seine wiederholten Besuche, mehr noch durch die unverhohlenen Zeichen seiner schätzenden Freundschaft – welch größere Ehre konnte mir in Paris zuteil werden? – außerordentlich aufgerichtet und blieb von Anfang bis zu Ende mir die liebste Erscheinung, der werteste Umgang, den auch nur einen Tag zu versäumen ich nie ohne Mißmut geschehn ließ. (...)

Es ist nun entschieden, teuerste Freundin, ich gehöre Ihnen näher an als je; zu allen Verhältnissen, die zwischen einer Frau, in welcher alles auf das reizendste lebendig ist, was ich geschaffen bin mit hegender Anerkennung aufzusuchen, ja in Anspruch zu nehmen, und diesem letztern Menschen vorhanden oder möglich sind, gesellt sich nun noch das Verhältnis eines preußischen Legationssekretärs zu einer preußischen Gesandtin, was mich ganz unendlich erfreut! Der Staatskanzler hat mir noch in Paris geschrieben, daß ich in kurzem bei der ersten Vakanz oder Errichtung einer neuen Gesandtschaft in jener Eigenschaft angestellt werden soll, und fordert mich auf, ihm immer den Ort meines Aufenthalts wissen zu lassen, damit ich meine Bestimmung baldigst erfahren könne. Wohin diese nun sein wird, weiß der Himmel (...).

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An Johann Friedrich Cotta

Berlin, 30. Juni 1815

Verehrtester Herr Doktor! Sie werden sich nicht weniger als wir über die glücklichen Ereignisse gefreut haben, mit welchen der Feldzug so unerwartet eröffnet und glorreich gewendet worden ist. Was mich betrifft, so konnte ich anfangs an die Vollständigkeit der Niederlage Napoleons kaum recht glauben, ja selbst jetzt noch bin ich weit entfernt, die Sache für beendigt anzusehn, wenigstens scheint mir auch das Abtreten Napoleons noch kein Ende des französischen Widerstandes, der dann erst recht anfangen könnte. Inzwischen haben wir durch die siegreichen Fortschritte doch wenigstens so viel gewonnen, daß wir hoffentlich unsre innere politische Entwickelung nicht lange mehr durch äußere Besorgnisse aufhalten zu lassen brauchen; nicht nur bei uns hier, auch bei Ihnen, wo doch alles schon in vollem Gange war, scheinen die Konstitutionsarbeiten mehr als billig hinter den Kriegssachen zurückzustehn, und diese Hauptsache geworden, wie es freilich wohl für den Augenblick sein mußte. Da mir dieser Krieg aber niemals an sich als eine Hauptsache erscheinen wollte, so möchte ich ihm auch keinen in dem Grade leichten und siegreichen Ausgang wünschen, daß der Übermut von oben die Kraft von unten übersehn und verleugnen könnte: ein bloß triumphierender, widerstandsloser, alles unterwerfender Zug nach Paris und Aufenthalt in Frankreich wäre nur allzuleicht ein lähmender Streich gegen die Konstitutionshoffnungen, zu denen die deutschen Völker berechtigt sind. Ich wünsche, daß ich mich irre! – Bei Ihnen geht es noch recht gut; Sie sind ein Mann, auf den das Volk bauen kann. Aber mit welchen Genossen müssen Sie sich abmühn! Ich bin noch ganz empört über die Petition des Adels, die in der »Allg. Zeitung« stand; nicht weniger über den Grafen Firmas, dessen französ. Schrift ich im Juni [in] der »Jenaischen A[llgemeinen] L[iteratur] Z[eitung]« gebührend durchgenommen habe. Ich kann nicht umhin, Ihnen meinen Glückwunsch über die Feinheit und Klugheit abzustatten, womit Sie bisher in Ihren Reden und Vorschlägen so verschiedenartige Elemente vereint halten und zu frühe Spaltungen vermeiden konnten! (...)

Ich habe mich unendlich gefreut, hier so viele wackre Männer wiederzusehn. Niebuhr, Reimer, Eichhorn, Ölsner etc., alle zu gleichem Zwecke kräftig; vor allem aber Beyme, der genialste Staatskundige, der mir noch vorgekommen. (...)

Nach Perthes' Äußerungen scheint er lebhaft zu wünschen, an dem »Deutschen Beobachter«, dessen Ruf täglich steigt, teilzunehmen (...). Ich bin Perthes' Freund, aber ich darf Ihnen aus Interesse für das Institut nicht verhehlen, daß ich bei aller Achtung für Perthes und bei vielfacher Übereinstimmung mit seiner politischen Ansicht doch der Meinung bin, seine kaufmännische Teilnahme nütze nicht so sehr, als seine geistige schaden kann, er geht sehr ins Kleinliche, Örtliche, und ist leider nur zu sehr geneigt, die preußische Tendenz des Blattes, die doch in aller Rücksicht seine wahre Seele ist, zu verändern. Dävel klagt mir noch besonders über die zu großen Kosten; allein ich tröste ihn damit, daß Sie das Institut einmal nicht anders als auf einen großen Fuß setzen wollen und daher Auslage und Gewinn nur in größere Verhältnisse, nicht aber in Mißverhältnisse treten. Sie sehn die Sachen mehr ins Große und müssen Dävels unermüdete, rührige Tätigkeit von Zeit zu Zeit mit Ihrem Unternehmungsgeiste erheben! Ich nehme übrigens in aller Rücksicht den lebhaftesten Anteil an dem Gedeihn des Blattes und trage schriftlich und mündlich alles Mögliche dazu bei. (...)

Ich empfehle mich vielmals Ihrer verehrten Frau Gemahlin und allen Ihrigen und verharre mit aller Hochachtung

Ihr
ergebenster
K. A. V. v .E.

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An Johann Friedrich Cotta

Frankfurt a. M., 6. November 1815

Ich habe Ihnen von Paris eine Weile hindurch nicht mehr geschrieben, weil ich es bald von Frankfurt aus zu können hoffte, wohin ich von Tage zu Tage abzureisen dachte. Endlich bin ich losgekommen und vorgestern hier angelangt. (...)

Ich dachte in Berlin eine Ministerial-Zeitung zu schreiben, wenigstens traf das Bedürfnis des Staats und die Absicht des Kanzlers schon in Wien darin zusammen; allein die Unsicherheit, die über der Entwickelung unserer innern Zustände schwebt, macht jedes solches Unternehmen jetzt zweifelhaft, und es scheint fürs erste ein Parteienkampf entschieden werden zu müssen, der alle Gemüter heftiger oder langsamer durchwogt. Unter diesen Umständen hat mir der Fürst die angenehme, vorzüglich auch ihrer Unabhängigkeit wegen wünschenswerte, für Beobachtung der Nachbarn wichtige Anstellung als Charge d'Affaires in Karlsruhe erteilt, wodurch ich zu meiner großen Freude in Ihre Nähe komme! (...) Sie sehn, wie angenehm mir diese Stellung sein muß, und ich gestehe, daß ich ganz damit zufrieden bin, besonders da es mich, nach des Kanzlers ausdrücklicher Erinnerung, bald weiter fördern soll. Ich denke noch vor Neujahr nach Karlsruhe mit meiner Frau abzureisen, und freue mich besonders auf den Sommer in Baden. Inzwischen entwickelt sich vieles zu Hause in Berlin. (...)

Das Fragment von Goethe J. W. Goethe, »Das nußbraune Mädchen«, in: Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1816] ist wunderschön und erweckt die größte Erwartung. Käme doch bald das Ganze! Ich werde an Goethen darüber schreiben; er hat hier meine Frau besucht und bezeigte die gütigsten Gesinnungen. (...)

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An Johann Friedrich Cotta

Frankfurt a. M., 17. November 1815

Zuvörderst gratuliere ich von ganzem Herzen wegen der glücklichen Wendung der württembergischen Angelegenheiten, Der württembergische König Friedrich I. hatte sich in einem Manifest vom 13. November bereiterklärt, die Verfassungsfrage in einem Vergleich zu regeln. von welcher der Geheime Staatsrat Küster die umständliche Nachricht hieher gebracht! Gottlob, daß dieses sich ereignet hat, es ist ein Segensspruch des Himmels für alle deutschen Länder! Unser Kanzler wird gewiß innigen Anteil daran nehmen; Stein hat Tränen der Freude vergossen! (...) Niebuhr hat mir seine neue Schrift geschickt, die in Berlin großes Aufsehn macht, da der Verfasser im Staatsdienste eine so bedeutende Stelle bekleidet. Wir müssen aber eifrig fortarbeiten und die geschlagene Lügenbrut nicht wieder aufkommen lassen. (...)

Nächstens hoffe ich Ihnen etwas über den Goetheschen Aufsatz im Damenkalender zu schicken. Wir müssen diesmal die Wirkung im Publikum nicht dem Zufall oder dem gewöhnlichen Gange seiner Gleichgültigkeit überlassen, mich ängstigt schon der Gedanke, Goethe könne, wenn ihm ungünstige Urteile zu Ohren kommen, die Herausgabe des Ganzen verdrießlich aufschieben wollen!

Meine Erzählungen K. A. Varnhagen von Ense, Deutsche Erzählungen, Stuttgart/Tübingen 1815. erwartete ich schon gestern; vielleicht kommen sie heute an. Ich will nun auch nächstens meine Gedichte – ein kleines Bändchen – drucken lassen, K. A. Varnhagen von Ense, Vermischte Gedichte, Frankfurt a. M. 1816. dann bin ich mit meinen Jugendlichkeiten in der Literatur fertig, und fürder auf Staat und Geschichte angewiesen. (...)

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An Johann Friedrich Cotta

Frankfurt a. M., 25. Januar 1816

(...) In Berlin sind die Geister sehr geschäftig, die Leidenschaften fangen an es zu werden. Das Edikt über die geheimen Gesellschaften hat großes Auf sehn gemacht; der Eingang gibt den Liberalen den vollständigsten Sieg, den aus dem Schlusse die Gegenpartei für sich nehmen will. Überdies ist ein Verbot zu drucken höchst auffallend in einem Augenblick, wo man sich wirklich ernsthaft damit beschäftigt, die Preßfreiheit durch ein Gesetz einzuführen. Die ganze Sache überzeugt mich aufs neue von meinem frühern Satze, daß die Dinge in Deutschland so liegen, daß die Regierungen, wie sie auch sich benehmen mögen, nur Fehler machen können. (...)

Meine Abreise nach Karlsruhe ist noch nicht bestimmt, doch erwart ich bald den Befehl dazu. (...) Indes sitz ich hier in ungeduldigster Erwartung, bis sich alles gestaltet und entscheidet, oft ganz wütend über die Unmöglichkeit, in der prekären Lage und oberflächlichen Einrichtung nichts Tüchtiges studieren, keine rechte Arbeit anfangen zu können, und so die köstlichste Zeit bei einem Zudrang innerer Anregungen ungenützt verfließen zu lassen! (...)

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An Johann Friedrich Cotta

Frankfurt a. M., 14. Februar 1816

(...) Die »Allg. Zeitung« erhält von mir reichliche Nachrichten über die Angelegenheiten im Preußischen, aus Düsseldorf, Danzig, Berlin, Frankfurt, je nachdem meine Korrespondenz sie mir zuströmt. In Berlin bereiten sich allerdings große Veränderungen immer ernstlicher vor, doch ist schwer, eine bestimmte Richtung darin vorherzusehn, oder auch nur den Zeitpunkt eines Umschwungs zu bestimmen; die Artikel in der »Allg. Zeit.« enthalten zum Teil sehr gründliche Wahrheiten. (...)

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An Johann Friedrich Cotta

Mannheim, 27. März 1816

Ihren Brief, verehrtester Herr Doktor, erhielt ich hier, wo ich seit 14 Tagen bei meinem teuren Kriegsobersten Tettenborn zu Besuch bin. Zufolge eines Handschreibens, das ich dieser Tage vom Fürsten Staatskanzler erhielt, kann ich meine Abreise nach Karlsruhe als sehr nah ansehn, ich denke aber doch noch Zeit zu mancherlei Nebenausflügen zu finden und besonders noch vorher Gneisenau zu besuchen, so daß ich aber immer wieder erst nach Mannheim zurückkehre und Sie Ihre Briefe etc. daher am sichersten hieher adressieren. Dies bitte ich besonders in Rücksicht des »Schweizerischen Museums«, welches Troxler, wie er mir schreibt, durch Ihre Handlung an mich befördert hat. Ich nehme zugleich diese Gelegenheit wahr, um Ihnen die genannte Zeitschrift, deren Herausgeber [Troxler] in jedem Sinne zu den Unsrigen gehört, bestens zu empfehlen! (...)

Hier in Baden wird es ja nun auch bald lebhaft werden mit Verfassungsdebatten: ich bin sehr begierig darauf, es ist von großer Wichtigkeit und würde auch in einem kleinern Staate, als Baden ist, für die Nachbarn von Einfluß sein müssen! Soviel ich jetzt schon urteilen kann, so wird hier abseiten der Regierung mit kluger Mäßigung verfahren werden; auf jeden Fall gewinnt Deutschland eine neue und eigne Beispielart mehr, wie seine große Aufgabe gestellt werden kann. (...)

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An Ludwig Uhland

Frankfurt a. M., 19. Mai 1816

Sei mir herzlichst gegrüßt, geliebter Freund und Dichter! Ich habe mich recht innig gefreut, endlich einmal wieder ausführlich zu erfahren, was Du machst und wie Du lebest; in dieser Rücksicht durch Deine allgefallenden, herrlichen Gedichte in meinem freundschaftlichen liebevollen Anteil mehr aufgeregt als beschwichtigt! Es durch den würdigen Dichtergenossen, den trefflichen Rückert, zu erfahren, und seine längst gewünschte Bekanntschaft dabei und dadurch zu machen, ist eine von den idealischen Begünstigungen des über den alltäglichen Tagen waltenden Lebensverhängnisses, gegen welche man nicht so undankbar sein sollte, wie man es gewöhnlich ist. Rückert lobte Dich wie ein wahrer Freund, und ich erkannte Dich in seinen Mitteilungen ganz so, wie ich Dich früher gekannt! Auch Wangenheim sprach würdig und liebevoll von Dir, und ich freute mich ungemein, Dich überall gelten zu sehen! Desto mehr tat es mir leid, zu erfahren, daß Du von juristischer Praxis fast ganz hingenommen seist; solch ein Leben kann auf die Dauer nicht für Dich sein, wie oft dacht' ich für Dich an Reisen, an freie Bewegung, an höhere Arbeiten im Leben, wenn ich, vom Lesen Deiner herrlichen Gedichte erfrischt, die günstigen Bedingungen noch unzählicher Hervorbringungen, denen Dein jugendliches Alter entgegengeht und entgegenstreben muß, suchen wollte! Möchten Wünsche hier fördern, wie es Taten könnten!

Ich hoffte immer, Dich in Stuttgart zu überraschen; jetzt bin ich für eine Zeitlang wieder darauf zurückgestellt zu sinnen, ob nicht ein günstiger Zufall Dich vielleicht nach Frankfurt führen könnte. Ich warte hier den Befehl ab, zu meiner Bestimmung nach Karlsruhe abzugehen, wo ich in Deiner Nähe sein werde. Es verzögert sich aber alles so sehr!

Mit unsrem Kerner habe ich vor kurzem die Briefverbindung, die Krieg und Frieden gestört hatten, wieder angeknüpft. Wie oft denk ich der Tübinger Zeit! Wie anders ist jetzt alles! Ich bin mit meiner geliebten Rahel verheiratet, über den damals im Auge gehabten Kriegsdienst schon wieder weit hinweggeführt, und wenn auch vieles von dem, was ich damals erwartete, unerfüllt geblieben, so ist mir doch bei weitem mehr erfüllt worden, als ich damals erwarten konnte. –

Meine Büchlein K. A. Varnhagen von Ense, Hanseatische Anregungen, Bremen 1814, und K. A. V. v. E., Deutsche Erzählungen, Stuttgart/Tübingen 1815. wirst Du erhalten haben; ich bin unversehens in die Geschichte geraten, sie ist auch eine Muse, wenn man ihr nur nicht tote Zusammenraffung, sondern lebendige Auffassung der Gegenwart zumutet. Die Gedichte, die ich gleichsam hinterdrein geworfen, wirst Du bekommen haben, diese Sammlung unterscheidet sich von andern darin, daß sie wahrscheinlich nur vermindert, schwerlich aber vermehrt wird. (...)

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An Johann Friedrich Cotta

Karlsruhe, 30. Juni 1817

(...) Die einstweilige Entscheidung der Ständesache Die württembergische Ständeversammlung war am 4. Juni aufgelöst worden. konnte mir, wenn ich die Schilderung, die Sie mir selbst gaben, festhielt, nicht unerwartet sein; Sie erinnern sich, daß ich besonders die Richtung der Mediatisierten grade so beurteilt habe, wie sie sich gezeigt hat. Auch Hrn. von Wangenheim sagte ich es schon in Frankfurt. Die aristokratischen Wirkungen haben einen großen Zusammenhang und treten unter allerlei Farben hervor, das Verderben derselben ist in seinem ganzen Umfang, abgesehn von den täglichen Erfahrungen – in Portugal, Brasilien, überall nur conjuratio nobilitatis oder militaris, nirgends plebis – schon daraus zu ermessen, daß die aristokratische Richtung keinen andern Ursprung als das Prinzip der Ungerechtigkeit hat. Was hat es gefruchtet, daß man bei Ihnen eine so zarte Sorgfalt für die Aristokratie in die Verfassung aufnehmen wollte? (...) mit dem Bürger kommt zum Ziele, was mit dem Adel gehend durch diesen immer auf Nebenwege abgelenkt wird, von diesen auf die grade Straße ist mühsam, aber immer möglich zurückzukehren. Doch in welche Art zu reden gerate ich hinein? Ich wollte Ihnen bloß Hoffnungen aussprechen, und fast sieht es aus, als läse ich den Text!

Ich habe in Baden dem Könige und der Königin aufgewartet, beide vortrefflich gefunden, besonders riefen die Eigenschaften der Königin mich zu huldigender Verehrung, da ich sie früher noch nie gesprochen, sie nur gesehn, nur von ihr gehört hatte. Der König sieht wohl und munter aus; seine Gesinnung spricht sich auf die trefflichste Art aus, und vielleicht war es nie einem Fürsten größerer Ernst, seinem Volke eine freiheitbürgende Verfassung zu geben. Seine Vorsätze scheinen unverrückt dieselben, und auch ohne Konstitution wird er ein konstitutioneller König sein. Diejenigen sind gewiß in grobem Irrtume, die da glauben, er sei froh, die ganze Sache auf solche Art losgeworden und der Beschränkung, die er sich auferlegen wollte, überhoben zu sein; ihre eigene Schlechtigkeit liegt dem Urteil dieser Leute zum Grunde, die, wie ein Minister in feister Plumpheit sich für witzig, in dummer Rücksichtslosigkeit sich für mächtig haltend, geäußert haben soll, in den Bädern von Baden Konstitutions-Rekonvaleszenten Stärkung suchend zu finden meinen! (...)

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An Ludwig Uhland

Karlsruhe, 17. Januar 1818

Ich glaubte, Du würdest mir Dein Trauerspiel Ludwig Uhland, Ernst, Herzog von Schwaben, Heidelberg 1818. schicken, mein teurer Freund! oder mir wenigstens bei Gelegenheit seines Erscheinens ein paar Worte schreiben. Zwar des Buches bedarf ich nicht, denn ich besitze es längst und habe es so freudig empfangen, als wäre es mir unmittelbar aus Deinen Händen gekommen! Aber nachfragen will ich, ob Du mir etwa aus Groll schweigest, aus Groll über die Verschiedenheit, welche in der Anwendung unsrer höherhin gewiß einstimmigen Denkart auf politische Stoffe durch unsre Briefe sich offenbart hat? Da hättest Du sehr unrecht, mein teurer Freund, auf eine Sache so großen Wert zu legen, die, wenn sich erst die Verfassungsangelegenheit aus der provinziellen Vereinzelung zu einer Gemeinsache des großen Vaterlandes herausgearbeitet haben wird, doch sehr zurücktreten muß; daß ich aber kein Württemberger bin, weißt Du, und wenn ich Dir nicht als Preuße entgegentrete, sondern als Deutscher, so darf ich doch mit Recht erwarten, daß auch Du in dieser allgemeinern Eigenschaft mich aufnehmest. Aber am Ende bist Du mir ganz freundlich und gut gesinnt, und ich rede unnütz in den Tag hinein, mit Voraussetzungen, über die Du lächelst!

(...) Ich war in Berlin, wo ich Deinen Namen im besten Ansehn fand; Deine württembergischen Lieder Ludwig Uhland, Vaterländische Gedichte. Tübingen 1817. sind bis jenseits der Weichsel verbreitet, man nahm Abschriften zu Dutzenden davon. Dir würde es Freude machen zu vernehmen, daß die württembergische Ständeversammlung, das sogenannte alte Recht verteidigend, in jenen Gegenden zahlreichen Anhang gefunden hat, wenn ich nicht hinzusetzen müßte, daß der Quell dieses Anhangs offenbar nicht die Teilnahme an dem alten Volksrechte, sondern der Gebrauch, den der aristokratische Geist des Adels von jenem Rechte zur Opposition gegen den Fürsten machte, zu sein scheint. Unser Adel, wo er als solcher hervortritt, zeigt überall dasselbe Bild der Verderbtheit und Verkehrtheit, sein Abscheiden aus dem Staatsdasein – denn das ist ein großer Bestandteil unsrer jetzigen Geschichte – geht nicht ohne Störung des Bürgerstandes ab, aber ich hoffe, er soll am Ende einem wahrhaften freien Bürgertum den Platz überlassen! (...)

Im Garten bei Justinus Kerner. Stahlstich nach einem Ölgemälde von H. Rüstige, 1867.
V.l.n.r.: Theobald Kerner, Nikolaus Lenau, Gustav Schwab, Alexander von Württemberg, Carl Mayer, Justinus Kerner, Friederike Kerner, Ludwig Uhland, Karl August Varnhagen von Ense

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An Ludwig Uhland

Karlsruhe, 5. März 1818

Unendlich lieb ist es mir, Dich wiedergesehen zu haben, mein teurer Freund! Meine Seele ist Deines Wesens gleichsam neu versichert worden, nicht eigentlich Deines Wesens, an dem kein Zweifel haften kann, aber der Beziehungen, die zwischen uns bestehn können, und die, meine ich, nie Zeit genug hatten, sich nach ihrer Möglichkeit zu entwickeln. Jede Trennung ist ein Wurm, der an den besten Lebensverhältnissen nagt, und den künftigen Tagen vergiftet, was den vergangenen teuer war. Frische des Herzens und Geistes kann allein davor bewahren, man muß auf den großen Bahnen bleiben, um sich immer wiederzufinden. Unsre politischen Streitverhandlungen waren mir über alles lieb! Ich habe gesehn, daß wir einiger sind, als ich nach Deinen schriftlichen Äußerungen vermuten konnte, daß wir besonders da einig sind, wo sonst die größten Trennungen liegen; im Fortschreiten der Dinge werden wir am ehsten übereinstimmen, wo Deine und meine jetzigen Meinungsgenossen vielleicht grade von uns beiderseitig am meisten abweichen! Die Gestalten und Kämpfe der Gesellschaftsvereinigungen der Menschen sind an der Zeit, wer will sich ihnen entziehen? aber die Freundschaft der Gemüter darf in ihnen herrschend bleiben!

Erfüllt von den lebhaftesten Eindrücken der Tage in Stuttgart, habe ich noch viel und bekümmert über die dortigen Zustände gedacht, aber leider kein zureichendes Ergebnis erblickt, zu dem jetzt die Sachen von einer oder der andern Seite zu führen wären. Die Begültigung der alten Verfassung abseiten des Königs hätte ich vor kurzem noch staatsklug gefunden, eigentlich recht aber keineswegs, die Grundbegriffe meiner Staatsansichten stünden damit in starkem Widerstreit, Einheit des Staats und Volks, ungetrennte Berechtigung und Verpflichtung aus den Quellen der Vernunft stehn darin obenan. Aber auch der Gesichtspunkt der Klugheit ist durch Zwischengetretenes verändert. Mir scheint die Sache einer unvermeidlichen Vertagung anheimgefallen, bis in den größern vaterländischen Angelegenheiten irgendein Durchbruch kommt; Württemberg wird wie jeder andre deutsche Staat den Wogenströmungen der Gesamtheit folgen, daß es darin vor andern bedeutend erscheinen wird, scheint durch seinen ausgezeichneten Fürsten verbürgt, in welchem selbst die Parteisucht guten Willen, höheren Gedankenschwung und die Abwesenheit vieler Untugenden, an deren Wirkungen sonst Völker leiden, anerkennen muß. Für die Verfassungsfrage wäre ein glücklicher Ausweg am Bundestage möglich gewesen, das preußische Votum über diesen Gegenstand vermindert sehr diese Hoffnung, die der König, ich weiß es, gerne gehegt hatte. – (...)

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An Ludwig Uhland

Karlsruhe, 4. März 1819

Mein teuerster Freund!

Ich freue mich sehr der guten Nachrichten Deines letzten Briefs! Mögen sie zugleich als Vorbedeutung einer künftigen Folgereihe von ihresgleichen dienen! Hrn. von Cottas freies Anerbieten gefällt mir ungemein, ich erkenne ihn übrigens ganz darin wieder, denn man kann nicht mehr liberalen Hang mit strengem Ansichhalten verbinden, als er in seiner Handlungsweise bezeigt. Du fragst, wieviel Du Honorar begehren sollst? Ich dächte, tausend Gulden, und Du läßt ihn die Anzahl der Abdrücke bestimmen; aber bestimmen, denn ich hoffe, der zweiten soll bald eine dritte Auflage folgen! Findet er die Forderung zu groß, so kann sie ja herabgesetzt werden. Aber wie gesagt, ich hoffe, Deine Gedichte finden diesmal den vollen Durchbruch ins Publikum und dürfen daher Dir und Cottan unbedenklich in höherem kaufmännischem Werte stehn. Aber in Betreff der äußeren Anordnung folge meinem Rat; verteile den ganzen Vorrat in zwei gleichmäßige Bände nach neuer Anordnung, werfe die Lieder und Romanzen zusammen, auch die Sonette und Oktaven verteile, die größern Stücke, Schildeis, Fortunat, stelle ans Ende, ganz zuletzt die altfranzösischen Gedichte. Auch die vaterländischen Gedichte, zwar zusammengestellt, aber nicht unter besonderer Überschrift hervorgehoben, schließe den andern in gleicher Folge an. Mir scheint diese Art zum guten Auftreten des Ganzen beizutragen. Vor allem aber ein etwas kleineres Format, etwa wie Goethes Gedichte, die im J. 1815 in zwei mittlern Bändchen bei Cotta erschienen sind. Doch über diese Sache wird Hrn. von Cottas Urteil als das erfahrenste besonders zu vernehmen sein. – Nichts wußte ich bis jetzt von der bevorstehenden Aufführung Deines »Ernst«; Mad. Brede, die wir täglich zum Besuch erwarten, hat uns die angenehme Neuigkeit wahrscheinlich zu mündlicher Mitteilung aufgespart.

Von Basel habe ich noch keine zuverlässige Antwort: es sieht aber dort sehr weitläuftig aus, und ich erfahre, daß ein baselsches Stadtkind die etwanige ästhetische Professur daselbst als eine heimische Pfründe mit großem Vorsprunge bei den Vätern für sich anspricht. Wegen Heidelberg oder Freiburg habe ich hier Schritte getan, die gut aufgenommen worden sind; heute habe ich etwas Schriftliches deshalb eingereicht. Allein alles dies ist ausgestreuter Samen, der erst nach einiger Zeit aufgehn kann. Daß A. W. Schlegel von Bonn weg und nach Berlin geht, ist mir sehr glaublich: letzteres war seine eigentliche Berufung. Allerdings wäre in diesem Falle viel für Dich zu machen. Hier die Mittel dazu! Du schreibst sogleich an unsern Koreff nach Berlin, Du habest jenes Gerücht vernommen, und bei Deinem Wunsche, die akademische Laufbahn zu betreten, darauf einige Hoffnung für Dich gebaut, Du wendest Dich dieserhalb an ihn, seines amtlichen Verhältnisses wegen, und auch, weil Du als Freund von mir und als sein confrère en Apollon zu ihm ein besonderes Vertrauen habest usw. Dieser Brief wird seine Wirkung nicht verfehlen, aber es ist nötig, daß Du ihm schreibest, und unverzüglich! Daß ich meinerseits auf zweckmäßige Art eifrigst mitzuwirken suche, glaubst Du mir ohne Beteurung. Aber schreibe Du in jedem Falle jenen Brief, auch wenn Du für die Sache selbst noch nicht völlig entschieden, oder lieber zu andern Wegen geneigt sein solltest; vielleicht wäre es im Jahre 1820 sehr wünschenswert, den Schritt schon im Jahre 1819 getan zu haben! (...)

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An Ludwig Uhland

Karlsruhe, 19. Juni 1819

Wie sehr haben wir Dich hiehergewünscht, mein teurer Freund! auf daß Du Dein Lied vernommen hättest »Lebewohl, lebewohl mein Lieb« wie es von Mad. Milder-Hauptmann hier in ihrem Konzerte gesungen worden, von dieser Silberglockenstimme, die selbst unser schwerfälliges Publikum in Entzücken versetzte! Zweimal sang Mad. Milder das Lied mit hinreißendem Ausdruck und unter schallendem Beifall. Der Kapellmeister Kreuzer hat dieses und noch ein andres Lied von Dir äußerst glücklich in Musik gesetzt. Wir hätten es Dir so sehr gegönnt, von dieser Verherrlichung ein Zeuge zu sein, es müßte Dich ungemein gefreut haben. Besonders meine Frau, die Dich bestens grüßen läßt, rief einmal über das andere aus, wenn nur Uhland hier wäre und sein Lied mit hörte! Auch bei uns im Zimmer wurde es gestern gesungen. Wenigstens schreiben wollt ich darüber ein Wort an Dich, und das ist hiermit geschehn. – Ich wünsche von Herzen Glück und Heil zur neuen Ständeversammlung! Nach mehreren Andeutungen darf ich glauben, daß Du zu lebhafter Tätigkeit dabei berufen wirst, in jedem Falle wirst Du die Teilnahme haben, die von jedem Standpunkte aus Talent und Gesinnung ausüben können. Ich wünsche und hoffe alles Gute. Vielleicht gestaltet sich Württemberg zwischen Bayern und Baden jetzt günstiger zur volksvertretenden Verfassung, als früher auf einsamem Wege. Eine gefahrvolle Klippe bei Euch scheint mir der Adel, nicht so sehr wegen seiner eignen Anmaßung, als wegen der unterwürfigen Gewohnheit, in der sich das Volk noch gegen ihn befindet. Darin seid nur wachsam und stark und laßt Euch nicht von dem vornehmen Herkommen bewältigen; gewöhnt Euch und sagt es Euch oft und laut vor, daß Ihr als Staatsbürger und insbesondere als Ständemitglieder in voller Gleichheit steht, und macht diese persönlich bei jeder Gelegenheit geltend! Überzeugt Euch frühzeitig, daß Ihr mit dem Könige wesentlich vereint und nur zufällig auseinander seid, daß Ihr aber mit dem Adel niemals dauerndes Heil finden könnt!

(...) Eure Stände werden hoffentlich einen Weg einschlagen, der mit den Nachbarn gleiche Richtung hält: je mehr Einigkeit zwischen den süddeutschen Verfassungstätigkeiten, desto reicher der Gewinn für eine jede! Daher sind alle freundschaftlichen Beziehungen, die eine Wechselwirkung begründen, so viel als möglich zu pflegen. Hier hat die Berufung eurer Stände eine große Freude erregt, und man fühlt sich gleichsam die Flanke gedeckt und Geist und Mut verstärkt. –

Das neue Verfassungsleben ist noch von großen Gefahren in Deutschland umstellt; die Aristokratie mit ihren Umtrieben und im Besitz der größten Staatsämter ist ja selbst in Frankreich noch nicht ganz überwunden, und doch der Erbfeind aller Volksfreiheit und alles echten Königtums. Wir Deutschen haben das Werk mit größren Schwierigkeiten überkommen als andre Völker; gehen wir daher mit desto größerer Umsicht, Kraft und Festigkeit daran!

Leb wohl!
Ewig
Dein treuer K A V v E

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An Justinus Kerner

Karlsruhe, 20. September 1819

Auf dem Punkte, von hier wegzureisen, muß ich Dir vorher noch einmal schreiben, nicht um Abschied zu nehmen – denn ich hoffe noch nicht für immer aus diesen Gegenden zu scheiden, und mancherlei Umstände können mich hieher zurückführen – , sondern um Dich im voraus zu beruhigen wegen alles dessen, was mit mir geschehen kann. Die Gerüchte, welche sich an die Nachricht von meiner Abberufung vom hiesigen Posten anschlossen, sind amtlich widerlegt worden, Du hast hoffentlich nicht lange in Unruhe sein dürfen. Daß ich in gar nichts verwickelt gewesen und keinen Vorwurf zu fürchten gehabt, brauche ich Dir nicht erst zu sagen! Auch gesteht man mir die Unzufriedenheit, die man gegen mich haben mag, gar nicht einmal ein, so wenig darüber auch ein Zweifel stattfinden kann, und so sehr ich auch weiß, daß Herr von Berstett und Herr von Küster meine Abberufung betrieben haben unter dem Vorgeben, ich sei zu frei gesinnt, leite die badischen Stände, hege geheime Zusammenkünfte und andere ebenso abgeschmackte, verleumderische Dinge! Doch wie gesagt, man gesteht es mir nicht ein, und sonach kann ich mich an niemand halten, niemanden zur Rechenschaft ziehen, besonders auch, da ich mich nicht auf diejenige berufen kann, durch die ich klare Auskunft erhalten. Dabei müßte ich mich nun beruhigen, es ist aber noch mehr geschehen, um jeden Schein öffentlichen Tadels von mir abzunehmen, indem ich bereits eine neue Anstellung erhalten habe! Der König hat mich nämlich zu seinem Minister bei den Vereinigten Staaten von Nordamerika ausersehen, ein ehrenvoller, auch in gewisser Art anziehender Posten, das ist nicht zu leugnen; ob für mich gerade besonders passend und annehmlich, das will ich dahingestellt sein lassen. Ich reise nun am Freitag mit meiner Frau – noch nicht nach Washington, sondern fürs erste nach Berlin ab, um mit eigenen Augen die Lage der Dinge und meines Verhältnisses anzusehen, und darnach das weitere zu beschließen; vielleicht treten Änderungen ein und man gibt mir eine nähere Bestimmung, vielleicht bleibt es eine Zeitlang ungewiß – mit Einem Worte, es läßt sich noch nichts darüber sagen! (...)

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An Johann Friedrich Cotta

Berlin, 18. Dezember 1819

Nachdem ich mir lange die Entbehrung fast alles Briefwechsels auferlegt, erlaube ich mir endlich einige Zeilen an Sie, Verehrtester. (...) In meinen persönlichen Angelegenheiten steht alles ganz gut, sofern dies bei dem allgemeinen Zustande möglich ist; mir ist kein Vorwurf gemacht bis diesen Augenblick, der Staatskanzler hat mich so freundlich aufgenommen wie jemals, die nichtswürdigen Verleumdungen sind gefallen, rein und frei tret ich auf, bin in den großen Assembleen der Minister, lebe ganz unangefochten und bin ganz zufrieden, den Winter hier ruhig abzuwarten. (...) Von den hiesigen Angelegenheiten im allgemeinen schreib ich Ihnen nichts, weil es mir ganz unmöglich ist; doch kann ich Ihnen sagen, daß Berlin nie merkwürdiger und entwickelungsreicher war, und daß mir dieser Aufenthalt die wichtigsten Stoffe und Betrachtungen liefert, die meinen Wert als politischen Mann um ein gutes Teil vermehren müssen. Leider kann ich für die Wendung der Ereignisse und für die Zukunft insbesondre von Deutschland nicht ohne Sorge und Kummer sein, es sind furchtbare Kräfte in Kampf, die wohl sobald nicht loslassen. (...) Wenn ich dies überlege, wenn ich bedenke, daß ich in der Welt nicht allein stehe und auch für andrer Wohl zu sorgen habe, so möcht ich gern das Land der Ruhe suchen, wenn es ein solches gäbe, außer jenseits des Meeres, was doch zu weit ist! – Vielleicht komm ich Ihnen bald wieder näher, oder der Wechsel der Zeitverhältnisse erlaubt wenigstens wieder schriftlich einander nah zu sein im freien Austausche der Gedanken und Meinungen. – Grüßen Sie alle meine Freunde; es soll mir aber keiner schreiben, denn es wäre doch jetzt nur mißlich, da jedes Wort übel gedeutet werden kann; Papiere sind jetzt ein böser Schatz, sie können jeden Augenblick zu feurigen Kohlen werden. (...)


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