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»Reisebilder« von H. Heine. Dritter Teil. (Hamburg, bei Hoffmann und Campe. 1830. 8. 2 Tlr.)

Der Graf v. Maistre, berühmter Verf. der »Soirées de St.-Pétersbourg«, behauptet, der Schlußstein aller Staatsverfassung sei der Scharfrichter, ohne welchen das Gewölbe derselben sogleich einstürzen würde. Ob sein Satz auch für den Freistaat der Literatur gelten soll, wissen wir nicht; indessen würde Graf Maistre schon der Analogie wegen an dem vorliegenden Buch und an dessen Autor seine Freude haben, denn er fände hier Scharfrichter und Hinrichtung ganz auserlesen vor sich. Hr. Heine, den wir schon auf manchen Reisen begleitet hatten, führt uns diesmal nach Italien, dessen Luft, Früchte, Landschaft, Denkmäler, Lebensart und Sitten er uns in gedrängten, sowohl launigen als launenhaften Zügen darstellt. Der Humor, so schneidend er bisweilen durchfährt, läßt uns aber im Anfang nicht ahnden, daß wir in das herrliche, reiche Land jetzt nur geführt werden, nicht um seine Schätze zu genießen oder seine Lustbarkeiten anzusehen, sondern um einer aus dem nördlichen Deutschland auf diesen Schauplatz verlegten Exekution beizuwohnen! Der arme Sünder ist der Dichter Graf v. Platen, überwiesen großer Frevel gegen die neuesten deutschen Dichter und Kritiker, in anderweitige Verwickelungen gefährlichst umsponnen und von hochnotpeinlichem Halsgericht verurteilt, den Kopf zu verlieren. Auf den Gang des Prozesses können wir uns hier nicht einlassen; die Beschaffenheit der Gesetze und die Richtigkeit ihrer Anwendung lassen wir dahingestellt, über Schuld oder Unschuld des Verurteilten wollen wir keine Meinung äußern: nur Das wollen wir aussprechen, was wir als Tatsache bezeugen können, die Hinrichtung ist vollzogen, der Scharfrichter hat sein Amt als Meister ausgeübt, der Kopf ist herunter! –

Es liegt in der menschlichen Natur ein grausames Vergnügen an fremden außerordentlichen Leiden; wackere Männer und zarte Frauen drängen sich zum Anblick von Martern, von Operationen und Exekutionen, das Volk strömt in hellen Haufen herbei, Scherz und Lust gehen neben dem Schrecklichen ohne Störung ihren Weg. Hr. Heine darf schon aus diesem Grunde auf ein außerordentlich zahlreiches Publikum rechnen, dessen Stimmung er übrigens zu teilen scheint. Unter Liebesglück, unter Scherz und Lachen, im Verlauf der unvergleichlichsten komischen Szenen, mit ununterbrochenem Witzgeträufel führt er uns zu der tragischen Entwickelung, ja diese selbst liegt ganz und gar in jener Vorbereitung. Wir haben in frühern Zeiten arge Geschichten dieser Art erlebt: Lessing, Voß, Wolf, die »Xenien«, die Schlegel, Tieck haben in solcher Weise nachdenkliche Dinge ausgeübt; aber in so heitern und lachenerregenden Zerstreuungen haben wir noch keinen literarischen Sünder zu so grausamem Ende wandern sehen! Gewiß, wie man auch über den Grund der Sache urteilen mag, die Erfindung und Ausführung all dieser Umstände ist meisterhaft, die beiden Juden Gumpelino und Hyacinth sind ganz neugeschaffene Masken, besonders der Letztere, dessen Erzählungen und Beziehungen auf Hamburg niemand ohne Lachen vernehmen kann. Der ganze Hergang mit diesen beiden Juden, wiewohl nur in schlichter (doch in äußerst gebildeter und wohltönender) Prosa, dünkt uns, wenn denn doch einmal von Aristophanes die Rede sein soll, Aristophanischer als alles, was Graf Platen bisher in gekünstelten schweren und doch leeren Versen nach solchem Muster zu arbeiten versucht hat. Und nicht sowohl durch die materielle Belastung, durch die Ersäufung in Satire und Hohn, sondern vielmehr dadurch hat Hr. Heine den Gegner völlig abgetötet, daß er ihn in dem Fache, auf das derselbe sich am meisten zugute tun wollte, in seiner Blöße gezeigt, und ihn nicht nur an Grimm und Spott, sondern auch an Kunst, und gerade an Aristophanischer Kunst, unendlich überboten hat! Wollt ihr aristophanisieren, so müßt Ihr es so machen; habt ihr dazu nicht Mut und Geschick, nun so bleibt in Gottesnamen dabei, daß ihr kotzebuisiert, oder müllnerisiert! – Wenn von Aristophanes die Rede ist, so kann man nicht umhin, sich auf Frechheit einzulassen. Frech allerdings ist dieses Buch, wie eine schnöde Verteidigung auf schnöden Angriff nur sein kann; frech auch in Nebendingen, in willkürlicher Feindschaft, in allgemeinem Spotte. Wir würden aber doch dem Buche und dem Verf. sehr Unrecht tun, wenn wir verkennen wollten, daß neben der Frechheit auch wahrhaft edler Mut, neben der bittern Satire auch ernste Gesinnung vorhanden ist, und daß die Rohheit des Stoffes meist durch die graziöseste Behandlung gemildert wird, welche nicht selten eine tiefere Innigkeit durchblicken läßt, zu der uns der Verf. eigentlich mehr noch als zum gehässigen Streite berufen scheint. Wir machen noch besonders aufmerksam in dieser Beziehung auf die geistvollen und sinnigen Äußerungen des Verfs. über Rossinis Musik und Cornelius' Gemälde.


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