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Die deutsche Revolution 1848

Auszüge aus Varnhagens Tagebüchern

Sonnabend, den 18. März 1848

Ich fuhr zu Humboldt, den ich nicht traf, und zurück, ging über die Linden, alles hatte den friedlichsten Anschein. Unerwartet hörte man von acht Kanonen statt der bisherigen vier für das Schloß, auch von neuen Angriffsgelüsten der Menge. Da erschien ein Maueranschlag des Magistrats, daß der König ein Preßfreiheitsgesetz unterschrieben und den Landtag auf den 4. April berufen habe. Großer Jubel, aber es gab noch bedenkliche Besorgnisse. – Nachmittags kam Dr.*** und brachte üble Vermutungen, der Sturm würde heute heftiger losbrechen als gestern. Gerücht von Abdankung Thiles, Eichhorns, Savignys und Ernennung Schwerins, Camphausens, Beckeraths.

Gegen 4 Uhr plötzlicher Lärm, in den Straßen der Ruf: »Waffen! Waffen! Man haut und schießt die Schutzbürger vor dem Schlosse zusammen!« Frau von Maltzahn kam daher; der König sollte eine Deputation von tausend Bürgern empfangen, er kam auf den Balkon, konnte aber nicht sprechen, dankte tief bewegt, empfing tausendfachen Leberuf (um drei Uhr). Inzwischen drängte man die Bürger gegen das Portal, man wehrte den Eintritt, durch Mißverstand Nicht durch Mißverstand! (Spätere Anm. von Varnhagen) hieb Reiterei ein und wurde geschossen. Neuer Kampf, höchste Wut!

Ich ging mit Ludmilla (um vier Uhr) nach den Linden, ein Schutzbeamter (Blesson war's) hielt uns auf, Graf von Bismarck sagte, bei Kranzler sei eine Barrikade, Ulanen ritten vorbei, sie anzugreifen. Wir eilten nach Hause. Gleich wurden nach allen Seiten bei uns Barrikaden errichtet, langsam, behaglich, feine Leute die Anführer, Jungen und Gesellen aller Art. Steine ausgerissen, auf die Dächer gebracht, die Häuser nach Waffen durchsucht, die Häuser mußten offen bleiben. Noch bei Tage, dann aber heftiger bei Nacht (im hellen Mondschein) von allen Seiten Kampf, Gewehr- und Geschützfeuer, eingedrungene Truppen mußten unter Steinhagel nach der Behrenstraße zurück. Auftritte im Hause, nichts geplündert oder zerschlagen, außer Fensterscheiben. Der Kampf dauerte die ganze Nacht, bis nach fünf Uhr. Auf den Dächern die jungen Leute mit Steinen. Nicht schlafen gegangen.

Den 18. März 1848

Auch in meiner Wohngegend regte sich schnell der Eifer zum Barrikadenbau; von den Linden heimgehend, sah ich schon alles an der Arbeit, und um nicht ausgesperrt zu werden, mußt' ich eilen nach Hause zu gelangen, wo die Türe schon verschlossen war. Rechts nach der Jägerstraße, links nach der Behrenstraße, vorwärts in der Französischen Straße, deren ganze Länge man von meinen Fenstern gradaus übersehen konnte, stiegen rasch die Schutzwehren empor, hinter denen wir uns bald wie in einer Festung abgeschieden fanden. Einige wohlgekleidete junge Leute, dem Ansehen nach Studenten, gaben Anleitung und Befehl, eine gemischte Menge, Hausknechte, Bürger, Alt und Jung, waren eifrig am Werk, Droschken und Wagen wurden angehalten und umgestürzt, die Rinnsteinbrücken und das Pflaster aufgerissen, Fässer und Kasten herbeigeholt, ein im Bau begriffenes Haus lieferte Balken, Bretter und Ziegel; auf die Dächer der Eckhäuser häufte man einen großen Vorrat von Pflastersteinen, auch Kloben wurden hinaufgeschleppt, um sie von der Höhe auf die Angreifenden herabzuschmettern. Noch wäre das Unternehmen leicht zu hindern gewesen; hätte eine Bürgerwehr schon bestanden, sie würde die Barrikaden nicht gestattet haben; doch jetzt half jeder dabei, die ehrbarsten Männer und Frauen. Alles wurde ohne vieles Geräusch, mit großer Ordnung und Folgsamkeit ausgeführt. Inzwischen erklangen vom Gendarmenmarkt her Trommeln, und bald erschienen auch zahlreiche Truppen, die sich grade vor uns in der Französischen Straße bei der Charlottenstraße aufstellten, dann zur Friedrichsstraße vorgingen und eine hier kaum begonnene Barrikade zerstörten, aber gegen die an der Kanonierstraße nicht anrückten, sondern vielmehr wieder bis zur Charlottenstraße sich zurückzogen. Im Angesichte der Truppen ging die Arbeit ungestört fort, und die entschlossene Haltung der Führer, welche mit einsichtiger Gelassenheit das Zweckmäßigste anordneten und auch selbst Hand anlegten, flößte Bewunderung und Vertrauen ein. Ihre Zahl war eigentlich gering, vielleicht kaum zwanzig, um sie aber scharten sich etwa zweihundert, auf die sie rechnen konnten. Doch die meisten waren noch ohne Waffen, und in allen Häusern suchte man nach solchen. Ein Arbeitsmann zeigte das Königsmarcksche Haus; hier wohnten drei Offiziere, sagte er, hier müßten Waffen zu finden sein. Als die Haustüre auf wiederholtes Anrufen nicht geöffnet wurde, so traf man Anstalten, sie durch Balkenstöße zu sprengen; da erfolgte der Einlaß und die erbitterte Menge ergoß sich tobend durch das Haus. Aber die Führer hielten strenge Ordnung, nur nach Waffen durfte gesucht werden, niemand wurde beleidigt, keine Scheibe zerschlagen, kein Schimpfwort ausgestoßen und ungeachtet des Mißvergnügens, daß sich keine Waffen fanden – welche von der Dienerschaft eiligst im Garten versteckt worden waren – , ging alles mit Höflichkeit zu und die Damen rühmten, wie artig die Herren mit ihnen gesprochen, ihnen allen Schutz zugesagt und ihnen sogar ihre Namen angegeben hätten, was als sehr ritterlich gepriesen wurde. Das Dach des Hauses war nicht geeignet zur Verteidigung befunden und das Haus wurde bald wieder verlassen, nur bei Todesstrafe anbefohlen, dasselbe die ganze Nacht offen zu lassen, wie alle Häuser dieser Gegend.

Unterdessen war der Kampf anderwärts in vollem Gange, die Sturmglocken ertönten, Gewehrfeuer und bald auch Kanonenschüsse erschollen aus der Ferne, die Französische Straße hinab bei der Friedrichsstraße sahen wir beides auch in unserer Nähe blitzen. Die Truppenmasse stand dort fest und durfte nicht so weit vorgehen, um die Barrikade an der Kanonierstraße anzugreifen. Nur von den Seitenstraßen her geschah dies ein paarmal, durch einzelne Scharen von Fußvolk und Reiterei, die jedoch durch Steinwürfe, durch Büchsen- und Pistolenschüsse zurückgewiesen wurden. Während die Kämpfer hier sich zusammendrängten, war die Barrikade an der Behrenstraße nicht gehörig besetzt geblieben, und einer Abteilung Fußvolk gelang es, in die Mauerstraße einzudringen, sie kam bis an das Königsmarcksche Haus, hier aber nahmen die inzwischen von der Kanonierstraße herbeigeeilten Kämpfer sie mit einem Steinhagel von dem gegenüberliegenden Dach in Empfang, furchtbar prasselten die Steine nieder, von Schüssen aus den Fenstern begleitet, das Feuer der Soldaten aufwärts hatte keine Wirkung; um nicht ganz zugrunde gerichtet zu werden, mußten die Truppen eiligst abziehen und brachten zwei Tote und mehrere Verwundete mit zurück.

Die Kämpfer von gegenüber hatten gesehen, daß während des Gefechts auch aus dem Kellerfenster des Königsmarckschen Hauses auf sie geschossen worden, und stürmten nun wütend in das Haus, um den doppelten Verrat zu rächen, denn man hatte die Waffen erst verleugnet und nun gegen sie gebraucht. Ein Diener, der Tat schuldig, hatte kaum Zeit, über die Gartenmauer zu flüchten, ihn und die verheimlichten Waffen suchte man nun mit wildem Eifer und tobendem Geschrei, die Frauen wurden hart bedroht und sollten schwören, daß sie keine Waffen wüßten, aber zerschlagen wurde auch diesmal nichts, nichts gefordert noch genommen.

Als der Abend eintrat und es dunkelte, wurde der allgemeine Kampf nur um so heftiger und furchtbarer. Das Geschütz donnerte jetzt in geregelter Folge, immerfort das Krachen des stärksten Gewehrfeuers, das Übergewicht der Truppen schien kaum noch zu bezweifeln. Doch unsre Gegend wurde nicht ernstlich mehr angegriffen und außer einigem Geplänkel fiel bei unsren Barrikaden nichts vor. Wir hörten, daß einige Kämpfer sie verlassen hatten, um sich an andre Orte zu begeben, wo das Gefecht am hitzigsten war; da nichts weiter vorfiel, so zogen sich beim Zunehmen der empfindlichen Nachtkälte noch viele zurück; eine kleine Schar jedoch unter den bewährten Führern hielt standhaft aus und verdoppelte bei geschwächter Zahl ihre Wachsamkeit. Nach längerer Stille bei noch völliger Dunkelheit, aber schon gegen den Morgen hin hörte man plötzliches Trommeln, als rückten Truppen heran; augenblicklich waren die Kämpfer bereit, man hörte sie flüstern, und auf das Gebot einer jugendlichen, wohltönenden Stimme: »Meine Herren, auf die Dächer!« ging jeder auf seinen Posten. Dieser Ruf, ruhig und fest und mit edler Einfachheit gesprochen, klang schauerlich durch die Finsternis und wirkte mit erhebender Macht, besonders in der Vorstellung, welche Gefahr die auf sich nahmen, die ihm gehorchten; denn der allgemeine Kampf hatte schon, so schien es, nachgelassen, keine Volksmasse umgab und ermutigte die auserlesenen Kämpfer, denen nach vergeblichem Widerstande keine Rettung, sondern nur der schmachvollste Tod übrig war, durch Herabsturz, von den Dächern, durch die Bajonette der Soldaten, oder gar durch Henkershand. Gewiß, der Heldenmut und die Todesentschlossenheit dieser kühnen Jünglinge waren der größten Bewunderung wert.

Allein die Gefahr ging vorüber, es erfolgte kein Angriff; der Kampf erneuerte sich aber mit dem frühen Morgen in anderen Stadtteilen, man hörte Kanonendonner, ein anfangs nahes Gewehrfeuer entfernte sich bald, unsre Gegend schien verlassen, die Truppen, welche die Französische Straße bei der Charlottenstraße besetzt gehalten, waren verschwunden. Unter diesen Umständen zogen auch die Barrikadenmänner allmählich ab und eilten den andern Kampfplätzen zu, wo die Entscheidung noch schwebte und wo Verstärkung dringend nötig war. Bei eingetretener Tageshelle standen die Barrikaden unberührt, auf ihnen wehten schwarzrotgoldene Fähnlein, Zeichen der deutschen Freiheit, die den ganzen Tag stehen blieben; erst gegen Abend wurden sie mit den nun überflüssigen Barrikaden weggeräumt, indem jeder Eigentümer seine dazu verwendeten Sachen wieder an sich nahm. Die Fähnlein aber waren schnell durch Fahnen ersetzt, die nun zahlreich aus den Fenstern und auf Dächern wehten.

Zum 18. März 1848

Als vor dem Schlosse durch die hervorstürmenden Soldaten die ersten Gefangenen in den Schloßhof gebracht wurden, meist armselige Leute, Krüppel, die nicht schnell genug hatten fliehen können, schwächliche Alte und unreife Jungen, die darauf in den Schloßkeller gebracht und arg behandelt wurden, da trat der Prinz von Preußen vor und redete die Soldaten heftig an: »Grenadiere, warum habt ihr die Hunde nicht auf der Stelle niedergemacht?« Der Major *** stand dabei und hörte es, auch der General Fürst ***.

Der Prinz von Preußen, der gar keine Befehlführung hatte, nahm sich heraus, sowohl dem General von Pfuel, als später dem General von Prittwitz Weisungen zu erteilen, auch ohne deren Wissen über die Truppen zu verfügen. Daß von ihm oder seiner Umgebung, jedenfalls nach seinem Sinn und Willen der unerwartete Angriff auf das friedliche Volk ausging, weil man ein Gemetzel haben und Schrecken einflößen wollte, war die entschiedne Meinung aller Zeugen, die damals den Dingen nahe standen. Auch der König war so berichtet und aufgebracht über das Benehmen seines Bruders, um so mehr aufgebracht, als die Sache eine so greuliche Wendung nahm. Deshalb riet er auch so ungestüm zur Flucht seines Bruders, da er diesen von der Wut des Volkes nicht mit Unrecht bedroht wußte.

Zum 18. März 1848

Daß am 18. März bei dem Kampfe gegen das Volk einzelne Truppenabteilungen zum Volk übergegangen seien, hat sich nicht bestätigt, obschon dies allgemein verbreitet war und auch von sonst wohlunterrichteten Männern, zum Beispiel General von Pfuel, Minister von Canitz, als wahr angenommen wurde. Mehrere Tage nach dem Kampfe nannte Canitz gegen mich die Neuchateller Schützen, denen jenes Übergehen hauptsächlich vorgeworfen wurde, »die schändlichen, verfluchten Jungen!« Gewiß aber ist es, daß einzelne Soldaten übergingen und nachher in Bürgerkleidung auf den Barrikaden mitfochten. Entschiedene Tatsache ist es auch, daß ganze Trupps von Soldaten an mehreren Stellen sich dem Kampf entzogen, in die Häuser gingen und nicht wieder herauskamen, ja dem Ruf ihrer Offiziere nicht folgten, wenn diese sie wieder auffanden. Das haben mir Offiziere mit bitterer Klage erzählt. Pfuel war entschieden der Meinung, bei fortgesetztem Kampfe würden die Truppen scharenweise ermattet und übergegangen sein.

Zum 18. März 1848

Ein Schlosser, der hier jetzt im Hause arbeitet, erzählt ganz behaglich, wie er am 18. März mitgekämpft, und zwar unter Anführung des Herrn Eichler, der auf dem Dönhofsplatz ein Feuer angezündet hatte, wo gleichsam sein Hauptquartier war, und von wo aus er den Kampf an allen nächsten Barrikaden durch seine Befehle leitete. Bald war er bei der einen, bald bei der andern, am meisten doch bei seinem Feuer, wo die Kugeln häufig einschlugen, er aber unausgesetzt seine Anordnungen traf, die Streitkräfte verteilte, den Kampf nach eingehenden Meldungen bald verstärkte, bald beschränkte, auch hatte er sich mit entfernteren Kampfstellen in Verbindung gesetzt. Pünktlich wurde seinen Befehlen gehorcht, jedermann folgte seinen Anordnungen, nur in Einem Stücke nicht ganz, im Genusse geistiger Getränke! Die Einwohner brachten den Kämpfern Speise und Wein und Branntwein und Kaffee. Eichler beschwor sie, nur Kaffee zu trinken, aber keinen Branntwein, durch den sie bald des Streites unfähig würden. Eine Zeitlang ging es, aber als die Nacht kalt wurde, die Stunden langsamer verflossen, da griffen die Leute auch zum Branntwein, und am frühen Morgen lagen ihrer einige Dutzend betäubt umher, die Truppen drangen vor, stachen mehrere der Schlafenden nieder, und Eichler mußte vom Dönhofsplatze weichen und zog in die nächste Barrikade, wo er sich wieder behauptete. Er hatte seine Stimme mit solcher Anstrengung gebraucht, daß er zuletzt gar keinen Ton mehr hatte, sondern nur leise flüstern konnte. (Geschrieben am 24. September 1848.)

Zum 18. März 1848

Der Umstand, daß die Reiterei, die von der Stechbahn her unvermutet auf den Schloßplatz und das unbewaffnete Volk einritt, nicht mit eingesteckter Waffe und im Schritt, wie die Königliche Proklamation sagt, sondern mit gehobenem Säbel und im Galopp vordrang, ist durch zahllose Augenzeugen, durch unverdächtige und auch durch solche, die der Hofpartei angehören, als unzweifelhafte Tatsache erwiesen. Ich habe das Thema gewiß mit fünfzig Personen durchgesprochen. Diejenigen, welche die Sache leugnen, müssen sich zuletzt dahinter flüchten, daß die Reiterei von dem Platze, wo sie stand, in jener Verfassung aufgebrochen, geben aber zu, daß sie in der andern auf den Schloßplatz hervorgebrochen sein könne, eine Unterscheidung, die grade beweist, was sie leugnen soll! Sogar der Graf von Königsmarck, den man beschuldigt, den Befehl zum Vordringen mit eigenmächtiger Schärfung überbracht zu haben, lächelte behaglich über den Zweifel und meinte, man habe wohl mit dem Gesindel noch erst viel Umstände machen sollen?

Zum 19. März 1848

Zuerst wurden sechs bis sieben Leichen von der Breiten Straße her nach dem Schloß angefahren, die blutigen Wunden aufgedeckt, bekränzt mit Blumen und Laub. Die begleitende Volksmenge sang Lieder und schrie; der König soll die Leichen sehen, hieß es. Auf den gebieterischen Ruf erschien der König auf dem Altan, der nach dem Schloßplatz hinaus führt. (Er hatte erst gezweifelt, auf Pfuels Zureden trat er vor. Der Prinz von Preußen wollte folgen, Pfuel hielt ihn zurück, der Prinz sah sich um, zu sehen wer ihn hielt, und blieb zurück.) Alles hatte den Kopf entblößt, nur der König die Mütze auf; da hieß es gebieterisch: »Die Mütze herab!«, und er nahm sie ab. Die Leichen wurden dann durch das Schloß durch nach dem Dom gefahren. Alle folgenden ebenso; diese aber machten auf dem innern Schloßhof Halt, und hier mußte der König ebenfalls wiederholt auf der Galerie erscheinen, die Leichen grüßen und vieles anhören. Endlich wurde ein geistliches Lied angestimmt – »Jesus meine Zuversicht«, und damit beschloß der furchtbare Auftritt, die ganze Volksmenge sang mit und schien versöhnt. Der König durfte sich erschöpft und vernichtet zurückziehen. Die Örtlichkeit nach den sorgfältigst erfragten Angaben festgestellt. (14.März 1852.)

Am 19. März 1848

Das Volk im Schloßhofe schrie heftig um Loslassung der Gefangenen, sowohl der noch in den Schloßkellern aufbewahrten als der nach Spandau schon abgeführten. Der König mußte vortreten und das Verlangen gewähren. Er rief: »Nun, die sollt Ihr haben!« Und fügte den schlechten Spaß hinzu: »Ich weiß aber nicht, ob sie Euch noch gefallen werden!« Man wußte schon, daß sie furchtbar zerschlagen, geschändet und gebunden waren, man geriet in Wut über diesen Scherz des Königs; nun erst wurden die Leichen gebracht, er solle sehen, ob ihm die gefielen, rief man laut, und nun erfolgte der schauderhafte lange Vorgang dieser Leichenschau, die der König (die Königin wollte ihn nicht verlassen) bestehen mußte; »Mütze herunter!« rief man ihm gebieterisch zu und er mußte die ganze Zeit barhaupt bleiben.

(Aus zuverlässiger Quelle von Augenzeugen.)

Artikel in der Augsburger »Allgemeinen Zeitung«

Berlin, 16. April 1848

Der von uns mit Ungeduld erwartete neue Bundestag, hauptsächlich die Volksvertretung bei demselben, wird ohne Säumen die Wehrverfassung und die äußere Politik Deutschlands ins Auge fassen müssen; denn es liegt am Tage, daß beide völlig umgeschaffen werden müssen im Sinne des neuen Geistes, in welchem das Vaterland wiedergeboren ist. In diesen beiden Fächern, im Militärwesen und in der Diplomatie, hat sich am tiefsten der Kasten- und Zunftgeist der untergegangenen Staatsmächte eingenistet, der Schlendrian alter Gewohnheiten und nichtsnutziger Formen, von denen auch die helleren Köpfe, wenn sie einmal hineingeraten sind, nur mit Mühe sich losmachen; über den eingeführten Formen, deren Erhaltung und Ausübung zum Hauptgeschäft geworden, vergißt man zuletzt ganz deren Zweck und Inhalt. Es ist so weit gekommen, daß pedantische Rechner im Truppenwesen und gewandte Depeschenschreiber in der Diplomatie als die Meister ihres Faches gelten, während sie von der höheren Kriegs- und Staatskunst auch nicht das geringste wissen. Unsre Geschichte der letzten fünfzig oder sechzig Jahre ist voll von beklagenswerten Beispielen, wir nennen statt aller andern nur Mack und Lucchesini! Dies muß in dem neuen Zustande der Dinge sich durchaus ändern; wir müssen lernen, auf das Wesen der Dinge [zu] sehen, wobei es gar nicht nötig ist, die gebräuchlichen Formen wegzuwerfen, nur darf die armselige Gewandtheit in ihnen, die bei glänzenden Höfen wichtig war, im Dienste der wahrhaften Nationalsache nicht mehr vorherrschen wollen. Wir wünschen, daß der neue Bundestag gleich nach seinem Zusammentritt zwei Ausschüsse niedersetze, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigen, und nicht von den Regierungen abgeordnete Sachverständige, sondern freie, die sich gewiß anbieten, zu Rate ziehe. Wenn Preußen in beiden Stücken kräftig voranginge, so wäre viel gewonnen, so könnte ein großer Teil der Sorge fallen. Allein wir sehen bis jetzt keine Anstalten dazu. Wir haben einen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, von dem jedermann sagt, daß er nicht bleiben könne, weil höchstens die Sache ihn, er aber nicht die Sache trägt. Wir haben einen interimistischen Kriegsminister, der ein guter Verwalter, aber kein politischer Mann ist, einen Chef des Generalstabs, der schon vor einem halben Jahre wegen Alter und Krankheit den Abschied nehmen wollte, aber noch im Amte steht und in diesen bedenklichen Zeiten keine Spur seiner Tätigkeit zeigt. Die Behandlung der – verhältnismäßig kleinen – schleswig-holsteinischen Sache ist ein sprechendes Beispiel dessen, was wir gewärtigen müßten, wenn es in drangvollen Umständen gälte, gegen hereinbrechende Gefahren die gesamte Kraft aufzubieten! Hat bei dem gefaßten Entschluß, Schleswig-Holstein zu unterstützen, wohl eine Einheit der Auffassung, ein fester Plan, eine zweckmäßige Ausführung stattgehabt? Niemals war es nötiger als bei dieser Sache, rasch und kräftig einen entscheidenden Schlag zu führen, unbeirrt und nachdrücklich das Beschlossene zu vollziehen. Uneingedenk der guten Lehre, die wir aus der Hinterlassenschaft des Fürsten Metternich uns wohl aneignen dürfen, wie stark und berechtigt ein fait accompli sich der Welt darstellt, wurde der schon kriegerisch gestaltete Anlauf wieder in diplomatische Wege verschleppt, und die rasch beförderte erste Infanterie, kriegsmutig und kriegsungeduldig, und von der befreundeten Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen, mußte in ihrer Schwäche und ihrer langen Entblößung von Kavallerie und Artillerie sich untätig begaffen lassen, während der Feind ungehindert losbrach, das zu schützende Land überzog und den bewaffneten Eingebornen arge Schlappen brachte! Dies ist keine Art, die Sachen zu führen. Eine andre Leitung muß eintreten. Wenn es zu einem ernsten Kriege käme, sei es nach Osten oder nach Westen, so würden die Versäumnisse von heute und morgen in den künftigen Ereignissen schwer mitzählen. Möge beizeiten die richtige Vorkehr getroffen werden! In der nächsten preußischen Volksvertretung wird hoffentlich zur Sprache kommen, was zunächst uns betrifft, in der großen deutschen das Gemeinsame des ganzen Vaterlandes.

Berlin, 29. April 1848

»In Frankfurt wollen wir stark sein, nicht gegen Frankfurt«, sagte neulich eine preußische Stimme, und wir halten sie für ebenso echt preußisch als sie echt deutsch ist. Die Worte des Königs, »Preußen geht fortan in Deutschland auf«, sind keine bloße Redensart, sie haben einen tiefen Inhalt, eine tatsächliche Wahrheit, die niemand ungestraft verkennen wird, ein Preuße aber, auch ein solcher Preuße, der vorderhand nur das Wohl des alten Staats ins Auge faßt, sich auf das stärkste einprägen muß! Wir können uns nicht verleugnen, daß Preußen sich in einer bedenklichen Krisis befindet, die vielleicht nur in Österreich noch schlimmer ist, daß die andern deutschen Staaten, nämlich die von mittlerer Größe und von geographischer und nationaler Einheit, gegen uns sehr im Vorteil stehen. Die alten Bande hielten auch das zusammen, was nicht innerlich geeint war; dies Zusammenhalten war dem Ganzen und den Teilen wohltätig – kein Billiger wird es leugnen – , und deshalb müssen wir alles aufbieten, das Fortbestehen zu sichern und, wenn die alten Bande nachlassen, dafür die neuen desto straffer anzuziehen. Diese neuen Bande sind die der deutschen Freiheit, des engen Anschlusses an deren allgemeinen Gang, an die Formen, welche ihre freigewählten, aus allen Gauen zusammenkommenden Vertreter ihr geben werden. Hierin können wir die alte Kraft Preußens am ersprießlichsten dartun, hierdurch die ruhmvolle Selbständigkeit des preußischen Namens am sichersten retten. Auf dem entgegengesetzten Weg, dem der stolzen Absonderung und des mürrischen Halbwillens, liegt unsre größte Gefahr. Wer jetzt – und wie viele Preußen tun es aus falsch verstandenem Vaterlandseifer, aus übelangebrachtem Stolz! – wer jetzt der von dem König so richtig und notwendig eingeschlagenen Richtung entgegen ist, der tue doch die Augen auf und sehe, wohin das führt; könnte ihm gefallen, dies heldenreiche geliebte Preußen auf die Grenzen zurückgeführt zu sehen, die der Tilsiter Frieden ihm gab? Ob unsre Minister, wie brave tüchtige Männer auch unter ihnen seien, diese Lage des Staats gehörig einsehen, bei allen ihren Handlungen genugsam beachten, dessen sind wir keineswegs versichert. Wie könnten sie sonst so manches Höchstwichtige und Dringende unterlassen, was der Augenblick gebieterisch fordert und wozu sie alle Macht haben oder jeden Augenblick nehmen können? Wir zielen hiebei wiederholt auf das schon öfters angeregte Thema, auf die notwendige Reinigung unsrer höchsten und mittlern Behörden, vor allem in der Verwaltung, aber auch in der Diplomatie und im Kriegswesen! Vertrauen, entschiedenes Vertrauen ist jetzt die Hauptsache, Vertrauen im Lande selbst und nach außen; wie kann man aber Vertrauen haben zu den Personen, die tief in dem alten System befangen, ja teilweise von ihm befleckt sind, und die durch eine schmiegsame Umkehr nicht reingewaschen werden? Man sagt, sie seien schwer zu ersetzen, und das mag wahr sein, denn es ist der Fluch des alten Systems, daß es keine Staatsmänner erzog, sie nicht einmal duldete, sondern nur unterwürfige Geschäftsknechte wollte, die es denn auch mit den höchsten Ämtern belohnte! So weiß man jetzt keinen Kriegsminister, keinen Handelsminister, keinen Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu finden! Aber man suche nur, und sie werden sich finden; wenn nicht unter den Präsidenten, Geheimräten und Generalen, gewiß einige Stufen tiefer, und wenn die Befähigten nicht ganz in den Geschäftsgang eingeweiht sind – desto besser! Dieses Geschlepp und Geschmier muß abgeschafft werden, und mit ihm fällt der letzte Schimmer von Befähigung, den so viele jetzt Hochgestellte noch übrig haben! Wenn man unsre wichtigsten Staatsämter, die militärischen wie die bürgerlichen, näher betrachtet, wie sie besetzt sind und was daraus für Schaden erwächst, so schaudert einem die Haut! Der König selbst muß dies längst einsehen, warum dringen die Minister nicht auf durchgängige Reform? Man gehe den Weg des Freisinns mit starken, festen Schritten, man trete hart auf und nicht mit leisen Fußspitzen!


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