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»Reisebilder« von H. Heine. Erster Teil. Zweite Auflage

(Hamburg, bei Hoffmann und Campe, 1830.)

Eine seltne Begünstigung für einen neueren deutschen Dichter, daß seine Werke binnen so kurzer Frist zur zweiten Auflage kommen! Indes war bei Heine diese Gunst wohl vorauszusetzen, da er seine Leser durch mancherlei wirksamen Reiz leicht gewinnt und sie durch wirkliches Verdienst, durch Geist und Tiefe, noch festhält, wenn die scharfe Würze schon verdunstet oder der Witz veraltet ist, nämlich derjenige, der veralten kann, denn er hat unleugbar auch solchen, der immer jung bleibt. Das große Talent dieses Dichters ist wohl allgemein anerkannt, auch von denen sogar, die mit der Art, wie er selbiges gebraucht, nicht ganz zufrieden sind. Wirklich wüßten wir unter den jüngern Schriftstellern dieser Gattung keinen, der neben ihn, geschweige denn über ihn zu stellen wäre. Auch versteht er seine Zeit, kennt ihren Gehalt und ihre Gebrechen, und gibt ihr die Süßigkeiten und Bitterkeiten, deren sie bedarf, ohne viel zu achten, was sie dafür in manchen Individuen ihm für Gesichter schneidet. In dieser Hinsicht bekommen selbst seine Unarten und Ungezogenheiten eine andere Bedeutung, als wenn man sie an und für sich als abgesonderte Ungebühr betrachtet; sie sind ihm aufgedrungen, er muß sie anbringen, die fade Lauheit und schläfrige Bequemlichkeit unsrer verwahrlosten literarischen und geselligen Zustände machen es notwendig, daß auch ein feiner Mann bisweilen einige Hiebe führt, wo das ernste Wort nichts mehr verfängt. – Unsre Neigung zu dem Dichter hat bei diesem neuaufgelegten Büchlein sich nur gesteigert, zugleich aber unsre Achtung. Er zeigt, daß er fortschreitet, daß nicht jeder Mutwill und jede Dreistigkeit, die er einmal ausgeübt, ihm nun für immer bestehen soll; er nimmt auf billige Forderungen Rücksicht und ändert mit Takt und Klugheit. So sind von den Liedern der Heimkehr, welche diesen Teil eröffnen, einige allzu anstößige (wenn auch sonst ganz tüchtige und gute) weggefallen und durch andre ersetzt worden. Wir geben eines der letztern zur Probe, und man wird bekennen, daß die Sammlung durch solche nur gewonnen haben kann:

Sapphire sind die Augen dein,
Die lieblichen, die süßen; –
O dreimal glücklich ist der Mann,
Den sie mit Liebe grüßen.

Dein Herz, es ist ein Diamant,
Der edle Lichter sprühet; –
O dreimal glücklich ist der Mann,
Für den es liebend glühst.

Rubinen sind die Lippen dein,
Man kann nicht schönre sehen; –
O dreimal glücklich ist der Mann,
Dem sie die Liebe gestehen.

O kennt' ich nur den glücklichen Mann,
O daß ich ihn nur fände,
So recht allein im grünen Wald,
Sein Glück hätt' bald ein Ende.

Scherenschnitt von Varnhagen

Auch eine Anzahl andrer Gedichte sind weggeblieben und dafür die zweite Abteilung der herrlichen, großhumoristischen Seebilder eingerückt worden. Warum aber die unvergleichliche Romanze »Donna Clara« nicht wieder aufgenommen worden, sehen wir nicht ein; wie sie auch sei, diese Donna, sie – und den Sohn des vielbelobten schriftgelehrten Rabbi Israel von Saragossa lassen wir uns nicht rauben, und reklamieren sie für den nächsten Teil aus allen Kräften. Übrigens glaube man ja nicht, daß der Dichter in Nachgiebigkeit und Schonung zu weit gegangen sei und seines Charakters dabei zu sehr vergessen habe; o nein! keine Gefahr! Er ist schon der geblieben, der er einmal sein muß, und wer ihm deshalb in der ersten Auflage gewogen war, der kann es auch bei der zweiten ganz gehörig bleiben. In der »Harzreise« z.B. ist nichts wesentliches verändert worden, und sogar in einigen neu hinzugekommenen Liedern sind Stellen, die einigen weggelassenen alten wenig nachgeben. Die empfindsame, auf ihre Weiblichkeit sich viel einbildende Dame mag auch fernerhin das Buch ihren Töchtern nicht vorlesen; der blöde keusche Jüngling, der jedes Buch verabscheut, was er nicht in seinem Teezirkel vorlesen oder auf die Toilette seiner süßen Angebeteten legen darf, lasse nach wie vor von diesen Reisebildern ab. Ein frischer klarer Sinn aber, eine gesunde und starke Unschuld, ein heitres und gefühlvolles Herz, gleichviel ob sie dem einen oder dem andern Geschlecht angehören, werden sich, das behaupten wir, getrost und wohlgemut noch oft und weiterhin an diesen Blättern ergötzen und zugleich manchen ernsten Gewinn daraus ernten! – Daß nicht eines sich für alle schickt, ist längst gesagt, und das Thema durch Friedrich Schlegel – den, der die »Lucinde« geschrieben – reich glossiert worden. Es gibt Leute, denen man nur immer wieder Gellerts Fabeln und Erzählungen zu lesen geben möchte, wären nicht auch darin leider einige, an denen sie Ärgernis nehmen könnten! –

Hier ist es wohl gelegen, daß wir auch eines andern Büchleins mit Ehren gedenken, das in Poesie und Prosa sich den Heine'schen Produktionen als nah verwandt anschließt. Wir meinen das artige Bändchen: »Erato. Von Franz Freiherrn von Gaudy.«(Glogau, 1830.) Dasselbe ist sehr in der Geistesstimmung und Ausdrucksweise von Heine, ohne daß man sagen könnte, es sei eine Nachahmung. In der Tat scheint diese Stimmung und Richtung sehr verbreitet in den Gemütern unsrer Zeitgenossen zu liegen, und nur des Rufes zu bedürfen, der sie aufweckt. Wenn auch durch eine Zueignung an Heine sich Hr. v. Gaudy willig dazu bekennt, durch die Schriften dieses Dichters lebhaft angeregt worden zu sein, so hat er doch ein selbständiges, schönes Talent, das nur hauptsächlich aller vorgefaßten Meinungen sich freien Geistes zu entschlagen hat, um gewiß seine rühmliche Bahn mit Erfolg zu durchwandeln.


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