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21

Fünf Minuten darauf saß er in seinem Zimmer, den Kopf von den Armen umschlossen auf dem Tisch – bekanntlich die Stellung hochgradiger Verzweiflung. – Seine Tränen flossen, und dann und wann unterbrach ein Schluchzen die Stille. Nach einiger Zeit sagte er: »Ich kannte sie, als sie noch ein kleines Kind war und auf meine Knie zu klettern pflegte; ich liebe sie wie meine eignen Kinder, und nun – o das arme Ding, das arme Geschöpf, ich kann es nicht ertragen! Sie hat ihr Herz an diesen schäbigen Materialisierten verloren. Warum sahen wir nicht, daß es dazu kommen würde? Aber wie konnten wir es denken, niemand konnte es, niemand hätte sich so etwas träumen lassen. Man konnte doch nicht annehmen, daß ein Mädchen sich in eine Wachsfigur verlieben würde; und das ist dieser noch nicht einmal.«

Er fuhr fort, seinem Schmerz nachzuhängen, und immer wieder wurden seine Klagen laut:

»Es ist geschehen, oh, es ist geschehen, und es gibt keine Hilfe mehr, nichts, was dieses schreckliche Ereignis ungeschehen machen könnte. Wenn ich den Mut hätte, würde ich Es töten; aber das würde nichts nützen. Sie liebt Es, sie hält Es für wirklich und echt. Wenn sie Es verlieren sollte, würde sie sich ebenso darum grämen, wie um eine wirkliche Person. Und wer soll es der Familie entdecken? Ich nicht – lieber will ich sterben. Sellers ist das beste menschliche Wesen, das ich je gekannt habe, und ich wäre nicht imstande – O Gott, sein Herz wird brechen, wenn er es erfährt. Und Pollys Herz auch. Das kommt davon, wenn man sich auf solche höllischen Dinge einläßt. Hätten wir das nicht getan, so würde dieses Geschöpf noch in der Hölle braten, wohin es gehört. Wie kommt es nur, daß die andern den Schwefel nicht riechen? Manchmal kann ich kaum mit ihm in demselben Zimmer bleiben, ohne dem Ersticken nahe zu sein.« Nach einer Weile brach er wieder in die Worte aus:

»Nun, eines ist gewiß: das weitere Materialisieren muß jetzt unterbleiben. Wenn sie ein Gespenst heiraten will, so soll es wenigstens ein anständiges aus dem Mittelalter sein, wie dieses hier, nicht ein Kuhbube und Dieb, in den sich die vorbildliche Kaulquappe verwandeln wird, wenn Sellers sich noch ferner damit abgibt. Es kostet uns fünftausend Dollar bares Geld, und macht die inkorporierte Gesellschaft unmöglich, wenn das Werk an diesem Punkt zum Stillstand gebracht wird, aber Sally Sellers' Glück ist mehr wert als alles das.«

Er hörte Sellers kommen und faßte sich. Sellers nahm einen Stuhl und sagte:

»Ich muß dir gestehen, daß ich wieder ganz verwirrt bin. Es aß ganz gewiß, darüber ist kein Zweifel möglich. Man konnte es nicht geradezu essen nennen, aber nagen. Es nagte ohne Appetit, aber Es nagte doch; und das ist eben das Wunderbare. Die Frage ist nun die: was tut Es mit diesem Nagen? Ja, darauf kommt es an, was tut Es damit? Meiner Meinung nach wissen wir durchaus noch nicht, was alles in dieser gewaltigen Entdeckung liegt. Aber die Zeit wird es zeigen – die Zeit und die Wissenschaft. Wir müssen nur die rechte Gelegenheit erfassen und die Geduld nicht verlieren.«

Aber er konnte Hawkins' Interesse nicht erwecken, konnte ihn kaum zum Sprechen bringen und ihn nicht aus seiner tiefen Niedergeschlagenheit reißen. Zuletzt nahm das Gespräch eine Wendung, die Hawkins' Aufmerksamkeit fesselte.

»Ich muß dir sagen, Hawkins, daß ich anfange, Zuneigung für ihn zu fühlen. Er ist eine Persönlichkeit von bedeutendem, geradezu riesenhaftem Charakter. Unter diesem gleichmütigen Äußern ist der kühnste Geist verborgen, der je in einen Menschen gelegt worden, er ist ein zweiter Clive. Ja, ich bin voller Bewunderung für ihn wegen seines Charakters, und du weißt, der Bewunderung folgt natürlicherweise die Zuneigung. Ich bin ihm außerordentlich zugetan. Ich muß dir sagen, ich habe nicht das Herz, solch einen Charakter um des Geldes willen bis zum Standpunkt des Räubers zu degradieren, und ich bin gekommen, dich zu fragen, ob du bereit bist, auf die Belohnung zu verzichten und diesen armen Burschen zu lassen – –«

»Wo er ist?«

»Ja, ihn nicht bis auf die heutige Zeit zu bringen.«

»Oh, da hast du meine Hand, und mein Herz willigt auch ein.«

»Das werde ich dir nie vergessen, Hawkins,« sagte der alte Mann, seine Stimme nur mit Mühe zur Festigkeit zwingend. »Du bringst meinetwegen ein großes Opfer und eines, das deine Verhältnisse nicht wohl erlauben; aber ich werde deine Großmut nie vergessen, und wenn ich am Leben bleibe, sollst du nicht darunter leiden, das versichere ich dir.«

Sally Sellers wurde sich augenblicklich und auf das lebhafteste bewußt, daß sie ein neues Wesen geworden war, ein Wesen von viel höherem und würdigerem Rang, als sie vor kurzem noch gewesen; anstatt eines träumerischen ein ernstes Wesen, das den Zweck seines Daseins in dieser Welt erkannte, während früher nur unbestimmte, sehnsüchtige Neugierde danach sie erfüllt hatte. So groß und umfassend war die Veränderung, die mit ihr vorgegangen war, daß ihr dünkte, sie sei erst jetzt aus einem Schatten eine wirkliche Persönlichkeit geworden, ein Etwas, das noch vor kurzem ein Nichts gewesen; ein Zweck, der vorher nur eine Laune war; ein Tempel, in dem das Altarfeuer brannte und die Stimme der Anbetung erklang da, wo vorher nur ein Wirrwarr von nüchternen Bauplänen vorhanden gewesen, die dem Auge des Vorübergehenden unverständlich blieben und nichts vorhersagten.

»Lady Gwendolin.«

Das Wohlgefallen an diesem Klang war völlig zunichte geworden; er war ihrem Ohr jetzt eine Beleidigung. Sie sagte:

»Dieser trügerische Schein gehört der Vergangenheit an, ich will nicht mehr so genannt sein.«

»Darf ich Sie einfach Gwendolin nennen? Sie erlauben mir, die Förmlichkeiten abzustreifen und Sie ohne jeden Zusatz nur bei Ihrem teuern Vornamen zu nennen?«

Sie entthronte die Nelke und ersetzte sie durch eine Rosenknospe.

»So, das ist besser. Ich hasse die Nelken – einige Nelken wenigstens. Ja, Sie sollen mich bei meinem Vornamen nennen ohne jeden Zusatz – das heißt, ich meine nicht ganz ohne Zusatz, aber – –«

Weiler konnte sie doch nicht gehen. Es entstand eine Pause. Er bemühte sich, ihre Worte zu deuten, es gelang ihm auch noch rechtzeitig, den Gedanken zu erfassen, um beiden eine Verlegenheit zu ersparen, und er sagte dankerfüllt:

»Teure Gwendolin! Darf ich das sagen?«

»Ja, zum Teil. Aber – küssen Sie mich nicht, wenn ich spreche, ich vergesse sonst, was ich sagen wollte. Sie können einen Teil dieser Anrede brauchen, aber nicht den letzten Teil. Gwendolin ist nicht mein Name.«

»Nicht Ihr Name?« Seine Stimme drückte Erstaunen und Überraschung aus.

In der Seele des Mädchens stieg plötzlich eine geheime Bangigkeit auf, eine Empfindung voll Argwohn und Besorgnis. Sie schob seinen Arm von sich, sah ihm forschend ins Auge und sagte:

»Antworten Sie mir aufrichtig, auf Ihre Ehre: Sie suchen eine Verbindung mit mir nicht meines Ranges wegen?«

Dieser Schlag warf ihn fast gegen die Wand, er war so wenig darauf vorbereitet. Es lag etwas so fein Komisches in der Frage und dem sie veranlassenden Verdacht, daß er zugleich staunen und bewundern mußte, und so wurde er vor dem Lachen bewahrt.

Ohne viel kostbare Zeit zu verlieren, machte er sich an die Aufgabe, sie zu überzeugen, daß er nur durch sie allein gewonnen sei, nur sie allein liebe, nicht ihren Titel und ihre Stellung; daß er sie von ganzem Herzen liebe und sie nicht mehr lieben könnte, wenn sie eine Herzogin wäre, und nicht weniger, wenn sie keine Heimat und keine Familie hätte. Sie beobachtete sein Gesicht mit gespannter Aufmerksamkeit, eifrig, hoffnungsvoll, durch den Ausdruck desselben seine Worte übersetzend; und als er geendigt hatte, war ihr Herz voll Freude – voll stürmischer Freude, obgleich sie äußerlich ruhig, gemessen, sogar streng verständig erschien. Sie bereitete eine Überraschung für ihn vor, die darauf berechnet war, diese uneigennützigen Versicherungen auf eine harte Probe zu stellen, und sie ging nun daran, Wort für Wort gewissermaßen zu verbrennen, wie die Lunte bis zur Bombe hin brennt, und beobachtete ihn, um zu sehen, wie hoch die Explosion ihn emporschleudern würde.

»Hören Sie mich an – und zweifeln Sie nicht an mir, denn ich rede die volle Wahrheit. Howard Tracy, ich bin ebensowenig das Kind eines Lords wie Sie.«

Zu ihrer Freude und ihrem geheimen Staunen berührte es ihn gar nicht. Er war diesmal vorbereitet und ersah den rechten Augenblick. Er rief mit Begeisterung: »Dem Himmel sei Dank dafür!« – und schloß sie in seine Arme.

Es überstieg fast ihre Kräfte, einen Ausdruck für ihre Glückseligkeit zu finden.

»Sie machen mich zum stolzesten Mädchen der ganzen Welt,« sagte sie, ihren Kopf an seine Schulter bettend. »Ich fand es begreiflich, daß der Titel Sie blende, vielleicht sogar unbewußt, da Sie Engländer sind. Ich fürchtete, Sie täuschten sich, indem Sie mich zu lieben glaubten, und würden finden, daß Sie mich nicht liebten, wenn die Täuschung verschwände. Deshalb macht es mich stolz, daß die Enthüllung keinen Unterschied hervorbringt, und daß Sie wirklich mich lieben, nur mich – o stolzer, als Worte es sagen können.«

»Nur du bist es, Geliebte, die ich begehre; nie blickte ich neidisch nach deines Vaters Grafenkrone; das ist die volle Wahrheit, teure Gwendolin.«

»Nein, du mußt mich nicht so nennen. Ich hasse diesen falschen Namen; ich sagte dir schon, daß es nicht der meinige ist. Mein Name ist Sally Sellers, oder Sarah, wenn dir das lieber ist. Von jetzt an verbanne ich alle Träume, Visionen und Einbildungen und will nichts mehr von ihnen wissen. Ich will ich selbst sein – mein echtes, mein redliches, natürliches Selbst, rein und frei von Täuschung, Torheit und Betrug und deiner würdig. Nicht ein Sandkorn gesellschaftlichen Unterschieds ist zwischen uns; ich bin arm wie du; ich bin wie du ohne Stellung und Rang: du bist ein aufstrebender Künstler; ich bin in meiner bescheidenen Weise dasselbe. Unser Brot ist ehrliches Brot, wir arbeiten für unsern Lebensunterhalt. Hand in Hand wollen wir zum Grabe wandern, einander helfen in allen Dingen, füreinander leben, eins bleiben in Herz und Sinn, eins in Hoffen und Streben, unzertrennlich bis zum Ende. Und ist auch unser Platz nach dem Urteil der Welt ein bescheidener, wir werden ihn zu dem höchsten machen durch die sittliche Größe redlicher Arbeit für den Lebensunterhalt und eine über jeden Vorwurf erhabene Haltung. Wir leben – seien wir dankbar dafür – in einem Land, wo dies hinreichend ist und kein Mensch ›von Gottes Gnaden‹ mehr gilt als sein Nachbar, sondern nur durch sein eignes Verdienst.«

Tracy versuchte, sie zu unterbrechen, aber sie hielt ihn zurück und behauptete das Feld.

»Ich bin noch nicht zu Ende. Ich will mich nun von den letzten Spuren aller Künsteleien und Ansprüche reinigen und dann auf gleicher Stufe mit dir von neuem beginnen, um dir eine würdige Gefährtin zu sein. Mein Vater hält sich wirklich für einen Lord. Nun, ich lasse ihm seinen Traum, er gefällt ihm und schadet niemand. Es war auch der Traum seiner Vorfahren, er hat aus dem Hause der Sellers seit Generationen Narren gemacht und machte auch mich ein wenig zur Närrin, nur schlug er bei mir noch keine tiefen Wurzeln. Ich bin nun fertig damit, und das für immer. Vor achtundvierzig Stunden war ich im geheimen stolz darauf, die Tochter eines Talmilords zu sein, und dachte, der passende Gefährte für mich müsse ein Mann gleichen Ranges sein; aber heute – oh, wie dankbar bin ich deiner Liebe, die mein krankes Gehirn geheilt und meine Gesundheit hergestellt hat. Ich könnte einen Eid darauf oblegen, daß kein Grafensohn in der ganzen Welt – –«

»Oh, ganz gut – aber – aber – –«

»Nun, du siehst ja tödlich erschrocken aus. Was ist dir denn? Was gibt es?«

»Was es gibt? O nichts, gar nichts. Ich wollte nur sagen« – aber in seiner Verlegenheit fiel ihm im ersten Augenblick nichts ein, was er hätte sagen können; durch eine glückliche Eingebung dachte er aber noch an etwas, was für den Fall hinreichte, und brachte es mit großer Beredsamkeit heraus:

»Oh, wie schön du bist! Mir vergeht der Atem, wenn du so aussiehst!«

Das war gut ausgedacht, rechtzeitig angewendet und wurde freudig geäußert; er erhielt auch seine Belohnung.

»Laß sehen, wo war ich stehengeblieben? Ja, meines Vaters Grafschaft ist bloßer Mondschein. Sieh die schrecklichen Bilder an, die hier hängen; du hast natürlich angenommen, daß es Porträte seiner Vorfahren sind: Grafen von Roßmore. Aber das sind sie nicht. Es sind Farbendruckbilder ausgezeichneter Amerikaner, ganz moderner noch dazu, aber er hat sie um tausend Jahre zurückdatiert, indem er sie mit neuen Bezeichnungen versah. Dieser Andrew Jackson hier tut, was er kann, um den letztverstorbenen amerikanischen Lord vorzustellen; und der neueste Schatz in der Sammlung soll der junge englische Erbe sein, ich meine den Dummkopf mit dem Kreppumhang; aber in Wahrheit ist es ein Schuhmacher und durchaus nicht Lord Berkeley.«

»Bist du dessen gewiß?«

»Nun natürlich. So würde er wohl nicht aussehen.«

»Warum?«

»Weil sein Betragen in den letzten Augenblicken, als das Feuer sich um ihn her ausbreitete, zeigt, daß er ein Mann war. Es beweist, daß er ein edler, hochherziger junger Mensch war.«

Tracy war gerührt durch diese Komplimente, und es schien ihm, als ob die süßen Lippen des Mädchens beim Aussprechen derselben noch an Lieblichkeit gewännen. Er sagte sehr sanft:

»Wie schade, daß er nicht wissen konnte, welchen Eindruck sein Benehmen in der schönsten und lieblichsten Fremden zurücklassen würde in dem Lande –«

»Oh, ich liebte ihn fast! Ich denke täglich an ihn. Er lebt immer in meinen Gedanken.«

Tracy fand, das sei mehr als nötig. Er wurde sich des Stachels der Eifersucht bewußt und sagte:

»Es ist ganz recht, an ihn zu denken, wenigstens dann und wann – das heißt in gehörigen Zwischenräumen – und vielleicht mit Bewunderung, aber es will mir scheinen, daß – –«

»Howard Tracy, bist du eifersüchtig auf den Toten?«

Er schämte sich, und zugleich schämte er sich nicht; er war eifersüchtig, und war es nicht.

In einem gewissen Sinn war der Tote er selbst; in diesem Fall fielen die jenem Verstorbenen gespendeten Komplimente und Zärtlichkeiten in seine Kasse und waren reiner Gewinn.

Aber in einem andern Sinn war der tote Mann nicht er selbst, und in diesem Fall waren Komplimente und Zärtlichkeiten vergeudet und gaben genügenden Grund zur Eifersucht. Ein minutenlanges Schmollen war die Folge des Streites der beiden; sie versöhnten sich rasch und waren liebevoller als vorher. Zur Befestigung der Versöhnung diente es, daß Sally erklärte, sie habe nun Lord Berkeley aus ihren Gedanken verbannt, und hinzufügte: »Um sicher zu gehen, daß er nie wieder Streit zwischen uns errege, will ich mich gewöhnen, diesen Namen zu verabscheuen und alle, die ihn jemals getragen haben oder noch tragen werden.«

Das verursachte nun neuen Schmerz, und Tracy wollte sie schon bitten, diesen Ausspruch ein wenig zu mildern – nur den allgemeinen Grundsätzen nach und als eine Übung im Vermeiden des Übertreibens selbst guter Handlungen – aber er hielt es dann für besser, die Dinge gehen zu lassen und nicht etwa einen neuen Zwist hervorzurufen. Er wendete sich also von diesem Thema ab und suchte weniger gefährlichen Boden für die Unterhaltung.

»Ich vermute, du billigst Standesvorrechte und Adel überhaupt nicht, jetzt wo du dem Titel und der Grafschaft deines Vaters entsagt hast.«

»Wirkliche Standesvorrechte? O nein; ich habe nur unsre falschen für immer beiseitegeworfen.«

Diese Antwort kam zur rechten Zeit und am rechten Ort, um den armen wankelmütigen jungen Mann vor einem nochmaligen Wechsel seiner politischen Richtung zu bewahren. Er war nahe daran gewesen, wieder zu schwanken, aber diese Stütze hielt ihn aufrecht und verhütete ein Zurückfallen in die Demokratie und ein Aufgeben des Aristokratentums. So war er, als er nach Hause ging, ganz zufrieden, die Frage getan zu haben.

Das liebe Mädchen würde also doch eine Kleinigkeit wie eine echte Grafenkrone annehmen, sie war nur gegen den unechten Artikel eingenommen. Ja, er konnte das Mädchen und die Grafschaft beide sein nennen. Diese Frage war eine glückliche Eingebung gewesen.

Auch Sally war glücklich, als sie zur Ruhe ging, glücklich bis zur Trunkenheit, und blieb in dieser Stimmung beinahe zwei Stunden lang.

Aber zuletzt, als sie nahe daran war, in süße Bewußtlosigkeit zu versinken, nahte sich der schattenhafte Teufel, der im Innern des Menschen wohnt, sich lauernd verbirgt und immer auf eine Gelegenheit wartet, den Hauseigentümer boshaft zu schädigen, und flüsterte ihr zu: »Die Frage sah harmlos aus, aber was steckte dahinter? Welches war ihr geheimer Beweggrund? Was veranlaßte sie?«

Der Teufel hatte ihr einen Stich versetzt und konnte sich nun zurückziehen und der Ruhe pflegen; die Wunde würde schon das Geschäft für ihn weiter führen. Und sie tat es.

Weshalb hatte Howard Tracy diese Frage getan?

Wenn er sie nicht ihres Ranges wegen heiraten wollte, was konnte ihm dann diese Frage eingeben? Sah er nicht entschieden befriedigt aus, als sie sagte, daß ihre Abneigung gegen den Adel ihre Grenzen habe? »Ach, er hat es nur auf den Rang, den vergoldeten Schein abgesehen, mein armes Selbst will er nicht.« So urteilte sie in Angst und Tränen. Dann verfocht sie wieder die entgegengesetzte Theorie, aber nur mit schwacher Kraft, und verlor den Prozeß. So dauerte der Streit in ihrem Innern die ganze Nacht fort, bald auf die eine, bald auf die andre Seite sich neigend, und endlich beim Morgengrauen fiel Sally in die Arme des Schlafes, in das Feuer, könnte man sagen, denn diese Art Schlaf gleicht dem Feuer, und wenn man daraus erwacht, ist das Gehirn wie versengt und die körperliche Kraft ausgedorrt.


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