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Unsere internationale Lage und die Kriegsgefahr

Die Sowjetunion in der Weltarena

Ein Krieg der Imperialisten gegen die Sowjetunion ist nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich.

Diese Gefahr hinauszuschieben, möglichst viel Zeit zur Stärkung der Sowjetunion und zur Vereinigung des internationalen revolutionären Proletariats zu gewinnen, sollte eine unserer hauptsächlichsten Bemühungen sein. Nur eine siegreiche proletarische Revolution in den beherrschenden Ländern könnte letzten Endes diese Gefahr beseitigen.

Die Gefahr eines Weltkrieges ist aus folgenden Gründen im Wachsen begriffen:

  1. Durch die Anstrengungen, die das Kapital in den letzten Jahren gemacht hat, wieder zu Kräften zu kommen, und durch den dabei zum Teil erzielten Erfolg ist die Frage der Absatzmärkte zur brennenden Frage für alle führenden Länder geworden.
  2. Die imperialistische Bourgeoisie hat sich von dem unzweifelhaften Anwachsen der wirtschaftlichen Macht der Sowjetunion überzeugt, sieht aber auch ein, daß die proletarische Diktatur, gestützt auf das Monopol des Auslandshandels, niemals den Kapitalisten einen freien Markt in Rußland gewähren wird.
  3. Die imperialistische Bourgeoisie spekuliert auf innere Schwierigkeiten in der Sowjetunion.
  4. Der Zusammenbruch des englischen Generalstreiks und der darauffolgende Zusammenbruch der chinesischen Revolution haben die Imperialisten mit der Hoffnung erfüllt, sie könnten auch die Sowjetunion erdrücken.

Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen England und der Sowjetunion hatte schon lange gedroht und wurde dann durch die Niederlage der chinesischen Revolution beschleunigt. Insofern ist er eine Folge der Weigerung unseres Zentralausschusses, in China eine wirkliche bolschewistische Politik durchzuführen. Es wäre nun ein großer Irrtum sich einzubilden, die ganze Sache käme auf eine andere Form des Handelsverkehrs zwischen England und uns heraus (»Wir werden mit ihnen Handel treiben wie mit den Amerikanern«). Es ist jetzt vollkommen klar, daß das imperialistische England viel weitgehendere Pläne hat. Im Besitz eines »moralischen Mandats« der Bourgeoisie verschiedener anderer Länder bereitet es einen Krieg gegen die Sowjetunion vor und beabsichtigt, auf die eine oder andere Weise Polen, Rumänien und die baltischen Staaten, vielleicht auch Jugoslawien, Italien und Ungarn in diesen Krieg gegen uns zu verwickeln.

Polen würde wohl lieber eine längere Zeit zur Kriegsvorbereitung gegen uns haben, aber es ist nicht unmöglich, daß es durch England schneller, als es wünscht, zum Kampfe gezwungen wird.

In Frankreich wird der englische Druck zu einer Einheitsfront gegen die Sowjetunion durch einflußreiche Teile der Bourgeoisie unterstützt. Sie werden immer ungestümer in ihrem Vorgehen und schrecken natürlich im geeigneten Augenblick vor einem diplomatischen Bruch nicht zurück.

Je mehr sich Deutschlands Diplomatie neuerdings bloßstellt, desto klarer wird ihre allgemeine Orientierung nach dem Westen. Die deutsche Bourgeoisie erklärt bereits öffentlich, daß in einem Kriege gegen die Sowjetunion Deutschland wohl zunächst neutral bleiben würde (wie es Amerika 1914 tat). Sie rechnet darauf, durch den Krieg soviel wie möglich zu verdienen und nachher offen ihre Neutralität an die westlichen Imperialisten zu einem hohen Preise zu verkaufen. Nichts könnte für die Grundinteressen der Sowjetunion schlimmer sein, als den Übergang der deutschen Bourgeoisie zur westlichen Orientierung nicht zu bemerken. Ein unerwarteter Schlag von der deutschen Bourgeoisie würde vielleicht eine entscheidende Bedeutung für uns haben. Nur ein ganz offenes »Aussprechen der Dinge, wie sie sind«, nur ein wachsames Verhalten der Arbeiter in der Sowjetunion und in Deutschland kann uns gegen diesen Schlag sichern, oder es wenigstens der deutschen Bourgeoisie schwer machen, ihn auszuteilen.

Die japanische Bourgeoisie manöveriert nicht weniger geschickt als die deutsche gegen die Sowjetunion. Sie weiß klug ihre Spuren zu verstecken und stellt sich freundlich gesinnt. Sie verhinderte sogar für eine Zeit die Besetzung der chinesischen Ostbahn durch Tschang Tsolin. Aber im geheimen hält sie die Zügel in China fest und wird vielleicht bald ihre Maske uns gegenüber abwerfen.

Im nahen Osten, in der Türkei und in Persien haben wir keineswegs Verhältnisse erreicht, die uns eine bestimmte Neutralität im Falle eines imperialistischen Angriffs gegen uns garantieren. Es wäre daher das klügste, wenn wir uns darauf vorbereiten, daß die Regierungen dieser Staaten in einem solchen Falle unter einem gewissen Druck dem Vorgehen der Imperialisten folgen werden.

Amerika, das bisher seine unversöhnliche Haltung gegenüber der Sowjetunion niemals aufgegeben hat, würde bei einem Angriff auf uns die Rolle der Nachhut spielen. Die Bedeutung dieser Rolle dürfte um so größer sein, als sie gerade die Finanzierung dieses Krieges bedeuten würde.

Zusammenschließend: Wenn die Jahre 1923 bis 1925 Jahre der Anerkennung der Sowjetunion durch eine Reihe von bürgerlichen Staaten waren, so wird die jetzt beginnende Periode eine solche des Abbruchs von Beziehungen sein. Die Anerkennungen der verflossenen Periode bedeuteten nicht unbedingt, daß der Friede gesichert war, daß die Atempause von Dauer sein würde. Die Abbrüche der gegenwärtigen Periode bedeuten nicht unbedingt, daß der Krieg in naher Zukunft unvermeidlich ist. Daß wir aber in eine neue Zeit einer höchst gespannten internationalen Lage mit der Möglichkeit von Angriffen gegen die Sowjetunion eingetreten sind, unterliegt keinem Zweifel.

Die Gegensätze in der kapitalistischen Welt sind sehr groß, und es wird für die Weltbourgeoisie außerordentlich schwierig sein, auf eine lange Zeit eine einheitliche Front gegen uns zusammenzuhalten. Aber ein Zusammenschluß einzelner bürgerlicher Staaten gegen uns ist für eine bestimmte Zeitdauer durchaus möglich.

Alles dieses sollte unsere Partei zu der Erkenntnis bringen, daß die internationale Lage gefährlich ist. Es sollte sie veranlassen, das Problem der internationalen Politik wieder vor die breiten Massen unserer Bevölkerung zu bringen und eine ernstliche und allseitige Verteidigung für den Fall eines Krieges vorzubereiten.

Die bürgerlichen Parteien und natürlich auch die offizielle Sozialdemokratie werden in jeder Weise ihre Völker über den wahren Charakter des durch den Imperialismus gegen die Sowjetunion vorbereiteten Krieges zu täuschen suchen. Unsere Aufgabe ist es, gerade jetzt den breiten Volksmassen der ganzen Welt zu erklären, daß dies ein Krieg von Imperialisten und Ausbeutern gegen den ersten proletarischen Staat und seine Diktatur – daß es ein Krieg des Kapitalismus gegen den Sozialismus ist. In diesem Kriege wird die imperialistische Bourgeoisie im Grunde für die Erhaltung des Systems der kapitalistischen Lohnsklaverei kämpfen. Die Sowjetunion aber wird für die Sache des internationalen Proletariats kämpfen, für die kolonialen und unterdrückten Länder, für die internationale Revolution und den Sozialismus.

Zur Durchführung unserer Aufgabe müßten wir folgende Leitsätze aufstellen: 1. Nieder mit dem Krieg der Imperialisten gegen den Arbeiterstaat und die proletarische Diktatur. 2. Verwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg in allen, die Sowjetunion angreifenden Staaten. 3. Krieg allen bürgerlichen Staaten, die die Sowjetunion bekriegen. Jeder ehrliche Proletarier der kapitalistischen Länder müßte aktiv daran arbeiten, »seine« Regierung zu stürzen. 4. Übertritt jedes ausländischen Soldaten, der den Arbeitsausbeutern »seines« Landes nicht helfen will, zur roten Armee. Die Sowjetunion ist das Vaterland aller Arbeiter. 5. Die Losung »Verteidigung des Vaterlandes« ist eine täuschende Verkleidung der Interessen des Imperialismus in allen Bourgeoisländern, ausgenommen in den kolonialen und halbkolonialen Ländern, in denen ein nationalrevolutionärer Krieg gegen die Imperialisten stattfindet. In der Sowjetunion wird die Losung »Verteidigung des Vaterlandes« deshalb eine aufrichtige sein, weil wir ein sozialistisches Vaterland und die Gründung einer weltumspannenden Arbeiterbewegung verteidigen. 6. Wir sind »Verteidiger des Vaterlandes« seit dem 25. Oktober 1917. Unser »patriotischer« Krieg wird ein Krieg für die Sowjetrepublik sein, für das erste »Regiment in der internationalen Armee des Sozialismus«. »Unser patriotischer Krieg ist keine Stufe zu einem bürgerlichen Staat, sondern eine Stufe zu einer internationalen sozialistischen Revolution« (Lenin). Unsere Verteidigung des Vaterlandes ist die Verteidigung der proletarischen Diktatur. Unser Krieg wird von Arbeitern, Landarbeitern und armen Bauern gegen die reichen Bauern, die neue Bourgeoisie, die Bureaukraten und die zaristischen Emigranten unternommen werden. Unser Krieg wird wirklich ein gerechter Krieg sein. Wer nicht ein Verteidiger der Sowjetunion ist, ist unbedingt ein Verräter am internationalen Proletariat.


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