Friedrich von der Trenck
Des Freiherrn von der Trenck seltsame Lebensgeschichte
Friedrich von der Trenck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Kapitel

Vom Jahre 1774 bis 1777 brachte ich meine Zeit meist mit Reisen in allen englischen und französischen Provinzen zu und wurde durch meine Schriften so bekannt, daß ich mich in London und Paris hätte für Geld sehen lassen können.

Herr Franklin, der amerikanische Minister, wurde mein Busenfreund, und sowohl er als der Kriegsminister Graf Saint-Germain und der Staatsminister Vergennes, machten mir die vorteilhaftesten Vorschläge, nach Amerika zu reisen. Frau und Kinder hielten mich allein ab. Ich hätte aber sicher ihr Glück besser in einem anderen Weltteile als in Europa gemacht.

Auch der Landgraf von Hessen-Anhalt, mein besonders gnädiger Herr, der als Erbprinz zur Zeit meiner Gefangenschaft Gouverneur in Magdeburg war und mir so viel Gutes bezeugt hatte, trug mir an, ein Kommando unter seinen Truppen in Amerika anzunehmen, ich gab aber zur Antwort: »Gnädiger Herr, mein Blut wallt in meinen Adern nur für die Freiheit. Nie werde ich helfen, Sklaven zu machen; ich würde also mit Dero braven Grenadieren sicher die Partei der Amerikaner ergreifen.«

Indessen hatte ich immer meinen Weinhandel mit so gutem Erfolge fortgesetzt, daß ich bereits in London, Paris, Brüssel, im Haag und in Hamburg meine Magazine und gegen 40 000 fl. gewonnen und die vorteilhafte Aussicht für mich in England zu hoffen hatte.

Ein einziger unglücklicher Tag warf aber auf einmal alle meine Arbeit über den Haufen. Denn auch als Kaufmann suchte das Glück an mir seine Tücke auszuüben.

Ich war persönlich in London und wurde durch einen Betrüger so schändlich berückt, daß ich auf einmal 18 000 Guineen auf eine Art verlor, deren treue Erzählung wenig Ehre machen würde.

Uebrigens brachte ich meine Zeit in Aachen und Spa, die mir von den großen Reisen übrig blieb, nie müßig zu. Und da ich in meiner Wochenschrift »Der Menschenfreund« auch die Spieler- und Spitzbubengesellschaft ernsthaft angriff, die dort alle Fremden und Einwohner mit bischöflicher und magistratlicher Erlaubnis auf die schändlichste Art plündert, da ich auch die fremden großen Herren kannte, die nach Spa kommen, um mit diesen Beutelschneidern vereinigt den Raub zu teilen, so geriet ich in neue Gefahr, von einem dieser Verwegenen ermordet zu werden, denen nichts mehr übrig bleibt, sobald ihr wahrer Charakter öffentlich aufgedeckt ist.

Manchen jungen Menschen, manchen braven Mann, der in Spa seine Gesundheit suchte, warnte ich vor dem Spiel, hielt ihn zurück, lehrte ihn alle Betrüger persönlich kennen und meiden. Dieses war der Spielergesellschaft so nachteilig, daß der Bischof von Lüttich selbst, der vierzig Prozent vom ganzen Gewinn genießt, dagegen aber die Schelme protegiert, mir 5000 Louisdors jährliche Pension proponieren ließ, wenn ich von Spa wegbleiben wollte, und drei Prozent vom ganzen Gewinne, wenn ich so wie der Oberst N . . . t, ein Adjutant und Werber für die Spieltische, mitmachen wollte.

Man kann urteilen, was ich antwortete. Und eben deshalb wollte mich die heilige Kirche exkommunizieren.

Nun war ich müde in Unruhe zu leben, verließ das undankbare Aachen und reiste nach Wien, um mir in Oesterreich ein Landgut zu kaufen und dort mit gänzlicher Entfernung von allen Welthändeln die Ruhe des Weisen zu genießen, meine Talente aber allein der Landwirtschaft zu widmen, und kaufte für mein Geld die Herrschaften Zwerbach und Grabeneck nebst dem Amte Knoking und den freien Sinzenhof in der Gegend bei Mölk in Oesterreich für 51 000 fl., die samt übrigen Kosten der Lehen- und Landmannschaftstaxen auf 60 000 fl. zu stehen kamen.

Das ganze Gut war total ruiniert, und mein Fleiß, meine Industrie und mein Geld sollten den Wert heben.

Im Mai 1780 reiste ich wieder nach Aachen. Meine Schwiegermutter starb daselbst im Juli, und Ende September erschien ich in Wien nebst meiner Frau zum erstenmal mit allen meinen Kindern.

Sie machte der Oberhofmeisterin ihre Aufwartung und erhielt Audienz bei der Monarchin. Nun hatte sie das Glück, ihren ganzen Beifall und ihre Gnade zu erhalten, und niemand würde es mir glauben, wenn ich schreiben wollte, was sie ihr in ihrer Audienz gesagt und für Versicherungen ihrer Huld gegeben hat. Sie stellte sie selbst den Erzherzoginnen als ein Muster rechtschaffener Weiber vor und befahl der Oberhofmeisterin, sie überall bekannt zu machen.

Sie fügte noch hinzu: »– Sie hat gar nicht mit Ihrem Manne in meine Länder kommen wollen. Jetzt will ich Ihr aber beweisen, daß Sie hier vergnügter als in Aachen leben kann –« und so weiter. Am folgenden Tage schickte sie den Herrn von Pistrich zu mir in das Haus mit einem Dekret, wo sie ihr eine Pension von 400 fl. zusicherte, und ließ ihr dabei sagen, sie würde schon mehr tun. Meine Frau hatte für mich um eine Audienz gebeten. Gleich war sie bewilligt und gleich erhielt ich sie. In dieser sagte sie mir: »Er hat dreimal bei mir sein Glück in den Händen gehabt und allezeit von sich gestoßen.« Diese Audienz dauerte lange. Sie sprach als Mutter und verlangte meine Kinder zu sehen, mit dem Beisatze: »Von einer so rechtschaffenen Mutter müssen gewiß auch gute Kinder erzogen werden.« Nun kam die Rede auf meine Schriften. Hier sagte sie: »Was könnte Er mit seiner Feder für Gutes in meinen Ländern stiften, wenn Er für die Religion schreiben wollte.« Kurz gesagt, ich konnte mir nunmehr für eine glückliche Zukunft alle Hoffnung machen, blieb noch einige Zeit in Wien, wo meiner Frau mehr Ehre und Achtung widerfuhr, als vielleicht je einer fremden Dame widerfahren ist.

Wir reisten bald nach Zwerbach auf meine gekaufte Herrschaft und lebten ruhig. Da wir aber eben nach Wien reisen wollten, um bei Hofe um einigen Ersatz meines ehemaligen Güterverlustes zu sollizitieren und der Monarchin Gnade zu benützen, starb die große Theresia, und alle unsere Hoffnung war wieder vereitelt.

Schrecklich ist aber wirklich mein Schicksal, denn 31 Jahre hindurch sollizitierte ich vergebens um mein Recht, weil die Monarchin von bösen oder eigennützigen Menschen hintergangen und gegen mich als einen Erzketzer eingenommen war. Im 32. glückte es meiner Frau, sie vom Gegenteil zu überzeugen; sie stand im Begriffe, mir alles zu ersetzen, auch meine Kinder glücklich zu machen und stirbt, ohne das mindeste vollzogen zu haben. Glück! wie spielst du mit uns Menschen! Beinahe sollte ich an die Prädestination glauben; doch nein, ich selbst fehlte in der Art, bei Hofe Recht zu suchen. Ich wollte dieses erst dann als eine Gnade erkennen, wenn es mir wirklich widerführe. Und da ich meinen Irrtum erkannte, war es schon zu spät, um verjährte Rechte geltend zu machen. Gegenwärtig weiß ich erst aus trauriger Erfahrung, daß Monarchen lieber begnadigen als belohnen. Meine Frau hatte ihre Pension, welche die Monarchin allein in Betrachtung unserer erlittenen Drangsale und wegen unserer zahlreichen Kinder gab, nicht mehr als neun Monate genossen.

Der neue MonarchJosef II., 1780–1790. vermischte sie mit anderen, vielleicht unwürdigen, die dem Staate zur Last fielen, und nahm sie ihr weg.

Es blieb mir nun nichts übrig, als mich in meinem Iwerbach zu begraben und in der Landwirtschaft meine Notdurft zu suchen.

Nun war ich kaum bei meiner Landwirtschaft, so zeigte mir das Glück auch hier seine Tücke, denn binnen zwei Jahren habe ich zweimal totalen Hagelschlag, ein Jahr Mißwachs und sieben Überschwemmungen, Schafunfall, auch alle möglichen Widerwärtigkeiten erlitten.

Die Herrschaft war ganz in Verfall geraten, ich mußte gleich reinigen, das Schloß bewohnbar herstellen, drei Maierhöfe instand setzen, neues Vieh, auch alle Wirtschaftsgeräte anschaffen. Hierdurch wurde ich arm, besonders da durch reichshofrätliche Prozedur meiner Frau Geld in Aachen und Köln verloren ging.

Die unglücklichen Bauern konnten nicht zahlen, ich sollte vorschießen und das ausständige Kontributionale wuchs samt dem Poenale heran. Ich habe nebst meinen Söhnen eigenhändig mitgearbeitet, und meine gute Frau, die in der großen Welt zu leben gewohnt war, die sich ganz mir und ihrer Mutterpflicht aufopferte, behalf sich nebst acht Kindern ohne Magd. Kurz gesagt, wir lebten arm und wirklich kümmerlich, so daß wir mit eigenen Händen unser tägliches Brot verdienen mußten, und hätte der Monarch, der alle Winkel seines Staates durchsuchte, sein Auge auch ungefähr nach Zwerbach gewandt, er würde den Wohnsitz der Tugend, Arbeitsamkeit und Bürgerpflichten gesehen haben, und ich hätte gewiß nicht so bitter gelitten.

Endlich mußte ich auch das Bürgerrecht mit barem Geld kaufen, um Herr und Landmann zu werden. Ich ließ meinen Stammbaum aus Preußen kommen, wo die Trencks seit 400 Jahren unter die alten Familien gehören.

Und obgleich die Trencks auch schon in Ungarn seit hundert Jahren Herrschaften besitzen und mir das Indigenat mit vollem Recht gebührt, wurde dennoch mein Agent gerichtlich verhalten, das Ritterdiplom für mich anzustreben, und ich mußte dafür 2000 fl. mit scharfer Exekutionsdrohung bar bezahlen. So ist man mit mir in Wien verfahren. Das war der Lohn meiner treuen Arbeit, den ich ewig nicht vergessen werde.

Nun ist aber alles abgeschüttelt, das Uebel ist überstanden, und ich habe Ruhe, seitdem die Herren Referenten, die mich drückten, den Besen in der Hand tragen.Hofrat Kriegl und Regierungsrat Cetto von Cronstorff, die beide Trencks Kuratoren waren, wurden wegen schwerer Verfehlungen im Amt zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe und Gassenkehren verurteilt.



 << zurück weiter >>