Friedrich von der Trenck
Des Freiherrn von der Trenck seltsame Lebensgeschichte
Friedrich von der Trenck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehntes Kapitel

Um eben diese Zeit flüchtete auch der Hof selbst aus Berlin, und Ihre Majestät die Königin, der Prinz von Preußen, die Prinzessin Amalie, der Markgraf Heinrich wählten Magdeburg zu ihrer Residenz. Nun ward auch Bruckhausen höflicher als zuvor; vermutlich weil er bei Hofe gehört hatte, daß ich noch nicht ganz hilflos und verlassen sei und noch dereinst meine Freiheit abwarten könne.

Reichmann, der redliche neue Kommandant, konnte zwar an meinen Fesseln und an meiner wirklich schrecklichen Lage nichts ändern noch erleichtern. Er gab aber Befehl oder sah vielmehr durch die Finger, daß die Inspektionsoffiziere mir anfänglich nur zuweilen, endlich aber täglich die innern zwei Türen öffneten, um mir frische Luft, auch Tageslicht auf einige Stunden zu vergönnen. Mit der Zeit ließen sie dieselben gar den ganzen Tag offen und schlossen sie nur, wenn sie des Abends in die Stadt gingen.

Bei dieser Gelegenheit fing ich an, auf meinen zinnernen Trinkbecher mit einem ausgezogenen kleinen Brettnagel zu zeichnen, endlich Satiren zu schreiben, zuletzt gar Bilder zu gravieren, und ich brachte es in dieser Kunst so weit, daß meine gravierten Becher als Meisterstücke der Zeichnung und Erfindung teuer als Seltenheiten verkauft wurden, und der beste gelernte Graveur meine Arbeit schwerlich übertreffen wird.

Der erste Versuch war, wie leicht zu erachten, unbedeutend. Man trug aber meinen Becher in die Stadt; der Kommandant ließ ihn weiter sehen und mir einen neuen geben. Dieser neue geriet besser als der erste. Dann wollte jeder Major, der mich bewachte, einen haben; ich wurde täglich geschickter, und ein Jahr verfloß mir bei dieser Beschäftigung wie ein Monat. Zuletzt erhielt ich wegen dieser Becherarbeit die Erlaubnis Licht zu brennen, was auch bis zu meiner endlichen Befreiung unausgesetzt fortdauerte.

Laut Gouvernementsbefehl sollte zwar ein jeder Becher dieser Art demselben überbracht werden, weil ich auf denselben alles schrieb oder in Bildern hieroglyphisch darstellte, was ich von meinem Schicksale der Welt bekanntmachen wollte. Es wurde aber dieser Befehl nicht vollzogen, und die Offiziere, die mich bewachten, trieben einen Handel damit; verkauften sie auch zuletzt bis zu zwölf Dukaten, und nach meiner erlangten Freiheit ist ihr Wert so hoch gestiegen, daß man sie in verschiedenen Ländern Europas in den Kabinetten der Seltenheiten noch gegenwärtig findet.

Einer dieser Becher geriet zu Magdeburg in die Hände des Fürsten August Lobkowitz, der damals gefangen war. Er brachte ihn nach Wien, und Seine Majestät der hochselige Kaiser hat ihn unter seinen Kabinettstücken verwahrt. Zufällig fand sich unter anderm ein Bild auf diesem Becher, das einen Weinberg mit arbeitenden Menschen vorstellte. Unter demselben war folgende Inschrift:

Mein Weinberg war gebaut; ich sah ihn keimen, blühen.
Die Hoffnung reifer Frucht beseelte mein Bemühen.
Doch ach! ich pflanzte nur. Ein Ahab trinkt den Wein.
Und mein Verhängnis will, ich soll ein Nabot sein.

Dieses auf die biblische Geschichte von Nabot, Ahab und Jesebel und zugleich auf mein Schicksal in Wien anspielende Sinnbild hat auf die scharfsichtige, großdenkende Maria Theresia so lebhaften Eindruck gemacht, daß sie ihrem Minister sogleich Befehl gab, auf alle mögliche Art für meine Rettung zu sorgen. Vielleicht hätte sie mir auch meine mir entrissenen Güter wiedergegeben, wenn die Besitzer derselben weniger Gewalt und Kredit besessen, oder wenn sie selbst nur noch ein Jahr länger gelebt hätte! Indessen habe ich doch meiner Becherarbeit zu danken, daß man auch endlich in Wien an mich zu denken anfing und mich nicht schutzlos verließ.

Wunderbar ist aber doch die Geschichte mit diesen Bechern, denn bei Lebensstrafe war verboten, mit mir zu sprechen oder mir Tinte und Feder zu gestatten, und dennoch usurpierte oder erschlich ich allgemach die offene Erlaubnis, alles in Zinn zu schreiben, was ich der Welt von mir sagen wollte, und erschien hierdurch vor den Augen derer, die mich vorher nie kannten, in der Gestalt eines unterdrückten brauchbaren Mannes. Meine Becher erwarben mir Achtung und Freude, und dieser Erfindung habe ich größtenteils meine endlich erlangte Freiheit zu danken.

Nun muß ich aber auch noch etwas sagen, um ihren Wert zu erheben. Ich arbeitete bei Licht auf glänzendem Zinn und erfand die Kunst, den Bildern durch die Art der Striche Licht und Schatten zu geben. Durch Uebung wurden zuletzt die Abteilungen von 32 Bildern so regulär, als ob sie mit dem Zirkel abgemessen wären. Die Schrift war so fein, daß sie nur mit Vergrößerungsgläsern gelesen werden konnte. Weil beide Hände an eine Stange angeschmiedet waren und ich nur eine brauchen konnte, lernte ich den Becher mit den Knien halten. Mein einziges Instrument war ein geschliffener Brettnagel, und dennoch findet man sogar auf dem Rande doppelte Zeilen Schrift.

Uebrigens hätte diese Arbeit mich zuletzt zum Narren oder blind gemacht. Jedermann forderte Becher und ich saß, um gefällig zu sein, gewiß täglich achtzehn Stunden beim Gravieren. Das Licht blendete auf dem glänzenden Zinn, und die Erfindung aller Zeichnungen und Stellungen griff zugleich mehr, als man glaubte, die Denk- und Einbildungskraft an, weil ich kein Original vor mir und in meinem Leben nichts von der Zeichenkunst gelernt hatte, als das, was zur Militär- und Zivilarchitektur erforderlich ist.

Nun war es aber auch wieder Zeit, an meine Freiheit zu denken und eine neue Unternehmung zu wagen. Mein Geld, das ich hin und wieder versteckt hatte, war ausgeteilt, und unter dem Fußboden, den ich erst aufbrechen mußte, lagen nur noch 40 Louisdor versteckt.

Der alte Leutnant Sonntag war lungensüchtig und nahm als Invalide seinen Abschied. Diesem gab ich Reisegeld und schickte ihn nach Wien mit der besten Empfehlung, ihm so lange jährlich aus meiner Kasse 400 fl. zu geben, bis ich meine Freiheit erhielte oder er leben würde. Sein Auftrag war, bei der Monarchin eine Audienz zu suchen und Mitleid, auch Beistand für mich anhaltend zu sollizitieren. Dabei gab ich ihm eine Anweisung, 4000 fl. für mich von meinem Gelde zu empfangen, und mir dieselben über Hamburg an den Kapitän von Knoblauch zu überweisen, der mir sie heimlich zugesteckt hätte. Ich empfahl ihn dem Hofrat von Kempf, der während meines Gefängnisses nebst dem Hofrat von Hüttner die Verwaltung meines Vermögens führte.

Doch ach! Niemand wünschte in Wien meine Zurückkunft. Man hatte bereits angefangen, mein Gut zu teilen, worüber man nie Rechnung ablegen wollte. Der gute Leutnant Sonntag ward also als Kundschafter oder Spion arretiert und etliche Wochen hindurch im Gefängnisse mißhandelt. Endlich gab man ihm, da er nackt und bloß war, hundert elende Gulden und ließ ihn über die Grenze bringen.

Der redliche Mann, ein schmähliches Opfer seiner Treue und Redlichkeit, hat also die Monarchin nicht sprechen können, ist elend und kümmerlich zu Fuß nach Berlin gegangen, wo er sich noch ein Jahr lang heimlich bei seinem Bruder aufgehalten hat und gestorben ist.

Er schrieb sein Schicksal dem ehrlichen Knoblauch, und ich habe ihm noch durch diesen aus meinem Kerker 100 Dukaten geschickt.

Es ereignete sich aber ein Vorfall, daß ein Freund, den ich jedoch nicht nennen werde, mich durch Hilfe eines andern wachhabenden Leutnants heimlich besuchte. Durch diesen erhielt ich 600 Dukaten, und dies ist auch eben der Freund, der durch diesen Kanal noch im Jahre 1763 4000 fl. dem kaiserlichen Gesandten in Berlin Baron Ried zur Beförderung meiner Freiheit bar bezahlt hat. – Nun hatte ich wieder Geld.

Um eben diese Zeit rückte die französische Armee bis auf fünf Meilen auf Magdeburg heran. Diese wichtigste Festung, die damalige Seele der ganzen preußischen Macht, welche wenigstens 16 000 zur Besatzung fordert, hatte nicht 1500 zur Verteidigung. Die Herren Franzosen hätten demnach ohne alle Gegenwehr einmarschieren und dem ganzen Kriege ein Ende machen können. Meine Hoffnung wuchs auch bei ihrer Annäherung, weil mir die Offiziere alle Neuigkeiten hinterbrachten. – Aber wie groß war meine Bestürzung, da mir ein Major erzählte, es wären in der Nacht drei Wagen in die Stadt gekommen; diese hätte man mit Geld beladen zurückgeschickt und sogleich zogen sich die Feinde von Magdeburg zurück.

Da auch diese Hoffnung für mich fehlschlug und ich auch von meiner Freundin, der Kanzlerin in Rußland, nichts mehr zu hoffen hatte, weil sie nebst ihrem Manne und dem Feldmarschall Apraxin wegen Verräterei und Einverständnis mit dem Berliner Hofe nach Sibirien verschickt und unglücklich geworden war, so verfiel ich auf ein neues fürchterliches Projekt, um mich zu retten.

Die ganze Magdeburger Garnison bestand damals aus kaum 900 Köpfen Landmiliz, die alle mißvergnügt waren. Ich hatte zwei Majore und zwei Leutnants auf meiner Seite, und die Wache in der Sternschanze, wo ich saß, bestand nur aus fünfzehn Mann, die auch meistens bereit waren, meinem Winke zu folgen.

Vor dem Tore der Sternschanze war das Stadttor nur mit zwölf Mann und einem Unteroffizier besetzt, und gleich an demselben lag die Kasematte, in der 7000 Kroaten als Kriegsgefangene eingesperrt waren. Mit uns im Einverständnisse war noch ein Kriegsgefangener Hauptmann Baron K . . h, der unter seinen Kameraden ein Komplott gemacht, um zur bestimmten Stunde in einem sicheren Hause unweit des Tores versammelt zu sein und meine Unternehmung zu unterstützen.

Ein anderer Freund wollte Gewehre und Patronen seiner Kompanie unter einem falschen Vorwand in seinem Quartier bereithalten, und überhaupt waren alle Vorbereitungen so getroffen, daß ich auf 400 Gewehre sicher rechnen konnte.

Dann wäre mein wachhabender Offizier zu mir hereingekommen, hätte die beiden uns etwa verdächtigen Leute zu mir auf Wache getan und ihnen befohlen, mein Bett hinauszutragen. Indessen wäre ich hinausgesprungen und hätte diese Schildwachen eingesperrt. Kleider und Waffen wären für mich bereit gewesen und vorher in mein Gefängnis getragen worden.

Dann hätten wir uns des Stadttors bemächtigt, ich aber lief in die Kasematte und rief den Kroaten als Trenck zu, das Gewehr zu ergreifen. Meine anderen Freunde brachen indessen auch los, und kurz gesagt, der ganze Anschlag war so ausgearbeitet, daß er unmöglich fehlschlagen konnte. Magdeburg, das Magazin der Armee, die königliche Schatzkammer, das Zeughaus, alles geriet in meine Gewalt, und 16 000 Mann Kriegsgefangene, die damals in der Stadt lagen, waren hinlänglich, den Besitz zu behaupten.

Ich muß hier noch erinnern, daß die Garnison in den Sommermonaten deswegen so schwach war, weil die Bauern damals wegen Mangel an Arbeitern den Hauptleuten täglich einen Gulden für jeden Beurlaubten bezahlten und die Beurlaubten selbst noch gut befriedigten. Der Kommandant sah aber den Kapitänen durch die Finger.

Nun nahm ein gewisser Leutnant G . . . Urlaub, als ob er seine Eltern in Braunschweig besuchen wollte. Ich gab ihm Reisegeld, und er eilte nach Wien.

Dort hatte ich ihn an die Hofräte Kempf und Hünner adressiert, ihm nur einen Brief mitgegeben, worin ich 2000 Dukaten von meinem eigenen Gelde forderte und versicherte, daß ich hierdurch bald in Freiheit sei, auch mich der Festung Magdeburg bemeistern würde. Alles übrige sollte dem Ueberbringer mündlich geglaubt werden.

G . . . kam glücklich in Wien an, man stellte an ihn tausend Fragen, besonders verschiedene nach seinem Namen. Er gibt sich zum Glück einen andern, der wirklich verraten wurde. Endlich erteilt man ihm den Rat, sich nicht in so gefährliche Unternehmungen zu mischen und sagt ihm, es sei nicht so viel Geld in meiner Kasse und fertigte ihn mit 1000 fl. ab, anstatt ihm die von mir verlangten 2000 Dukaten zu geben. Damit kehrte er zurück, erhielt aber Wind und war so vernünftig, daß er Magdeburg nicht wiedersah.

Denn kaum war er vier Wochen abwesend, so trat der damalige Gouverneur Erbprinz von Hessen-Kassel in mein Gefängnis, zeigte mir meinen Brief und Plan, den ich nach Wien geschickt hatte, vor die Augen und fragte, wer diesen Brief bestellt habe und wer die Leute wären, die mich befreien und Magdeburg verraten wollten.

Genug, ich war abermals in Wien verraten und verkauft. Die eigentliche Ursache war wohl, daß die Herren Administratoren meines Vermögens so gewirtschaftet hatten, als ob ich wirklich tot sei. Sie wollten also lieber die 2000 Dukaten schlucken, als mir durch deren Auszahlung Gelegenheit verschaffen, meine Freiheit zu behaupten, und zwar auf eine Art, daß der Hof mich belohnen, mir mein entrissenes Gut wiedergeben und die Vormünder zwingen müßte, mir Rechenschaft von ihrem Haushalten abzulegen.

Nun kann man sich meine Bestürzung vorstellen, da der Gouverneur mir meinen Brief vorzeigte. Ich behielt aber alle Geistesgegenwart und leugnete geradeweg meine Handschrlft, schien auch über einen so arglistigen Streich ganz erstaunt.

Der Landgraf suchte mich zu überzeugen und erzählte mir sogar den Inhalt des mündlichen Auftrags, den der Leutnant Kemnitz in Wien vorgetragen haben sollte, um Magdeburg in Feindeshand zu spielen. Hieraus erkannte ich klar den Verrat. Weil aber kein Leutnant Kemnitz in der Garnison existierte und sich mein Freund zum Glück nicht ganz in Wien aufgedeckt und diesen falschen Namen angegeben hatte, so blieb alles ein nicht zu entwickelndes Rätsel, um so mehr, da das Ganze unwahrscheinlich schien und niemand glauben wollte, daß ein Arrestant meiner Art und in meiner Lage die ganze Garnison gewinnen oder überwältigen könnte.

Der gute und beste Fürst verließ meinen Kerker und schien mit meiner Ausflucht zufrieden zu sein, besonders da sein Herz keine Freude am Unglück der Menschen empfand.

Indessen erschien am folgenden Tage eine ganze Kommission in meinem Gefängnisse. Es wurde ein Tisch hereingetragen, wobei der Kommandant Herr von Reichmann selbst präsidierte. Man klagte mich als Landesverräter an. Ich beharrte darauf, meine Handschrift zu leugnen – – Beweise und Zeugen zur Konfrontation waren nicht da, und auf die Hauptfrage einer beschuldigten Verräterei antwortete ich: »Ich bin kein Uebeltäter, sondern ein redlicher Patriot, der durch Verleumdung ohne Verhör noch Kriegsrecht noch legale Prozedur in diese Festung geraten ist. Der König hat mich bereits im Jahre 1746 kassiert und mein väterliches Erbteil konfisziert. Ich hatte demnach dem Naturgesetze gemäß Brot und Ehre außer meinem Vaterlands suchen müssen, auch beides in Oesterreich gefunden, wo ich noch wirklicher Rittmeister bin und meiner Monarchin Treue geschworen habe.«

Mein Hauptargument war dieses: »War ich in Glatz mit Recht verurteilt, so bin ich ein Bösewicht, der verdiente Fesseln brechen will – – bin ich aber unschuldig verdammt und ist mir kein Fehltritt, viel weniger ein Verbrechen erwiesen, so sind alle Folgen gerechtfertigt, durch die ich mich eigenmächtig aus Gewalt zu retten suche. Uebrigens bin ich dem König von Preußen keine Treue, keine Pflicht schuldig, da er mich ungehört verdammt und mir Ehre, Brot, Vaterland und Familie durch einen Machtspruch entrissen hat.«

Hiermit war das Verhör geschlossen, nichts wurde erwiesen noch aufgedeckt, und alles blieb beim alten.

Weil man aber doch die Offiziere in Verdacht hatte, so wurden alle drei, die mich bisher bewachten, versetzt, wodurch ich meine beiden besten Freunde verlor. Es währte aber nicht lange, so hatte ich schon wieder zwei andere durch Geld gewonnen, was mir leicht fiel, weil ich den Nationalcharakter kenne, und zur Landmiliz nur arme oder unzufriedene Offiziere gewählt werden konnten.

Alle Vorsicht des Gouverneurs war demnach vergebens. Und im Grunde des Herzens wünschte mir schon damals jedermann, daß ich Mittel finden möchte, um meine Freiheit zu behaupten.

Ewig werde ich auch die Großmut und Nachsicht nicht vergessen, die der edelfühlende Landgraf mir in diesem kitzlichen Falle erwies. Ich habe etliche Jahre später ihm in Kassel persönlich gedankt und bei dieser Gelegenheit sehr viel von ihm selbst erfahren, was meinen Argwohn auf die Wiener Verräter bestätigte. Auch fand ich bei ihm sehr viel Gnade, Vertrauen und Achtung und wurde mit besonderer Auszeichnung empfangen. Ich werde seine jetzt im Grabe ruhenden Gebeine mit echter Dankbarkeit verehren, auch sein Andenken mit meiner Geschichte zu verewigen suchen, weil ich im Unglück an ihm einen Menschenfreund fand, denn da ich kurz nach dieser Begebenheit abermals schwer krank wurde, schickte er mir seinen Arzt und das Essen von seinem Tische; er ließ mich zwei Monate hindurch nicht von meinen Wachen wecken und mir auch das Halseisen abnehmen, wofür er wirklich einen harten Verweis vom König ertragen mußte, wie er mir in der Folge mündlich versicherte, als ich ihn in Freiheit sah.

Sobald ich wieder einen wachhabenden Offizier auf meiner Seite hatte, machte ich den Plan, zu eben dem Loche wieder auszubrechen, wo der erste Anschlag mißlang.

Da es mir nicht an Instrumenten fehlte, so waren Fesseln und Fußboden bald wieder durchschnitten, auch alles so gut vorgesehen, daß ich mich vor keiner Visitation zu fürchten brauchte.

Hier fand ich nun gleich mein verstecktes Geld, Pistolen und alle Bedürfnisse. Es war aber unmöglich, vorwärts zu arbeiten, ehe ich nicht einige Zentner Sand herausgeschafft hatte.

Dies geschah auf folgende Art: Ich machte zwei verschiedene Oeffnungen in den Fußboden: die eine war der falsche, die andere der wirkliche Angriff. Dann warf ich einen großen Haufen Sand in mein Gefängnis, machte aber das Loch mit aller Vorsicht wieder zu. Hierauf arbeitete ich bei der andern so laut, so unvorsichtig, daß man mich draußen unfehlbar in der Erde wühlen hören mußte.

Um Mitternacht wurden plötzlich alle Türen geöffnet, und man fand mich bei der Arbeit, bei der ich selbst überfallen zu werden wünschte. – Niemand begriff, warum ich unter der Türe ausbrechen wollte, wo dreifache Schildwachen standen. Die Wache blieb bei mir im Kerker: am Morgen aber kamen etliche Arrestanten, die den Schutt mit Karren hinausführen mußten. Das Loch wurde wieder zugemauert und mit neuen Brettern geschlossen. Meine Fesseln wurden mir wieder von Neuem angeschmiedet. Man lachte über eine unmögliche Unternehmung, nahm mir zur Strafe mein Licht und auch mein Bett weg, die mir indes nach vierzehn Tagen wiedergegeben wurden.

Das rechte Loch aber, wo ich die meiste Erde hinausgeworfen hatte, wurde niemand gewahr und da Major und Leutnant meine Freunde waren, so wollte auch niemand bemerken, daß man dreimal mehr Sand ausführte, als die gefundene Oeffnung fassen konnte. Nunmehr glaubte man aber nach einem ebenso lächerlichen als unmöglich scheinenden Unternehmen, daß es das letzte sein werde, und sogar Bruckhausen wurde im Visitieren ganz nachlässig.

Nach etlichen Wochen kam der Gouverneur nebst dem Kommandanten zu mir; anstatt aber wie Bork zu drohen und zu schmähen, sprach der Landgraf ganz gütig mit mir, versicherte mich seiner Fürbitte und Protektion bei erfolgendem Frieden, sagte mir auch, daß ich mehr Freunde habe, als ich selbst glauben könne, auch daß der Wiener Hof mich nicht verlassen habe.

Mein Vortrag, meine Erklärung erschütterte seine Seele und rührte ihn bis zu Tränen, die er vergebens verbergen wollte. In diesem Augenblicke bemeisterte sich die Freude aber meiner Sinne: ich warf mich ihm zu Füßen, redete wie Cicero und fand einen Fürsten, der edel dachte.

Er versprach mir alle mögliche Erleichterung; ich hingegen gab ihm mein Ehrenwort, daß ich nichts mehr zur Flucht unternehmen wolle, so lange er Gouverneur in Magdeburg bliebe. Die Art meines Vortrages war für ihn überzeugend, und sogleich befahl er, mir das ungeheure Halseisen abzunehmen, ließ mir das zugenagelte Fenster wieder öffnen, befahl die inwendigen Türen täglich zwei Stunden offen zu lassen, ließ mir einen kleinen eisernen Ofen in den Kerker setzen, den ich selbst von inwendig heizen konnte, gab mir auch bessere Hemden, die mir die Haut nicht wund rieben und befahl ferner, mir ein Buch weißes Papier hereinzugeben. Auf dieses durfte ich meine Gedanken und Gedichte zum Zeitvertreib niederschreiben. Dann sollte der Platzmajor die Blätter zählen, damit ich keine mißbrauchen könne; und mir wieder andere weiße, gleichfalls gezählte, zurückgeben.

Tinte aber wurde mir nicht gestattet, ich stach mir also in die Finger und ließ Blut in einen Scherben laufen; wenn es geronnen war, ließ ich's wieder in der Hand erwärmen, das fließende ablaufen und warf die fibrösen Teile weg. Auf diese Art hatte ich nicht nur gute flüssige Tinte zum Schreiben, sondern auch zugleich Farbe zum Malen.

Nun war ich also Tag und Nacht mit Bechergraveren oder Satirenschreiben beschäftigt und hatte nunmehr offene Gelegenheit, alles vorzutragen, was ich wollte, meine Talente zu entdecken, auch Mitleid und Achtung zu erwecken, besonders da ich wußte, daß meine Gedichte, Sinnbilder und Gedanken zuweilen öffentlich bei Hofe vorgelesen wurden, und Ihre königliche Hoheit die Prinzessin Amalie und die großmütige Königin selbst Gefallen daran bezeugten.

Bald erhielt ich Aufträge, gewählte Gegenstände zu bearbeiten. Und eben der Mann, den der Monarch lebendig begraben wissen wollte, dessen Namen sogar niemand nennen sollte, hat wirklich nie mehr gelebt, noch von sich sprechen gemacht, als da er in diesem Grabe seufzte. – Kurz gesagt, man fing an, mich näher kennen zu lernen. Meine Schriften rührten und haben mir auch wirklich die Freiheit zuwege gebracht.

Ich erhielt meine Freiheit, obgleich der aufgebrachte Monarch bei verschiedenen Fürbitten allezeit geantwortet hatte: »C'est un homme dangereux; durant que j'existe, il ne verra pas le jour«, oder: »Es ist ein gefährlicher Mensch; so lange ich lebe, soll er das Tageslicht nicht wiedersehen.«

Nun ereignete sich der Vorfall in Rußland, daß Elisabeth starb; Peter änderte das Verbindungssystem, Katharina stieg auf den Thron und erzwang den Frieden.

Sobald ich hiervon Nachricht hatte, wollte ich mich auf alle Fälle in Sicherheit stellen. In Wien war durch den redlichen Hauptmann K***n meine Korrespondenz offen, man versprach mir Hilfe, gab mir aber zugleich zu verstehen, daß meine Güterbesitzer und Rechnungsführer das Gegenteil bearbeiteten. – Ich wagte nun noch einmal, einen Offizier zu überreden, mit mir zu entfliehen. – Umsonst! Ich fand keinen Schell mehr. Der Wille war gut, aber der Mut zur Ausführung fehlte.

Ich öffnete also mein altes Loch, wo ich bereits etwas Raum gemacht hatte, und meine Freunde halfen mir auf alle mögliche Art, etwas Sand hinauszuschaffen. Mein Geld war ziemlich geschmolzen, man versah mich mit allen erforderlichen Instrumenten, mit frischem Pulver, auch mit einem guten Degen. Alles wurde unter dem Boden versteckt, den niemand mehr visitierte, weil ich so lange ruhig gewesen war.

Mein Anschlag war dieser: Ich wollte den Frieden abwarten, falls ich aber durch denselben nicht gerettet würde, dann sollte mein unterirdischer Gang bis zur Galerie im Walle fertig sein, da ich dann nur in derselben die Oeffnung machen und entfliehen durfte.

Zur vollkommenen Sicherheit war folgendes verabredet: Ein alter Leutnant von der Landmiliz hatte in der Vorstadt ein kleines Häuschen von meinem Gelde gekauft, wo ich mich allenfalls verbergen konnte. In Gummern in Sachsen, eine Stunde von Magdeburg, standen zwei gute Pferde, die ein Freund bereithielt und die ein ganzes Jahr auf mich daselbst warten mußten. Wir hatten verabredet, daß sogleich nach wirklich erfolgtem Frieden in jedem Monate, am ersten und fünfzehnten, mein Freund an dem Glacis vom Kloster Bergen auf und ab reiten und auf ein gewisses Signal mir zu Hilfe eilen sollte.

Nun kam es darauf an, durchzubrechen, um auf alle Fälle bereit zu sein.

Ich durchschnitt also einige obere Bretter auf eben die Art wie die ersteren, nahm allgemach die ganze doppelte untere Lage, die sechs Zoll dick war, weg, zerschnitt sie mit einem Meißel in Stücke, verbrannte diese im Ofen und füllte den hierdurch gewonnenen leeren Raum mit dem Sande aus meinem unterirdischen Kanal; so gewann ich fast den halben Weg.

Dann steckten mir meine Freunde einen Vorrat von Leinwand zu, wovon ich Sandsäcke machte, die ich geschwind ein- und ausschieben konnte; auf diese Art kam ich glücklich bis an die Galerie zum Ausbruche. Dann wurde alles geschlossen, festgemacht und so gut verwahrt, daß ich bei der genauesten Visitation nichts zu befürchten hatte, weil ich vom untern Holze überall so viel stehen ließ, daß das obere befestigt blieb. Die oben durchschnittenen Bretter waren alle doppelt festgenagelt und verursachten keinen Verdacht, besonders da die neu ankommende Garnison nicht einmal wissen konnte, ob sie ganz oder stückweise gelegt waren.

Während dieser schweren Arbeit, die mich wieder ganz entkräftet hatte, ward wirklich Friede und beim Einrücken der alten Feldregimenter verlor ich alle meine Freunde und Nothelfer auf einmal.

Nun muß ich aber, ehe ich weiter schreite, eine schreckliche Begebenheit erzählen, an die ich nicht ohne Schauder denken kann, und wovon ich ebenso oft fürchterliche Träume hatte, als ich sie irgendwo erzählen mußte.

Da ich unter den Fundamenten des Walles arbeitete und eben im Begriffe war, einen Sandsack herauszuziehen, stemmte ich mich mit einem Fuße gegen einen großen Stein hinter mir, so daß er herunterfiel und mir die Rückkehr versperrte.

Wie groß war mein Schrecken, da ich lebendig in der Erde begraben lag! Nach kurzem Hin- und Herdenken fing ich an, seitwärts den Sand wegzuarbeiten, um mich umwenden zu können; zum Glück hatte ich vor mir noch etlich Fuß Raum; diese füllte ich mit dem Sande, den ich unter und neben mir wegwühlte. Es wurde aber die Luft so dünn, daß ich mir tausendmal den Tod wünschte und alle Versuche machte, mir die Kehle zuzuhalten.

Endlich war weitere Arbeit unmöglich, der Durst beraubte mich meiner Sinne; so oft ich in den Sand biß, fand ich wieder etwas Luft; die Beängstigung vermag aber keine Feder auszudrücken, und meiner Rechnung nach habe ich gewiß acht Stunden in diesem fürchterlichen Zustande zugebracht. Ich wurde ohnmächtig, erholte mich wieder, arbeitete weiter; nun stand aber die Erde schon vor mir bis an die Nase gefüllt, und ich hatte keinen Raum mehr übrig, um Platz zur Wendung zu machen. – Dennoch gelang es, ich krümmte mich zusammen, und mein Loch war weit genug, um darin umzukehren.

Nun kam ich an den herabgestürzten Stein, der den ganzen Kanal ausfüllte. Hier fand ich etwas mehr Luft. Ich wühlte unter diesem Steine ein tiefes Loch aus und zog ihn in dieses herein, so daß ich darüber hinwegkriechen konnte und glücklich wieder in mein Gefängnis kam.

Es war schon heller Tag, da dies geschah, und meine Kräfte hatten mich so verlassen, daß ich mich niederlegte und außerstande glaubte, allen Schutt wieder hineinzubringen und mein Loch zuzumachen.

Kaum hatte ich aber eine halbe Stunde gerastet, so war meine Standhaftigkeit schon wieder da. Ich griff zum Werke, vollzog es glücklich, und kaum war ich fertig, so rasselten meine Schlösser zur Visitationsstunde.

Man fand mich bleich wie einen Toten; ich klagte über Kopfschmerzen, und etliche Tage lag ich an Husten und Mattigkeit so krank, daß ich glaubte, meine Lunge müsse angegriffen sein. Die Gesundheit kam aber mit den Kräften wieder, und diese Nacht war unter allen meinen erlebten schrecklichen Stunden die allerabscheulichste. –

So oft ich nach dieser Begebenheit wieder zu meiner Arbeit in die Erde kriechen mußte, hängte ich mir allezeit ein Messer um den Hals, um bei einem solchen abermaligen Vorfall meine Qual zu verkürzen. Wirklich aber waren an diesem Orte, wo der Stein heruntergestürzt war, viele andere wackelnd, unter denen ich allezeit hindurchkriechen mußte; und dennoch geschah es noch viele hundertmal, und nichts hielt mich zurück, um meinen Zweck zur Freiheit zu erreichen.

Da ich, wie bereits gemeldet worden, mit meinem unterirdischen Kanal bis zum Ausbruche fertig war, und der Frieden wirklich erfolgte, schrieb ich alle möglichen Briefe nach Wien an meine Freunde, besonders ein bewegliches Memorial an meine Souveränin, nahm von meinen bisherigen Wächtern, die mir nichts als Liebe und Gutes erzeigt hatten und noch vor der letzten Ablösung mir alles zusteckten, was ich bedurfte, um mir selbst zu helfen, den zärtlichsten und rührendsten Abschied; denn wirklich rückten die gewöhnlichen Feldregimenter der Magdeburger Garnison ein.

Ehe dies aber geschah, verflossen etliche Wochen, und ich erfuhr, daß General Ried vom Wiener Hofe nach Berlin als Gesandter ernannt war.

Nun kannte ich die Welt aus Erfahrung, und wußte, daß dieser Herr allezeit Geld brauchte. Deshalb schrieb ich ihm einen rührenden Brief, bat ihn, mich nicht zu verlassen und mehr für mich zu tun, als vielleicht sein Auftrag von Wien fordere. Zugleich schloß ich eine Anweisung auf 6000 fl. bei, die ihm in Wien von meinem Gelde bezahlt werden sollten, und 4000 fl. hat er sogleich von einem meiner Verwandten hierzu empfangen, den ich hier nicht nennen darf.

Diesen 10 000 fl. habe ich eigentlich meine erst neun Monate nachher erfolgte Freiheit zu danken, denn die in meinen Händen befindliche Wiener Rechnung erweist, daß die 6000 fl. schon im April 1763 von meinen Administratoren auf Hofbefehl für Order des General Ried an die Staatskanzlei des Fürsten Kaunitz bar bezahlt wurden. Die anderen 4000 fl. habe ich nach meiner erlangten Freiheit meinem Freunde, der sie vorgeschossen hatte, dankbar zurückgezahlt.

Ich hatte nun, noch ehe die Garnison abzog, bereits Nachricht, daß im Hubertusburger Frieden nichts für mich geschehen war. Unser damaliger Bevollmächtigter hatte erst nach bereits ratifizierten Artikeln ganz kaltblütig meinetwegen mit dem preußischen Minister, dem gegenwärtigen Grafen von Herzberg, gesprochen, aber nichts ernsthaft betrieben noch sollizitiert. Von Berlin gab man mir aber die Versicherung, für mich ernsthaft bei dem Könige zu arbeiten; und auf dieses Versprechen konnte ich mehr bauen, als auf die Wiener Protektion, die mich zehn Jahre hindurch so hilflos, so verächtlich im Unglücke verlassen hatte. Deshalb beschloß ich noch drei Monate zu warten, ob etwas erfolgen würde, dann aber erst eigenmächtig aus meinem Gefängnisse zu entfliehen.

Die Ablösung der Garnison geschah, und nun war alles neu für mich. Die Offiziere von der Wache waren alle Edelleute und schwerer zu gewinnen, als die Landmiliz, und die Majore vollzogen ihre Befehle buchstäblich. Ich brauchte zwar keinen mehr zu meinen Entwürfen; mein Herz sehnte sich aber nach Freunden, an die es nun schon gewöhnt war. Auch hatte ich wieder nichts als mein Kommißbrot zur Nahrung, weil mir niemand mehr das mindeste zusteckte.

Die Zeit fing an lang zu werden. Man hatte zwar bei der Uebergabe alles genau visitiert und nichts gefunden; es war aber doch möglich, daß eine klügere Untersuchung alles entdecken und meine Anschläge vernichten könnte. Ein ungefährer Zufall, den ich hier als etwas Besonderes erzählen muß, hätte dies leicht verursachen können.

Ich hatte seit zwei Jahren eine Maus so zahm gemacht, daß sie den ganzen Tag auf mir herumspielte und mir aus dem Munde fraß.

Diese wirklich kluge Maus hätte mich nun beinahe unglücklich gemacht. Sie hatte bei der Nacht an meiner Tür genagt und Kapriolen in meinem Zimmer auf einem hölzernen Teller gemacht. Die Schildwachen hörten es und riefen den Offizier; dieser hört auch und meldet weiter: es gehe in meinem Gefängnisse nicht richtig zu. – Auf einmal wurden mit Anbruch des Tages meine Türen geöffnet, und Platzmajor, Schlosser und Maurer traten herein. Man fing an, alles auf das genaueste zu durchsuchen – Boden, Mauern, Ketten, auch mein Leib ward visitiert; man fand aber nichts. – Endlich fragte man mich, was ich die verwichene Nacht gearbeitet und gepoltert hätte. Ich hatte die Maus selbst gehört und klagte das arme Tier an. Gleich wurde befohlen, sie abzuschaffen. Ich pfiff, und sie kam auf meine Schulter gesprungen; nun bat ich für ihr Leben: der wachhabende Offizier nahm sie mit sich in sein Zimmer, mit dem heiligsten Versprechen, er wollte sie einer Dame schenken, wo es ihr ganz gut gehen sollte.

Als er sie dort hatte, ließ er sie im Wachzimmer laufen. Sie war aber für keinen andern Menschen zahm, als für mich, und hatte sich gleich versteckt.

In der Nacht hatte sie, wie die Schildwachen am folgenden Morgen meldeten, an meiner äußern Türe beständig genagt, auch waren die Merkmale sichtbar.

Zu Mittag, da man zum Visitieren hereinkam und damit beschäftigt war, lief mir auf einmal meine Maus die Beine herauf, auf die Schulter und machte allerhand Sprünge, um ihre Freude zu bezeugen.

Jedermann war erstaunt und wollte diese Maus haben; der Major nahm sie seiner Gemahlin mit. Die hatte ihr einen schönen Käfig machen lassen, worin sie aber nicht gefressen hat und nach einigen Tagen tot gefunden wurde.

Ich war wirklich wegen des Verlustes dieses geselligen Tieres einige Tage ganz unruhig. Da ich aber fand, daß sie an einem Orte, am Fußboden, wo ich den Querschnitt mit Brot und Staub verstrichen, dieses Brot so abgenagt hatte, daß meine Wächter bei der letzten scharfen Visitation wirklich mit Blindheit geschlagen waren, oder nicht sehen wollten, daß das Brett durchschnitten war, so erkannte ich das notwendige Opfer meiner treuen Gesellschafterin, und meine Wächter waren beruhigt und überzeugt, daß ich nichts für meine eigenmächtige Befreiung unternommen hatte noch wagen dürfe.

Dieser Vorfall mit der Maus aber beschleunigte meinen Entschluß. Ich wollte nicht drei Monate warten.

Da ich nun bereits meine Anstalten erzählt habe, wonach ich in jedem Monat den ersten und fünfzehnten Tag festgesetzt hatte, wo die Pferde außerhalb der Festung auf mich warteten, so verstrich der 1. August allein deshalb, weil ich den redlichen Major von Pfuhl, der mir mehr Menschenliebe als die andern erzeigte, und an eben diesem Tage die Inspektion in der Sternschanze hatte, nicht unglücklich machen wollte.

Es wurde aber der 15. August hierzu festgesetzt, denn länger wollte ich nicht warten.

Auf einmal ereignete sich ein Vorfall, der einer der merkwürdigsten in meiner Lebensgeschichte ist.

Der Major du jour, der sonst allezeit selbst mein Gefängnis aufzuschließen gewohnt war, mußte eiligst in die Stadt, wo Feuerlärm geschlagen wurde, und gab dem Leutnant die Schlüssel, um bei mir zu visitieren.

Dieser kam herein, sah mich mit Mitleid an und fragte: »Aber lieber Trenck, haben Sie denn in sieben Jahren unter den Landmilizoffizieren keinen Erretter, wie den Schell in Glatz finden können?« – Meine Antwort war: »Mein Freund! Freunde solcher Art sind selten zu finden. An Willen hat es keinem gefehlt; jeder wußte, daß er durch mich glücklich werden konnte; aber keiner hatte Herz genug im Leibe, eine entschlossene Unternehmung auszuführen. Geld habe ich ihnen genug gegeben, aber wenig Hilfe von ihnen erhalten.«

»Wo nehmen Sie denn das Geld her?« – »Von Wien, mein Freund, durch geheime Korrespondenz, die sie mir beförderten, und noch gegenwärtig bin ich damit für einen Freund versehen. Kann ich Ihnen damit Dienste leisten? Mit Freuden. Und ich fordere nichts von Ihnen.« – Gleich zog ich 50 Dukaten aus einem Loche heraus, das in der Schwelle des Türgerüstes hierzu gebohrt war und gab sie ihm. Er weigerte, nahm sie aber endlich mit Schüchternheit an; versprach, sogleich wiederzukommen; ging hinaus, hängte die Schlösser nur verblendet vor, und hielt Wort. Nun erklärte er sich offenherzig, daß er ohnedies Schulden halber desertieren müßte und längst den Vorsatz gefaßt hätte; könne er mir also mit forthelfen, so wäre er zu allem bereit. Ich sollte ihm nur den Plan zur Möglichkeit machen. Wir blieben fast zwei Stunden allein zusammen, das Projekt war bald gemacht, approbiert, möglich, auch zur glücklichen Ausführung sicher gefunden, besonders da ich ihm sagte, daß meine Pferde in Gummern bereitständen.

Gleich war Brüderschaft und ewige Freundschaft geschlossen. Ich gab ihm noch 50 Dukaten, und niemals mochte er so viel Geld in seiner Gewalt gehabt haben, denn alle seine Schulden, weshalb er desertieren wollte, betrugen nicht 200 Reichstaler. Da er aber von Hause gar nichts hatte, so war es unmöglich, sie von seiner Gage zu bezahlen. Unsere Abrede war mit wenig Worten diese: Er solle sich vier Schlüssel anschaffen, die denen von meiner Tür nur im äußeren Anblicke ähnlich waren. Diese sollte er am Tage, da wir unser Vorhaben ausführen wollten, verwechseln, während sie, indessen der Major bei dem gefangenen General Walrawe zu Mittag speiste, in der Wachstube verwahrt waren.

Alsdann sollte er, sobald der Major in der Stadt wäre, seine Grenadiere teils auf einige Stunden beurlauben, teils in allerhand Aufträgen in die Stadt schicken – – den Posten am Schlagbaum einziehen, dann aber zu mir hereinkommen und meinen beiden Schildwachen befehlen, mein Bett herauszutragen.

Indem sie hiermit beschäftigt waren, wollte ich hinausspringen und diese Leute in meinen Kerker einsperren; dann setzten wir uns ungehindert auf die zur bestimmten Stunde bereitgehaltenen Pferde und galoppierten nach Gummern.

Binnen acht Tagen bei seiner zweiten Wache sollte alles bewerkstelligt werden.

Nun war kein Mensch glücklicher als ich in meinem Kerker.



 << zurück weiter >>