Friedrich von der Trenck
Des Freiherrn von der Trenck seltsame Lebensgeschichte
Friedrich von der Trenck

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Sechszehntes Kapitel

Wer hätte mir aber wohl jemals prophezeien können, daß ich bei der Abreise von Magdeburg noch Tränen vergießen würde, was doch wirklich geschehen ist!

Es ist auch ein wunderbares Rätsel, wenn ich sagen kann, daß ich zehn Jahre lang in Magdeburg lebte, ohne jemals diese Stadt gesehen zu haben. Und dennoch ist es wahr.

Meine Gefängnishaft hatte neun ganze Jahre, fünf Monate und etliche Tage gedauert. Wenn ich nun hierzu den Arrest in Glatz von siebzehn Monaten rechne, so habe ich in allem elf Jahre, die beste Zeit, den Kern meiner Jahre, im unverdienten Kerker elend zugebracht, die mir kein Monarch auf Erden wiedergeben noch vergüten kann. Dabei ist mein Leib geschwächt worden, so daß ich in gegenwärtigem Alter die Folgen meiner überstandenen Martern erst zu empfinden anfange, wenn das Bett mein Kerker wird.

Jeder Leser wird nun glauben, daß mit dieser Epoche auch meine Drangsale ein Ende haben. Ich versichere aber auf Ehre, daß ich noch lieber auf zehn Jahre nach Magdeburg in mein Gefängnis zurückkehren, als alles das noch einmal ertragen wollte, was mir nach meiner erlangten Freiheit in Oesterreich widerfahren ist, wo die Kriegl und Cetto meine Referenten und Kuratoren waren.

Am 2. Januar kam ich mit dem Grafen Schlieben glücklich in Prag an. Dieser übergab mich noch an demselben Tage dem damaligen Gouverneur, dem Herzog von Zweibrücken.

Er empfing mich liebreich und gnädig, wir speisten zwei Tage nacheinander bei ihm, und ganz Prag war neugierig, mich als einen Mann zu kennen, der stark genug war, um so viel Ungemach zehn Jahre hindurch zu überstehen. Ich empfing dort 3000 fl. von meinem Gelde, schickte dem General Ried die 300 Dukaten zurück, die er dem Grafen Schlieben zu meiner Equipierung und eilfertigen Reise gegeben hatte und die er in seinem Briefe von mir verlangte, obgleich er bereits 10 000 fl. von mir in bar empfangen hatte, zahlte dem Schlieben die Rückreise nebst einem Geschenk und schaffte mir einiges Notdürftige an. Nachdem ich etliche Tage in Prag gerastet hatte, brachte eine Estafette von Wien, die ich übrigens mit 40 fl. aus meinem Beutel bezahlen mußte, den Befehl an das Gouvernement, daß ich sogleich unter guter Bedeckung von Prag nach Wien als Arrestant gebracht werden sollte. Mein Degen wurde mir wieder abgefordert, der Hauptmann Graf Wela nebst zwei kommandierten Unteroffizieren setzten sich mit mir in einen Wagen, den ich kaufen mußte, und führten mich gefangen nach Wien. Ich nahm noch 1000 fl. in Prag auf, um diese Kosten zu bestreiten, und mußte sogar in Wien dem Hauptmann 50 Dukaten für seine Rückreise bezahlen.

Niemand kann sich vorstellen, was mein Herz bei dieser Begegnungsart empfand. Ich sollte im Triumph als ein seinem Lohne entgegeneilender redlicher Patriot, der das Schlachtopfer seiner Treue war, nach Wien reisen und wurde wie ein Missetäter behandelt!

In Wien brachte man mich in die Kaserne als Arrestant. Dort wurde ich in das Zimmer des Leutnants von Blonket geführt, der Befehl hatte, mich an niemand schreiben, auch mit niemand sprechen zu lassen, als mit dem, der von den Hofräten Kempf oder Hüttner ein Erlaubnisbillett vorweisen könnte. Welches leicht zu lösende Rätsel! Beide waren während meiner Gefangenschaft die Administratoren meines Vermögens gewesen.

In diesem Zustande lebte ich sechs Wochen. Endlich sprach der damalige Kommandant des Poniatowsky-Regiments, der spätere Feldmarschalleutnant Graf d'Alton mit mir. Ich überzeugte ihn von meinem begründeten Argwohn, warum ich eigentlich in Wien Arrestant war. Diesem rechtschaffenen Manne allein habe ich es zu danken, daß der gottlose Plan meiner Feinde, mich auf ewig als einen verrückten Menschen in der Festung Graz einzusperren, fehlschlug. Hätten sie mich nur einmal von Wien weggebracht, so war ich sicher verloren und mußte im Narrenhause verschmachten.

Der Kaiserin hatte man glauben gemacht, ich sei halb rasend und tobe und wüte beständig mit den entsetzlichsten Drohungen gegen den König von Preußen. Da nun eben die römische Königswahl vor sich gehen sollte, so wäre sicher zu befürchten, daß ich in meiner Tollkühnheit und Rachsucht etwa dem preußischen Gesandten einen Affront mache, der Folgen nach sich ziehen könnte. Uebrigens habe ja auch der General Ried in Berlin dem König versprechen müssen, daß ich mich in Wien gar nicht sehen lassen und daß man mich in guter Obhut und Verwahrung halten solle. Die großdenkende Maria Theresia fühlte Mitleid und fragte, ob mir nicht zu helfen sei? Die Antwort war, man habe mich bereits verschiedene Male zur Ader gelassen, ich bliebe aber allezeit ein höchst gefährlicher Mensch, Ueberdies sei ich ein Verschwender, weil ich binnen sechs Tagen in Prag 4000 fl. aufgenommen und durchgebracht hätte. Man müsse mir demnach Kuratoren anordnen und mich vor Ausschweifungen sicher verwahren.

Nun sprach der damalige Oberst d'Alton von mir und meinem Schicksale bei Hofe mit der Oberhofmeisterin Gräfin Paar, die eine ehrwürdige und edeldenkende Frau war.

Indessen tritt Kaiser Franz zur Gräfin ins Zimmer. Man spricht von mir. Der Monarch fragt, ob ich denn ganz verwirrt sei und gar keine hellen Augenblicke habe? d'Alton sagt: »Ew. Majestät, er ist jetzt sieben Wochen in meiner Kaserne und allezeit der vernünftigste, gelassenste Mann gewesen, den ich in meinem Leben gekannt habe. Es müssen große Intrigen hinter dem Geheimnisse verborgen liegen, da man ihn als Narren behandelt und auch bei Hofe so schildert. Ich bin Bürge dafür, daß er es nicht ist.«

Am folgenden Tage schickte der Kaiser den Grafen von Thurn, Oberhofmeister des Erzherzogs Leopold, zu mir, um mit mir zu sprechen. Hier fand ich nun gleich meinen Mann, einen rechtschaffenen, aufgeklärten Weltweisen und redlichen Deutschen. Diesem erzählte ich, wie ich während meiner Gefangenschaft zweimal in Wien verraten und verkauft worden sei. Ich bewies ihm deutlich, daß meine Administratoren mir auch noch den gegenwärtigen tödlichen Streich versetzen und mich als Narren einsperren wollten, damit sie mich lebenslang unter ihrer Kuratel halten könnten. Sein Herz, sein ganzes Vertrauen war für mich gewonnen, und bis zum Grabe ist er mein Freund geblieben. Er ging fort, versprach mir allen Schutz, kam am folgenden Tage wieder und führte mich zur Audienz zu Seiner Majestät dem Kaiser.

Hier sprach ich nun frei von der Leber weg. Die Audienz dauerte über eine Stunde, endlich wurde der Monarch so gerührt, daß er vom Stuhle aufstand und eiligst in das Nebenzimmer gehen wollte. Hier wurde ich gewahr, daß ihm die Tränen aus den Augen stürzten. Sofort geriet ich in einen wahren Enthusiasmus der Freude, umfing seine Füße, und wünschte einen Rubens oder Appelles, der diese Szene zum ewigen Nachruhme des fühlenden Monarchen und eines bis in das Innerste seiner Seele gerührten ehrlichen Mannes vor dem Throne eines gefühlvollen Fürsten in wahrer Gestalt schildern könnte. Meine Feder ist zu schwach, um Ausdrücke zu finden, die mein dankbares Herz gerne mit allem Feuer hervorbringen möchte, um den Kaiser Franz in seiner damaligen Gestalt der Nachwelt verehrungswürdig zu machen. Ich wurde stumm, mein Auge, meine Tränen sprachen. Der Kaiser riß sich von mir los, und ich schlich mit erschüttertem Gefühl und mit einer Art von Wollust zur Türe hinaus, die nur der Menschenkenner und wahrhaft ehrliche Mann zu empfinden vermag.

Ich fuhr im Taumel der Freude in meine Kaserne. Am folgenden Tage erschien aber schon der Befehl, daß ich meines Arrestes entlassen sei. Ich ging nebst dem Grafen d'Alton zur Gräfin Paar, die mich zu sehen verlangte und durch ihre Vermittlung erhielt ich die erste Audienz im Kabinett bei meiner Monarchin.

Unbeschreiblich ist die liebreiche Art, mit der mich diese empfing. Wie wurde ich bedauert, wie gnädig meine Standhaftigkeit und Treue gepriesen!

Wahr, wirklich wahrhaft ist man auf solche Art mit mir verfahren. Wahr bleibt es ewig, daß die beste Monarchin an mir groß und edel zu handeln verhindert wurde. Wahr ist es auch, daß man mich allein deshalb keiner Achtung würdig glaubte und willkürlich mißhandeln ließ, weil ich keine Messe hören wollte und meine Güterbesitzer unter dem Schutze der Jesuiten standen.

Ich sage hier nicht, was ich damals in meinem empörten Herzen beschloß. Meine Eigenliebe versicherte mir aber, daß ich in allen Ländern Europas mit meinem arbeitsamen Kopfe, mit meinen erlernten Wissenschaften, durch Tugend und treue Erzählung meines Schicksals Brot und Ehre erwerben könnte. Ich hatte damals keine Kinder, folglich war mir aller Verlust und das Ueberbleibsel meines Vermögens gleichgültig.

Mit Recht mißvergnügt, entschloß ich mich demnach, schon damals Oesterreich auf ewig zu fliehen.

Schon war ich im Begriff, mein Glück jenseits der Grenzen zu suchen, als ich in eine schwere Krankheit fiel, die mich beinahe ins Grab gerissen hätte. Die Kaiserin erfuhr meinen Zustand, und schickte mir ihre Hofärzte und sogar einen barmherzigen Bruder als Krankenwärter, die ich aber am Ende alle aus meinem eigenen Beutel bezahlen mußte.

Als ich wieder genesen war, erhielt ich, ohne es zu begehren, vom Hofkriegsrat das Dekret als Oberstwachtmeister.

Merkwürdig ist in meinem Majorspatente folgender Ausdruck: »Se. Majestät hätten in betreff meiner, ungeachtet der langwierigen Gefangenschaft, bezeugten rühmlichsten Treue und unverfälschten Diensteifers, dann in Erwägung meiner besonderen Talente und guten Eigenschaften, mir den Charakter eines kaiserlichen Majors zu erteilen gnädigst geruht.«

Sollte man bei solchen Ausdrücken nicht für mich den Generalscharakter oder die Rückgabe meiner slawonischen Güter erwarten?

Und was folgte – – –? Der Titel eines Invalidenmajors, nachdem ich bereits vor fünfzehn Jahren als Rittmeister gedient hatte.

Meine Schuld war es gewiß nicht, daß ich in Danzig von dem kaiserlichen Residenten Abramson, in Berlin von dem kaiserlichen Gesandtschaftssekretär Weingarten und in Wien zweimal von solchen Menschen verraten, verkauft und unglücklich gemacht wurde, denen daran gelegen war, mich arm und dem Staate untätig zu machen. Dieses Patent war also keine Gnade für einen Trenck, besonders da ich nunmehr seit dreiundzwanzig Jahren noch kein anderes erhalten habe und noch immer der Herr Major geheißen werde.

Ueberhaupt war das damals auch keine Belohnung für mich, zu einer Zeit, wo viele junge Offiziere das Majorspatent um etliche tausend Gulden kaufen konnten. Hätte man vielmehr meine Rechnungsführer gezwungen, mir nur 30 000 fl. von dem mir entrissenen Gelde zurückzugeben, so hätte ich davon den Oberstentitel kaufen können und unsere großen Generäle wären jetzt meine Kameraden. Ich aber hätte von meiner Generalsgage rechtschaffene Kinder für den Staat erzogen, wäre nicht so barbarisch schikaniert worden und würde noch heute nicht unter die Invaliden der Monarchie gerechnet werden, die doch vieler Invaliden meiner Gattung bedarf. Der Eigennutz meiner Feinde forderte aber, daß ich untätig bleiben sollte, und dies war genug, mich zu entfernen.

Ich wurde gesund und suchte Audienz – fand sie aber nicht mehr.

Ich präsentierte mich dann bei dem Fürsten Kaunitz. Dieser Herr, der mich nie gekannt hatte, betrachtete mich von seiner Höhe als ein kriechendes Insekt unter dem Schwarm anderer Insekten. Ich hob meinen Kopf empor, sah nicht rückwärts und ging mit Stolz zur Tür hinaus. Unter dem Tore hielt jemand die Hand auf und gratulierte mir zur Audienz.

Ich ging zum Feldmarschall Daun; dieser redete mich mit den merkwürdigen Worten an: »Mein lieber Trenck, wenn Sie nicht kaufen können, so wird es unmöglich sein, Sie jetzt in der Wirklichkeit bei der Armee anzustellen. Sie sind auch zu alt, um unser schweres Exerzitium noch zu lernen.«

Wohl gemerkt: ich war damals 37 Jahre alt! Meine Antwort war kurz diese: »Ew. Exzellenz irren sich in meiner Person, ich bin nicht hergekommen, um angestellt zu werden, denn als Major bin ich nicht willens zu dienen; zum Kaufen aber haben mir meine Kuratoren das Geld genommen, und wenn ich auch Millionen hätte, so wollte ich ewig keine Titel kaufen.« Auch hier ging ich mit Achselzucken zur Tür hinaus.

Nun wandte ich mich an die Monarchin. Sie ließ mir zwar während meiner schweren Krankheit meine Rittmeistergage für die zehn Jahre meiner Gefangenschaft als eine besondere Gnade auszahlen, welche gegen 8000 fl. betrug, und bestätigte mir auch diese Gage als eine ewige Pension. Ich werde aber in der Folge beweisen, daß ich nunmehr seit dreiundzwanzig Jahren nicht einen Groschen von dieser Pension genossen habe: Kuratels, Schikanen, erzwungene Reisen nach Wien und Gerichtskosten, Agenten und Advokaten haben mir alles entrissen. Und von den 8000 fl. verlor ich gleich gegen 3000, die mir während meiner Krankheit gestohlen wurden. Die Krankheit selbst fraß viel weg, weil die mir geschickten Hofärzte dreifach bezahlt werden mußten, und das übrige erforderte meine Equipierung und durchaus neue Einrichtung. Dabei hatte ich noch über 8000 fl. zu bezahlen, die mir Freunde im Magdeburger Unglücke vorgeschossen hatten, wovon General Ried in Berlin 4000 fl. empfing.

Meiner Schwester Kinder, die meinetwegen unglücklich geworden, habe ich nicht verlassen und ihnen bis jetzt nicht einmal das zurückzahlen können, was mir ihre Mutter im Unglück bar zugesteckt hatte.

Und dennoch hießen mich Schurken in Berlin »einen Verschwender, einen Mann, der mit nichts zufrieden ist!«

Uebrigens betrug auch die zehnjährige Gage bei weitem nicht so viel, als ich allein dem kaiserlichen Minister für die Beförderung meiner Freiheit bar bezahlt hatte. Und dennoch hieß es bisher überall, Ihre Majestät die Kaiserin hätte mich aus Magdeburg gerettet. Nein, positiv nein, denn der Friede war schon seit neun Monaten, ohne an mich im Ernste zu denken, geschlossen, und bei der lauen Erinnerung an meine Person hatte der König bereits zweimal meine Freiheit abgeschlagen.

Die wahre Geschichte ist eigentlich diese, wie sie mir Seine königliche Hoheit der Prinz Heinrich, der Herzog Ferdinand von Braunschweig und hauptsächlich der Staatsminister Graf von Herzberg mündlich erzählten und versicherten, nämlich: General Ried hatte bereits seit sechs Monaten 10 000 fl. von mir in der Tasche und dachte vielleicht nicht mehr an mich. An meinem Galatage aber, am 21. Dezember, war der König in vorzüglich fröhlicher Gemütsverfassung. Ihre Majestät die Königin, die Prinzessin Amalie und der jetzt regierende Monarch redeten den kaiserlichen Minister an, jetzt sei es Zeit, für den Trenck zu sprechen. Sogleich suchte er Gelegenheit, fand sie, und der König sagte ja. Dieses Ja verursachte wirklich in der ganzen Gesellschaft eine so allgemeine Freude, daß sie dem König selbst mißfiel. Das übrige, das am meisten hierzu beigetragen hat, mag der bescheidene Leser aus meiner Geschichte erraten oder sich wichtige Verbindungen vorstellen.

Ich habe zwar viel gesagt, die Bescheidenheit heißt mich aber das Wesentliche verschweigen. Denn daß man in Wien mich niemals im Ernste zurückhaben wollte, beweist die Prozedur mit mir nach meiner Rückkunft nun gar zu sichtbar. Meine eigenen Kunstgriffe, meine Berliner Freunde und mein bares Geld allein haben mich aus Magdeburg befreit, und vielleicht hat der König selbst die großen Personen gereizt, um den General Ried an seine Pflicht zu erinnern und ihm Gelegenheit zu geben, auch endlich an mir edel und gerecht zu handeln.

Nach einiger Zeit erhielt ich eine Audienz. Die Monarchin betrachtete mich mit gnädigen Blicken und redete mich mit folgenden Worten an: »Trenck, ich will Ihm zeigen, daß ich Wort halte. Ich habe für Sein Glück gesorgt, ich will Ihm eine reiche, sehr vernünftige Frau geben.«

»Gnädigste Souveränin,« war meine Antwort, »ich kann mich nicht entschließen zu heiraten, und wenn es ja geschehen sollte, so habe ich bereits gewählt!« »Wie? Hat Er schon eine Frau?« – »Nein, Ew. Majestät, noch nicht.« – »Ist Er versprochen?« – »Ja, Ew. Majestät!« – »Das hat nichts zu bedeuten, ich will alles ausmachen und habe Ihm die reiche Witwe des Herrn N. N. bestimmt, die mit meiner Wahl zufrieden ist. Ein gescheites Weib, und sie hat 50 000 fl. Einkünfte. Er braucht eben eine solche Frau, um ruhig zu leben.« Ich erschrak, der liebenswürdige Gegenstand war eine alte dreiundsechzigjährige Betschwester, ein Weib, das ich genau kannte, das vom höchsten Grade des Geizes besessen und dabei dumm und zänkisch war. Ich erschrak und antwortete: »Ich muß Ew. Majestät die Wahrheit sagen: diese möchte ich nicht, und wenn sie alle Schätze auf Erden besäße. Ich will nicht unglücklich, sondern glücklich sein.« Hiermit hatte die Audienz ein Ende. Die erzürnte Monarchin, die es wirklich nur gut meinte, sagte mir mit einer gewissen Verachtung: »Sein Eigensinn verursacht all Sein Unglück, folg er Seinem Kopf, ich wünsch Ihm Glück.« Hiermit war ich abgefertigt und sah mein Urteil für ewig gefällt.

Wenn ich jemals durch ein altes Weib mein Glück hätte machen wollen, so konnte es schon im Jahre 1750 in Holland mit drei Millionen geschehen. Es war also dieses Anerbieten ein trauriger Ersatz für meine slawonischen Güter und die erlittenen anderweitigen Verluste und Drangsale. Noch weit unmöglicher war ein solcher Entschluß, da ich in Aachen wirklich verliebt war und da mich Vernunft, eigenes Wohl, Geschmack, Schönheit und ein edler Charakter dahin zogen, um im Ehestande glücklich zu sein.

Feldmarschall Laudon hat viel dazu beigetragen. Er kannte mein Herz und meine feurigen Entschließungen. Er wußte, daß ich eine heimliche Rache im Busen trug und leicht in neue Verwicklungen geraten könnte. Er riet mir – und Professor Gellert, mein Freund, den ich in Leipzig besuchte und befragte, riet es mir auch, daß ich meinen, zu großen Unternehmungen fähigen Leidenschaften durch einen vernünftigen Ehestand ein Gebiß anlegen, mir allein Ruhe suchen und mich von allen Geschäften der großen Welt entfernen sollte.

Ich folgte diesem Rate, der mit meinen Wünschen übereinstimmte, und verehelichte mich in Aachen mit der jüngsten Tochter des ehemaligen regierenden Bürgermeisters de Broe zu Dievenbendt. Er war bereits tot und hatte ehedem von eigenen Mitteln in Brüssel gelebt, wo auch meine Frau geboren und erzogen worden ist.

Er stammte aus einem alten adligen Geschlechte in der Grafschaft Artois in Flandern, und seine bei Aachen begüterten Vorfahren hatten, ich weiß nicht aus welchen Ursachen, das reichsritterliche Diplom von Wien erhalten. Die Mutter meiner Frau war eine Schwester des Vizekanzlers in Düsseldorf, Baron Robertz, Herrn zu Roland.

Meine Frau ist mit mir im größten Teile Europas bekannt und hat überall den rühmlichsten Beifall erworben. Sie war dabei jung und schön, tugendsam und redlich. Sie hat mir elf Kinder geboren, wovon noch acht leben, auch alle selbst gestillt und rühmlich erzogen.

Bei meinem letzten kurzen Aufenthalte in Wien wagte ich einen neuen Schritt: ich suchte eine Audienz bei Kaiser Josef, sprach von meinem Schicksale, besonders von den gründlichen Kenntnissen, die ich mir von den Mängeln seiner Staaten erworben hatte; fand Aufmerksamkeit und einen Monarchen, der sich unterrichten wollte, um sein Volk glücklich zu machen, und erhielt Befehl, ihm meine Gedanken schriftlich aufzusetzen. Dies geschah in neunzehn ganzen Bogen trocken deutsch, worin ich jedem Gegenstande in Zivil, Militär und ökonomischen Fache seinen ungeschmückten Rahmen gab.

Alles wurde gnädig aufgenommen, blieb aber bisher für mich ohne Wirkung, ich aber eilte damals nach Aachen.

Im ersten Jahre begegnete mir daselbst nichts Besonderes. Ich lebte ruhig, und da mein Haus ein Sammelplatz aller großen und umgangswürdigen Fremden war, die um die Bäder zu brauchen dahin reisen, so fing ich an, bekannter in der großen Welt zu werden und machte mir überall Freunde der edelsten und erhabensten Gattung, besuchte auch den Professor Gellert in Leipzig, zeigte ihm meine Manuskripte und fragte ihn um Rat, in welchem Fache ich mit Beifall in der gelehrten Welt aufzutreten wagen dürfe. Er wählte besonders meine Fabeln und Erzählungen, tadelte aber die übertriebene, höchst gefährliche Freimütigkeit in meinen Staatsvorschriften.

Ich bin ihm nicht gefolgt und habe deshalb viele Verdrießlichkeiten erdulden müssen.

Nun gebar mir im Dezember 1766 meine Frau den ersten Sohn. Hier nahm ich Gelegenheit und schrieb folgenden Brief nach Wien an den jungen Monarchen, der im Auszuge also lautete:

»Ich habe hier in Aachen mit Ew. Majestät Vorwissen eine Frau genommen, und heute hat sie mir einen Sohn geboren, dem ich in der Taufe den Namen Josef gegeben habe. Der hiesige kaiserliche Kämmerer und Oberst Baron Ripperda vertrat Ew. Majestät Stelle. Es ist geschehen, ohne Dero gnädigste Bewilligung hierzu erbeten zu haben. Meine Eigenliebe schmeichelt mir aber, daß ich dieselbe von einem Monarchen erwarten darf, der mein Herz und Schicksal kennt, und von dem ich durch mein Betragen eine günstigere Zukunft, Lohn, Schutz und Achtung zu erwarten habe.

Gnädigster Herr! den ich als künftigen Schutzgott meines Schicksalserben verehre! Erfreuen mich Ew. Majestät mit der huldreichen Aufnahme dieses neuen Weltbürgers und lassen mir zugleich bemerken, ob ich meine patriotischen Schriften und Staatspflichten noch ferner Dero scharfsichtigen Beurteilung vorlegen darf? Meine Wiener Feinde werden mir zwar täglich gefährlicher, ich stütze mich aber auf Dero Gerechtigkeit und bin in allen möglichen Vorfällen des Glückes

Ew. kaiserlicher Majestät            
alleruntertänigster treuer Patriot Trenck.«

Auf diesen Brief erhielt ich nun folgende Antwort, die ich aus erheblichen Ursachen hier bekannt mache, weil sie eigenhändig geschrieben war und in meinen Händen ist.

»Lieber Oberwachtmeister Baron Trenck!

Ich nehme in Gnaden auf, daß Sie, obwohl ohne mich vorher darum zu fragen, Ihrem Sohne den Namen Josef beigelegt, auch den Obersten Ripperda gewählt haben, um bei der Taufe meine Stelle zu vertreten. Zu meinem Merkmal meiner Ihnen künftig zuwenden wollenden besten Gesinnung mache ich Ihnen hiermit zu wissen, daß ich Ihre Gage künftig nicht in Wien, sondern in Brüssel zu beziehen aus erheblichen Ursachen angewiesen habe.

Ihre patriotischen und mir wohlgefälligen Schriften können Sie fortsetzen und mir einschicken, weil ich die Wahrheit allezeit gerne lese, lieber wird es mir aber sein, wenn ich sie in natürlicher Gestalt, als in satirischer Einkleidung lesen kann. Ich bin Ihr

Josef.«

Bald hernach erhielt ich Befehl, mit Seiner Majestät Kabinettssekretär Baron Röder in Korrespondenz zu bleiben. Was nun seitdem geschehen ist und geschrieben wurde, bleibt für diese Blätter ein Geheimnis. Genug hier gesagt, daß mein bester Wille, dem Staate wirksam und ohne allen Eigennutz zu dienen, bei allen Vorfällen abermals vereitelt wurde, weil aufgeklärte redliche Köpfe meiner Gattung zu hell sehen, zu trocken vortragen, zu stolz auf eigenem innerm Wert bestehen, folglich den Gnadenweg verfehlen.



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