Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehntes Kapitel.

Abschied.

Am andern Morgen zeigte das Fort bereits wieder den regelmäßigen Gang des Dienstes und nur zerstörte Fensterscheiben und die Spuren des Brandes am Hause des Sergeanten erinnerten an die furchtbare Katastrophe, welche so plötzlich über dasselbe hereingebrochen war.

Bald nach dem Appell schritten die beiden Kapitäne langsam vor ihrer Wohnung auf und nieder.

»Ich glaube nicht, Percy,« fuhr Blackwater im Laufe eines angelegentlich geführten Gespräches fort, »daß die Roten etwas gegen uns unternehmen werden, sie scheinen doch gewaltigen Respekt vor dem ›großen Vater‹ in Washington zu haben, indessen ist das Volk unberechenbar und ich kann Sie mit Ihrer Mannschaft nicht entlassen, bis frische Truppen eingetroffen sind. Haben wir überhaupt einen Angriff zu gewärtigen, so wird Fort Jackson selbstverständlich zuerst belagert werden.«

»Ich bin vollständig von der Notwendigkeit meines Hierbleibens überzeugt, Blackwater, und bis andre Dispositionen getroffen worden sind, wollen wir uns hier so behaglich einrichten als möglich.«

»Wie man diese ganze traurige Begebenheit in Washington ansehen wird, und welche Anordnungen der weise Kriegsrat und das noch weisere Indianerdepartement treffen werden, mögen die Götter wissen. Es ist gar nicht unmöglich, daß man es sogar bemängelt, daß ich den unschuldigen Kitate hier festgehalten habe, ob ich gleich meiner Ueberzeugung nach nicht anders handeln konnte.«

»Ganz Ihrer Meinung, Blackwater, denn es ist undenkbar, daß er von Peschewas Plänen nicht unterrichtet gewesen sei.«

»Der gute Davis hätte etwas andres tun sollen, als einen Indianerhäuptling prügeln zu lassen, De mortuis nil nisi bene. Geschehene Dinge sind nicht zu ändern. – Wenn ich wüßte, daß der Kitate wirklich friedlich gesonnen wäre, das heißt, daß er sich vor unsrer Macht fürchtet, denn sein Haß gegen uns ist so grimmig, wie nur der eines Wilden sein kann, so würde ich ruhiger in die Zukunft blicken, denn an einem mörderischen Indianerkriege, der hier oben, wo verschiedene Völkerschaften in ziemlicher Nähe voneinander eingepfercht sind, ungeahnte Dimensionen annehmen kann, ist wenig gelegen, er würde Ströme von Blut und Tränen kosten. Gestern war ich in erregter Kampfesstimmung und hätte am liebsten das rote Gesindel samt und sonders unter meinen Kartätschen gehabt, ich denke heute ruhiger, Percy. Kann auf anständige Weise ein Zusammenstoß mit den Roten vermieden werden, entspricht das ganz meinen Anschauungen. Freilich wird es ohne die strengste Untersuchung nicht abgehen können, und gerät dabei Herrn Kitates Hals in Gefahr, so ist es seine Sache, ihn aus der Schlinge zu ziehen. Ich behalte ihn hier, bis Gegenbefehl aus Washington eintrifft.«

»Aber wenn Ihr darauf rechnet, daß die Ottawas Ruhe halten,« entgegnete Percy, »wäre es nicht angebracht, die Begleiter des Kitate zu entlassen, die doch jedenfalls zu den Häuptern des Volkes zählen und wohl mehr Einfluß haben, als die jungen Männer, welche hier vor dem Walle standen.«

»Habe schon daran gedacht, Percy, habe daran gedacht, bin nicht immer zum Dreinhauen geneigt, habe auch staatsmännische Anwandlungen. Will mit dem Kitate mich unterreden, wollen dann hören, was der Mann meint, ob mir gleich auf jede indianische Teufelei gefaßt sein müssen.«

»Es wäre gewiß wünschenswert, daß der Weg durch die Wälder gesichert würde, mir sind sonst abgeschnitten von jeder Verbindung mit der Außenwelt.«

»Natürlich, natürlich. Hätten mir den Pottawatomie nicht gehabt, wäre ich außer stand gewesen, selbst nur den Brief nach Fort Jefferson abzusenden. Ist eine gefährliche Sache, sich in die Wälder zu wagen, wenn sie mit diesen roten Teufeln angefüllt sind.«

»Und nun, Miß Schuyler?«

»Kann gar nicht daran denken, das Kind zu entlassen, ehe die Wälder vollständig sicher sind.«

»Mir ist an der Sicherheit der Verbindung besonders mit Traverse City genügend gelegen, einstweilen aber hängt diese von dem Einfluß ab, den Kitate auf sein Volk hat, immer vorausgesetzt, daß er Streit zu vermeiden wünsche. Nun, ich will meine Geschicklichkeit an dem indianischen Diplomaten versuchen. Die Burschen sind nämlich viel schlauer, als man für gewöhnlich annimmt.«

Während dieser Unterredung war der Konstabel im Freien erschienen und hatte sich aufmerksam die Wälder, den See und den Himmel betrachtet.

Blackwater bemerkte ihn und rief ihn an.

»Guten Morgen, Mister Weller.«

»Dasselbe dem Herrn Kapitän.«

»Wollt Ihr uns nicht einen Augenblick Eure Gesellschaft schenken?«

»Mit dem größten Vergnügen, Kapitän,« und der rüstige Mann schritt auf die beiden Offiziere zu.

»Nun sagt mir einmal, Konstabel, Ihr seid ein erfahrener Grenzmann, was denkt Ihr über unsre Lage? Werden die Roten Frieden halten?«

»Denke ja, Kapitän. Haben vor drei Jahren Uncle Sams Faust kennen gelernt, werden es nicht wagen, Krieg zu beginnen.«

»Aber Peschewa?«

»Seht, Blackwater, habe den Mann gekannt, war ein kluger, bedächtiger Bursche, würde nimmer das Kriegsbeil ausgegraben haben, wenn er nicht beschimpft worden wäre. Kalkuliere, ist der Kitate gesonnen, wie es Peschewa früher war.«

»So haltet Ihr die Wälder für sicher?«

»O nein, Kapitän. Offenen Krieg werden die Wilden vermeiden, doch die Sicherheit der Wälder hängt allein von dem Einfluß ab, welchen der Kitate auf seine Leute ausüben kann. Und dann sind immer noch einige verzweifelte Gesellen des Peschewa darin, welche möglichen Falles noch Zuzug finden, Raubgesindel ist unter Roten und Weißen vorhanden, und dann haben wir die Banditen, den Morris und den Iltis.«

»So würdet Ihr also Euch nicht in die Wälder trauen?«

»Allein? Nein. Dazu ist mir meine Haut doch zu lieb. Unter gehöriger Bedeckung, ja.«

»Was denkt Ihr nun zunächst zu beginnen?«

»Kapitän, wären die Wälder sicher, ritt ich schon jetzt auf der Spur der mir entflohenen Vögel; so muß ich abwarten, bis es Euch gefällt, mich unter Bedeckung nach den Ansiedlungen zu schicken.«

»Glaubt Ihr, Konstabel, – Ihr kennt die Rothäute besser als ich, – daß man sich auf das Wort eines Indianers verlassen kann?«

»Kommt darauf an, wie Ihr das meint. Wenn Ihr einen Indianer ausfragt, besonders zu Kriegszeiten, lügt er Euch ganz sicher an. Wollt Ihr aber einen hängen lassen, und er verlangt Urlaub von Euch auf ein paar Stunden, um in die Wälder zu gehen, und verspricht Euch, zur bestimmten Zeit zurückzukehren, so könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß er kommt und sich ruhig hängen läßt. In solchem Falle ist auf das Wort eines Indianers Verlaß, sonst hält er es für seine schönste Aufgabe, Euch nach Möglichkeit zu betrügen.«

»Glaubt Ihr, daß man dem Kitate trauen kann?«

»Wenn er sein Wort auf eine bestimmte Sache gibt, ja, sonst glaube ich ihm nicht eine Silbe.«

»Ich werde also mit dem Ottawa verhandeln, Percy. – Habt einen harten Beruf hier in diesen Wäldern, Konstabel.«

»Kann Euch sagen, macht mir Freude, wie einem andern die Bärenjagd. Ist mein Stolz, die Wälder von dem Raubgesindel zu reinigen. Wäre mir beinahe das Herz gebrochen, als ich den Morris entkommen sah. Zweimal war ich schon dicht hinter ihm her. 's erste Mal, vor drei Jahren, vermochte ihn nicht zu erreichen, war der Bursche nach Ohio hinüber, ehe ich an ihn konnte, 's zweite Mal, vor einigen Wochen – wieder vergeblich. Dies ist das dritte Mal, daß ich ihm nachgesandt bin, und muß schlimm hergehen, wenn er mir diesmal wieder entgehen sollte. Brenne vor Begierde, seine Spur aufzunehmen. Gott schütze die einsamen Farmen, wo dieses Raubtier erscheint.«

»Nun, sobald es angeht, werde ich Euch hinaussenden, Konstabel, und dann Glück zur Jagd.«

»Danke Euch, Kapitän, wünsche mir nichts Besseres, als auf der Fährte des Mörders zu sein.«

Damit ging der Konstabel, um vom Wall herab sehnsüchtig nach den Wäldern zu blicken, die ihm einstweilen noch verschlossen waren.

Edgar erschien in der Tür des Sergeantenhauses und hinter ihm Michael.

Während der Graf auf die Offiziere zuging und diese begrüßte, suchte der Irländer den Wall auf und gesellte sich dort zu Mister Weller.

»Der Herr Konstabel sehnt sich nach dem Walde?« begann der redselige Ire die Unterredung.

»Ja, mein guter Bursche, kannst recht haben, wünsche herzlich, ich hätte diese vier Wälle hinter mir, sitze lieber auf dem Pferde unter grünem Laubdach, oder die endlose Prairie um mich.«

»Und warum geht der Herr Konstabel nicht?«

»Hast du deinen Skalp lieb, mein Bursche aus Leitrim?«

»O ja,« sagte Michael rasch.

»Nun, ich auch,« sagte trocken der Konstabel.

»Glauben denn der Herr Konstabel, daß diese wilden, blutdürstigen Menschen noch immer da draußen lauern?«

»Hinter jedem Baume sitzt ein solch roter Halunke und lauert auf Skalpe.«

Michael machte große Augen, denn wenn er auch ein unzweifelhaft mutiger Bursche war, die entsetzliche Prozedur des Skalpierens hatte er schaudernd Gelegenheit gehabt, an den Leichen der gefallenen Soldaten des Forts zu studieren, und diese flößte ihm ein tiefes Grauen ein.

»Das wäre aber schlimm, dann dürfte sich ja niemand aus dem Fort wagen.«

»Sicher nicht.«

»Wie sollen wir denn aber wieder heraus und nach bewohnten Gegenden kommen, denn ich glaube doch nicht, daß Seine Gnaden, der Herr Graf, nach solchen Erfahrungen länger als nötig ist hier bleiben wird. Das ist ja keine Gegend für Christenmenschen.«

»Ja, mein guter Bursche, das hängt davon ab, wie bald Entsatz kommt, und das wird etwas lange dauern.«

»Und so lange sind mir hier eingesperrt?«

»Ah, wenn du einen Spaziergang im Walde machen willst, so wird man dich ja wohl nicht daran hindern.«

»Ich – ich verspüre gar keine Lust dazu.«

»Würde es dir auch nicht raten, denn auf dich hat es die ganze Ottawa-Nation abgesehen.«

»Auf mich?« fragte Michael erstaunt.

»Natürlich, auf dich, hauptsächlich auf dich.«

»Aber warum denn gerade auf mich, Herr Konstabel?«

»Hast du nicht ihren großen Häuptling, den Peschewa, besiegt und zum Gefangenen gemacht?«

»Nun freilich,« entgegnete Michael ziemlich kleinlaut.

»Hättest du ihn getötet, so würden sie dir das vielleicht verzeihen, aber daß du ihn an den Galgen geliefert hast, den der Indianer mehr als zehn Tode verabscheut, das vergeben sie dir nicht. Uns alle ließen sie vielleicht laufen, nur um deiner habhaft zu werden.«

»Ich wünschte, ich hätte ihm einen über den Schädel gegeben, statt ihn gefangen zu nehmen.«

»Das glaube ich dir gern.«

»Aber woher sollen sie denn da draußen wissen, daß ich es war, der ihn niederschlug und festhielt?«

»Woher, mein armer Bursche? Die Indianer haben ihre geheimen Zeichen, durch die sie sich auf weite Entfernungen Mitteilungen machen können. Glaubst du nicht, daß der Peschewa es dem Kitate, den mir noch hier haben, mitgeteilt hatte, wer ihn besiegte; ich sah, während sie sprachen, wie sie mehrmals nach dir hinüberblickten, und dann hat doch sicher der Kitate, als er mit seinen Leuten vom Wall herunter sprach, ihnen darüber Mitteilung gemacht, daß ein Mann mit dichtem Haarwuchs und einem Holzstock ihren gefeierten Häuptling gefangen genommen und an den Galgen geliefert hat. Ja, mein Junge, dein Signalement hat morgen die ganze Ottawa-Nation. Dein Sieg ist zwar eine große Ehre, aber eine sehr gefährliche Ehre, und wenn sie dich fangen, werden sie dir wohl ganz besondere Aufmerksamkeiten erweisen.«

»Wie meint Ihr das?« Michael war gar nicht wohl zu Mute bei der Aussicht auf die Aufmerksamkeiten, welcher ihn die Ottawas nach Aussage des Konstabel würdigen sollten.

»Wie ich das meine? Sieh mal, mein Junge, die Indianer haben die Gewohnheit, ihre Gefangenen an den Marterpfahl zu binden, und da mit aufgesuchten Qualen ihren Mut auf die Probe zu stellen. Sie stoßen ihnen brennende Holzsplitter in den Leib oder unter die Nägel. Schießen nach ihnen mit Pfeilen und Büchsen, werfen mit Messern und Aexten nach ihrem Kopfe, rösten sie etwas am langsamen Feuer –«

»Hört auf – hört auf!«

»Und wenn sie einen recht tapferen Krieger gefangen haben, zum Beispiel einen, der ihren großen Häuptling besiegt hat, so zeichnen sie ihn dadurch aus, daß sie ihn auf eine ganz außerordentliche Weise zu Tode quälen. Das ist dann eine große Ehre.«

»Ich danke dafür,« stöhnte Michael mehr als er sprach, denn er sah sich schon im Geiste am Marterpfahle. »Ich wollte, ich wäre wieder bei Christenmenschen, hier paßt meiner Mutter Sohn doch nicht recht her.«

»Ja, mein guter Ire, warum bist du auch solch ein berühmter Krieger?«

»Nun, der Wald soll mich so bald nicht wieder zu sehen bekommen, Mister Weller, ich habe keine Lust mehr, mich mit den wilden Kerls herumzubalgen. Nicht etwa, daß ich Furcht hätte, wenn's ehrlich hergeht, stellt Michael O'Donnel seinen Mann, aber auf solch indianische Teufeleien lasse ich mich nicht mehr ein, das kann Seine Gnaden, der Herr Graf, nicht verlangen, daß ich mich martern lassen soll.«

»Nun, wir wollen hoffen, daß alles gut geht, Michael. Laß dich nur nicht gefangen nehmen.«

»Ja, sie sollen kommen,« sagte der Mann aus Leitrim mit einer Miene, in der Entsetzen mit trotzigem Grimm gepaart waren.

Er verließ den höchst belustigten Konstabel sehr ernst und nachdenklich.

Kapitän Percy war ins Haus gegangen, und Blackwater schritt mit Edgar auf und ab.

»Von dem Zwecke Ihrer Reise in die Wälder zu den Ottawas hatte mir schon Schuyler Mitteilung gemacht und Sie mir warm empfohlen, Herr Graf. Daß die jüngsten Vorfälle Ihre Nachforschungen mindestens ungemein erschweren, ist zweifellos. Indessen haben wir den Herrn Kitate in der Gewalt und bei dem wollen mir doch den Hebel einmal ansetzen. Ich habe so wie so eine Unterredung mit ihm in Aussicht genommen und da wollen mir Ihre Angelegenheit gleich mit zur Sprache bringen. Ich bitte Sie, derselben beizuwohnen.«

Der vorübergehenden Sergeantin rief der Kapitän zu: »Wie befinden sich unsre Kranken, Mistreß Wood?«

»Gut genug, Herr, Mister Sounders ist sichtlich auf dem Wege der Besserung und der Sergeant schon wieder bei Besinnung, aber noch sehr schwach.«

»Freut mich, das zu hören, freut mich. Und Miß Schuyler?«

»Sie hat geschlafen und scheint ruhiger.«

»Bitte, fragen Sie, ob ich sie sprechen kann.«

»Sehr wohl, Sir.«

»Es bleibt mir gar nichts andres übrig, als mit dem Kitate eine Art Kompromiß zu schließen, vielleicht finde ich den Herrn dazu geneigt.«

Die Sergeantin kam zurück.

»Miß Schuyler wird herunterkommen, Herr Kapitän.«

»Schön. –Wenn ich das arme Mädchen nur erst wieder unter der Obhut seiner Verwandten wüßte, aber ehe die Wälder nicht gesichert sind, kann ich nicht daran denken, sie nach der Küste zu senden.«

Frances erschien in der Tür und Blackwater ging auf sie zu.

Sie sah sehr bleich aus, doch sprachen ihre Züge von ernster, ruhiger Ergebung.

»Mein liebes Kind,« sagte der rauhe Soldat mit väterlich herzlichem Ton, »ich freue mich. Sie gefaßt zu sehen,«

»Ich habe Trost im Gebet gesucht und gefunden.«

»Ich wußte es ja, die Tochter meines tapferen Obersten konnte nicht ohne einen Zug seines Heldenmutes sein. Ich habe mich bei Ihnen melden lassen. Miß Frances, um mich von Ihrem Befinden zu überzeugen und gleichzeitig nach Ihren Wünschen zu fragen. Kann ich etwas tun, um Ihre Lage behaglicher zu gestalten?«

»Nichts, Kapitän, Mistreß Wood tut für mich, was sie kann. Ich wünsche nur, diesen Ort des Schreckens zu verlassen.«

»Sobald es möglich, sollen Sie nach der Küste geleitet werden, einstweilen kann ich nicht wagen, Sie den Gefahren der Wälder auszusetzen. Darf ich fragen, mein Kind, was Sie für Ihre Zukunft beschlossen haben? Ich kann als Ihr väterlicher Freund Ihr Vertrauen beanspruchen. Miß Frances.«

»Gewiß, teuerster Sir. Ich denke, mich zunächst nach Lansing zu Freunden unsres Hauses zu begeben und dort erst werde ich weiteres beschließen. – Mein lieber Herr Graf,« sie reichte dem sich nahenden jungen Mann die Hand.

Er drückte die ihre schweigend.

Das bleiche, selbst in ihrem tiefen Kummer so schöne Mädchen machte einen tieferen Eindruck auf ihn als je zuvor.

Tiefen Schmerz mit tröstenden Worten zu lindern, machte er keinen Versuch, sein Auge sprach beredter, als es Worte konnten, die innigste Teilnahme aus.

»Sie sind in Ausführung der heiligen Aufgabe, welche Sie sich gestellt haben, Herr Graf, jetzt gehindert.«

»Ich werde dennoch das Aeußerste versuchen, sie zu lösen.«

»Sie sind standhaft.«

»Das bin ich. ›Treu bis zum Tode‹ ist der Wahlspruch unsrer Familie.«

Blackwater entfernte sich einen Augenblick, und Frances und Edgar blieben allein.

»Wenn gemeinschaftlich bestandene Gefahren das Recht dazu verleihen, so darf auch ich wohl auf die Ehre Anspruch machen, mich Miß Schuylers Freund zu nennen?«

Sie reichte ihm stumm die Hand.

»Dankbar wäre ich, wenn Miß Frances von meinen Diensten Gebrauch machen und über das, was ich kann und vermag, befehlen wollte.«

»Ich bedarf nichts, Herr Graf. Kapitän Blackwater läßt mich zur Küste geleiten, und bei Myers will ich in der Liebe und Teilnahme teurer Menschen Schutz und Trost suchen.«

»Ich führe nicht unerhebliche Geldmittel mit mir, und ich würde es als ein Zeichen mich hoch ehrenden Vertrauens betrachten, wenn Miß Schuyler darüber verfügen wollte.«

»Ich würde das ohne weiteres dankbar annehmen, wenn ich dessen bedürfte, indessen bin ich im Besitze einer genügenden Summe, um die Reise zu bestreiten, und mehr bedarf ich nicht. Ich danke, Herr Graf.«

»Können Sie, Miß Frances, gelegentlich die Dienste eines ebenso bescheidenen als ergebenen Mannes brauchen, so werde ich stolz sein, wenn Sie solche in Anspruch nehmen.«

»Freunde, Herr Graf, wahre Freunde sind so selten im Leben, daß ich undankbar gegen das Geschick wäre, wenn ich zurückweisen wollte, was Sie mir großherzig anbieten.«

»Ich danke, Miß Frances. Sie werden Zuflucht in Ihrer Familie suchen?«

»Ich glaube nicht. Zwar habe ich entfernte Verwandte, doch hatten mir nur geringe Verbindung mit ihnen, ich stehe fast allein im Leben, seit –« sie drückte ihm hastig die Hand und ging rasch ins Haus hinein.

Edgar sah ihr nach.

»Armes, teures Mädchen!«

»Kommen Sie, Graf,« rief ihm Blackwater, welcher zurückkam, zu, »ich habe nach den Indianern gesandt, wir wollen jetzt unser Palaver mit Kitate halten.«

Er nahm Edgars Arm und führte ihn in sein im Erdgeschoß des Kommandantenhauses liegendes, recht geräumiges Zimmer.

Ein Sergeant brachte nach kurzer Frist Kitate und seine Gefährten, welchen Blackwater schon am verflossenen Abend die Fesseln hatte abnehmen lassen.

Blackwater, welcher heute einen ganz andern Ton anschlug, forderte sie höflich auf, sich zu setzen, worauf die roten Männer zwanglos auf Stühlen Platz nahmen.

Der Kapitän machte der indianischen Etikette die Konzession, erst einige Minuten in Schweigen vergehen zu lassen, ehe er die Unterhandlung eröffnete.

Die Indianer zeigten weder Neugierde, noch Erstaunen und saßen ernst und würdevoll da.

Nachdem Blackwater der üblichen Höflichkeit seinen roten Gästen gegenüber genügend Rechnung getragen zu haben glaubte, begann er, sich der indianischen bilderreichen Redeweise bedienend: »Der Häuptling der Ottawas möge weit seine Ohren öffnen, denn ich spreche einmal so zu ihm wie heute und nicht wieder. Ich habe nur eine Zunge, Kitate, und ich will hoffen, daß auch die deinige nicht gespalten ist,«

»Kitate hat nur eine Zunge. Möge der Häuptling des Forts sprechen, Kitates Ohr ist offen.«

»Ich muß wissen, Indianer, ob wir draußen in den Wäldern Krieg oder Frieden mit euch haben.«

»Kitate kam hierher, um dir zu sagen, daß nicht er, nicht die Ottawas verantwortlich sind für die Taten derer, die sich von ihnen losgesagt haben,«

»Nun, die Frage, wie weit du und die Deinen mit schuldig an den hier verübten grausigen Taten sind, wollen wir jetzt nicht erörtern, dies wird ja wohl die Untersuchung an den Tag bringen, und ich fürchte, der Galgen wird noch mehr zu tun bekommen. Jetzt will ich wissen, deutlich von dir wissen, ob deine Leute draußen unsre Freunde sind, oder ob wir Feindseligkeiten zu gewärtigen haben?«

»Peschewa hielt Frieden mit den Weißen, solange er Häuptling der Ottawas war, Kitate wird Frieden halten.«

»Schön. Und gehorchen dir deine Krieger, wenn du ihnen befiehlst, die Streitaxt zu begraben?«

»Alle Ottawas gehorchen Kitate. Er ihnen schon sagen durch seine jungen Männer, Frieden halten. Alle so tun. Nicht Stammlosen sagen, er nicht gehorchen, er nicht Ottawa.«

»Wenn du die Wahrheit redest, so hätten wir es also nur mit dem Auswurf zu tun, welcher sich da draußen herumtreibt.«

»Er entfliehen, denk' ich, weit, 'er nicht kommen nach Fort,«

»Das will ich wohl glauben. So versicherst du also, Kitate, daß niemand von uns von deinen Leuten etwas zu fürchten hat? Bedenke wohl, was du sagst.«

»Nichts fürchten. Ottawa fürchten den weißen Mann. Kitate kommt friedlich hierher als Freund, und der Häuptling hält ihn gefangen und legt Eisen um seine Hände, das nicht freundlich.«

»Dich hier festzuhalten, Häuptling, ist eine Notwendigkeit, die ich nicht umgehen kann. Du mußt hier bleiben, bis ich Nachrichten aus der Bundeshauptstadt habe. Wenn du dir aber eine Einwirkung in friedlichem Sinn von deinen Gefährten hier auf dein Volk versprichst, sie haben ja unsrer Unterredung gelauscht und deren Inhalt auch wohl verstanden –«

»Gut verstehen.«

»So will ich sie entlassen, daß sie den Ottawas deinen Willen mitteilen.«

»Gut, Häuptlinge besser sprechen als junge Männer.«

»Und willst du mir dein Wort geben, das Fort nicht zu verlassen, so kannst du dich innerhalb der Wälle frei bewegen.«

»Kitate gibt dem Häuptling der Langmesser sein Wort, er wird das Fort nicht verlassen.«

»Es ist gut, ein Häuptling hält sein Wort, Kitate kann frei umhergehen. – Eines aber sage ich euch, wird gegen uns ein falsches Spiel getrieben, wird einem meiner Leute auch nur ein Haar gekrümmt, so wird Kitate unweigerlich hängen, das teilt den Ottawas mit, Blackwater ist der Mann, sein Wort zu halten. Diese Angelegenheit wäre also beendet. Sie sehen, Herr Graf,« wandte er sich an Edgar, »man hat einige Mühe, mit diesen indianischen Staatsmännern zu verkehren. Nun wollen mir Ihre Angelegenheit vornehmen. Höre einmal, Kitate, was wir als Häuptlinge miteinander zu beraten hatten, ist abgemacht, aber ich habe da noch etwas zu fragen, worauf eine Antwort zu erhalten mir und diesem Herrn hier sehr wichtig ist.«

»Mein Ohr ist offen, frage, Kitate wird antworten.«

»Dieser Herr hier ist kein Inglis, kein Langmesser, er ist der Häuptling eines fremden Volkes, er ist ein Dutchman.« So werden die Deutschen gemeinhin von den Amerikanern genannt.

Kitate neigte grüßend das Haupt und sah mit seinen klugen Augen Edgar aufmerksam an.

»Dieser Herr war auf dem Wege zu den Ottawas, um sie zu besuchen und ihren Häuptlingen Geschenke zu bringen, als die Stammlosen ihn zwangen, seinen Skalp hier im Fort in Sicherheit zu bringen und die für die Ottawas bestimmten Geschenke ihm raubten. Kitate, es wird gut für dich sein, wenn du uns das, was wir zu wissen wünschen, ehrlich mitteilst, und an Decken, Tüchern, Pulver, Messern wird kein Mangel sein, dieser deutsche Häuptling hat eine offene Hand. Auch liebt ihn der große Vater in Washington und wird es gerne hören, wenn die Ottawas freundlich gegen den jungen Häuptling sind.«

Aufmerksam hörte der Indianer zu.

»Was wünschest du zu wissen?«

»Als Leute deines Stammes vor drei Jahren über die Ansiedlungen am Manistee herfielen und unsre jungen Männer erschlugen, raubten sie eine junge Frau und einen Knaben –«

Die Indianer wechselten einen raschen verstohlenen Blick, welcher indes weder dem Kapitän noch Edgar entging.

»Und führten sie mit sich in die Wälder. Der Häuptling hier ist der Bruder der jungen Frau und er ist über das Meer gekommen, um sie zu suchen, da ein Vogel in sein Ohr gesungen hat, die Ottawas hielten sie gefangen. Was sagt Kitate?«

Die Gesichter der Indianer bewahrten einen düstern Ernst. Erst nach einiger Zeit nahm der Häuptling das Wort: »Die Ottawas haben viel hören müssen von der jungen Squaw und ihrem Kinde; sind viel nach beiden gefragt worden von den weißen Leuten. Es sind dieser Frau wegen Häuptlinge und Krieger getötet, die Langmesser haben sie aufgehängt am Halse, und die Ottawas weinen, wenn sie von ihr hören.«

Mit nicht geringer Aufregung lauschte Edgar den Worten des Indianers.

»Nimmer dachte Kitate, noch einmal nach der jungen Squaw befragt zu werden, nach welcher vor drei Sommern alle Weißen suchten. Kitate weiß nichts von der jungen Frau, kein Ottawa weiß etwas von ihr, niemand weiß etwas von ihr.«

»Höre, Häuptling, die Frau ist damals von euch entführt worden, daran ist ja gar kein Zweifel. Wir wollen nur wissen, ob sie noch lebt, wo sie lebt, oder wenn sie gestorben ist, wo ihre Gebeine ruhen?«

»Kitate hat zuerst aus dem Munde der Langmesser von dieser Frau gehört. Niemand weiß etwas von dieser Frau, die so viel Unheil über die Ottawas gebracht hat.«

Edgar wurde traurig zu Sinn, als dieser Versuch, Kunde von der Verschwundenen zu erlangen, so gänzlich fehlschlug.

Noch einmal nahm der Kapitän das Wort.

»Wenn Kitate zurückblicken will durch einige Sommer, so wird er eine schöne junge weiße Frau sehen mit ihrem blonden Knaben. Ihr Gesicht gleicht dem dieses Herrn, denn sie ist seine Schwester. Kitate sieht, wie die Ottawakrieger sie von dannen führen, in die Wälder – was sieht Kitate noch mehr?«

»Er sieht nichts,« entgegnete dieser ruhig.

»Wenn Kitate befürchtet, meine Frage sei die Vorläuferin neuer amtlicher Untersuchungen, wie sie vor drei Jahren stattfanden, so ist er im Irrtum, das ist abgetan, ich frage nicht als Häuptling dieses Forts, sondern nur als Freund dieses jungen Mannes. Er kam zu mir und sprach: ›Hilf mir die Schwester finden, ich will den Ottawas viel geben, wenn ich sie wiedersehe‹.«

Wiederum tauschten die Indianer einen schnellen Blick, aber mit eisiger Höflichkeit erklärte Kitate noch einmal, daß er keine Mitteilungen zu machen habe.

Edgars Hand berührte unabsichtlich seine Brusttasche und traf auf das kleine Bildwerk auf Holz, welches ihm der Konstabel noch am Muskegon eingehändigt hatte. Die Ereignisse und Aufregungen der letzten Tage hatten ihn nicht an diesen angeblichen Talisman denken lassen. Jetzt zog er es hervor, hielt es den Indianern entgegen und fragte: »Kennen die Häuptlinge dieses?«

In den starren Zügen der Indianer gab sich jähes Erstaunen kund. Kitate nahm die Figur in die Hand, betrachtete sie genau, zeigte sie den beiden andern, welche sie ebenfalls einer Untersuchung unterwarfen, und tauschte einige Worte in indianischer Sprache mit ihnen

»Wer gab meinem Bruder dies?«

»Ein Freund, Häuptling,« er hielt es nicht für geraten, den Konstabel zu nennen, »ein Freund gab es mir, weil er glaubte, es würde mich bei dem Ottawa-Volke empfehlen.«

»Es ist gut.«

»Sieh, Häuptling, ich bin weit her über das endlose Meer gekommen, um die Schwester zu suchen. Mein Volk und dein Volk haben nie Streit miteinander gehabt, sie wohnen zu weit auseinander. Kann ich die Schwester nicht mehr lebend finden, so will ich doch ihr Grab sehen, das ihre und das des kleinen Knaben. Kitate hat Kinder, wenn ihm eines verloren gegangen ist, wird er nicht dem dankbar sein, der ihm sagt, wo er es findet? Kitate soll es in mein Ohr flüstern, bei diesem Zeichen bitte ich ihn, mir zu sagen, ob die Schwester lebt, ob sie starb?«

Kitates Gesicht, welches einen Augenblick einen freundlichen Ausdruck angenommen hatte, war finster, als er wiederholte: »Kitate weiß nichts von der weißen Frau. Kitate hat nur eine Zunge, er hat gesprochen.«

»Es ist gut,« sagte Blackwater, »der Häuptling weiß nichts von dieses Herrn Schwester, sonst würde er es sagen. Aber vielleicht gibt es Leute im Ottawa-Volke, welche mehr wissen als der Häuptling, Leute, die am Manistee waren, während Kitate friedlich in seinen Dörfern weilte. Würde der Häuptling nicht gestatten, daß mein Freund zu den Niederlassungen der Ottawas ginge und dort nach seiner Schwester fragte?«

Kitate schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Der Dutchman ist willkommen an den Feuern der Ottawas.«

»So danke ich dir. Kitate mag sich das Fort der Langmesser betrachten, seine Freunde können, sobald es ihnen beliebt, ihre Büchsen nehmen und zu ihren Dörfern eilen.«

Er verabschiedete die Männer mit einer Handbewegung, diese verneigten sich mit vielem Anstande und gingen hinaus.

»Das ist eine seltsame Geschichte, Graf,« sagte er dann. »Diese Leute wissen unzweifelhaft genügend von Ihrer Schwester und deren herbem Schicksal: bemerkten Sie den Blick, welchen sie austauschten?«

»Ich bemerkte ihn wohl.«

»Unerklärlich ist mir, warum sie so schweigsam darüber sind. – Ob da eine Greueltat verübt ist und sie noch fürchten, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden? Von wem haben Sie denn das wunderliche Ding, welches so großen Eindruck auf die Kerls machte?«

Graf Edgar teilte ihm mit, wie er in den Besitz desselben gekommen sei.

»O, von unserm Konstabel? Ich bedaure jetzt, daß ich ihn nicht ebenfalls zu dieser Unterredung zugezogen habe, er kennt die indianische Natur doch noch besser als ich. Das Ding scheint ein kleines Götzenbild zu sein.«

Er schickte nach Weller, der auch alsobald erschien. Man gab ihm Kenntnis von dem Inhalt der Unterredung.

»Schade, daß ich nicht dabei war, Kapitän. Vermutet übrigens ganz recht, wissen die Roten ganz genau, was aus Lady Walther geworden ist, aber sie zum Reden zu bringen, scheint heute wie damals unmöglich zu sein.«

»Aber wenn wir die Frau ermitteln, Konstabel, welche Euch den Talisman gegeben hat?«

»Die alte Miskutake? Hm. Wie wollt Ihr die ermitteln?«

»Wenn ich es mit einiger Sicherheit tun könnte, würde ich nach den Dörfern der Ottawas eilen und keine Geschenke sparen, um endlich Klarheit in das so dunkle Schicksal meiner Schwester zu bringen.«

»Sicherheit? Wenn der Kitate Euch einen Geleitsbrief gibt, könnt Ihr ruhig hingehen, außerdem bürgt er ja mit seiner Person dafür, daß Euch kein Leid geschieht.«

»So gehe ich, Kapitän.«

»Wolltet Ihr es wagen?«

»Ja. Vielleicht lebt sie noch, in Gefangenschaft gehalten. Wenn sie nicht, vielleicht mein kleiner Neffe.«

»Fremder,« sagte der Konstabel, »macht Euch keine solche Hoffnungen. Lebte sie noch oder auch nur der Knabe, mir würden es längst wissen.«

»Dennoch will ich das Letzte noch versuchen.«

Es vergingen nach dieser Unterredung zwei weitere Tage, während ringsum die größte Ruhe herrschte.

Athoree hatte wiederholt in weiten Märschen die ganze Gegend abgestreift, ohne irgend etwas Verdächtiges bemerkt zu haben.

Für Kitate war ein indianischer Läufer angelangt und hatte ihm Botschaft gebracht, worauf er Blackwater noch einmal versicherte, daß kein Ottawa an Feindseligkeiten denke.

Edgar hatte persönlich den Häuptling um einen Geleitsbrief nach seinen heimatlichen Dörfern ersucht.

Lange hatte ihn dieser betrachtet, nachdem der Graf sein Anliegen vorgebracht, und endlich gesagt: »Du kein Yengeese, kein Inglis, du Dutchman – das gut. Du nach Schwester suchen – wirst du nicht finden. Will dir Kitates Zeichen geben, magst ruhig zu den Ottawas gehen, dir nichts tun. Du Schwester sehr lieben?«

»Ja, Häuptling, und daheim sitzt mein greiser Vater und beweint die Tochter.«

»Weiße Frau großes Unheil über Ottawa gebracht, viel Blut ihretwegen fließen,« setzte er finster hinzu.

Kitate, aus dem trotz flehentlicher Bitten und dem Angebot reicher Geschenke nichts andres herauszubringen war, als daß er von nichts wisse, fertigte mit Farbe und Pinsel den Geleitsbrief für Edgar aus.

Es waren einige wunderliche Zeichen, welche er auf ein Stück Haut malte und schließlich mit dem wohl ausgeführten Bilde eines Otter, seinem Namen, unterzeichnete.

Edgar kaufte aus den Vorräten des Forts Geschenke ein, ähnlich denen, welche er eingebüßt hatte, und erwarb das Pferd, auf welchem der Pottawatomie gekommen war.

Als er seinen Begleitern die Absicht eröffnete, die Ottawas aufzusuchen, erklärte sich zu seiner großen Freude Johnson sofort bereit, mit ihm zu ziehen, einen unerwarteten Widerstand aber fand er an dem Manne aus Leitrim.

»Euer Gnaden werden gütigst verzeihen,« stotterte der Ire hervor, als Antwort auf die Frage, ob er bereit sei, mitzugehen, »ich habe Euer Gnaden gewiß lieb und würde mich für Euer Gnaden totschlagen lassen, wenn es sein müßte, aber mit zu den Ottawas kann ich nicht gehen.«

»Und warum nicht, mein guter Michael?«

»Sehen Euer Gnaden, die Bursche lauern auf mich da draußen und wollen mich an den Marterpfahl, wie man es nennt, stellen und mich peinigen, wie nie ein Mensch gepeinigt worden ist.«

»Aber warum denn dich gerade, mein braver Bursche? Wir sind doch alle in gleicher Lage.«

»Nein,« flüsterte der Ire geheimnisvoll, »auf mich allein lauern sie, weil – weil ich – den Peschewa gefangen genommen habe.«

Der Graf lächelte.

»Wenn du das fürchtest, Michael,« sagte er gütig, »so muß ich natürlich auf deine Begleitung verzichten.«

»Ja, es ist so, Euer Gnaden.«

»Und woher weißt du denn, daß sie dir so abgeneigt sind?«

»Der Herr Konstabel hat es mir gesagt, ich darf mich nicht zum Fort hinaus trauen.«

Der Graf merkte nun freilich, daß Weller seinen Scherz mit dem biederen Sohn der grünen Insel getrieben hatte.

Da der Ire nicht umzustimmen schien und hartnäckig auf seiner Weigerung beharrte, belohnte ihn der Graf sehr reichlich für seine bisherigen Dienste und empfahl ihn dem Wohlwollen Blackwaters.

»Ei, der Bursche ist verrückt. Das ist ein schlechter Scherz des Konstabel,« meinte dieser.

Aber ob nun gleich er und selbst Weller auf ihn einredeten und letzterer sogar gestand, daß er nur Scherz mit ihm getrieben habe, der Mann aus Leitrim blieb dabei, daß die Ottawas es besonders auf ihn abgesehen hatten.

Da Weller auf die Abreise drang, auch Frances sich hinreichend erholt hatte, um den Weg an die Küste antreten zu können, und allem Anschein nach die Wälder sicher waren, vielleicht Gefahren ausgenommen, welche ihnen die Wegelagerer bereiten konnten, obgleich auch dies kaum wahrscheinlich war, so ordnete Blackwater die Abreise für den dritten Tag an.

Zwanzig Mann wurden abkommandiert, um unter der Führung eines Sergeanten die Tochter des Obersten nach den Ansiedlungen zu geleiten. Wellers väterlichem Schutze wurde Frances besonders anvertraut, der es übernahm, sie bis nach Traverse City zu bringen.

Für denselben Tag hatte Edgar seine Abreise bestimmt.

Am frühen Morgen standen die Soldaten bereit, ebenso des Grafen Begleiter mit dem bepackten Pferde, welches Heinrich führen sollte. Michael war nicht zu sehen.

Frances kam vom Grabe ihres Vaters zurück, wohin sie schon im Morgengrauen gegangen war und lange gebetet hatte.

Mit inniger Teilnahme verabschiedete sich Blackwater von ihr.

Als sie schon im Sattel saß, reichte sie Edgar nochmals die Hand.

»Wird Miß Schuyler eines fernen Freundes gedenken?«

»Sie wird ihn nicht vergessen.«

»›Treu bis zum Tode‹ ist der Wahlspruch meines Hauses.«

Frances ritt mit Weller, welcher in bester Stimmung war, davon, gefolgt von den Soldaten.

Lange sah ihr Edgar noch nach und flüsterte leise vor sich hin; »Treu bis zum Tode.«

Sein Abschied von den Offizieren und besonders von Blackwater war der herzlichste.

»Lassen Sie von sich hören, Herr Graf, Sie machen uns große Freude damit,« war Blackwaters letztes Wort.

Als der Zug eben zum Tore hinaus wollte, stürzte Michael hinter der Kaserne, von wo er den Abschied mitangesehen hatte, hervor, auf den Grafen zu und sagte mit vor Aufregung bebender Stimme: »Nein, ich kann Euer Gnaden nicht verlassen. Mögen mich die Schufte martern, so viel sie wollen, aber ich kann Euer Gnaden nicht allein lassen, ich müßte mich vor mir und ganz Leitrim schämen, wenn ich das täte. Wollen mich Euer Gnaden wieder annehmen und mir verzeihen?«

»Komm, mein guter Michael, wir wollen auch ferner Leid und Freud miteinander teilen.«

Der Ire schloß sich an und übernahm die Führung des Pferdes.

Athoree sagte zu ihm: »Starkhand doch guter Freund? He?«

»Ja, Indianer, ich hätte mich totgeschämt, weißt du, wenn ich Seine Gnaden allein hätte in die Gefahr rennen lassen, nein, da will ich denn doch noch lieber mit den schäbigen Hunden, diesen Ottawas, mich herumschlagen. Mag es kommen, wie es will.«

Bald verlor sich der Zug des Grafen im Walde. Ein letzter Blick Edgars noch auf das Fort, an welches ihn so viel blutige Erinnerungen knüpften, friedlich lag es jetzt im glänzenden Sonnenschein am Ufer des lieblichen Sees da, und dann folgte er den andern, entschlossen, nicht zu rasten, bis über das Schicksal der ihm so teuren Schwester Licht verbreitet sei.


 << zurück weiter >>