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Siebentes Kapitel.

Der Häuptling der Ottawas.

Wir müssen in unserer Erzählung etwas zurückgehen, um die folgenden Ereignisse erläutern zu können.

Der Fremde hatte die Wahrheit gesagt, zwei Tagemärsche von dem Feuer, an dem der Graf und seine Begleiter ruhig schliefen, lag Fort Jackson, der vorgeschobenste Posten der Staatentruppen in diesem nordwestlichen Teile des Landes.

Das kleine Fort war am südlichen Ufer de« anmutigen Chippeway-Sees errichtet, da wo der ziemlich breite, aber seichte Chippeway-Kreek sich in den See ergießt.

Gleich einer leuchtenden Perle in der Muschel, so ruhte der See, der wohl sechs bis sieben Meilen im Umfang haben mochte, in den schweigenden Wäldern, welche rings bis dicht zu seinen schilfumsäumten Ufern heranreichten und sich in seinem klaren Wasser spiegelten.

Hell strahlte bereits die Sonne hernieder und beleuchtete die mit Pallisaden gekrönten Wälle des Forts, die einfach im Viereck angelegt waren. Auf jedem Walle stand unter schützender Bedachung ein leichtes Feldgeschütz, flankiert von den mit Schießscharten versehenen Pallisaden. Ein lang ausgestrecktes niedriges Gebäude innerhalb der Umwallung diente der Besatzung von sechzig Mann zum Aufenthalte, während einige andre Blockhäuser den Offizieren und Unteroffizieren als Wohnung dienten. Ställe und Schuppen vervollständigten das Ganze.

Die kleine Bucht, in welche der See hinauslief, war ebenfalls in den Bereich der Befestigungen gezogen, welche einige Kähne zu schützen bestimmt waren.

Es war früh am Morgen und die helle Sonne sah eben über die Wipfel der Bäume herüber, zwei Schildwachen schritten schläfrig die einander gegenüber liegenden Wälle entlang, als die Türe des Gebäudes, welches die Mannschaften beherbergte, sich öffnete und drei Soldaten daraus hervortraten, welche Eimer in den Händen trugen.

Aus einem der kleinen Häuser nahte gleichzeitig ein narbiger Sergeant, der zum Tore schritt, welches sich nach Süden öffnete, dasselbe erschloß und die Soldaten hinaus ließ.

»Beeilt euch, Burschen,« sagte er hierbei, »damit der Kapitän nicht zu lange auf die Milch zu warten hat, sonst haben mir wieder einen schlechten Tag.«

»Ja, ja, Sergeant,« sagten die Soldaten und schritten dann über das sanft ansteigende Glacis, welches eine von allem Holze befreite glatte Schußfläche von über hundertundfünfzig Schritt zeigte.

Unfern des Forts waren auf einer Waldwiese während der Sommermonate die Kühe der Garnison eingepfercht, und die Leute begaben sich hinaus, sie zu melken.

Eben wollte der Sergeant die schwere Balkentüre wieder schließen, als aus dem Walde im raschen Trott der indianischen Läufer, einem Mittelding zwischen Schreiten und Springen, ein Eingeborener kam, aus das Tor zueilte und schon von weitem winkte, es für ihn geöffnet zu lassen.

Der Sergeant erwartete in der Tür sein Näherkommen.

»Was gibt's, Rothaut?« fragte er, als der Indianer vor ihm stand.

»Bringe Brief von großem Vater in Washington,« und dabei wies er auf die lederne Tasche, welche er um den Hals trug.

»So? Nun, so komm herein.«

Er ließ den Mann eintreten und schloß dann die Türe.

»Wo kommst du her?«

»Kommen von Fort Duncan.«

»Nun, da hast du einen guten Lauf hinter dir. Gib mir den Brief.«

»Nur Häuptling selber geben, so befohlen.«

»Na meinetwegen, dann mußt du noch etwas warten.« Er betrachtete den Indianer von oben bis unten, besonders seine Mokassins, die aus gegerbtem Hirschfell gefertigte Fußbekleidung und deren Verzierungen.

»Du bist ein Pottawatomie?« fragte der erfahrene Grenzsoldat, der aus jenen seinen Schluß machte.

»Pottawatomie.«

»Stehst du im Fort Duncan im Dienst?«

»Er Läufer für großen Häuptling dort, tragen Brief an andern Häuptling,« sagte nicht ohne einiges Selbstbewußtsein der Indianer.

»Na, das ist ja schon immer eine ganz hübsche Würde. Wie heißest du denn?«

»Er heißen Krähenfeder,«

»Auch ein hübscher Name. Setz dich daher,« und er wies auf einige Balken, welche unweit des Tores lagen. »Willst du eine Tasse Kaffee haben?«

Aus dem Schornstein der Hütte, aus welcher der Sergeant gekommen war, stieg bereits Rauch hervor und der Duft des Kaffees verbreitete sich.

»Haben du ein Schluck Rum, ihm lieber.«

»So? Na, den kannst du auch bekommen, wenn das ›ihm‹ lieber ist.«

Er ging zu seiner Behausung, kam gleich mit einem Glase des gewünschten Getränkes zurück und bot es dem Indianer. Dieser nahm das Glas, beroch es mit Entzücken und stürzte es dann hinunter.

»Das gut.«

»O ja, mitunter, nur muß man nicht zu viel davon nehmen. Sage einmal, Pottawatomie, was treibt ihr denn auf eurer Reservation?«

»O, schlafen, gehen jagen, flechten Körbe, großer Vater in Washington sendet Kühe und Schweine und Mais,«

»Nun ja, ihr liegt auf der Bärenhaut und Uncle Sam muß euch ernähren, während wir in solch elendem Neste den elendesten aller Dienste tun und euch bewachen müssen. Diebsbande, alle miteinander,« brummte er in sich hinein.

Während er noch mit dem Indianer sprach, öffnete sich die Tür des Kommandantenhauses und in die Morgenfrische trat der Befehlshaber des Forts, Kapitän Davis, ein junger brünetter Herr von eleganter Figur, der selbst hier in der Wildnis nicht ganz den Dandy vom Broadway verleugnete.

»Zum Teufel, Sergeant, sind denn die Kerls mit der Milch noch nicht zurück?«

»Zu Befehl, Herr Kapitän, müssen im Augenblick kommen.«

Eilig ging er auf den Offizier zu und meldete in vorschriftsmäßiger Haltung: »Ein Läufer von Fort Duncan mit einem Dienstschreiben für den Herrn Kapitän.«

»So? Was wird denn das wieder sein, der Alte hat eine wahre Schreibwut, habe erst vorige Woche einen Brief bekommen. Ach, Sergeant, wann wird das Leiden in diesem verwünschten Neste enden? Ich komme um, wenn das noch lange dauert.«

»Ja, schön, Herr Kapitän, ist diese Garnison nicht.«

»Wie mögen sie sich in New York nach mir sehnen, die Bälle und Soireen,« sagte der leichtlebige junge Offizier, der Kreolenblut in seinen Adern hatte. Der Teufel hole sämtliche Rothäute und die schwarzen Hunde dazu. Na, komm mal her, Bursche,« rief er dem Indianer zu, der sich ehrfurchtsvoll erhoben hatte, als der Kapitän erschien.

Dieser schritt eilig auf Kapitän Davis zu.

»Also, was bringst du?«

»Bringe großen Brief von Fort Duncan, vom großen Häuptling dort.«

»Ja, aus Langeweile schreibt er Briefe, der große Häuptling. Gib einmal her.«

Der Indianer öffnete die Tasche und überreichte dem Offizier ein in ein Stück Hirschhaut eingewickeltes Schreiben.

Dieser erbrach es, während er ein Gähnen kaum unterdrückte, langsam und murmelte: »Ein Dienstschreiben – lesen noch vor dem Frühstück? Starke Anforderung.«

Kaum aber hatte er begonnen zu lesen, als sein hübsches Gesicht, welches bisher üble Laune zeigte, sich erheiterte, und er jubelnd ausrief: »Sergeant, die Qual hat ein Ende, die Garnison wird gewechselt. Das ist die herrlichste Nachricht, die ich je dienstlich bekommen habe. Das Majorspatent wäre mir nicht so lieb gewesen, als diese Kunde.«

»Garnisonswechsel? Jetzt? Außer der Zeit?« bemerkte der Sergeant.

»O, die müssen in Washington eine Ahnung von der entsetzlichen Seelenqual bekommen haben, die ein Linienkapitän hier in der Wildnis zu ertragen hat. Ein halbes Jahr länger und ich wäre stumpfsinnig geworden. Den Göttern Dank. Ehe ich wieder in ein solches Quartier gehe, eher entsage ich dem Dienst, das hält kein Mensch aus. In vier Wochen, Sergeant, ziehen wir ab. Oberst Schuyler kommt und bringt neue Mannschaft für sämtliche Forts. Das ist eine Nachricht. Die Mannschaft soll heute eine Doppelration Rum haben, der Tag muß gefeiert werden. Wo bleiben denn die Spitzbuben mit der Milch, diese glorreiche Mitteilung hat mir Appetit gemacht.«

Kaum hatte er ausgesprochen, als sich heftiges Klopfen am Tor hören ließ.

»Da sind sie schon,« sagte der Sergeant und ging zum Eingang, um aufzuschließen. »Sachte nur, sachte, wir sind ja nicht taub.«

Er schloß auf und rasch und aufgeregt traten die Soldaten mit leeren Eimern herein.

»Nun? Was ist das?«

»Die Kühe sind fort, Herr Sergeant.«

Kapitän Davis hatte das gehört und stieß einen grimmigen Fluch aus.

»Was ist fort? Hierher!«

Die Soldaten traten rasch vor ihn hin und der älteste derselben meldete, daß sie den Pferch erbrochen gefunden und die Kühe augenscheinlich in der Nacht geraubt worden seien.

»Da soll doch – Himmel – nein, es ist zum Verzweifeln. Auch das noch? Das haben die roten Spitzbuben getan, O, verwünscht! Woher Ersatz nehmen? Hier in dieser Einöde? Und nun muß noch der strenge Schuyler kommen. Himmel! – Wo sind die Kühe hin?« schnauzte er die Soldaten an.

»In den Wald, Herr Kapitän.«

»Dummkopf, das kann ich mir wohl denken. Nach welcher Richtung?«

Die Soldaten sahen sich an.

»Wir haben nicht nachgespürt, Herr Kapitän, wir wollten so rasch als möglich Meldung machen.«

»Das fehlte noch in diesem Neste, womöglich jetzt alle Tage Hirschziemer essen zu müssen. Habt ihr nach Fußspuren gesucht?«

»Zu Befehl, ja, aber keine bemerkt.«

»Natürlich nicht. Das sind sicher diese indianischen Halunken gewesen. Aber das soll ihnen teuer zu stehen kommen, erhalte ich meine Kühe nicht zurück, rotte ich die ganze Rasse aus. Himmel –«

Sein Auge fiel auf den Läufer. »Das haben deine rotfelligen Spitzbubenbrüder getan, aber sie sollen es büßen.«

»Pottawatomie keine Diebe,« sagte nachdrucksvoll der Indianer.

»Alles eine Halunkenrasse, zum Aufhängen jederzeit reif. Lassen Sie Alarm schlagen, Sergeant,« kommandierte der heißblütige und jetzt zornige Südstaatenmann.

Alsbald ertönte die Trommel und in kurzer Frist stand die ganze Besatzung kriegsmäßig ausgerüstet in Front inmitten des Forts.

Kapitän Davis musterte die Leute rasch, sonderte die Hälfte ab und befahl seinem Leutnant, das Kommando im Fort zu übernehmen, während er mit dreißig Mann hinauszuziehen beabsichtige, um den Spitzbuben nachzusetzen.

»Lassen Sie die Leute Proviant und Munition fassen, Sergeant, in zehn Minuten marschieren mir aus.«

Er ging nach seiner Wohnung, um auch sich für den Zug zu rüsten, und erschien nach einigen Minuten wieder.

»Höre einmal, Pottawatomie, wie dein stolzer Nationaltitel lautet, du kannst mitkommen, du hast eine indianische Spürnase und wenn du mir hilfst, die Burschen zu finden, sollst du fünf Dollar haben.«

Der Indianer, der den Wert des Geldes recht gut kannte, grinste vor Vergnügen, erklärte seine Bereitwilligkeit, mitzugehen und nach Kräften Dienst zu leisten.

Die Hälfte der Besatzung, unter ihr auch der Sergeant, zog zum Tor hinaus und nahm ihren Weg zu dem im nahen Walde gelegenen Pferch.

Hier befahl Kapitän Davis Halt und rief den Pottawatomie an.

»Komm mit, besieh dir einmal die Sache und schaue gut nach Fußspuren aus.«

Er betrat den Pferch in Begleitung des Indianers, und dessen scharfem Auge zeigten sich bald die Eindrücke von mit Mokassins bekleideten Füßen.

»Also natürlich Landsleute von dir? Nicht wahr?«

»Indianer, ja, aber nicht Pottawatomie.«

Da wo die Fenz gebrochen war, führten die Spuren der Kühe in den Wald.

Kapitän Davis teilte jetzt seine kleine Schar in drei Teile und befahl, daß, während er mit zehn Mann und dem Indianer der Spur folgte, die beiden andern Abteilungen die Seeufer rechts und links absuchen und jedes menschliche Wesen, ob rot oder weiß, verhaften und nach dem Fort bringen sollten.

Hierauf zogen unter zwei Sergeanten zwei Abteilungen rechts und links ab.

Kapitän Davis, welcher mit seinen zehn Mann zurückgeblieben war, sagte jetzt zu dem Indianer: »Willst du also deine fünf Dollar verdienen, Rothaut, so mache dich ans Werk und ermittle mir, wer den Diebstahl begangen hat.«

Willig ging der Indianer auf der leicht erkennbaren Spur der Kühe einher. Der Kapitän und seine Soldaten folgten.

Nach einigen hundert Schritten, während sie ein Stück sumpfigen Bodens überschritten, bückte sich der Pottawatomie und hob einen beschmutzten und im Schlamm stecken gebliebenen Mokassin empor. Er untersuchte ihn einen Augenblick und hielt ihn dann dem Offizier entgegen, indem er sagte: »Ottawa!«

»So, also die Myrmidonen des Herrn Peschewa hatten Rindfleisch nötig? Nun, bei Jove, sie sollen es büßen. Nicht nur, daß sie unter unsern Augen uns die paar Rehe und Hirsche noch wegschießen, so daß man meilenweit laufen muß, um nur eine Hirschfährte zu sehen, sie stehlen uns auch noch unsre Kühe? Ich will ihnen das für immer verleiden!«

Die deutlich ausgeprägte Fährte führte bald nach dem Gestade des östlichen Seeufers. Dicht am Wasser fanden sie eine Stelle, auf welcher die Kühe geschlachtet waren. Häute, Eingeweide und fast sämtliche Knochen, denen das Fleisch sorgfältig abgeschält war, fanden sich vor, und weitere Nachforschungen ergaben, daß die Beute in Kanoes über den See fortgeschafft worden war.

Drei Kühe wurden vermißt, aber nur die Ueberreste von zweien hier gefunden.

Mit bitterem Ärger betrachtete Kapitän Davis den Schlachtplatz und befahl, umzukehren und den Rückmarsch zum Fort anzutreten.

Während sie am Ufer des Sees entlang gingen, der Indianer einige hundert Schritte voran, machte sein Ruf den Offizier und seine Mannschaften stehen. Ein Blick auf den See zeigte dem Kapitän ein mit zwei Männern besetztes Kanoe, welches eifrig nach dem gegenüberliegenden Ufer zustrebte.

»Legt an!« kommandierte Davis.

»Halt da, oder ich lasse Feuer geben!«

Die beiden Männer ruderten weiter.

»Feuer!« Und zehn Musketen entluden sich krachend. Den Insassen des Kanoes schien kein Leid widerfahren zu sein, doch hatten die eilig gezielten Schüsse das Fahrzeug wiederholentlich durchbohrt und eine Ruderschaufel zersplittert.

»Augenblicklich zurück ans Land, oder ich gebe euch die zweite Salve!«

Die beiden Männer, welche in dem Boote saßen, flüsterten einen Augenblick miteinander, dann kehrte der, welcher das noch brauchbare Ruder führte, den Kahn um und ruderte langsam nach dem östlichen Ufer zurück, an das Kapitän Davis mit seinen Soldaten getreten war.

»Was heißt das, Herr,« rief eine zornige Stimme aus dem Boote, »daß Ihr auf uns schießt, als ob wir wilde Tiere wären?«

»Kommt einmal ans Land, meine Burschen, dann wollen wir weiter reden.«

Die zwei Männer, welche die Tracht trugen, die allgemein in diesen Wäldern getragen wurde, traten ans Ufer. Auf einen Wink des Offiziers wurden ihnen die Büchsen genommen.

»Und was nun?« fragte trotzig der, der schon eben aus dem Boote den Kapitän angerufen hatte, eine hohe, kräftige, wild aussehende Gestalt, während die andre untersetzt und breitschultrig daneben stand.

»Was nun? Möchte euch einmal ansehen, Männer! Betrachte Leute immer gern in der Nähe, welche dem Anrufe eines Staatenoffiziers nicht folgen, und sich lieber Kugeln um die Ohren sausen lassen. Wie heißt Ihr denn. Mann?« wandte er sich an den Großen, »woher kommt Ihr und was sucht Ihr hier?«

»Leicht zu beantworten, Herr, heiße Harper, wohne am Grand Traverse und bin mit meinem Nachbar Miller auf der Jagd hierher geraten. Sind auf dem Heimweg begriffen.«

»So? Verwünscht weit hier vom Grand Traverse. Wißt wohl nicht. Mann, daß Ihr hier in der Nähe des Forts nicht jagen dürft? Wie?«

»Haben das Fort gar nicht gesehen.«

»Wäret sonst einige Meilen davon entfernt geblieben, denk' ich, he?«

»Ich weiß nicht, Herr, was Ihr wollt. Wie kommt Ihr dazu, freie Bürger so zu vergewaltigen. Kann Euch teuer zu stehen kommen, kalkuliere ich.«

»Ich kalkuliere anders. Mann, kalkuliere, habe das Recht, mir verdächtige Gesellen in der Umgebung des Forts anzusehen.«

»Verdächtige Gesellen? Herr!«

»Seht einmal ein wenig nach, Leute, was in dem Kanoe sich vorfindet.«

Zwei Soldaten untersuchten dasselbe, fanden aber nur zwei wollene Decken, Pulverhörner, etwas gebratenes Rehfleisch und andre, dem Jäger im Walde unentbehrliche Dinge.

»Wie kommt ihr denn zu dem Kanoe, Gentlemen?«

Der Große, der sich Harper genannt hatte, sagte: »Wir jagen öfter hier und hatten das Boot hier versteckt.«

»So nahe am Fort? Und jagt öfters hier? Und wußtet doch nichts von dem Fort? Ei, ei!«

Die beiden Männer wechselten einen Blick.

»Will euch was sagen, Gentlemen, muß euch das Fort doch zeigen, damit ihr es kennen lernt, erweist mir deshalb die Ehre, mich zu begleiten.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als der größere der beiden einen Zischlaut ausstieß, worauf die bisher ruhig dastehenden Männer rechts und links die nächsten der umstehenden Soldaten faßten, sie zur Seite schleuderten, wobei der Große noch einem der Leute das Gewehr entriß, und mit großer Schnelligkeit in den Wald sprangen.

Der Kapitän wie die Soldaten waren von diesem unerwarteten Angriff der waffenlosen Männer so verblüfft, daß sie im Augenblick unfähig waren, Gegenmaßregeln zu treffen, nur der Indianer, welcher etwas abseits stand, besaß Geistesgegenwart genug, hinter ihnen her zu feuern, doch bei den dicht stehenden Bäumen vergeblich.

»Feuer!« schrie der wütende Offizier.

Die Soldaten schossen den Flüchtlingen nach, doch augenscheinlich mit demselben Erfolg, wie der Indianer.

»Ihnen nach!« befahl Davis, »soll ich mich auch von diesen Schurken noch verhöhnen lassen? Vorwärts, Pottawatomie, zeige, was du kannst und nimm die Fährte dieser Bursche auf. Ich muß sie haben, koste es, was es wolle.«

Gehorsam setzte sich der Läufer an die Spitze des Zuges und führte Davis und seine Schar rasch auf der Spur weiter.

Die flüchtigen Männer hatten mit großer Schnelligkeit den Wald durchmessen und sicher bereits einen weiten Vorsprung vor den Soldaten, die ihnen nicht gleich rasch zu folgen vermochten, gewonnen. Der leichtfüßige Indianer mußte oft seinen Schritt mäßigen, um sie herankommen zu lassen.

Nachdem sie etwa drei Meilen zurückgelegt hatten, standen sie am Ufer eines mit Schilf umsäumten seichten Baches, in welchen die Verfolgten hineingegangen waren.

Hier war guter Rat teuer, denn es erforderte jetzt eine zeitraubende Untersuchung, um zu ermitteln, wo sie den Bach wieder verlassen hatten. Der Kapitän war walderfahren genug, um dies einzusehen und wußte auch, daß er es hier mit zwei verwegenen und geschickten Gesellen zu tun habe. Außer dem Indianer war auch niemand von ihnen wohl geeignet, um eine solche Verfolgung mit Aussicht auf Erfolg fortzusetzen.

Er überlegte einen Augenblick und gab sich dann zähneknirschend darein, das Nachsetzen aufzugeben.

»Willst du folgen, Indianer? Du sollst für jeden Skalp der beiden zehn Dollar haben. Schieß die Hunde nieder, wenn sie dir nicht gutwillig folgen. Jedenfalls bringe mir Nachricht ins Fort.«

Des Indianers Augen funkelten vor Mordlust, als er seine Bereitwilligkeit, die Verfolgung fortzusetzen, zu erkennen gab, und verschwand augenblicklich im Walde.

Davis mit seinen Soldaten machte einen Augenblick Rast. Er brütete finster vor sich hin und die Soldaten wagten deshalb keinen Laut von sich zu geben. Nicht fünf Minuten waren verflossen, als der Pottawatomie wieder erschien.

»Nun?« fragte der hierüber erstaunte Offizier.

»Ottawa!« flüsterte der leise.

»Wo?«

»Dort.« Der Indianer deutete die Richtung an.

»Wieviel?«

»So viel,« und der Läufer hob drei Finger.

»Dann vorwärts, entgehen uns jene Spitzbuben, bekommen mir doch vielleicht einige von den Kuhdieben.«

Er rief drei von seinen Leuten an sich, welche am geschicktesten waren, sich heranzuschleichen und befahl den andern, langsam zu folgen.

Mit äußerster Vorsicht bewegten sie sich durch die Büsche.

Nach einer Weile blieb der Indianer stehen und machte den Offizier auf eine Öffnung im Laube aufmerksam, durch welche man in etwa fünfzig Schritt Entfernung ein hellbrennendes Feuer erkennen konnte, um welches drei Indianer gelagert waren. Die Leute mußten sich in voller Sicherheit wähnen, denn sie führten eine so lebhafte Unterhaltung, daß die Lauscher ihre Stimmen deutlich vernahmen.

»Gehen näher,« sagte der Pottawatomie, »Büchsen stehen an Baum, ich sie fortnehmen, dann haben.«

Von neuem bewegten sie sich möglichst geräuschlos vorwärts. Die Stimme der Redenden übertönte wohl ihrem Ohre das Nahen des Kapitäns. Auf etwa zwanzig Schritt herangekommen, zeigte der Pottawatomie dem Offizier den Baum, an welchem die Büchsen der Leute lehnten, und machte ihm durch Gebärden deutlich, daß er diese in seine Gewalt bringen wolle, und daß er dann handeln möge.

Gleich einer Schlange schlich er davon. Davis winkte seinen Soldaten, sich in Anschlag zu legen.

Plötzlich erhob einer der roten Männer das Haupt, die andern schwiegen, als auch schon der Pottawatomie hinter dem Baume hervortrat und die Büchse schußfertig in der Hand sich vor die Waffen der Lagernden stellte.

Blitzschnell sprangen die Indianer empor, als auch schon Davis rief: »Im Namen des Gesetzes, steht oder ich schieße,« und rasch vorwärts eilte, gefolgt von seinen Soldaten.

Im Augenblick waren die entwaffneten Leute von drohenden Augen und auf sie gerichteten Musketen umringt.

Die Indianer standen ganz ruhig, wie es schien mehr erstaunt als erschreckt.

»Wer seid ihr? Was sucht ihr hier?« herrschte sie Davis an.

Einer derselben, eine hohe muskulöse Gestalt, aus dessen finsterm Gesicht sich ein Paar dunkle Augen drohend auf den Offizier richteten, antwortete in ganz verständlichem Englisch: »Ist es den Kindern der Ottawas verwehrt, in diesen Wäldern zu weilen, daß ein Offizier der Staaten mit der Waffe drohend vor ihnen steht?«

»Was sucht ihr hier? Sowie einer eine Bewegung macht, schießt ihn nieder,« rief er den Soldaten zu.

»Wir kehren von einem Jagdzug nach unsern Dörfern zurück.«

»So? Wo ist denn die Beute?«

Außer einigen Stücken Fleisch, welche auf Blättern am Feuer lagen und wahrscheinlich an demselben gebraten waren, sah man keine Jagdbeute.

»Meine jungen Männer sind auf dem Wege zu unsern Wigwams damit.«

»Was du sagst, Indianer, und unterwegs heißen sie auch noch meine Kühe mitgehen? Aber das sollt ihr teuer büßen, ihr roten Halunken.«

»Bindet sie. Ihr sollt mir nicht entwischen wie die andern Banditen.«

Auf einen gebieterischen Blick dessen, der geredet hatte, verhielten sich die beiden andern ruhig, während er selbst sagte: »Ich bin Peschewa, das Haupt der Ottawas. Warum willst du mich binden? Wünschest du, daß ich dir zum Fort folge, so soll es geschehen.«

»Ja, das wünsche ich, Mann, Peschewa oder wie du Bursche heißest, aber damit du mir nicht in die Büsche springst, will ich dich fesseln.«

»Du tust unrecht,« sagte Peschewa mit immer gleicher Ruhe, obgleich aus seinen Augen ein verzehrendes Feuer leuchtete, »mich zu binden, ich weile friedlich hier, und werde ruhig mit dir gehen. Bindest du mich, werde ich mich bei dem großen Vater in Washington beschweren.«

»Haha,« lachte der Offizier laut auf. »Beschwere dich, rotes Fell, vorher aber will ich dir und den Deinen die Lust verleiden, meine Kühe zu stehlen.«

Die Indianer ließen sich ruhig von den Soldaten die Hände binden, Peschewa mit einer Haltung von solcher Würde, daß sie jeden Fürsten geziert haben würde, dabei einen Zug von Verachtung in seinem Gesicht zeigend, der den Offizier aufs äußerste erbitterte.

Kapitän Davis war kein übler Mensch, aber er war heißblütig, etwas galliger Natur und besaß die ganze Verachtung des Südstaatenmannes gegen farbige Leute, gleichviel, ob es Neger, Mulatten oder indianische Häuptlinge waren.

Auf seinen Befehl wurde der Rückmarsch nach dem Fort angetreten, während der Pottawatomie die Verfolgung der entsprungenen Männer aufnahm, und in den Büschen verschwand.

Die Soldaten, welche die Büchsen der drei Indianer an sich genommen hatten, führten die in finsterem Schweigen einhergehenden roten Männer in raschem Schritt nach dem Fort, welches sie nach drei Stunden erreichten.

Die beiden andern Abteilungen, welche die Ufer des Sees abgesucht hatten, waren bereits eingetroffen. Der Sergeant meldete, daß er die Stelle gefunden, wo die dritte Kuh geschlachtet worden war.

Dies ärgerte den Kapitän, der sich, da er nur die Überreste von zwei Kühen angetroffen hatte, der stillen Hoffnung hingab, daß diese letzte Milchspenderin den Räubern entgangen sei, noch mehr. Auch der finstere, hochmütige Trotz der drei gebundenen Männer, welche ihre Erniedrigung mit schweigender Würde ertrugen, reizte ihn.

Er ließ sich einen Stuhl ins Freie tragen, setzte sich und befahl, die Indianer vor ihn zu führen.

»Wo sind unsre Kühe?« fragte er, als die drei Männer vor ihm standen.

»Ich weiß nichts von deinen Kühen. Peschewa stiehlt keine Kühe.«

»Na, mein roter Prinz, so ganz zweifelsfrei wird das wohl nicht sein. Wenn du jetzt nicht gestehst, Indianer, wo die Kühe hingekommen sind und wer sie gestohlen hat, so lass' ich euch Hunde bis aufs Blut peitschen, so daß ihr die Striemen mit ins Grab nehmen sollt.«

Mit einem Blick unsäglichen wilden Stolzes entgegnete ihm der Ottawahäuptling: »Du wirst nicht wagen, Peschewa zu peitschen, kleiner Yankeehäuptling.«

»Meinst du, roter Spitzbube,« entgegnete der Offizier, den die offenbare Verachtung und der Hochmut des halbnackten Indianers immer mehr in galligen Zorn versetzte, »meinst du, ich würde es nicht wagen? Du sollst gleich erfahren, wie viel ich euch Gesindel gegenüber wage. Bindet die Kerle an die Pfosten dort und holt Peitschen herbei, ich will ein Exempel statuieren und diesen Schuften für immer den Appetit nach meinen Kühen verleiden.«

Mit einem Nachdruck, der etwas Hoheitsvolles an sich hatte, sagte der Ottawa: »Ich bin Peschewa, das Haupt des großen Ottawavolkes.«

»Meinetwegen der großmächtige Großmogul!«

Die Indianer wurden, wie Davis befohlen hatte, an die von ihm bezeichneten Pfosten gebunden und einige Soldaten holten schwere Peitschen herbei.

Der jüngere Offizier des Platzes nahte sich dem Kommandanten und sagte, an den Hut greifend: »Gestatten der Herr Kapitän eine Bemerkung?«

»Immer zu, Herr Leutnant.«

»Soweit ich die Indianer kenne, wird eine solche Züchtigung eine tiefe Erbitterung unter ihnen hervorrufen, zumal da, wie ich höre, der eine der Männer der Häuptling Peschewa ist.«

»Nun, was bedeutet das, wenn das rote Gesindel erbittert ist,« sagte der Südstaatenmann mit dem Ausdruck äußerster Geringschätzung.

»Ich möchte mir doch in diesem Falle anzuraten erlauben –«

»Danke sehr, Mister Sounders, wenn ich Ihres Rates bedarf, werde ich mir ihn erbitten.«

Der jüngere Offizier, welcher besser als sein Vorgesetzter die Indianer und die Folgen kannte, welche aus einem solchen Vorgehen erwachsen konnten, fuhr trotz der ihm zu teil gewordenen Abfertigung fort: »Ich bitte wenigstens die Exekution zu verschieben – bis –«

»Kommandieren Sie hier oder ich?« fuhr ihn Davis an, worauf Mister Sounders schwieg. Auch der alte Sergeant, welcher mit besorgtem Gesicht sich seinem Chef genaht hatte, um augenscheinlich ebenfalls Vorstellungen zu machen, zog sich, die Stimmung des Kapitäns gewahrend, wieder zurück.

Die Peitschen waren gebracht.

»Kommandieren Sie einmal ein paar kräftige Leute zur Exekution, Sergeant!«

Es geschah, und neben jedem der Indianer stand ein Mann mit der Peitsche.

»Mit solchem Gesindel soll man auch noch Umstände machen. Wollt ihr jetzt gestehen, wer die Kühe gestohlen hat?«

Die Indianer, unbeweglich, mit ehernen Gesichtszügen an den Pfosten stehend, antworteten nicht.

»Drauf, Leute, und haut fest zu!« schrie Davis.

Die ersten Hiebe fielen.

Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des Häuptlings. Es war kein durch Körperschmerz erpreßter Laut, dieser Seufzer. Als vielleicht ein Dutzend Hiebe gefallen waren, schon färbte das Blut der Indianer die Fetzen ihrer Jagdhemden, fragte Davis: »Wollt ihr jetzt gestehen?«

Keine Antwort.

»Nun dann vorwärts, zählt ihnen die fünfundzwanzig auf und dann laßt die Hunde laufen, damit sie zu Hause erzählen, wie man im Fort Jackson Kuhdiebe behandelt.«

Von neuem sausten die Peitschen hernieder, bis jeder der Indianer fünfundzwanzig Hiebe empfangen hatte.

Dann befahl der Kapitän, sie loszubinden, nach ihren Wunden zu sehen und zum Fort hinauszulassen.

Die Indianer hatten nicht einen Laut von sich gegeben, nicht eine Bewegung des Schmerzes veränderte ihre finsteren Gesichtszüge während der Exekution.

Dies machte Davis, der zum erstenmal Indianer in solcher Situation sah, und an das Schmerzensgeheul der Neger, welche Prügel erhielten, gewöhnt war, doch betroffen.

Der Chirurg sah nach den Rücken der Geschlagenen, und wandte die ihm zu Gebote stehenden Linderungs- und Heilmittel an.

»Na, dann kommt, Leute,« sagte der Sergeant, als dies beendet war, und winkte ihnen nach dem Tore hin.

»Erhalten wir nicht unsre Büchsen zurück?« fragte Peschewa.

»Nein,« rief Davis, »die bleiben als Ersatz für die gestohlenen Kühe hier.«

Hierauf gingen die drei Indianer langsam und würdevoll zum Tore hinaus, welches der Sergeant hinter ihnen schloß.

»Wenn das gut geht,« murmelte der erfahrene Grenzkrieger, »so kenne ich die indianische Natur nicht. Wäre ich der Kapitän, bekäme mich seit dieser Stunde kein Mensch außerhalb der Wälle zu sehen.«

Hätte der Kapitän den Blick furchtbarsten Hasses sehen können, welchen der Häuptling der Ottawas vom Walde nach dem Fort zurücksandte, so wären ihm über die Folgen der von ihm verhängten Exekution doch wohl allerlei Bedenken aufgestiegen.

Noch am Abend kehrte der Pottawatomie mit einer Wunde am Beine in das Fort zurück. Er war in hitzigem Nachsetzen in einen Hinterhalt gefallen und durfte es nur der Eile, mit welcher die verfolgten Männer ihren Weg fortsetzten, danken, daß er mit dem Leben davongekommen war.

Es begab sich dies etwa vier Wochen früher, als unsre Freunde auf der Reservation der Ottawas erschienen.


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