Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.

Vor dem Sturme.

Langsam stieg endlich der junge Tag herauf, grau und farblos. Im Fort war alles ruhig und auch die Wälder lagen ringsum schweigend da. Kein Lüftchen regte sich, kein Laut war zu hören.

Die leichten Wolken im fernen Ost röteten sich, stärker und feuriger ward ihr Glanz und endlich sandte der glühende Feuerball seine ersten Strahlen über die Wälder und hüllte die Wipfel der Bäume in Gold.

Sie trafen die Flagge der Vereinigten Staaten, welche von keinem Lufthauch bewegt von der auf dem Offiziershause befestigten Stange schlaff herabhing, dann spiegelten sie sich in den Scherben der zum größten Teil zerbrochenen Fensterscheiben und fielen in das Zimmer, in welchem die Männer noch schliefen.

Höher stieg der Sonnenball und sandte seine Strahlen auf die stillen Toten nieder, welche im Fort ihren letzten Schlaf schliefen.

In feurigem Widerscheine erglänzte endlich der spiegelglatte, klare See, der wie alles ringsumher so ruhig und friedlich dalag, als habe nie die mörderische Hand eines Menschen sich gegen den Bruder erhoben, als hätten seine Ufer und die Wälder, welche ihn umsäumten, nie das Kriegsgeheul indianischer Horden widergehallt, sei die Stille nie durch den Knall der tödlichen Waffen unterbrochen worden.

Athoree trat mit leisem Schritt in das Zimmer, welches unsre Freunde beherbergte, und berührte leicht Johnsons Schulter.

Augenblicklich schlug dieser die Augen auf und fragte: »Was gibt's?« indem er gleichzeitig nach der neben ihm liegenden Büchse griff.

»Jetzt der tote Mann und Sumach wachen, Athoree schlafen,« sagte dieser leise, um die Ruhenden nicht zu stören.

»Recht, Häuptling, du hast genug getan.«

Er erhob sich, um hinauszugehen, als auch Graf Edgar aus seinem unruhigen Schlummer, der von milden Träumen gestört war, erwachte.

»Ist etwas vorgefallen?« fragte er hastig, als er die beiden Männer vor sich stehen sah.

»Nichts, Sir, wir lösen uns nur ab, der Indianer und ich. Die Nacht ist ruhig verlaufen, Athoree? Nicht so?«

»Ottawa schlafen, nichts sehen, nichts hören.«

Der Graf stand auf.

»Ich will Sie begleiten, Johnson.«

Er nahm seine Büchse und ging mit ihm hinaus, während Athoree sich in einem kleinen Nebengemache zum Schlafe niederlegte.

Sie traten hinaus in den balsamischen Morgen.

Was die Nacht mit ihrem dichten Schleier liebreich verborgen hatte, zeigte nunmehr der Strahl der goldnen Sonne in seiner schrecklichsten Gestalt.

Ein Grausen überlief den jungen Offizier, der doch an den Anblick der Schlachtfelder gewöhnt war, als er jetzt im Tagesscheine sah, wie Beil und Messer der Wilden hier gewütet hatten.

Ringsum lagen die Toten zerstreut, und starre Augen richteten sich aus schmerzverzerrten Gesichtern gen Himmel. Der Boden war mit Blutlachen bedeckt.

Sie gingen umher und ließen ihre Blicke über die entsetzlichen Gruppen schweifen, über Leichname, welche von dem Skalpiermesser der Wilden entstellt waren. In dem als Kaserne dienenden Blockhause hatten sich die Krieger tapfer gewehrt, ehe sie gefallen waren, das sah man an den blutgeröteten Bajonetts der Gewehre, welche die toten Hände noch fest umklammert hielten. Sie schritten weiter und erblickten nun auch die Leichen der Indianer, welche ihre Gefährten am Wall in sitzender Stellung zurückgelassen hatten. Sie waren alle mit Bajonettstichen durchbohrt.

»Sie haben sich verteidigt, die Männer,« sagte der Graf, als er die toten Ottawas gewahrte. »Wie war es nur möglich, Johnson, ein so gut besetztes kleines Festungswerk zu überraschen, daß mit Ausnahme des Sergeanten und seiner wackeren Frau auch nicht ein Lebender von diesem Schreckenstage erzählen kann?«

»Wie die Roten das vollbracht haben, den Kommandanten und seine Mannschaft in solch völlige Sicherheit einzulullen, kann ich mir nicht erklären, denn es ist ihnen verboten, mit Büchsen ins Fort zu kommen, auch wird unter keinen Umständen eine größere Anzahl eingelassen, doch ist der Indianer der schlaueste und verräterischste Krieger, den es geben kann.«

»Und was kann dieser Ueberfall, diese Mordtat, denn weiter ist es doch nichts, bezwecken? Die Wilden wissen doch, wie ich gehört habe, wie furchtbar die Regierung sie zu züchtigen im stande ist. Ihre einsichtsvolleren Männer müssen sich doch sagen, daß sie es nimmer mit den Weißen aufnehmen können.«

»Ich stehe hier vor einem Rätsel. Doch ist der Indianer so unberechenbar, daß ein kleiner Anlaß ihn zu der unbändigen Wut treiben kann, deren traurige Resultate wir hier vor uns sehen.«

Sie gingen auf den Wall hinauf, blickten über den friedlichen See, der im Morgensonnenschein vor ihnen lag, und dann auf die Toten hinunter, welche auf der Plattform am Wasser ruhten.

Johnson zeigte auf Davis' Leiche und sagte: »Das ist der Kommandant dort. Wenn, wie der Indianer wohl ganz richtig vermutet, der Angriff hier vom Wasser aus erfolgt ist, worauf auch die zahlreichen Kanoes schließen lassen, so ist der Kapitän wahrscheinlich gleich anfangs gefallen.«

Mit einer stillen Rührung betrachtete Edgar den Leichnam des unter Mörderhand gefallenen Kameraden, der an Jahren ihm ungefähr gleichstehen mußte.

»Was beginnen wir mit den Leichen, Johnson?«

»Werden sie wohl begraben müssen, Herr, wird nicht angehen, sie so liegen zu lassen.«

»Natürlich nicht, wollen uns hernach ans Werk machen. Hätte nicht geglaubt, auch hier im fernen Amerika solch traurige Handlung vornehmen zu müssen.«

Sie gingen auf dem Walle weiter.

»O,« äußerte der Graf überrascht, »ich sehe mit Vergnügen, daß der Platz auch Geschütz führt.« Und er betrachtete den bronzenen Vierpfünder, welcher ihm unter einem Bretterschutz bis jetzt entgangen war.

Es war ein Hinterlader neuester Konstruktion.

Er blickte dann auf den einsam vor ihm liegenden See hinaus und sagte nach einer Weile: »Dürfen wir annehmen, daß die Wilden abgezogen sind?«

Johnson wies auf die Wälder hüben und drüben: »Von allen Seiten bewachen das Fort scharfe Augen, Herr. Schon diese,« und er deutete mit der Hand auf die Leichen der Indianer, »würden ihre Stammesgenossen veranlassen, zurückzukommen.«

»Können Sie sich nach dem, was wir hier gesehen haben, ein Bild machen, wie stark die Angreifer etwa gewesen sind?«

»Das ist schwer zu sagen. Doch muß die Zahl derer, welche ein Fort mit sechzig Mann Besatzung anzugreifen wagen, nicht klein gewesen sein.«

»Und wie erklären Sie sich es, daß wir bei unsrer Ankunft das Fort ganz verlassen fanden?«

»Habe schon darüber hin und her gedacht, Herr, muß eine plötzliche und unerwartete Veranlassung gewesen sein, welche die Wilden nach vollbrachter Tat zum Fort hinauslockte. Das geht daraus hervor, daß sie die Leichen der Ihrigen hier zurückließen, ebenso aber auch ihre Absicht, hierher zurückzukehren.«

»Doch die Angreifer von gestern abend schienen mir nicht zahlreich zu sein.«

»Nein, das waren sie nicht, aber es ist denkbar, daß eine kleinere Schar der Indianer, im Begriff zurückzukehren, durch unsern Anmarsch überrascht wurde, während der Haupttrupp noch entfernt war. Jetzt werden sie wohl sämtlich in den Wäldern versammelt sein.«

»Glauben Sie, daß wir einen Angriff zu gewärtigen haben?«

»So sicher, wie dort die Sonne scheint.«

»Und wie denken Sie sich den?«

»Vergeblich ist's, darüber nachzusinnen. An ein Ersteigen der Pallisaden ohne lange Leitern ist nicht zu denken, und diese zu fertigen, dürften sie weder die Mittel, noch die Geschicklichkeit besitzen, auch wäre ein solcher Sturm unter unsern Büchsen immer noch eine gefährliche Sache! Der Wilde setzt sein Leben nur dann direkt in Gefahr, wenn die indianische Tollwut ihn überkommt, sonst ficht er aus dem Hinterhalte und sichert seine Glieder möglichst vor feindlichen Geschossen. Feuer anzuwenden scheint bei der starken Balkenbedachung nicht tunlich. Daß sie etwas gegen uns unternehmen werden, ist sicher, aber wann und wie sie ihren Angriff ausführen meiden, weiß nur der droben. Wir müssen die Augen offen halten und auf jede indianische List gefaßt sein.«

»Glauben Sie, daß wir länger hier festgehalten werden können?«

»Die Wilden gehen nicht von dannen, bis sie entweder das Fort mit seinen Schätzen an Waffen und Pulver nebst unsern Skalpen haben, oder durch Gewalt zum Abzug genötigt werden.«

Dem Grafen schoß der Gedanke an den beabsichtigten Garnisonswechsel durch den Kopf. Konnten nicht die ablösenden Truppen im Anmarsch sein? Und der Oberst und Miß Frances?

»Der Offizier, den wir gestern abend hereinholten, muß während des Ueberfalls außerhalb des Forts gewesen sein.«

»Wahrscheinlich genug. Möglich, daß ein Teil der Besatzung draußen überfallen worden ist, das würde vielleicht auch den Abzug der Wilden erklären.«

Der Graf schwieg in ernstem Nachdenken.

Sie gingen weiter und blickten nach allen Richtungen durch die Schießscharten, ohne das mindeste Verdächtige zu bemerken. An den gestrigen Kampf erinnerte nur das tote Maultier.

Die Ecken des in quadratischen Formen errichteten Walles hatten Vorsprünge, welche, mit eichenen Balken geschützt, Schießscharten zeigten, durch welche die Längsseite des Walles bestrichen werden konnte.

Der ziemlich breite Graben war wohl zehn Fuß tief, und die eingerammten starken Pallisaden, welche außerdem noch mit eisernen Klammern untereinander verbunden waren, ragten ebenso hoch über den Wall empor.

Das Fort war bei einigermaßen zahlreicher Besatzung fest genug, auch starken indianischen Horden und selbst europäischen Kriegern, welche kein Geschütz zur Verfügung hatten, energischen Widerstand zu leisten. Ein entschlossener Feind von solcher Uebermacht, als die Indianer augenscheinlich hatten, konnte mit Hilfe von Leitern und Aufopferung einiger Mannschaft ein Fort natürlich leicht stürmen, welches nur fünf Männer zur Verteidigung hatte. Dann waren sie rettungslos dem Skalpiermesser verfallen.

»Halten Sie es für möglich, daß uns die Garnison eines andern Forts zu Hilfe kommen kann, denn so lange kann diese blutige Tat doch nicht verborgen bleiben?«

»Die Verbindungen zwischen dem Fort und den andern Befestigungen hier im Norden ist eine so unregelmäßige, der Verkehr mit der Außenwelt so gering, daß Wochen vergehen können, bis die Nachricht von diesem Ueberfall in die Ansiedelungen oder zu den andern Kommandanten gelangt. Auch werden die Indianer natürlich, solange sie hier lauern, jeden abfangen, von dem sie erwarten können, daß er die Kunde davon vorzeitig weiter trägt.«

»Sie halten es also für unmöglich, eine Botschaft von hier abzusenden?«

»Für unmöglich nicht. Der Wyandot wäre schon der Mann dazu, aber schwierig ist es dennoch, auch vergeht Zeit darüber. Denn selbst Athoree würde mit seinen indianischen Beinen Fort Jefferson, wo die nächste Besatzung liegt, vielleicht in zwei Tagen erreichen, die Truppen aber mindestens drei brauchen, um hierher zu gelangen, wenn der Kommandant überhaupt dort so viel Mann abzuschicken vermag, als hier nötig wären, um uns zu entsetzen, was sehr fraglich ist. Auch ist der Indianer im Busch ein sehr gefährlicher Feind für reguläre Soldaten. Wir Hinterwäldler nehmen es eher mit ihm auf, wir brauchen dieselbe Kampfweise wie der Rote und handhaben dabei die Büchse besser als er, sind ihm auch an Körperkräften überlegen.«

Den Grafen verließ der Gedanke an Schuyler und Frances nicht.

»Wenn ich nur den Leutnant sprechen könnte, daß er uns einige Aufklärungen gäbe.«

Sie waren auf ihrem Rundgang zu dem Häuschen gekommen, in welchem Sergeant Wood wohnte. Die Sergeantin mußte bereits in der Küche in Tätigkeit sein, denn der Schornstein rauchte.

»Wir wollen einmal nach den Leuten sehen, Johnson.«

Sie stiegen vom Wall herunter, auf welchem schon längere Zeit die alte Sumach herumschlich und von Zeit zu Zeit durch die Schießscharten lugte, und klopften an die Türe der Wohnung.

Die Frau öffnete; sie sah totenbleich aus.

»Ist es schlimmer mit Ihrem Manne, Frau?«

»Nein, Herr, es steht gut mit ihm, er spricht wieder, aber,« und sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, »ich habe im Tageslichte gesehen, wie schrecklich der Herr mit uns ins Gericht gegangen ist. O, es ist furchtbar, furchtbar, ihr Herren.«

Sie traten ins Haus.

Die wackere Soldatenfrau, welcher tote und verwundete Soldaten kein fremder Anblick waren, beruhigte sich bald und sagte, auf ihre Küche deutend: »Ich bin dabei, den Herren Kaffee zu kochen.«

In all ihrem Jammer hatte sie der Bedürfnisse des Tages nicht vergessen.

»Das ist brav, Frau,« sagte Johnson, »wir haben Stärkung nötig. Daran erkennt man die Frau eines Kriegers.«

»Kann man Ihren Mann sprechen?«

»Ja, gehen Sie nur hinein, er ist wieder ganz bei der Besinnung, ich habe ihm auch schon von Ihnen erzählt.«

Sie öffnete das kleine Zimmer und die beiden Männer traten ein.

Der Sergeant lag bleich und matt auf seinem Bett.

»Komme, nach Euch zu sehen, Sergeant,« sagte Johnson, »kennt mich doch?«

»Kenne Euch,« entgegnete der Sergeant mit noch ziemlich kräftiger Stimme.

»Sind zu trauriger Stunde gekommen –«

»Das weiß Gott – das weiß Gott!« Er sah trübe vor sich hin und fuhr dann erregt empor: »Wie steht's draußen? Wie steht's draußen?«

Johnson und der Graf sahen sich an, denn sie mußten nicht, ob die Frau ihm bereits die ganze schreckliche Wahrheit mitgeteilt hatte.

»Sagt's nur. Mann! Sagt's nur? Alle abgeschlachtet, alle?«

»Faßt Euch als alter tapferer Soldat, Sergeant,« entgegnete ihm Edgar, »ich selbst bin preußischer Offizier und habe den Krieg mitgemacht, ich kenne Schlachtfelder, wie Ihr, und kenne den Wechsel des Kriegsglücks –«

»Sagt's heraus, macht's kurz, Herr – alle hin?«

»Ihr seid der einzig Überlebende, den wir im Fort angetroffen haben,« sagte der Graf mit tiefem Ernste.

Der Sergeant richtete die Augen zur Decke empor und aus seinen Augen rollten große Tränen über die Wangen hernieder, während seine Hand krampfhaft an der Decke zupfte.

»O Mörderbande, Mörderbande – und ich bin mit schuld daran,« stöhnte er dann.

Die Männer sahen ihn fragend an.

»Auch ich habe mich von den Hunden täuschen lassen, ein alter, erfahrener Grenzsoldat. Ich hätte sehen müssen, daß es keine Pottawatomies waren, für welche sie sich ausgaben.«

Der fiebernde und erregte Mann erzählte nun den Aufhorchenden, auf welche Weise das Fort in die Hände der Wilden geraten war.

Die raffinierte Schlauheit der Angreifer setzte den Grafen in Staunen.

»Alle hin? Alle hin? Mein armer, lebenslustiger Kapitän – armer Davis. Und der wackre Sounders –?«

»Der lebt, Sergeant, mir haben ihn vor dem Fort gefunden.«

»Gott sei Dank, doch einer noch. Und seine Leute? Seine Leute?«

»Wir wissen von nichts weiter.«

Der Sergeant schwieg erschöpft und fragte erst, nachdem er sich etwas erholt hatte: »Wie kommt ihr hierher? Wie steht's draußen?«

Man gab ihm die gewünschte Aufklärung.

»Haltet 's Fort, Männer! Haltet 's Fort! Die ganze Ottawanation setzt keinen Fuß über den Wall, wenn einige entschlossene Männer ihn verteidigen.«

»Wir wollen unser Bestes tun.« Da der Sergeant augenscheinlich einer Ohnmacht nahe war, fragte Graf Edgar noch rasch:

»Wo befindet sich die Munition für die Geschütze, ich will sie für alle Fälle mit Kartätschen laden.«

Der Sergeant nickte: »Sehe, seid ein Soldat; Frau weiß alles, Schlüssel dort –« Und der gewaltig bewegte Mann sank in Bewußtlosigkeit.

Seine Frau trat zu ihm und nahm seinen schon ergrauten Kopf in den Arm und kühlte die Stirn mit kaltem Wasser. Sie winkte den Männern, zu gehen.

»Ja, Frau,« sagte Edgar, »Ihr habt recht, es war zu viel für ihn, wir wollen uns entfernen.«

»Ich komme gleich hinüber, Herr, und bringe Euch Kaffee und die Schlüssel zum Magazin, laßt mich nur einen Augenblick mit ihm allein.«

Edgar und Johnson gingen und betraten das Zimmer, in welchem Michael noch schlief, während Heinrich sich soeben erhoben hatte. Leutnant Sounders atmete regelmäßig und lag sicher in ruhigem Schlummer.

»Wir werden eine Belagerung aushalten müssen, Heinrich, vielleicht einen Sturm.«

»Lassen Sie die Mörder nur kommen, Herr Graf,« antwortete der unerschrockene Mann, »wollen sie nach preußischer Art empfangen.«

Johnson richtete einen Tisch her, und bald erschien die Sergeantin mit Tassen, einer großen Kanne Kaffee und Soldatenzwieback.

»Wie befindet sich Ihr Mann?«

»Er schläft,« sagte die zitternde Frau, welche durch den Anblick der Leichen von neuem erregt war. Sie setzte ihre Last ab, gab Edgar einen Schlüsselbund, zeigte ihm den Schlüssel zum Waffenmagazin und entfernte sich wieder, nachdem sie noch einen mitleidigen Blick auf Sounders geworfen hatte.

Heinrich rüttelte Michael an der Schulter. »Komm nur, roter Spitzbube,« murmelte dieser, griff noch halb im Schlafe nach seinem Stocke und starrte dann mit weit aufgerissenen Augen ins Zimmer, Er rieb sich die Stirn und allmählich wurde ihm die Situation klar.

»Das ist eine schöne Geschichte, Ew. Gnaden, das wird kein Mensch in Leitrim glauben, wie wir uns herumgehauen haben.«

»Hoffentlich hast du noch Gelegenheit, deine Taten in der Heimat zu erzählen; doch nun komm, wir wollen uns für den Tag stärken, er kann heiß werden.«

»Alles recht, Ew. Gnaden, mag's kommen, wie's will, Michael O'Donnel ist bei allem dabei, sei's bei der Flasche, sei's bei Hieben. Ich werde Ew. Gnaden nicht verlassen.«

Sie setzten sich um den Tisch und die Forderungen der Natur ließen alles Grausen ringsumher vergessen; sie sprachen dem Frühstück wacker zu und Michael O'Donnel stand auch hier seinen Mann. Als sie ihren durch die Anstrengungen des vorigen Tages geschärften Appetit gestillt hatten, sagte der Graf: »Wir müssen auch nach unserm Gefangenen sehen und dürfen ihn nicht verhungern lassen.«

Johnson und Michael begaben sich nun in die Kammer, wo der junge Ottawa gefesselt lag, mit etwas Brot und Fleisch.

Der Ire bewaffnete sich zu diesem Gange wohlweislich mit seinem Stocke. Der Gefangene wurde losgebunden und ihm die Speise geboten, die er auch annahm und gierig verschlang. Michael, den Shillalah zum Hiebe bereit, ließ ihn keinen Augenblick aus den Augen, ebensowenig Johnson.

Als der junge Indianer gegessen hatte, fragte Johnson: »Will uns der junge Ottawakrieger jetzt sagen, warum er mit seinen Brüdern das Fort des großen Vaters in Washington überfallen hat?«

Der Indianer blieb stumm.

»Der Ottawa nicht will reden? Gut, so wird man ihn am Halse aufhängen müssen, bis er tot ist.«

Der Indianer zuckte zusammen und ein Blick wilden Hasses fiel auf die beiden Männer, ein Zeichen, daß er wohl verstanden hatte, was Johnson sagte, aber er schwieg.

»Nun, der Ottawa bereitet sich sein Los selbst, er muß wissen, was er tut.«

Johnson band ihn dann wie vorher und man schloß ihn wieder ein.

Draußen begegneten ihnen schon der Graf und Heinrich.

»Kommt,« sagte Edgar, »wir wollen vor allem das Depot besichtigen und die Geschütze laden.«

Sie gingen hinaus, schritten auf das Magazin, welches Johnson kannte, zu und erschlossen es.

Hier zeigte sich ein reichlicher Vorrat von Waffen und Kriegsmunition, auch die Kartätschenkartuschen fanden sich bald, ebenso Granaten.

»Wir wollen die Geschütze laden, Heinrich, und ebenso die vorhandenen Gewehre.«

»Zu Befehl, Herr Graf.«

»Die letzteren stellen wir dann an den Schießscharten auf und feuern sie gegebenen Falles so rasch als möglich ab.«

Er wiederholte dieses Johnson englisch.

»Ja, das ist gut,« meinte dieser, »das ist gut.«

»Michael muß auch so viel beigebracht werden, daß er ein Gewehr abfeuern kann. Du kannst ihn in die Schule nehmen, Heinrich.«

»Zu Befehl.«

Der Jäger und der Graf nahmen nun einige Geschützmunition, dem hierin unerfahrenen Hinterwäldler und Michael vertrauten sie sie der Gefahr wegen, welche die leicht explodierende Ladung bei unvorsichtiger Handhabung mit sich führte, nicht an, begaben sich nach dem Wall und luden sorgfältig die vier Geschütze mit Kartätschen.

Neugierig sahen Johnson und Michael zu.

»Ew. Gnaden können aber auch alles,« sagte der Ire, als er die geheimnisvollen Manipulationen an dem Hinterlader anstaunte, welcher auch Johnsons großes Interesse erregte, da auch diesem solch neuere Geschützkonstruktion fremd war.

»So, nun holt mir die Gewehre der Leute hierher.« Die drei machten sich ans Werk, trugen die Gewehre der Soldaten auf den Wall und lehnten sie neben den Schießscharten an die Pallisaden. Der Graf holte selbst Patronen aus dem Magazin. Auch wurde für jedes Geschütz noch eine Kartätschenladung herbeigeschafft. Dann machten sich die Männer ans Laden der Gewehre, was einige Arbeit verursachte, da es Vorderlader waren.

Heinrich winkte Michael heran und zeigte ihm, wie man ein Gewehr laden müsse. Der Ire, der in seinem Leben noch keine Flinte geladen oder abgefeuert hatte, begriff es indes rasch und förderte unter Heinrichs Aufsicht die Arbeit wesentlich.

»Jetzt wird meiner Mutter Sohn auch noch schießen lernen, Ew. Gnaden,« sagte er vergnügt, »aber über meinen Shillalah geht doch nichts.«

»Unter Umständen ist er gewiß gut.«

»Welchen Vorteil,« äußerte Heinrich, »sind doch die Hinterlader; Herr Graf, mich wundert, daß man die hier noch nicht hat.«

»Werden wohl schon angefertigt sein und nur auf diesem entlegenen Platze noch fehlen.«

Johnson hatte schon früher mit demselben Interesse wie Grover Heinrichs Mausergewehr angestaunt, und war von der Vorzüglichkeit der Erfindung nicht minder überzeugt als jener.

Als sie ihr Werk vollendet hatten, überblickte der Graf dasselbe und äußerte: »Was wir tun konnten, um uns in verteidigungsfähigen Zustand zu versetzen, das haben wir, wie mir scheint, getan, nun muß Gott das übrige fügen.«

Nachdem sie nun einige Augenblicke gerastet hatten, fuhr er fort: »Nun, Freunde, bleibt uns noch die traurige Arbeit, diese Toten zu bestatten, laßt uns zunächst die Leichen zusammentragen.«

Michael, Heinrich und Johnson schafften mit starken Armen die Toten, welche sich innerhalb der Wälle befanden, in eine Ecke des Forts, während Graf Edgar aus dem Magazin Hacken und Schaufeln herzutrug. Dann öffnete man die nach dem Wasser führende Pforte und trug die Leiche des Kapitäns und dann der andern herein. Dreiundvierzig Tote lagen vor ihnen, als sie jetzt die in dem mörderischen Kampfe Gefallenen zählten.

»Der Kapitän soll allein ruhen, für die andern heben wir ein gemeinschaftliches Grab aus.«

Der Graf untersuchte dann die Kleider des Kapitäns und entnahm ihnen ein Notizbuch, die Uhr und einen kleinen Ring, der an seidener Schnur auf die Brust herabhing. Nicht ohne Wehmut betrachtete er das zarte Erinnerungszeichen, welches der Tote auf seinem Herzen bewahrt hatte.

Er legte alles sorgfältig beiseite.

Es wurde dann Raum abgesteckt für das Grab der Soldaten und dann daneben für das des Kapitäns.

»Ich will meines Kameraden letzte Ruhestatt bereiten, Leute, hebt ihr die Grube für die Soldaten aus.«

Johnson und Michael, an solche Arbeit gewöhnt, handhabten mächtig Hacke und Schaufel, und da der Boden leicht und weich war, wurden die Gräber in nicht allzulanger Frist hergestellt.

Man versenkte die Körper der Soldaten und schaufelte das Grab zu. Ein Gleiches geschah dann mit den sterblichen Ueberresten des Kapitäns.

Als die Grabhügel vollendet waren, nahmen die Männer die Kopfbedeckungen ab und sprachen für sich ein kurzes Gebet.

»Schlaft wohl, Kameraden,« sagte dann laut der Graf, »und Gott tröste eure Hinterbliebenen.«

Damit war die Totenfeier inmitten des einsam in den Urwäldern liegenden, von unversöhnlichen Feinden bedrohten Forts vollendet.

Während des letzten Aktes des Begräbnisses war Athoree aus dem Hause getreten und hatte schweigend zugesehen.

Er trat dann auf Graf Edgar zu, deutete auf die Leichen der Ottawas, welche noch am Walle lagen, und fragte: »Was mit roten Mann tun?«

»Was meinst du, Athoree,« entgegnete der Graf, »sollen sie in derselben Erde mit ihren Schlachtopfern ruhen?«

»Ottawa heulende Hunde, werfen in Wasser, zu gut noch, daß Skalp behalten.«

»Das war meine Meinung auch, der Grund des Sees mag die Mörder aufnehmen.«

Athoree wechselte einige Worte mit seiner Mutter, welche als wachsame Hüterin auf dem Walle umherschlich und von Zeit zu Zeit Umschau hielt, und betrachtete dann die getroffenen Verteidigungsanstalten, äußerte aber nur: »Große Büchse auch geladen?«

»Die Kanonen? Ja, sie sind bereit, Tod und Verderben auszuspeien.«

»Gut.«

Die Wassertür wurde wieder geöffnet und die Leichen der Indianer ohne weiteres jenseits des Sperrbalkens in den See geworfen, wo sie rasch untersanken.

Mehrere Stunden waren so in angestrengter, ernster Arbeit vergangen und die Männer ließen sich jetzt ermüdet neben dem Kommandantenhause an dem Tisch, an dem gestern Davis noch so glücklich und heiter gesessen hatte, nieder. Die Sergeantin kam jetzt unaufgefordert und brachte ihnen Speise und Trank, Pökelfleisch, Schinken, Zwieback, eine Flasche mit Rum und sogar aus dem Vorrat der Offiziere eine Flasche mit Wein.

Edgar dankte ihr und fragte, halb im bitteren Ernste, halb im Scherze: »Wenn wir belagert werden, Frau, so brauchen wir uns wohl wegen Mangel an Nahrungsmitteln nicht zu einer Kapitulation zu entschließen?«

»O nein, Herr, es ist genug für viele Monate von allem da.«

Während die Männer, zwischen ihnen Athoree, dem Frühstück zusprachen, begab sich die Sergeantin ins Haus hinein, um nach dem Leutnant zu sehen.

Als sie zurückkam, sagte sie zum Grafen: »Leutnant Sounders ist wach, Herr, er möchte Sie sprechen.«

Sofort begab sich Graf Edgar ins Haus. Er fand den Verwundeten bei klarem Bewußtsein.

»In welcher Lage, Herr, führt uns das Geschick zusammen,« redete er ihn an, reichte ihm die Hand und nannte ihm Namen und Stand.

»Mir ist immer noch sehr wirr zu Sinne. Sagen Sie mir nur, wie ich hierher komme, was geschehen ist?« ließ sich Sounders mit schwacher Stimme vernehmen.

Vorsichtig teilte der Graf ihm alles mit, was er selbst wußte und erlebt hatte. Sounders, der halb aufgerichtet im Bett saß, verbarg, als in den Worten des Grafen alle Schrecken des vergangenen Tages sich aufrollten, das Haupt in den Händen.

Lange blieb er so, während der Graf, seine Gefühle respektierend, in anteilvollem Schweigen verharrte. Endlich ließ der Verwundete die Hände langsam sinken und sagte mit fast gebrochener Stimme: »Es ist viel schlimmer, als ich geahnt habe.« Dann setzte er hinzu: »Ich selbst war abwesend; als ich die Gewißheit erlangte, daß etwas gegen das Fort geplant werde, kehrte ich schleunigst mit meiner geringen Mannschaft zurück. Nachdem ich erst einige Streifpartien der Roten zurückgeschlagen hatte, wurde ich gegen abend mit starker Uebermacht angegriffen, ich selbst sank bald getroffen und bewußtlos nieder. Als ich erwachte, lag ich im Dunkel der Nacht in einem dichten Busche, der wohl verhindert hat, daß mich die Indianer fanden. Was aus meinen armen Burschen geworden, ob einer oder der andre davongekommen ist, oder alle gefallen sind, ich weiß es nicht. Ich verband meine Wunden so gut ich konnte und schleppte mich taumelnd, fast instinktiv, nach dem Fort; oftmals sank ich auf diesem entsetzlichen Wege zusammen, mich mit aller Energie immer wieder aufraffend, bis ich endlich liegen blieb.«

Edgar sagte ihm, wie er gefunden und gerettet worden sei.

Sounders dankte gerührt.

»Aber wie steht's mit dem Fort?«

Der Graf gab ihm genaue Kunde von allem, was er getan und angeordnet hatte.

»O, es ist gut. Sie sind ein umsichtiger Soldat, Herr.« Er drückte ihm matt die Hand. »Die Hunde werden Sie angreifen – doch« – unterbrach er sich – »mein Gott, mein Gott – der Oberst auf dem Wege hierher? Der Herr sei ihm gnädig, aber die Wilden werden sich wie Wölfe auf die Ahnungslosen werfen – entsetzlich.«

Der Graf erschrak heftig.

»Erwarten Sie Oberst Schuyler so bald?«

»Heute, Sir, heute – mit der neuen Garnison und seiner Tochter.«

»Und seiner Tochter?« Edgar wurde so bleich, da Sounders nicht ohne Erstaunen fragte: »Kennen Sie sie?«

»Ich habe erst kürzlich in Lansing des Obersten und Miß Schuylers Bekanntschaft gemacht. Ja, Sie haben recht –« fügte er mit bebender Stimme hinzu, »ihnen sei Gott gnädig. Und kein Mittel, ihnen Hilfe zu bringen, sie zu warnen?«

»Ich halte es für unmöglich, daß jemand am Tage unbemerkt das Fort verlassen kann, und ohne unsichtbar zu sein, wird keiner, der es versuchte, der Hand der Feinde entgehen.«

»O, armes, armes Mädchen!« murmelte Edgar leise in tiefem Schmerze.

»Ich sehe, Herr Kamerad, Sie sind erschüttert von dem Unglück, das uns betroffen hat und noch ferner droht. Es ist furchtbar, aber ich sehe kein Mittel, den Heranziehenden Hilfe zu bringen oder sie auch nur zu warnen.«

»Und Sie glauben den Oberst schon in der Nähe?«

»Den getroffenen Dispositionen nach kann er unmöglich weit sein.«

»Von welcher Richtung kommen die Truppen heran?«

»Sie marschieren den See entlang und zwar auf dessen östlichem Ufer.«

»Ich werde einige Kanonenschüsse abgeben, vielleicht daß das als Warnungszeichen aufgefaßt wird.«

»Das ist ein guter Gedanke, tun Sie es, es muß den Oberst stutzig machen, wenn er es hört, denn er weiß, daß wir hier keine Munition verschwenden.«

Edgar drückte Sounders noch die Hand und ging rasch hinaus. Die nahe Gefahr, welche den Oberst und dessen Tochter bedrohte, unter dem Messer blutdürstiger Wilden zu fallen, riefen im Grafen fieberhafte Aufregung hervor, welche durch die Unmöglichkeit, sie auch nur zu warnen, noch erhöht wurde.

Er begab sich auf den Wall und rief Athoree zu sich.

»Höre, Häuptling,« er gab ihm jetzt auch öfter diesen Titel, »es ziehen Truppen heran, welche die hiesige Garnison ablösen sollten, glaubst du, daß Peschewa sie überfallen wird?«

»Ich so denken, wenn wissen, es tun, wenn nicht wissen, er vielleicht überfallen werden.«

»Nimmst du an, daß er mit seiner ganzen Schar hier in den Wäldern liegt?«

»Nicht wissen können, nicht durch Baum sehen.«

»Der Oberst kommt mit seiner Schar, ohne Ahnung davon, daß die Ottawas die Streitaxt ausgegraben haben. Wird er heimtückisch überfallen, sind er und seine Leute sicher verloren. Könnte man sie nicht warnen, Athoree?«

»Niemand Fort verlassen, solange Sonne scheint, dort,« er wies auf den Wald, »Ottawa genug, schießen ihn tot, Botschaft nicht ankommen.«

Graf Edgar hatte einen aussichtslosen Versuch gemacht, die letzte schwache Hoffnung, von dem Indianer Hilfe zu erlangen, war erloschen.

»Nun, so sollen die Kanonen sprechen, vielleicht reden sie eine verständliche Sprache. Ich will die Geschütze abfeuern, vielleicht daß das sie warnt.«

»Das gut, große Büchse losschießen, gut, denken, ihm besser hören.«

Graf Edgar ging auf das Geschütz, welches den See beherrschte, zu und Athoree folgte ihm. Er hatte zum erstenmal hier im Fort eine Kanone gesehen. Der Graf richtete die Mündung höher, hieß den Indianer zur Seite treten und zog dann die Zündschnur.

Donnernd entlud sich das Geschütz und weckte ein vielfaches Echo, welches von den Ufern des Sees zurücktönte. Der sonst so eisenfeste Indianer bebte zurück bei dem so gewaltigen, durch das Echo verstärkten ehernen Laut. Fernhin sausten die Kartätschen ins Wasser und ließen es hoch aufspringen.

»Das hören,« sagte Athoree und betrachtete mit staunenden Blicken das blanke Rohr. »Große Büchse gut. Sprechen wie Manitou, wenn zornig.«

Der Graf ging den Wall entlang und feuerte nach und nach die übrigen Geschütze ab. Mit Hilfe Heinrichs brachte er die Kanonen wieder in ihre Position und lud sie von neuem.

»Wir wollen von Zeit zu Zeit einen Warnungsschuß abgeben, Heinrich, vielleicht daß er seinen Zweck bei den herannahenden Truppen erfüllt.«

In hoher Aufregung schritt er dann auf dem Walle auf und nieder, von Zeit zu Zeit einen Blick auf die See und das Ufer werfend, woher nach Sounders' Angabe der Oberst kommen mußte. Noch zweimal weckte er das Echo mit dem Hall der Geschütze. Während er wiederum angstvoll durch eine der Schießscharten lugte und jeden Augenblick das Knattern der Gewehre im Walde zu hören fürchtete, bemerkte er zwei Kanoes, welche in weiter Entfernung eilig quer über den See ruderten. Durch sein Glas gewahrte er, daß jedes mit vier Indianern bemannt war.

»Heinrich,« rief er diesem zu, »bringe mir rasch eine Granate herauf, wir wollen diese Schurken, welche sich so frech vor unsre Augen wagen, doch begrüßen.«

Rasch folgte der Angerufene dem Befehl. Graf Edgar lud und richtete mit großer Sorgfalt das Rohr, ein klein wenig den eilenden Booten vorhaltend.

»Ich kann zwar auf dem Wasser die Entfernung nicht genau abschätzen, aber hoffentlich sind sie noch in Schußweite.«

Die Männer waren alle auf den Wall geeilt und standen neben dem Geschütz, die Augen auf die seinen Kanoes gerichtet.

Krach! entlud sich dessen eherner Mund, und als der Dampf sich hob, bemerkten alle, daß die Granate doch Verderben gebracht hatte.

Durch sein Glas sah Edgar, wie aus dem einen der Boote die Männer sich eilig in das andre begaben, und ferner, daß einer von dessen Insassen von seinen Gefährten hineingezogen wurde.

»Hurra!« rief Heinrich, »die saß. Noch eine, Herr Graf.« Und schon sprang er, ohne Befehl abzuwarten, hinunter zum Magazin.

»Ja,« sagte der Graf, »der Schuß traf, das eine der Boote ist sicher leck. Wartet, ihr sollt Feuer haben, so lange, bis das Rohr glühend wird.«

»Bei meiner Mutter Seele,« schrie der entzückte Michael, »das war ein Schutz.« Und er ließ seinen hellen irischen Kampfruf folgen.

Mit nicht geringerem Staunen hatten Johnson und Athoree die Wirkung des Schusses beobachtet.

Das ferne Boot hielt einen Augenblick und bewegte sich dann langsamer, als bisher sein Lauf war, zurück, entweder war es zu schwer beladen oder seine Ruder waren verletzt.

Schon kam Heinrich mit zwei Granaten heran. Graf Edgar schob das Geschoß ein, zielte mit derselben Sorgfalt wie vorher, und die im flachen Bogen hinsausende Kugel schlug in der Nähe des Kanoes ein, eine schlanke Wassersäule emporwerfend.

Durch sein Glas bemerkte der Graf, wie die Indianer mit furchtbarer Anstrengung arbeiteten, um aus dem Bereich dieses verderbendrohenden Feuers zu gelangen.

Man mußte das Geschütz sich abkühlen lassen, und ehe es aufs neue schußbereit war, war das Fahrzeug hinter einem Landvorsprung verschwunden.

»Ja, kommt nur,« lachte der Ire, den der Kanonendonner aufregte, »Seine Gnaden wird's euch schon zeigen, verd– Skalpabzieher ihr. Kommt nur heran.« Und er streckte drohend seine kräftige Faust nach dem See aus.

»Ich sehe zum erstenmal ein Geschütz in Tätigkeit, Sir, und bin erstaunt über die Genauigkeit des Schusses auf solch weite Entfernung und die Wirkung des Geschosses.«

»Es ist mehr ein glücklicher Zufall, als mein Verdienst, daß ich gleich beim ersten Schusse die wahre Entfernung ermittelt hatte, das fällt selbst einem geübten Kanonier nicht leicht.«

Von der Stelle aus, wo der Graf und seine Begleiter standen, konnte man weithin beide Ufer des Sees übersehen.

Während am östlichen Ufer, rechts von ihnen, die Bäume bis dicht ans Ufer heranreichten, war eine längere Strecke am westlichen Ufer von Bäumen und selbst, einige Büsche abgerechnet, auch von Unterholz ganz frei und nur mit Gras bedeckt. Da die Truppen vom östlichen Ufer her erwartet wurden, waren die Blicke des Grafen fortwährend dorthin gerichtet.

Ein leiser Ruf des Indianers machte ihn aufschauen, dessen Hand war nach dem westlichen Ufer ausgestreckt, und mit einer mit Entsetzen gemischten Freude erblickte Edgar eine Reitergruppe von vier Personen, welche eben den Wald verlassen hatte und den See entlang galoppierte. Sie war nur etwa eine Meile weit entfernt und selbst das unbewaffnete Auge vermochte zu erkennen, daß eine Dame darunter war.

Der Graf zitterte so bei diesem Anblick, daß er nicht ruhig das Glas vor den Augen halten konnte. Leise kam es über seine Lippen: »Gott sei ihnen gnädig! Was tun? Was tun? Athoree? Jetzt hilf!«

»Feuer in Busch vor den Reitern. Ottawa Angst vor großer Büchse.«

Mit bebender Hand schob der Graf eine Kartätschenladung in die Kanone, richtete das Rohr niedrig und die todbringenden Kugeln sausten zwischen die Bäume, in geringer Entfernung von der Kavalkade.

Die Reiter beschleunigten die Gangart, ihrer Pferde.

Johnson, Athoree und Heinrich standen, die Gewehre in der Hand, und starrten nach dem Walde.

»Dort Ottawa,« rief der Wyandot und feuerte seine Büchse nach einer Stelle ab, wo die Büsche sich dem Fort gegenüber bewegten. Johnson und Heinrich folgten. In seiner Erregung sah der Graf nur nach den Ankommenden.

»Andre große Büchse abfeuern,« sagte Athoree und deutete auf das Geschütz über dem Eingang zum Fort.

Edgar sprang hin, während die Schützen eilig luden, richtete das Rohr, und von neuem sauste der Kartätschenhagel zwischen die Bäume.

Drüben am Walde blitzte eine Büchse auf, und ehe noch deren Knall zu ihrem Ohre gelangte, krachte schon das Gewehr Heinrichs, ein Indianer stürzte taumelnd aus dem Busch und fiel auf sein Angesicht nieder.

Näher und näher kamen die Reiter in vollem Rosseslauf. Frances jagte voran, zu ihrer Seite, nach dem Walde zu, ritt der Oberst, sie mit seinem Leibe deckend, hinter ihnen die zwei Begleiter.

Wiederum krachte drüben ein Schuß.

»Wir wollen hinaus,« schrie der Graf, »mir müssen sie retten.«

»Es ist sicherer Tod für uns, Sir,« sagte Johnson ernst und legte dem erregten jungen Mann die Hand auf die Schulter, »auch geben wir das Fort preis, wenn wir einen Ausfall machen; mir können von hier ebensoviel nützen, als –« er unterbrach sich, riß die Büchse an die Wange, schoß, ließ sie sinken und sagte ruhig: »So, der hat genug.«

Athoree und Heinrich standen mit schußfertigen Waffen und durchforschten den Wald mit funkelnden Augen.

»Lassen Sie das Geschütz noch einmal sprechen, hier dem Eingang gegenüber ist die gefährliche Stelle.«

Schon schob der Graf die Ladung ein.

»Michael, gehe an die Pforte und schiebe den Riegel zurück, sobald sie kommen.«

»Ja, ja,« sagte dieser und ging hinab.

»Stellen mir uns über dem Eingang auf,« und Johnson, Heinrich und der Indianer traten dorthin.

Schon waren die Reiter nahe, schon vermochte der Graf das flatternde Haar Frances zu erkennen.

Krachend entlud sich die Kanone, deutlich hörte man das Splittern des Holzes, das Brechen der Aeste.

»Versparen wir unser Feuer, bis sie näherkommen,« sagte mit immer gleicher Gemessenheit Johnson.

»Nein, nein! Vorwärts!« schrie Edgar, »Feuer aus allen Musketen,« und er stürzte auf das nächste Gewehr los und feuerte in den Wald hinein, dies mit großer Geschwindigkeit mit der an der nächsten Schießscharte stehenden Waffe wiederholend.

Schon jagten auf schäumenden Rossen die Reiter heran.

Hinab sprang der Graf.

»Oeffne, Michael!«

Der Ire schob den Riegel zurück, Edgar riß den Flügel auf, sprang hinaus – im Walde knallte es auf, zwei Kugeln sausten an ihm vorbei – und kam rechtzeitig, um Frances in seinen Armen aufzufangen, als sie ohnmächtig vom Pferde sank. Im Laufe trug er sie hinter die Pallisaden, während von oben die Büchsen der drei Männer sich nach dem Walde hin entluden.

Schon ritt Oberst Schuyler hinter die Balkenwand, welche das Tor deckte, und dicht hinter ihm folgten seine Begleiter. Michael schlug die schwere Tür zu, schob den Riegel vor; die Flüchtigen waren in Sicherheit.

Rasch sprang der Oberst vom Pferde und eilte zu seinem ohnmächtigen Kinde. Edgar hatte die junge Dame sachte auf einen Stuhl niedergelassen.

»Es ist nur eine Ohnmacht, Herr Oberst, Miß Schuyler ist unverletzt.«

Der Oberst, seine Tochter im Arm haltend, blickte in das Gesicht des Redenden.

»Mein Gott – Herr Graf –« und die Besorgnis, welche auf seinen Zügen lagerte, machte einem unverhohlenen Erstaunen Platz. »Sie hier – Herr Graf?«

Ein Seufzer Frances wandte seine Aufmerksamkeit wieder dieser zu.

Schon kam die Sergeantin hervor und sagte: »Ueberlassen Sie die Lady mir, Herr,« und sie wies auf ihre Behausung.

Oberst Schuyler nahm, ohne etwas zu erwidern, seine Tochter auf den Arm und trug sie zur Wohnung des Sergeanten, wo er sie auf dem Bett der Frau niederlegte.

Er kam zurück und ging auf Edgar zu.

»Was um des Himmels willen ist hier vorgefallen, Herr Graf?«

»Es gehört Mut dazu, um die Wahrheit zu vernehmen.«

»Sagen Sie mir alles – auch das Schlimmste, ich bin wie von einem Blitz aus wolkenlosem Himmel getroffen durch die Vorgänge der letzten Stunde.«

Edgar berichtete ihm kurz die ganze gräßliche Wahrheit.

Der Ernst, der für gewöhnlich auf des Obersten Zügen lagerte, vertiefte sich, als er schweigend den Bericht anhörte.

Als der Graf geschlossen hatte, der Oberst alles wußte, ging dieser einige Male auf und ab, blieb dann wieder bei jenem stehen, reichte ihm die Hand und sagte: »Und Ihnen, mein deutscher Kamerad, verdanken wir unsre Rettung.«

»Gott sei Dank, daß es gelungen ist, ich war in tödlicher Aufregung von dem Augenblick an, wo ich wußte, daß Sie dem Fort nahten.«

»Daß wir in Sicherheit sind, verdanken wir nebst Ihnen der Vorsehung. Diese ließ uns, als ich beschlossen hatte, den Truppen voranzueilen, den Weg auf dem westlichen Ufer wählen, da nach Aussage des indianischen Führers, den ich bei mir hatte – es war der Pottawatomie, welcher die Briefe der Offiziere zwischen den Forts hin und her trug –, es weniger waldig sei als das östliche; meiner Tochter hätte ein Ritt zwischen den Bäumen doch großes Unbehagen bereitet. Ich hörte Ihre wiederholten Kanonenschüsse und es stieg, wie Sie mit Recht vorausgesetzt hatten, der Gedanke in mir auf, es sollten Warnungssignale sein. Als ich aber gewahrte, und ich konnte es deutlich gewahren, daß das Fort eine Granate nach den Kanoes der Indianer warf, ein Meisterschuß übrigens, da ward mir klar, daß die Wilden kriegerisch gegen dasselbe vorgegangen seien. In unsagbarer Angst um meine Tochter legte ich den letzten Teil des Weges zurück. Zahlreich können die Ottawas auf diesem westlichen Ufer nicht gewesen sein, doch für uns gerade genug. Auch wären wir sicher ihre Opfer geworden, wenn Sie nicht dieses starke Feuer unterhalten hätten, das hat uns gerettet.«

»Ich danke Gott dafür.«

»Aber meine Truppen?« fuhr der Oberst mit tiefer Besorgnis fort, »ich fürchte das Schlimmste für sie, obgleich Kapitän Blakwater ein erfahrener und kaltblütiger Offizier ist. Also wieder ein Indianerkrieg? Schrecklich, schrecklich. Gott möge Kapitän Davis ein gnädiger Richter sein, aber er hat mit der Behandlung Peschewas alle schlimmen Leidenschaften dieses Volkes entfesselt und es ist gut für ihn, daß ihm die schwere Verantwortung für seine unüberlegte Handlungsweise hier auf Erden erspart bleibt. Die Indianer sind grausame, wilde Tiere, aber eine gewisse Ritterlichkeit ist ihnen nicht abzusprechen. Es war ein großer Fehler des Kriegsministers, einen jungen lebenslustigen Südstaatenmann zum Kommandanten eines dieser an der Grenze liegenden Außenforts zu machen. Also nur zwei sind von der ganzen Besatzung noch übrig?«

»Der Leutnant und der Sergeant, wenn nicht noch einige Soldaten gerettet sind, welche sich zur Zeit des Ueberfalls mit dem Leutnant außerhalb des Forts befanden.«

»Es ist ein herber Schlag für die ganze Union. Haben Sie sich aus dem, was Sie erkundeten, ein Bild machen können, wie stark die Angreifer waren?«

»Der Leutnant und der Sergeant schätzten ihre Zahl nicht höher als auf achtzig bis hundert Mann.«

»Das ist mir unerklärlich. Es kann dann nur ein Bruchteil der Ottawas in Waffen sein, denn wenn diese Krieg führen wollen, können sie achthundert bis tausend Kämpfer ins Feld stellen, und vor allem würden sie dieses Fort mit starker Macht angegriffen haben. Das ist mir einstweilen noch rätselhaft. Selbst die Art des Ueberfalls kann ich mir noch nicht ganz vorstellen.«

»Der Sergeant ist der einzige, der davon erzählen kann.«

»Ich kenne den alten Wood, er ist ein tüchtiger Soldat, ich werde seinen Bericht ja selbst hören. – Unter welch seltsamen Umständen kommen wir wieder zusammen, Herr Graf? Wer hätte ahnen können, daß mir so bald mitten in den Indianerkrieg hineingeraten würden, als wir so friedlich in Lansing, im Hause von Freund Myers weilten. Ihnen und Ihren wackern Begleitern danken wir es, daß das Fort nicht im Besitze der Wilden ist, daß wir noch unter den Lebenden weilen. Es soll nicht vergessen werden, Herr Graf,« und wiederum schüttelte er ihm herzlich die Hand.

Edgar stellte dem Oberst Johnson vor, dessen auffällige Erscheinung diesen wie jedermann überraschte, der ihn sah.

»Mister Johnson, der mich zufällig im Walde antraf, führte mich hierher und gehört nebst meinem Jäger Heinrich, einem Soldaten von 1870 und Träger des eisernen Kreuzes, und meinem indianischen Führer zu den Verteidigern dieses Platzes.«

»Ich bin auch Ihnen Dank schuldig, Sir,« redete ihn der Oberst freundlich an und gab ihm die Hand. »Leben Sie hier in der Nähe?«

»Ich wohne seit drei Jahren auf der Reservation der Ottawas, Colonel, in meinem Shanty.«

»Auf der Reservation?«

»Ja, Sir, wohnte früher am Kalamazoo.«

»Sie haben also Fühlung mit den Ottawas?« und des Obersten klares Auge schien bis in die Brust des Mannes dringen zu wollen.

»Nein, Colonel,« erwiderte Johnson, »sie duldeten mich nur, als ich mich unwissend innerhalb ihrer Grenzen niedergelassen hatte, und gingen mir dabei scheu aus dem Wege, da mein Aeußeres ihnen abergläubische Scheu einflößte.«

»Wie kommt Ihr vom Kalamazoo hierher, Mann?«

»Hatte Gründe, Herr,« sagte Johnson traurig.

Edgar gab dem Obersten einen Wink, der diesen veranlaßte, mit seinen Nachforschungen inne zu halten.

Er blickte in das Gesicht Johnsons und maß dessen kraftvolle Glieder mit dem Auge. »Dünkt mich. Mann, Ihr seid früh ergraut? Wie alt seid Ihr?«

»Bin vor der Zeit weiß geworden, Herr, ich zähle erst vierzig Jahre.«

Ein zweiter Wink des Grafen verhinderte den Obersten fortzufahren. »Bin Euch verpflichtet. Mann, und werde es zu vergelten suchen, – Das dort ist Ihr indianischer Führer, Herr Graf?«

»Ja, Oberst. Athoree, komm näher.« Dieser hatte mit dem Pottawatomie einige Worte getauscht und kam nun heran. »Er hat mich mit Umsicht und Treue hierher gefühlt und große Tapferkeit gezeigt.«

»Das freut mich zu hören, Indianer.«

Athoree neigte würdevoll das Haupt.

»Bist du ein Pottawatomie?«

»Athoree ist Wyandot.«

»Wie? Ein Wyandot? Wie kommst du denn hierher?«

»Gehen jagen für weißen Mann. Hier Gutherz nehmen mit, Schwester bei Ottawas suchen.«

»Du hast also den Herrn Grafen hierher geführt?«

»So tun.«

»Du bist ein Krieger?«

»Denken so.«

»Ein Häuptling?«

»Enkel Meschepesche«, des großen Panthers meines Volkes.«

»O, bist du von so vornehmer Abkunft?« fragte der Oberst, der mit der Geschichte der größeren Indianerstämme wohl vertraut war, ohne jede Ironie, denn Meschepesche, der Huronenhäuptling, hatte in den Kämpfen zwischen Weißen und Roten einst eine große Rolle gespielt.

»Enkel des großen Häuptlings meines Volkes.«

»Gut, Athoree ist ein Krieger und ein Häuptling, ich danke ihm, daß er meinen Freund und mich verteidigt hat. Der große Vater in Washington soll es erfahren.«

»Gut!« sagte der Indianer mit Befriedigung.

Als die Sergeantin aus dem Hause trat, wandte sich der Oberst lebhaft zu ihr: »Meine Tochter?«

»Sie ist wohl, Herr Oberst, nur noch in großer Erregung.«

»Das glaube ich wohl. Daß ich das arme Kind auch mit hierher führen mußte. Kann ich sie sprechen?«

»Sie wünscht Sie zu sehen, Herr Oberst.«

»Ich komme.«

Er ging nach dem Häuschen und trat hinein.

Der Begleiter des Obersten, dem Edgar bis jetzt wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, trat jetzt auf ihn zu und nicht ohne Erstaunen erkannte er in ihm den Konstabel vom Muskegon.

»Mister Weller, Sie hier?«

»Ja, Herr, bin gerade zur rechten Zeit gekommen. Habe genug indianische Greuel im Leben gesehen. Ver– seien die Hunde.«

»Aber was führt Euch hierher?«

»Haben sich Morris und seine Gesellen hierher gewendet, bin ihnen nachgeschickt, da ich der einzige Konstabel bin, der sie alle persönlich kennt. Traf den Oberst mit seiner Kolonne und schloß mich ihr an. Wollt', wäre aus diesem Loch erst wieder heraus, sind wunderbare Dinge hier vorgegangen. Lassen Euch übrigens die Leute vom Muskegon grüßen. Fremder; sollt Euch wieder sehen lassen dort, haben Euch liebgewonnen, ist ein Fakt.«

»Freut mich zu hören, Konstabel, herzlich.«

Der Graf erzählte ihm, daß sie Burton tot im Walde aufgefunden hätten.

»Schade,« sagte Weller, »daß er dem Strick entwischt ist. Den hat einer von den andern abgetan, denn der Kerl führte sicher das in Lansing geraubte Geld mit sich. Nun, dann bin ich ja auf der richtigen Fährte, die Burschen sind hier, und ich werde sie finden. Macht mir dieser wahnsinnige Aufstand der Ottawas einen argen Strich durch die Rechnung, hatte gerade darauf spekuliert, daß die mir die Halunken fangen sollten.«

Der Graf führte ihn etwas zur Seite und fragte leise: »Kennt Ihr den Johnson, Konstabel?«

»Welchen?«

»Den, der das große Unglück am Kalamazoo hatte, von dem ich schon am Muskegon hörte.«

»Ja, habe den Mann gesehen. Ist verschollen seit der Zeit.«

»Dort, der mit dem weißen Haar und Bart ist es.«

»Es ist unmöglich, Herr!«

»Zuverlässig.«

»Mein Gott, wie hat den der Kummer verändert. Ja, war eine schlimme Sache, Herr. Begreife es wohl, daß einem das Herz dabei brechen kann.«

»Ich sage Euch das nur, damit Ihr nicht zufällig seine Herzenswunden aufreißt, er leidet noch sehr darunter.«

»Werde es nicht tun, danke Euch, Fremder. Also das ist Johnson? Und der Mörder seiner Kinder ebenfalls in diesen Wäldern?«

»Pst! Johnson kennt ihn nicht. Nicht einmal seinen Namen, Ich habe angesichts des tiefen Schmerzes, mit welchem er von seinem Unglück erzählte, nicht gewagt, ihm zu sagen, daß der Mörder aller Wahrscheinlichkeit nach hier in der Nähe weilt. Es wird sich Gelegenheit dazu finden.«

»Bei Jove,« sagte Weller mit grimmiger Miene, »soll's zu rechter Zeit erfahren. Mann, und Abrechnung mit ihm halten. Möge uns der liebe Gott nur erst diese blutigen Indianer vom Halse schaffen. Ich gebe für unsre sämtlichen Skalpe nicht einen halben Dollar.« Er sah sich um. »Wie sollen ein paar Menschen dieses Fort halten, wenn derselbe etwa heranstürmt?«

»Nun, müssen's versuchen, Konstabel.«

»Well, werde mich wehren. Mann, mein Skalp ist mir sehr wertvoll,« sagte er mit einem Anflug von Humor. »Könnt Ihr mir nicht zu einem Imbiß verhelfen. Fremder? Seid ja hier zu Hause, he? Die tolle Jagd hat mir Appetit gemacht.«

Trotz seiner Sorgen und der gefährlichen Lage, in welcher sie sich befanden, mußte Edgar doch lächeln bei der kaltblütigen Ruhe des Mannes.

Er rief Michael herbei und beauftragte ihn, für die Bedürfnisse des Konstabels zu sorgen.

»Ja, kommt nur, Herr,« sagte dieser und führte ihn nach dem Offiziershause zu, »Essen und zu trinken gibt's genug hier, und wenn diese Teufelskerls mit ihrem Geschrei und ihrer tückischen Mordlust nicht draußen herumlungerten, wäre dies ein ganz guter Platz für meiner Mutter Sohn.«

Gleich darauf gab sich der an Gefahren aller Art gewöhnte Konstabel mit Behagen den Freuden des Mahles hin.

Der Oberst erschien in der Türe von Woods Wohnung und lud Edgar durch eine Gebärde ein, näher zu treten. »Wie befindet sich Miß Schuyler?« fragte dieser, eilig auf ihn zugehend.

»Besser, nur hat sich die Aufregung noch nicht ganz gelegt. Aber sie ist ein tapfres Mädchen und wird ihre Nerven bald gebändigt haben.«

»Darf ich Miß Schuyler begrüßen?«

»Ich soll Sie holen, damit Sie Ihnen danken kann.«

Er führte Edgar in das kleine Zimmer, in welchem seine Tochter weilte.

Frances trat ihm entgegen, als er eintrat, und streckte ihm die schmale weiße Hand entgegen, welche der Graf ehrerbietig an die Lippen führte.

»Da haben Sie die Königin der Ottawas, Sir,« sagte sie mit einem matten Lächeln, »aber meine künftigen Untertanen haben mich nicht gut empfangen.«

Sie sah sehr blaß aus, zeigte aber doch äußerlich die vornehme Ruhe, welche ihr eigen war.

»Wie Sie dieser Gefahr glücklich entgangen sind. Miß Schuyler, werden auch noch andre, welche Sie etwa bedrohen könnten, besiegt werden.«

»Welch ein Wiedersehen, Herr Graf! Wie war ich erstaunt, als mein Vater mir sagte, wer uns so tapfer und geschickt verteidigt hatte. Und wie danke ich Ihnen!«

»Wir wollen uns den Dank erst noch verdienen. Miß Schuyler.«

»Halten Sie mich nicht für schwach und mutlos, das Unerwartete hatte mich erschreckt, denn ich bin nur ein Weib, aber – Sie sollen ferner meines Vaters Tochter in mir finden,« setzte sie mit einem Blick auf den Oberst hinzu, der ebensoviel Bewunderung als Liebe ausdrückte.

Ihre eigenartige Schönheit wurde durch die marmorartige Blässe, das durch den wilden Ritt in malerische Unordnung geratene Haar, das dunkle Reitkleid noch erhöht.

»Wir alle werden uns bemühen, jede Gefahr von Ihnen fern zu halten.«

»Wir müssen in Gemeinschaft tragen, was das Geschick über uns verhängt, und ich will mich bemühen, es mit Würde zu tun.«

Der Oberst fuhr zärtlich mit der Hand über ihr Haar: »Meine Frances wird ein tapferes Mädchen sein. Auch ist die Gefahr nicht so groß, hier im Fort sind wir sicher,« setzte er beruhigend hinzu, »und wir haben unter andern zwei Helden von 1870 unter unsern Verteidigern. Sollten wir genötigt sein, zu kämpfen, ehe Ersatz heranrückt, so geschieht es Schulter an Schulter mit tapferen Männern.«

»Mir scheint die letzte Stunde,« sie schauderte leicht zusammen, »gleich einem wilden Traume, aus dem ich noch nicht ganz erwacht bin.«

»Mein Kind wird sich wiederfinden. Die Gefahr ist beseitigt. Die Sergeantin mag für deine Bedürfnisse sorgen, Frances, auch will ich dir durch den Pottawatomie deinen Mantelsack schicken.«

»Aber wo sind deine Soldaten, Vater?«

»Wie ich hoffe, bereits dabei, den Indianern eine Lektion zu erteilen, sie werden wohl im Laufe des Tages eintreffen.«

Frances war über die Vorgänge im Fort noch nicht unterrichtet und der Oberst brach das Gespräch ab, um nicht veranlaßt zu werden, ihr Mitteilungen zu machen, welche ihre Aufregung zum Entsetzen steigern mußten. »Ich will dem braven Sergeanten einen Besuch machen, Kind, und dann wollen wir dir ein behagliches Unterkommen herrichten, du sollst wenigstens die Königin des Forts sein, wenn deine roten Untertanen draußen rebellieren.«

Sie verabschiedeten sich und gingen hinaus. Draußen schärfte der Oberst der Frau Wood noch ein, seiner Tochter die entsetzlichen Vorgänge im Fort zu verschweigen, und betrat dann das kleine Zimmer, in welchem der Sergeant lag.

»Nun, mein alter, wackerer Kamerad,« redete er ihn freundlich an und reichte ihm die Hand, »wir sehen uns unter traurigen Umständen wieder.«

»Leider, Herr Oberst. Ich wollte, ich wäre wo die andern sind.«

»Geschehenes ist nicht zu ändern, Wood, wir müssen als besonnene Männer die Sache nehmen, wie sie liegt. Wir haben schon andre Abenteuer erlebt, Alter. Wißt Ihr Euch noch unsrer Kämpfe mit den Blackfeet zu entsinnen?«

Ein Lächeln fuhr über das Gesicht des Sergeanten: »Die haben wir heimgeschickt, Herr Oberst!«

»Und Sergeant Wood war einer der Tapfersten unter uns. Wie ich ja höre, sind Eure Wunden nicht gefährlich. Mann, haltet Euch ruhig, damit Ihr bald wieder Dienst tun könnt.«

»Als ich die Kanonen hörte, hat mich meine Frau mit Gewalt festhalten müssen, weil ich glaubte, die Roten kämen.«

»Nein, Ihr müßt still liegen. Mann. Sollten die Bursche wirklich einen Angriff wagen, so werden mir mit Gottes Hilfe ihnen heimleuchten.«

»Der Peschewa ist gefährlich, Herr, er ist der schlaueste Teufel, der je in Menschengestalt herumgelaufen ist.«

»Habt Ihr denn eine Ahnung, Sergeant, ich bin von allen andern Vorgängen genügend unterrichtet, wie stark die Angreifer waren?«

»Als ich meine Besinnung wieder hatte, habe ich mir alle Vorgänge zurückzurufen versucht. Wäre die Ueberraschung nicht so furchtbar gewesen, hätten wir sie mit dem Bajonett hinausgeworfen, denn die in den Kanoes, die fünf, welche wir eingelassen hatten, und die, welche dann noch vom Walde her gekommen sein können, alles in allem glaube ich nicht, daß sie mehr als über achtzig zählen.«

»Offen das Fort anzugreifen werden die schwerlich wagen.«

»Desto mehr müssen der Herr Oberst mit der List der Rothäute rechnen.«

»Nun, Wood, mir kennen die indianische Kriegsweise nicht seit gestern. Pflege er seine Wunden, Alter, mir wollen uns schon wehren.«

Er gab ihm wieder die Hand, der Sergeant sagte: »Gott segne Sie, Herr,« und Schuyler verließ das kleine Zimmer.

Er begab sich dann zu Sounders, der ihm mitteilte, was er selbst wußte.

»Es ist ein wahres Glück, daß die Deutschen mit ihrer Begleitung gekommen sind und das Fort gehalten haben, unsre Skalpe zierten sonst bereits den Gürtel eines Ottawa.«

Einen Augenblick zeigte Schuylers sonst so ruhiges Gesicht einen tiefschmerzlichen Ausdruck, denn es fuhr ihm durch den Sinn, welches Los seine Tochter vielleicht bereits erreicht haben würde, wenn nicht das Fort so rechtzeitig eingegriffen hätte.

»Der Offizier scheint ein tapferer und geschickter Mann zu sein, und es war eine glückliche Idee, die Kanonen sprechen zu lassen.«

»Die Ueberraschung war groß, als uns die Situation endlich klar wurde.«

»Und Miß Schuyler?«

»Der Schrecken wirkt noch immer in ihr nach, und ich fürchte, das arme Mädchen wird noch mehr ertragen lernen müssen, Sounders; ich wollte, ich wüßte sie in Sicherheit, dann mögen die Ottawas kommen.«

»Und die Truppen, Herr Oberst?«

»Blackwater ist ein vorsichtiger und geschickter Offizier, und ich hoffe, der Kanonenschall ist zu seinen Ohren gedrungen und hat ihn gewarnt wie mich.«

Die beiden Offiziere versanken in ernstes Schweigen.

»Hilft nichts,« sagte dann der Oberst aufstehend, »trüben Gedanken nachzuhängen, müssen's als Männer ausfechten. Behüt' Euch Gott, Leutnant.«

Oberst Schuyler schritt wieder hinaus. Er ging dann mit Edgar langsam den Wall entlang, lobte die Verteidigungsanstalten und richtete dann die Frage an ihn: »Sind Sie des weißhaarigen Mannes ganz sicher, Herr Graf?«

»Wie meinen Sie das?« äußerte der erstaunt.

»Es kommt mir nicht unverdächtig vor, daß er auf der Reservation der Ottawas wohnt, und daß diese ihn dort dulden, was sie nicht zu gestatten brauchen und auch wohl kaum einem Weißen gestatten, wenn nicht besondere Gründe dafür sprechen.«

Graf Edgar berichtete dem Obersten, welch grauses Geschick das Lebensglück Johnsons zerstört hatte.

»Ich entsinne mich, von dem entsetzlichen Vorgang in den Zeitungen gelesen zu haben. Der Arme. Aber sagen Sie mir eines: Hat der Mann Blut der Ottawas vergossen?«

»Er hat gekämpft wie ein Löwe, er war's auch, der den Schurken niederschoß, welchen Sie auf Ihrem Ritt zum Fort aus dem Busche hervortaumeln sahen. Gestern hat er sogar einen Gefangenen gemacht.«

»Einen Gefangenen?« fragte der Oberst lebhaft, »das ist trefflich, da werden wir doch etwas über die Aktion der Ottawas erfahren.«

»Der Mann hat bis jetzt kein Wort gesprochen.«

»Wir müssen versuchen, ihn zum Reden zu bringen. Würden Sie die Güte haben und mir ihn vorführen lassen?«

»Es soll sofort geschehen.«

Er ging vom Wall hinab und bat Johnson, den Ottawa herbeizuholen. Dieser begab sich ins Haus, während der Oberst ebenfalls den Wall verließ.

Johnson führte den jungen Gefangenen vor Schuyler.

Der Ottawa, welchem der Kanonendonner einen tiefen Schrecken eingeflößt hatte, sah sich scheu um und blickte dann vor sich nieder.

Die im Fort befindlichen Männer, auch Athoree und der Pottawatomie, kamen heran, um der Unterredung beizuwohnen.

Schuyler, der mit den Leuten roter Rasse wohl bekannt war, betrachtete den vor ihm stehenden Jüngling, dessen Miene eine mit Trotz gepaarte Aengstlichkeit zeigte.

»Bitte, nehmen Sie dem jungen Mann die Fesseln ab!« wandte er sich an Johnson, welcher dann sofort die Riemen löste, welche die Arme des Gefangenen umschlangen.

»Der junge Krieger, den meine Männer gefangen genommen, ist ein Ottawa? Nicht so?« fragte er in englischer Sprache.

Der Indianer erhob die Augen auf den Redner, dessen stattliche, vornehme Persönlichkeit sichtlich nicht ohne Eindruck auf ihn blieb, aber er schwieg auch hier.

»Der Ottawa hält es für klug zu schweigen vor den weißen Männern, aber er irrt sich, es wäre für sein Volk besser, er würde reden,«

Ein schneller Blick traf den Oberst, der verriet, daß der Indianer verstanden hatte, was er sagte.

Oberst Schuyler, der sich in seinen reichlichen Mußestunden in einsam gelegenen Grenzgarnisonen mit großem Fleiß dem Studium der Algonkin-Dialekte hingegeben, und sogar eine Grammatik derselben verfaßt hatte, sprach jetzt in einem derselben, von dem er sicher war, daß der Ottawa ihn verstehen mußte: »Der Ottawa ist sehr jung, er hat den Kriegspfad gegen die Söhne des großen Vaters in Washington betreten und weiß nicht, daß die Ottawas dafür büßen müssen. Die Krieger des weißen Mannes sind zahllos wie die Blätter des Waldes, sie werden kommen und die Ottawas töten. Mann, Weib und Kind. Warum hat der Ottawa die Streitaxt ausgegraben? Du bist jung, Indianer, aber doch alt genug, um dich zu entsinnen, wie der große Vater in Washington die Ottawas vor drei Sommern gezüchtigt hat.«

Der Indianer, welcher überrascht aufgehorcht hatte, als der Oberst ihn fließend in der Mundart seines Volkes anredete, senkte das Haupt – aber schwieg.

Ruhig fuhr der Oberst, immer im Algonkin-Dialekte, fort: »Der junge Mann könnte viel Unheil von seinem Volke abwehren, wenn er sprechen wollte. Er will nicht, er muß den Ottawas feind sein und ihren Untergang wünschen. Gut, ein Krieger muß wissen, was er tut.«

Jetzt öffnete der Gefangene zum erstenmal die Lippen und sagte: »Niake ist kein Ottawa.«

»O, Niake ist kein Ottawa, das ist mir lieb, denn nun kann ich dem großen Vater in Washington sagen, nicht seine Kinder, die Ottawas, haben die Krieger hier erschlagen, es waren Männer eines andern Volkes. Will Niake mir sagen, welchem Volke er angehört, oder fürchtet er sich, seinen Stamm zu nennen?«

»Niake ist stammlos.«

»So? Niake ist stammlos?« Ein leichtes Staunen zeigte sich auf dem Gesicht des Obersten, aber so vorübergehend, daß es nur ein aufmerksamer Beobachter gewahren konnte. »Niake ist stammlos? Das freut mich, denn ungern hätte ich die Ottawas erschlagen sehen. Aber Niake war ein Ottawa?«

Der Indianer nickte.

»Und seine Gefährten sind stammlos, wie er?«

»Sie sind stammlos.«

»Sein Häuptling Peschewa auch?«

»Er ganz stammlos, nicht mehr Ottawa, nicht Häuptling. Nicht Ottawa graben Streitaxt aus – der Namenlose, ihm folgen Niake, er nicht Ottawa.«

Der Gefangene brachte dies mit bemerkbarem Nachdruck vor, es war klar, der Oberst hatte die richtige Seite berührt und der junge Wilde wollte sein Volk von dem Vorwurfe entlasten, Krieg gegen die Langmesser, wie die Indianer die amerikanischen Truppen nannten, geführt zu haben, denn er ersann sich wohl der harten Züchtigung, welche seinen Stamm vor drei Jahren dezimiert hatte.

Der Oberst, welcher sich sehr viel und eingehend mit indianischer Eigenart beschäftigt hatte, begriff jetzt vollständig, welches Spiel gespielt worden war.

»Hier, Herr Graf,« sagte er zu diesem, »hier haben wir ein Stück echt indianischer Diplomatie. Dieser junge Mensch behauptet, er sei kein Ottawa, er sei stammlos, und alle seine Genossen ebenso. Merken Sie auf, so folgert der Indianer: Peschewa ist tödlich beleidigt von einem amerikanischen Offizier, er will sich rächen, kann aber oder will sein Volk nicht zu Teilnehmern seiner Handlungen machen, und scheidet deshalb aus diesem Verbände aus, er erklärt sich für stammlos. Seine Gefährten tun wie er. So führen also nicht die Ottawas Krieg gegen uns, sondern nur Herr Peschewa mit seiner Bande. Das ist echt indianische Logik.«

Er wandte sich dann wieder an den Ottawa: »Der große Vater in Washington wird nicht glauben, daß es stammlose Krieger seien, welche seine jungen Männer erschlagen haben, denn er blickt in ihr Herz, und siehe da, es ist das Herz eines Ottawas in jedem. Und er sieht in das Herz der Ottawas, welche in ihren Dörfern geblieben sind, und gewahrt, wie sie sich freuen über jeden Skalp, den die Stammlosen nehmen. Und so wird der große Vater sagen: die Ottawas sind nicht mehr meine Kinder, denn sie haben meine jungen Männer erschlagen. Er wird nicht mehr Korn schicken und Kühe und Schafe, nicht mehr Pulver und Blei, er wird seine Krieger senden und alle Ottawas töten lassen. Das danken die Ottawas euch, die ihr euch stammlos nennt.«

Es wurde jedem Zuschauer klar, daß die Worte des Obersten einen tiefen Eindruck auf den jungen Mann machten, sein Auge irrte umher und er atmete schwer.

Der Oberst gewahrte wie die andern die Wirkung seiner für den jugendlichen Ottawa klug berechneten Worte.

»Der junge Krieger hat verstanden, was ich sagte?«

Der Indianer neigte das Haupt.

»Gut wäre es, wenn ein Freund der Ottawas es dem jetzigen Häuptling ins Ohr singen wollte, denn nicht möchte ich das Volk erschlagen sehen.«

Der Indianer sah ihn aufmerksam an.

»Der große Vater in Washington wird sagen: Wenn Peschewa durch einen meiner Offiziere beleidigt morden ist, warum tötet er meine Leute, die ihm nichts zuleide getan haben? Er wird sagen: Wenn die Ottawas meine Kinder wären, so würden sie es verhindern, daß die Stammlosen meine Krieger von hinten erschlagen, und all dies sollten die Männer der Ottawas wissen, aber wer wird es in ihr Ohr singen?«

Nach einem kurzen Schweigen sagte der Ottawa: »Niake wird es tun.«

»Ich fürchte, Niake wird zu Peschewa gehen, wenn ich ihm das Tor öffne, und fortfahren, gegen uns zu kämpfen,«

Mit großer Bestimmtheit erwiderte der Indianer: »Niake wird zu Kitate gehen und in sein Ohr singen, was der große Vater in Washington denkt.«

»Das wäre sehr gut, denn den Ottawas ist er gewogen, die Stammlosen hingegen wird er am Halse aufhängen lassen. Ich werde dem jungen Krieger glauben und ihm die Tür öffnen. Will er gleich gehen?«

»Nein,« entgegnete dieser nach kurzer Ueberlegung. »Niake wird gehen, wenn es dunkel ist.«

»Gut. Ich vertraue dir. Ich will dir am Abend die Tür öffnen lassen und dann tue, was du für am vorteilhaftesten für die Ottawas hältst.«

Er ließ ihn dann zurückführen und einschließen, ohne ihn jedoch fesseln zu lassen.

Er erklärte Graf Edgar seine Unterredung mit dem Wilden.

»Diese braven Leute glauben durch eine solche kindliche Fiktion die Regierung täuschen und von ernsten Schritten gegen sie abhalten zu können. Aber schon daß sie einen solchen überhaupt für nötig halten, zeigt, daß sie den Streit fürchten, wie ja auch schon das Benehmen des Kitate, von dem mir Sounders berichtet hat, angezeigt. Da also nicht das Ottawavolk bei dem Angriff beteiligt ist, sondern nur Peschewa mit seinem persönlichen Anhang, so kann die Zahl der Angreifer in der Tat nicht groß sein, und ich hoffe, daß ihnen Blackwater zu widerstehen vermag.«

»Glauben Sie, daß der junge Mann zu seinem Volke gehen wird, statt zu seiner Räuberhorde?«

»Das glaube ich sicher. Er fühlt sehr gut die Wahrheit meiner Worte und daß die Gefahr nahe liegt, daß das ganze Volk für Peschewas Tat verantwortlich gemacht werden kann. Es genügt schon, ihnen die gewährleisteten Provisionen und Geldbeiträge zu entziehen, um sie zahm zu machen, sie werden ja von der Regierung erhalten. Diese wird das freilich nicht tun, denn das hieße eine Rotte vor Hunger wahnsinniger Mörder auf die Ansiedelungen zu entfesseln. Es wird wohl nötig sein, einige Bataillone Reguläre hierherzusenden.«

»Aber was beginnen wir hier, Herr Oberst? Wir werden gegen einen ernstlichen Angriff das Fort nicht verteidigen können.«

»Nein, das können wir nicht. Verstehen die Feinde, Leitern herzustellen, so genügt ein Scheinangriff auf der einen, um den Feind auf andrer Stelle über die Pallisaden zu bringen. Ich denke mit Dunkelwerden den Pottawatomie hinauszusenden, daß er sich nach Blackwater umsieht und Botschaft nach Fort Jefferson bringt. Meine heimliche Befürchtung, daß auch zugleich jenes Fort angegriffen sein könnte, ist durch des Indianers Aussage vollständig geschwunden. Wir hier müssen ruhig die Dinge an uns herankommen lassen.«

Die Türe des Sergeantenhauses ging auf und Miß Schuyler erschien in derselben. Durch den Inhalt des Mantelsacks, welchen der Pottawatomie auf seinem Pferde mitgeführt hatte, war es ihr ermöglicht worden, das Reitkleid abzulegen und sich umzukleiden; sie erschien in einem einfachen dunklen Gewand, von welchem das bleiche Antlitz sehr abstach.

Ihr Vater und Edgar gingen auf sie zu.

»Ich hielt es nicht länger in dem engen Stübchen der guten Frau aus, es trieb mich, die Wälle zu sehen, welche uns vor den Feinden schützen.«

»Komm, mein Kind,« sagte der Oberst und nahm ihren Arm, »die Luft wird dir gut tun. Auch wird Frau Wood dir ein Heim im Kommandantenhause bereiten, nicht so?« wandte er sich an diese, welche hinter Frances hergekommen war.

»Ist schon geschehen, Herr Oberst, alles, was mir Gutes hatten, ist in Miß Schuylers Zimmer gebracht worden.«

Der für sie bestimmte Raum, im Giebel des Offiziershauses liegend, war von der Raubgier der Indianer verschont geblieben.

Die Zerstörung, welche deren Hand im Fort hervorgerufen hatte, war einigermaßen beseitigt morden, doch sah es noch wild genug ringsum aus, und Frances' Gesicht wurde noch eine Nuance bleicher, als sie den Blick umherschweifen ließ, doch sagte sie nichts.

Der Oberst geleitete sie nach dem Wall und ließ sie einen Blick auf den See werfen, der in seiner ruhigen Schönheit vor ihnen lag.

Lange sah Frances durch eine der Schießscharten.

Die stillen Wälder spiegelten sich in den klaren Fluten zugleich mit dem unbewölkten Himmel. Wasservögel schwammen lustig auf dem See umher und neckten sich im muntern Spiele.

»Welch ein Bild des Friedens, Vater,« sagte sie, nachdem sie den Eindruck voll hatte auf sich wirken lassen.

»In der Tat, ein herrlicher Anblick.«

»Und zu denken, daß unter dieser friedlichen Stille der grause Mord lauert.« Ein Schauer überlief ihren Leib.

»Mein Herzenskind muß sich nicht solchen Gedanken hingeben; ist die Lage, in der wir uns befinden, gleich ernst, so bedrohen uns doch keine unmittelbaren Gefahren.«

»Wir stehen in der Hand Gottes, Vater.«

»Ja, Frances, und auf ihn wollen wir vertrauen, er wird die Anschläge unsrer Feinde zunichte machen.«

Sie wandte ihr Auge von dem See und sagte: »Ich will jetzt mit Hilfe der Sergeantin für deine Behaglichkeit sorgen.«

»Tue das, Kind, wir wollen nach der beschwerlichen Reise einen langen Schlaf tun.«

Er führte sie wieder hinab und sie betrat mit Frau Wood das Kommandantenhaus.

»Wir müssen nun wohl etwas Kriegsrat halten, Herr Graf, um zu erörtern, was wir in unsrer Lage tun können. Es ist geboten, die Meinung aller zu hören, welche mit uns die Gefahr teilen.«

Johnson, der Konstabel, die beiden Indianer wurden herbeigerufen und ließen sich mit dem Oberst und Edgar neben dem Offiziershause nieder, während Michael, Heinrich und Sumach auf den Wällen weilten.

»Es ist nicht zu leugnen, Männer,« begann der Oberst, »daß wir uns in einer sehr bedenklichen Lage befinden. Zwar sind Wall und Pallisaden hoch, doch nicht hoch genug, um ein Uebersteigen gänzlich zu verhindern. Greift der Feind mit Entschlossenheit an, so sind wir zu gering an Zahl, um den Angriff abwehren zu können. Ich habe leider keinen Zweifel, daß Peschewa die unter Kapitän Blackwater heranziehenden Truppen angegriffen und zurückgeworfen hat, sonst hätten wir schon von ihnen gehört; wir sind also auf uns allein angewiesen. Ich habe die Absicht, hier den Pottawatomie, sobald die Nacht hereingebrochen ist, nach Fort Jefferson zu senden, aber Hilfe von dort kann frühestens in vier Tagen hier sein. Das ist unsre Situation, und nun sagt eure Meinung, Männer, darüber, was wir tun können, um uns zu retten.«

»Colonel,« nahm nach einigem Schweigen Johnson das Wort, »ich denke nicht, daß Peschewa angesichts von sechs oder sieben guten Büchsen einen Sturm am Tage wagen wird, und nachts fechten die Indianer höchst ungern. Hat er sich mit Ihren Truppen geschlagen, so wird das nicht ohne Verluste abgegangen sein, selbst wenn er Sieger geblieben sein sollte. Alles dies läßt mich nicht an einen offenen Angriff glauben. Auch dürfte es den Roten schwer werden, Leitern zu verfertigen, und ohne diese kann Peschewa nicht stürmen.«

»Es ist sehr zu fürchten,« ließ Weller sich vernehmen, »daß die blutigen Schurken, welche ich im Namen des Gesetzes dieser Staaten verfolge, sich den Ottawas angeschlossen haben, und diese verstehen auch Leitern herzustellen. Im Notfall genügten auch junge Bäume, um die Pallisaden zu erklettern, wenn sie sich der Aeste als Sprossen bedienen. Daß sie angreifen werden, wenn sie die Soldaten zurückgeschlagen haben, ist außer allem Zweifel; sie kennen unsre Schwäche, und das Fort mit seinen reichen Schätzen an Waffen, Munition und so vielen andern Dingen, welche ihnen wert dünken, reizt sie übermächtig. Wie ich gesehen habe, sind ja zahlreiche Boote da, ich wäre dafür, diese in der Nacht zu benützen, uns nach dem andern Ende des Sees zu begeben, und den Weg durch die Wälder zu suchen.«

»Den Gedanken habe ich auch schon gehabt,« sagte der Oberst, »aber ich halte es meiner Tochter wegen für unmöglich, in den Wäldern einer Verfolgung von seiten der Indianer zu entgehen. Selbst wir Männer hätten dazu wenig Aussicht, wenn diese leichtfüßigen Krieger auf unsrer Spur sind. Auch wissen sie, daß wir Kanoes haben, und der Gedanke, über den See zu entfliehen, liegt so nahe, daß sie sicher Vorsichtsmaßregeln getroffen haben, um unsre Flucht zu entdecken, dann haben wir sie auf den Fersen. Der See ist an einigen Stellen so schmal, daß eine Büchsenkugel dessen Mitte erreicht.«

»Was meinst du, Enkel des großen Panthers der Wyandots,« wandte sich der Oberst an Athoree, »lasse der Häuptling uns seinen Rat hören.«

Athoree erhob sich und sagte mit der ruhigen Würde, welche den meisten Indianern besonders bei Beratungen eigen ist: »Denken nicht, daß Ottawa angreifen, solange die Sonne scheint, er schon viel Leute verloren. Er gestern fechten, heute fechten, er müde, greifen nicht am Abend an; wenn er kommen, kommen am Morgen, ehe Sonne da. Das rechte Zeit. Wenn fliehen in Kanoe, er bald wissen, sehr weiter Weg zu den Ansiedelungen, weiße Rose kleine Füße, sie nicht viel gehen, holen ein, nehmen Skalp von Männern, führen weiße Rose gefangen fort.«

»Da wäre Tod noch besser,« murmelte erbleichend der Oberst, der wie alle wohl verstand, daß Athoree in der bilderreichen Art seines Volkes mit der weißen Rose seine Tochter bezeichnete.

»Nicht fliehen in Kanoe über See. Rose nicht gehen können, nicht verwundeter Mann gehen können.«

Der Oberst schlug sich vor die Stirn: »Wie schäme ich mich meines Egoismus, ich denke nur an mein Kind und nicht an die verwundeten Kameraden. Es ist ja kein Gedanke an Flucht möglich, mir müssen den Feind hier ruhig erwarten.«

»So tun, ja. Wenn Ottawa kommen, nicht gehen auf Wall, zu wenig Männer. Große Büchse schießen weit, nicht nah.« Er hatte wohl erkannt, daß wenn der Angreifer im Graben war, das Geschütz nicht auf ihn gerichtet werden konnte. »Warum gehen nicht in klein Haus?« er deutete auf das Haus des Sergeanten, »es sehr dick Holz, machen noch dicker. Fenster zu, Türen zu, nur Loch für Büchse. Tragen Gewehr hinein,« er deutete auf die auf dem Wall befindlichen Soldatenflinten, »Brot, Wasser, Pulver, wehren uns dort, ein Tag, zwei Tag. Nicht leicht nehmen. Warten bis Hilfe kommt. Dies alles.«

»Und wenn sie Feuer anwenden?«

»Balken schwer, nicht leicht brennen. Machen Haus naß, ganz naß, Brunnen dort.«

»Und kommt keine Hilfe? – dann?«

Athoree zuckte die Achseln: »Dann sterben – alles vorbei.«

Tiefes Schweigen herrschte nach diesen Worten unter den versammelten Männern.

Plötzlich drang leise die feierliche Weise eines Kirchenliedes in getragenen Orgeltönen zu dem Ohr der überrascht Aufhorchenden. Wie aus hoher Luft herabkommend, erklang fast geisterhaft der Ton.

Atemlos lauschten sie.

Jetzt einte sich die schöne Stimme Frances Schuylers mit den getragenen Accorden in der hehren Weise des 62. Psalms.

»Meine Seele harret nur auf Gott, denn er ist meine Hoffnung. »Er ist mein Hort, meine Hilfe und mein Schutz, daß ich nicht fallen werde.

»Bei Gott ist mein Heil, meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott.«

Leise verhallten die Töne der schönen, herzergreifenden Stimme, die Accorde des Harmoniums.

Die Hörer waren tief bewegt.

Gleich als die feierliche Weise Händels begann, hatte der Oberst unwillkürlich die Hände gefaltet, alle Weißen folgten seinem Beispiele, auch Heinrich und Michael auf dem Walle, und nie hat eine Gemeinde andächtiger erhabenem Worte gelauscht, als die kleine Schar der hier vereinigten Männer.

Der brave Ire war so ergriffen, daß ihm die hellen Tränen in die Augen traten.

Mit tiefer Aufmerksamkeit lauschten auch die Indianer den nie vernommenen feierlichen Tönen.

Der Eindruck war so mächtig, daß keiner ein Wort fand, als Frances schon einige Zeit geschlossen hatte, bis Athoree in gedämpftem Tone fragte: »Die weiße Rose sprach mit dem großen Geist? Wie?«

»Ja, Indianer, meine Tochter rief auf zu ihm, der uns allein retten kann.«

Es dauerte eine kleine Weile, ehe sie in der Beratung fortfuhren.

»Was meint der Pottawatomie?«

»Der Wyandothäuptling großer Krieger, er ganz recht. Nicht fliehen, müssen fechten, am besten dort fechten.« Und er deutete auf das Blockhaus der Sergeanten. »Das können verteidigen, nicht Fort.«

Nach einiger Ueberlegung fanden alle, daß der Vorschlag Athorees das einzige Mittel enthielt, um die Verteidigung längere Zeit fortsetzen zu können, und man beschloß sofort ans Werk zu gehen, um das Haus in wehrfähigen Zustand zu versetzen.

Johnson, Michael und der Konstabel, welche alle drei trefflich mit der Axt umzugehen verstanden, übernahmen es, Schutzvorrichtungen gegen feindliche Kugeln herzustellen. Sie bedienten sich dazu der Dachbalken der Kaserne, und Johnsons erstaunenswerte Kraft kam ihnen hierbei trefflich zu statten. Dieser und der Konstabel zimmerten mit der Geschicklichkeit amerikanischer Waldleute für Tür und Fenster starke Befestigungen, die sie mit Schießscharten versahen. Sie verbanden die Balken noch mit eisernen Klammern, die sie im Magazin vorgefunden hatten. Heinrich und die von der Absicht, ihr Haus in eine Festung zu verwandeln, unterrichtete Sergeantin trugen Pulver, Patronen und Musketen, Wasser und Nahrungsmittel aller Art in die Behausung. Edgar nahm die Verschlüsse der Geschütze fort, ließ diese aber selbst stehen. Dann half er Heinrich beim Ueberführen von Munition und Gewehren. Den Vorrat von Kartätschenladungen ließ man liegen, die Pulverfäßchen aber wurden in das Wasser versenkt. Der Oberst ordnete überall an, griff auch mitunter selbst mit zu.

Die beiden Indianer standen auf dem Wall und sahen ruhig mit zu, wie die andern arbeiteten, ohne auch nur im entferntesten Miene zu machen, ihnen beizustehen, es wäre indianischer Krieger unwürdig gewesen, solche Dienste zu leisten.

Da die Männer diesen Hochmut der Indianer kannten, den selbst das Beispiel des Obersten nicht zu brechen vermochte, und jede Aufforderung, zuzugreifen, zurückgewiesen worden wäre, ließ man sie gewähren. Auch war es nötig, daß fortwährend Ausguck auf den Wällen gehalten wurde, um vor jeder Ueberraschung sicher zu sein.

Mitten in der regsten Arbeit erschien Miß Frances unten und sah erstaunt den Vorbereitungen zu.

»Staune nur, mein Kind, aber wir müssen uns nach allen Regeln der Kunst auf die innere Verteidigungslinie beschränken, und so bauen wir eine Citadelle, da wir die ausgedehnten Außenwerke wegen Mangel an Mannschaft nicht besetzen können.«

»So glaubst du, Vater, daß wir angegriffen werden?« fragte sie, und ihre Stimme bebte.

»Nun, unmöglich wäre es nicht, jedenfalls müssen wir darauf vorbereitet sein. Du mußt wieder umziehen zu Frau Wood, wir müssen diese Nacht alle im Hause des Sergeanten schlafen.«

Frances ließ sich auf einen Stuhl nieder und sah mit gefalteten Händen den Arbeiten zu.

Es war mit solcher Kraft und Energie gearbeitet worden, daß bald nichts mehr zu tun war, und das Haus schien jetzt gegen einen Angriff so gesichert zu sein, als die gegebenen Mittel nur erlaubten.

Da bemerkte der Oberst die Spritze des Forts, eine ziemlich große Handspritze, und ordnete an, daß sie ins Haus gebracht werde. Diese und einige Tonnen wurden dann vermittelst eines Schlauches, den man zum Brunnen führte, mit Wasser gefüllt, was bei der Riesenkraft Johnsons und der Stärke und dem guten Willen Michaels bald geschehen war.

Der Tag, der eine solche Fülle von Arbeit und Aufregung gebracht hatte, nahte sich seinem Ende und alle waren erschöpft. Die Sonne stand bereits tief im Westen.

Die ermüdeten Männer ließen sich nieder, und die Sergeantin, welche eifrig mitgeholfen hatte, brachte Erfrischungen, wie sie ihre Küche bot.

Während sie aßen, ließ Graf Edgar die Bemerkung fallen: »Trefflich wäre es, wenn wir einige Leuchtkugeln hätten, um von Zeit zu Zeit das Terrain zu erhellen.«

»O, gut,« sagte der Oberst, »daß Sie mich daran erinnern, es müssen ja welche vorhanden sein.«

Er begab sich sofort nach dem Magazin, wo auch das Begehrte gefunden ward.

Frances befand sich schon bei der Sergeantin, und beide Frauen bereiteten sich eben ihre Schlafstätte.

Dann wurde Sounders von allem unterrichtet und vorsichtig zum Sergeantenhaus getragen.

Heinrich verschloß, einem Wunsche des Obersten gemäß, das Offiziershaus von innen, verriegelte Tür und Fenster und ließ sich dann an einem Tau vom Fenster herunter. Die Pferde waren bald, nachdem die flüchtige Kavalkade im Fort eingetroffen war, in dem vorhandenen Stalle untergebracht worden.

So waren, als der erste Stern am Himmel stand, alle Vorbereitungen getroffen, welche Einsicht und Erfahrung den Männern eingaben, welche hier für ihr Leben fechten sollten, um die Verteidigung zu einer wirksamen zu machen.

»Nun mögen sie kommen,« sagte der Oberst, »wir sind bereit, sie zu empfangen.«

Er begab sich ins Haus und schrieb bei der Lampe Schein rasch einige Zeilen an den Kommandanten von Fort Jefferson, schleunigen Entsatz erheischend, versiegelte ihn mit seinem Petschaft und händigte ihn dem Pottawatomie ein.

Diesem wurde noch eingeschärft, sich vorerst nach den Truppen umzusehen, was ihn kaum von seinem Wege abbrachte, und dann mit aller Schnelligkeit nach Fort Jefferson zu eilen.

»Der Pottawatomie soll außer seinem Botenlohne die schönste Büchse haben, welche in Traverse City zu kaufen ist, wenn er zeigt, daß er die Beine des Hirsches hat.«

Der Indianer lächelte: »Der Hirsch wird nicht schneller sein als ich.«

»Gut. Der Pottawatomie ist als Läufer berühmt an der Grenze.«

Die Nacht sank herab, der Oberst und Edgar begaben sich auf den Wall, wo sie Athoree und seine Mutter fanden, welche leise miteinander flüsterten.

»Bringe deine Mutter ins Haus, Athoree,« rief ihm Edgar zu.

»Sumach wird gehen,« entgegnete der Indianer und führte dann die alte Frau hin.

Nicht ohne Erstaunen bemerkte dann der Offizier, daß die Feinde die Ufer des Sees entlang verschiedene große Feuer angezündet hatten, welche ihren Schein weit über das Wasser warfen.

»Wie recht Ihr Indianer hatte, Graf; sie vermuten zunächst, daß wir den See zur Flucht wählen würden, und sie versuchen, durch ihre Feuer uns daran zu verhindern.«

Endlich war die Nacht vollständig hereingebrochen. Der Himmel hatte sich mit Wolken umzogen und ein scharfer Wind rauschte in den Bäumen und warf im See die Wellen empor.

Jetzt war es Zeit, den Pottawatomie zu entlassen. Athoree erklärte sich bereit, ihn zu begleiten, um nach den Feinden auszuspähen.

Dies war sehr erwünscht. Johnson wurde ausersehen, am Tor auf des Indianers Rückkehr zu warten und ihn einzulassen, auch beschloß man, dem jungen Ottawa nicht eher zu gestatten, sich zu entfernen, bis Athoree zurück sei. Der junge Mensch war, als das Offiziershaus geräumt wurde, im Stall eingeschlossen worden.

»Gehen Sie mit dem Indianer ans Tor, Johnson, ich will eine Leuchtkugel steigen lassen, die Augen der Lauscher sind dann geblendet, und um so eher können die Indianer unbemerkt das Fort verlassen.«

Der Oberst traf die nötigen Vorbereitungen, um die Leuchtkugeln zu werfen, und Edgar rief Heinrich an: »Komm, wir wollen uns in Anschlag legen, und für den Fall Feinde im Felde sind, sie niederknallen.«

»Recht, Herr Graf, Nachtgefecht.«

Sie steckten ihre Büchsen durch die Schießscharten und warteten auf das Licht.

»Jetzt!« rief der Oberst, und strahlend und das Terrain weithin erleuchtend, erhob sich die glänzende Kugel.

Zwei Indianer, deutlich erkennbar, standen hoch aufgerichtet in einer Entfernung von nicht viel mehr als hundert Schritt im Felde.

Die Büchsen der beiden deutschen Krieger entluden sich, und Nacht, noch tiefer als vorher, umgab sie wieder.

Geräuschlos öffnete sich das Tor und die beiden Indianer schlüpften hinaus.

»Meinen Mann hatte ich sicher, Herr Graf, der wird, wie ich glaube, genug haben.«

»Desto besser, ein Mörder weniger.«

Sie gingen zu Johnson, und alle drei lauschten angestrengt auf des Wyandots Wiederkehr.

Der Oberst hatte sich zu seiner Tochter begeben. Er saß im oberen Zimmer neben ihr und hatte den Arm um sie geschlungen.

»Du siehst ernste Gefahr für uns voraus, Vater, sage mir die Wahrheit, ich kann sie ertragen.«

»Gefahr ist gewiß vorhanden, Kind, wer könnte es leugnen, aber wir dürfen hoffen, ihr zu begegnen, und eine Soldatentochter, die Tochter Horace Schuylers, muß nicht zittern, wenn etwa Büchsen knallen oder das Geheul der Wilden ertönt.«

»Gott schütze uns,« flüsterte sie bebend, »lebendig, Vater, falle ich nicht in die Hände dieser wilden Tiere.«

»Ja, Gott schütze dich, mein Herzenskind,« sagte er, leise. »Wenn wir kämpfen müssen,« fuhr er fort, »wird es, wie ich hoffe, siegreich sein, unsre Citadelle ist gut besetzt und gut bewaffnet. Lege dich nieder, Kind, und versuche zu schlafen, ich will es auch tun, schwerlich ist vor dem Morgengrauen etwas zu besorgen, wenn überhaupt ein Angriff beabsichtigt ist.«

Er küßte sie zärtlich auf die Stirne und ging hinab, wo Sounders und der Sergeant unter der sorgenden Obhut der Frau lagen.

Bald wurde ihm gemeldet, Athoree sei zurück.

Er ging hinaus und dieser berichtete, die Hauptmacht der Indianer lagere bei den Feuern am See, er habe etwa fünfzig Krieger gezahlt. Gekämpft müßten sie haben, denn frische Skalpe, welche die Gürtel zierten, und einige Verwundete habe er erblickt.

Somit war die Anwesenheit des Feindes in seiner Gesamtheit festgestellt.

»Weißer Mann auch dort. Drei, ihn kennen, Rothand, Tyron und Iltis.«

»So? Haben sich diese Schurken wirklich mit den Indianern vereint? Nun, sie sind in würdiger Gesellschaft.«

Es ward nun der junge Ottawa herbeigeholt. Man gab ihm einige Nahrungsmittel, und der Oberst sagte ihm mit ernstem Nachdruck: »Ich bin der Befehlshaber aller Truppen hier an den Seen, der Stellvertreter des großen Vaters in Washington, ich erwarte Kitate hier, so schnell er kommen kann. Meine Krieger sind auf dem Marsche, ich werde ihn, wenn er nicht erscheint, in seinen Dörfern aufsuchen. Das möge der junge Ottawa ihm sagen.«

Er wurde zur Pforte hinausgelassen und alle begaben sich nun ins Blockhaus.

Sumach, auf deren scharfe Sinne man sich verlassen konnte, und Athoree versprachen zu wachen, und die Männer gaben sich dann einem kurzen Schlummer hin.


 << zurück weiter >>