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Zehntes Kapitel.

Ein würdiges Kleeblatt.

Einige Meilen von dem Shanty Johnsons lagen an einem Feuer Morris und Tyron. Schweigend und finster blickten die beiden Verbrecher vor sich hin.

An der Glut röstete ein Stück Fleisch; vermittels des Soldatengewehres, welches Morris immer noch führte, hatte er ein Opossum erlegt und zwischen den Burschen lag eine halbgefüllte Flasche mit Rum, der sie von Zeit zu Zeit abwechselnd zusprachen.

Nach einer Weile begann Morris: »Diese roten Schurken! Was nun, Bill?«

»Denke, wechseln hinüber nach Kanada.«

»So? denkst du? Schöner Gedanke, aber wie hinkommen? Hast du Geld, Mann?«

Tyron verneinte.

»Nun, ich auch nicht, zwei schäbige Greenbacks ausgenommen. Ohne Geld an die Küste zu gehen, ohne Waffen, denn diese verwünschte Flinte Uncle Sams kann ich doch dorthin nicht mitnehmen, das hieße dem Henker in die Arme laufen. Was diese roten Hunde nur vorhaben mögen? Der Herr Peschewa, mein geschworener Freund, war nicht zu sprechen, und dieser Lump, dieser Kitate, sagte mir ganz trocken, ich solle die Reservation der Ottawas verlassen, es sei Befehl der Regierung, uns auszuweisen, sonst müsse er mich an die nächste Garnison abliefern. Begegnet mir der Schleicher einmal zur rechten Zeit, will ich ein Loch in sein rotes Fell machen, durch welches seine Seele bequem entwischen kann.«

»Wenn wir nur wenigstens unsre Büchsen hätten,« knurrte Tyron, »ich komm' mir vor wie ein zahnloser Hund, welcher ausgeschickt ist, einen Fuchs abzuwürgen.«

»Ja, dieser schäbige Staatenleutnant, verdammt sei seine Seele! Würde ihm gerne eins aufbrennen, wenn man sich nur in diesem Zustande in die Nähe der Forts wagen dürfte.«

Nachdem er eine Zeitlang geschwiegen und einen Schluck genommen, fuhr er fort: »Daß meine teuren Freunde, die Ottawas, mir in solcher Lage eine Büchse verweigern konnten, als Darlehen nur, denn ich würde mir schon bald eine andre verschafft haben, hätte ich nimmer geglaubt. Fertigen ihren alten Gastfreund und Bruder mit einer Flasche Rum und etwas Hirschsfleisch ab. Können in den Wäldern verhungern. Ein Glück noch, daß sie uns Pulver gegeben haben, sonst wären mir ganz fertig.« Er nahm wieder einen Schluck aus der Flasche, drehte den Spieß, an welchem das Opossum schmorte, und sagte, während Tyron stumpfsinnig vor sich hin stierte und an einem Grashalme kaute: »Die Roten haben etwas vor, glaube mir. Diese verrückte Ratsversammlung, ich verstehe nur nichts von ihrem Kauderwelsch, hatte entschieden eine wichtige Bedeutung. Mir wollte es vorkommen, wir saßen ja auch zu weit davon entfernt, um über die Vorgänge klar zu werden, als ob der Peschewa sich mit den andern überworfen und den kürzeren dabei gezogen hätte. Wenn der Kerl übrigens, sei es auch nur auf seine eigene Rechnung, einen Zug in die Ansiedlungen vor sich hat, ich bin dabei. Bin ganz in der Stimmung, Pulver knallen zu hören. Begreife übrigens gar nicht, wenn so etwas in der Luft schwebt, daß er sich dann nicht zweier solcher Büchsen versichert, wie wir sie führen. Ist mir alles ein Rätsel.«

»Wird wohl nichts übrig bleiben, Morris, als uns zu den Ansiedlungen zu schleichen, um uns wenigstens Waffen zu verschaffen.«

»Ja, und laufen dem Sheriff in die Hände. Weißt sehr gut, wie die Hinterwäldler auf einer Spur einherlaufen.«

»Bleibt nichts andres zu tun, müssen Büchsen, Decken und andres haben und wollen dann sehen, über den Mackinaw zu kommen.«

»Haben die Kerls das ganze Land gegen uns aufgebracht, wollte, wäre in Ohio geblieben.«

»Kalkuliere, war dir dort ein wenig zu heiß geworden,« lachte Tyron in roher Weise.

»Ist ein Fakt, waren mir dicht auf den Fersen, habe Unglück, Bill, kaum in Michigan, muß der Konstabel hinter mir her sein. Wollen alle gar zu gern ein Wörtchen mit John Morris reden, sollen aber noch warten, zu meinem Stricke ist der Hanf noch nicht gewachsen.«

Der Braten, mit welchem sich Morris beschäftigte, schien endlich genügend gar zu sein, und beide zogen ihre Messer und sprachen dem Fleische zu, trotz ihrer gegenwärtigen Situation mit bestem Appetit.

Endlich steckte Morris gesättigt das Messer ein.

»Wo sich Burton und der Iltis nur herumtreiben mögen? Wollte, die Bursche wären hier, ist ein erfinderischer Kopf, der Burton, und wohl geeignet, Gloves zu tragen, ist ein Gentleman.«

»Sind wir auch.«

»Kalkuliere, sind'«, aber doch nicht so recht; für die Bälle und Assembleen in den Städten, Tyron, mußt's gestehen, ist der Burton mehr geeignet. Ist aufgewachsen dort, war ein Advokat oder so etwas. Schade, daß wir ihn nicht hier haben.«

»Wird ihm der Sheriff den Weg hierher verlegt haben.«

»Muß gen Süden gegangen sein, wäre sonst schon hier, war die Abrede, uns bei Peschewa zu treffen.«

»Oder ist dem Henker in die Arme gelaufen. Zwar ist Burton im Walde nicht gerade schlau, um so mehr in den Ansiedlungen; aber es kommt doch die Stunde, wo auch der Klügste eine Dummheit macht.«

»Wollen's möglichst lange verhindern.«

»Kalkuliere, wollen's. Nun mache einmal einen gescheiten Plan.«

»Bleibt nichts übrig, Morris, wenden uns nach Norden nach Traverse-River, wird schon irgend jemand eine Büchse übrig haben, wird sie uns geben, wenn vielleicht auch nicht ganz freiwillig.«

»Irgendwo einbrechen? Gut. Aber wenn wir dann eine ganze Meute auf den Fersen haben.«

»Sind wir seit gestern im Walde? Wäre es das erste Mal, daß wir ganz Michigan ein Schnippchen schlügen?«

»Und wenn wir das ausgeführt, glücklich ausgeführt haben, – ich weiß nicht, ich habe einen Abscheu vor den Ansiedlungen – und was dann?«

»Dann gehen wir nach der nördlichen Halbinsel oder nach Kanada, bis wir hier wieder etwas in Vergessenheit gekommen sind.«

»Daß auch der Streich mit Jones Pferden da am Muskegon mißglücken mußte, hatte ihn der Iltis so hübsch eingefädelt. Der Rappe war unter Brüdern tausend Dollar wert. O, verwünscht!«

»Nimm's kaltblütig, gibt noch mehr Pferde im alten Mich.«

»Das Schlimmste ist, daß man sich mit diesem alten Soldatenschießeisen nirgends sehen lassen kann, und ohne Waffe sich zu zeigen, ist noch verdächtiger. O Bill, in einer so schlechten Lage bin ich noch nicht gewesen.«

»Kalkuliere, ist das Richtige, gehen nach Norden.«

»Begegnet mir einer dieser roten Hunde, und der hat eine Büchse, so knalle ich ihn ohne weiteres nieder, um das Gewehr zu erlangen.«

»Halte dafür, tust's nicht; nützt nichts, auch noch die Ottawas zu Feinden zu haben.«

»Elendes Gesindel!«

Morris stand auf, wickelte den Rest des Bratens in Blätter und steckte ihn in seinen Jagdranzen.

»Komm, Bill, wollen weiter wandern, ist vergeblich zu philosophieren. Wird ein günstiges Geschick mir hoffentlich einen in den Weg führen, den ich ins Jenseits abfertigen kann.«

Tyron erhob sich ebenfalls und beide schickten sich an, zu gehen.

»Segne meine Seele,« fuhr Morris empor, »daß mir das jetzt erst einfällt.«

»Nun?«

»Wohnte hier in der Nähe, damals als ich bei den Ottawas war, ein alter Kerl, muß achtzig oder so etwas alt sein, in seinem Shanty. Ja, wenn ich den Lauf des Baches von der Mündung an berechne, kann es nur einige Meilen weit sein. Komm, Bill, wollen den Alten besuchen, soll uns eine Büchse leihen, hat vielleicht sonst noch etwas, was wir brauchen können. Hoffentlich haust der Bursche noch hier. Denke, wir sind gerettet, Bill.« Und rascher schritten sie jetzt durch den Wald, bis sie das Ufer des Baches erreichten, an welchem in der Tat Johnsons Hütte lag.

Morris überlegte einen Augenblick, ob er sich stromauf oder stromab wenden müsse, als Tyron ihn auf eine Fußspur aufmerksam machte, welche neben dem Wasser herlief.

Beide untersuchten sie eifrig.

»War kein Indianer, Bill, ist ein Fakt.«

»Ist die Spur frisch, kann nicht viele Stunden her sein, daß der Mann hier gegangen ist.«

»War vielleicht der Alte von dem Shanty,«

»Denke nein. Ist der Alte ein großer Kerl, ist der Fuß hier für ihn zu klein. Komm, Bill, wollen wir dem Manne nachgehen, hat sicher eine Büchse bei sich, wollen ihn freundlich darum angehen.«

Tyron nickte.

Morris sah nach seinem Gewehre und beide folgten dann rasch der deutlich eingeprägten Spur, welche sich fortwährend am Ufer des Baches hielt.

Endlich führte sie ins Wasser hinein, ohne daß sie am andern Ufer weiter bemerkbar gewesen wäre.

»Ist der Kerl doch nicht so dumm, als ich glaubte,« sagte Morris, als dies festgestellt war. »Hat vielleicht etwas entdeckt, was ihn veranlaßte, den Bach zu nehmen. Verwünscht, kostet Zeit, ehe wir die Spur wieder haben.«

Sie kreuzten beide das Wasser und gingen langsam an dem Bach entlang.

Morris stand still und bückte sich. Tyron, welcher hinter ihm ging, ahmte die Bewegung rasch nach, ohne die Ursache zu kennen, welche Morris dazu veranlaßte. Leise raunte der ihm zu: »Wir haben ihn, Bill. Sitzt dort ganz gemächlich, als ob der Wald ihm allein gehörte. Bleib hier, ich will ihn mir ansehen und meinen Schuß anbringen.« Thron kauerte sich nieder, während Morris, das Gewehr schußfertig, weiter schlich.

Während der Zurückgebliebene jeden Augenblick den Krach des Gewehres zu hören erwartete, tönte mit einemmal seines Gefährten Stimme zu ihm her: »Hallo, Bill, komm her. Ist nichts, hat uns zum besten gehabt, der Bursche.«

Thron ging der Stimme nach und erblickte zu seinem nicht geringen Erstaunen neben Morris' herkulischer Gestalt die zierliche des Iltis, der ihm vergnügt entgegenlachte.

»Hat uns zu Narren gemacht, Bill, dieser blutige Iltis. Ist ein Fakt. Kann von Glück sagen, daß ich noch zur rechten Zeit seine Spitzbubenaugen erblickte, hatte schon den Finger am Drücker.«

»Wäre ein schöner Gruß von Freunden gewesen, die man weit und breit sucht,« sagte Iltis und schüttelte Tyron die Hand. Rasch tauschten die wackeren Gesellen, welche sich so unerwartet wiedergefunden hatten, einige Bemerkungen über ihre augenblickliche Lage aus.

»Aber, alle Wetter, Bursche, was ist das mit den Ottawas? Dachte, würden sich freuen, uns zu sehen, besonders wenn sie eine blutige Frolic vorhaben, und schicken euch fort wie räudige Hunde?« ließ Iltis sich darauf vernehmen.

»Ist ein Fakt, wollen nichts von uns wissen.«

»Seit drei Tagen streife ich hier herum, um nach euch auszuschauen. Nichts von Burton wahrgenommen?«

»Gar nichts.«

»Waren in Lansing, hatten aber dort mit einemmal Wind von uns. Burton meint, der Kerl, der dir bei Grover den Arm verstaucht, du weißt doch noch?«

»Ja, ich weiß.«

»Habe ihn in dem Regierungsgebäude erkannt. Wandten uns dann vorerst nach Süden. War nicht durchzukommen, hatte der Telegraph uns überall empfohlen. Mußten eilen, wieder die Wildnis zu erreichen, wo es keinen Telegraphendraht gibt. War 'ne böse Sache. Waren aber unsre Pferde gut, hatte der Sheriff das Nachsehen. Gingen dann nach Norden. Haben uns am White-River getrennt, war zu gefährlich, zu zweien zu reisen, war der Iltis auch dem Konstabel überall ans Herz gelegt, hatten allerwärts Wind von uns, merkwürdig genug. Burton ist durch die Ansiedlungen geritten, kennen ihn da von uns am wenigsten, und hat so was vom ehrlichen Manne an sich, kann sich eher unter die Halunken trauen, und ich bin durch die Prairie und die Wälder heraufgekommen. Burton dachte ich schon hier.« Die drei hatten sich niedergelassen und plauderten ganz behaglich miteinander.

»Was hattet ihr in dem verwünschten Lansing zu tun?«

»Hatte Burton die Notion, würden um so eher von unsrer Spur abkommen, wenn wir in dichter besiedelte Gegenden gingen. Kennt sich dort besser aus als im Walde. Wollte es das Glück, am Cedercreek einen Mann anzutreffen, dem Burton so sauber eine Kugel in die Schläfe jagen konnte, daß er kaum ein paar Tropfen Blut vergoß. War ein Farmer aus der Gegend dort. Zogen ihn aus, Burton nahm seine Kleider und sein Taschenbuch, fanden fünfzig Dollar bei ihm, die wir teilten, und gingen dann nach Lansing. Ist der Burton ein ganzer Kerl in der Stadt. Ging ins Regierungsgebäude zum Chef des Indianerdepartements, bei Jove, tat's, um zu erkunden, wie die Sachen hier ständen. Wußten dort nichts von Bewegungen unter den Roten, war alles in schönster Ordnung. Als er dort dem Burschen aus Grovers Landing begegnet war, gaben wir sofort Fersengeld, kann euch sagen, sind nur mit Mühe durchgekommen, hat uns wirklich verraten, der Schuft. Wollen dich auch überall gerne sprechen, Morris, habe wiederholt gehört: ›Aufgepaßt, Boys, die rote Hand ist wieder da.‹ Bist ein berühmter Mann, Morris.« Dieser nickte finster.

»Aber nun klärt mir nur einmal die Situation hier. Was ich da bis jetzt von euch vernommen habe, klingt ja merkwürdig genug. Vor allen Dingen bedaure ich die unfreundliche Haltung der Ottawas, denn wenn die wollen, können wir uns jahrelang hier herumtreiben, ehe selbst die im Fort Wind davon bekommen.«

Die beiden teilten ihm nun mit, was sie wußten und erlebt hatten, auch ihr Zusammentreffen mit Kapitän Davis vor Fort Jackson.

»Will euch sagen, Boys, kenne den Peschewa, ist ein Fuchs und ein vorsichtig abwägender Mann. Müssen da absonderliche Dinge unter den Ottawas vorgegangen sein. Denke aber auch, wenn er etwas vorgehabt hätte, sei es gegen Weiße oder Rote, würde er euern Beistand nicht verschmäht haben. Kalkuliere, habt euch schon überlegt, was zu beginnen sei, laßt mich hören, was ihr vorhabt.«

»Vor allem ist es gut, daß mir deine Büchse haben, Iltis, mit diesem alten Schießeisen ist nicht viel zu beginnen.« Man eröffnete ihm dann, daß sie beabsichtigten, nach dem Traverse-River hinüber zu wechseln, sich dort, wenn möglich, Waffen, Munition, Decken und die Dinge zu verschaffen, welche dem Waldmanne unentbehrlich sind, und dann so rasch als möglich über den Mackinaw nach der nördlichen Hälfte von Michigan oder nach Kanada zu gehen.

»Hm,« sagte Iltis, »ist ein rauhes Land drüben und nicht viel zu holen. Wird aber unter sotaner Sachlage nicht viel andres übrigbleiben, müssen fort von hier, wenn die Indianer uns nicht dulden wollen. Bekommt der Befehlshaber im Fort Wind von uns, und er schickt den Ottawas einige Geschenke, fangen uns die roten Hunde ein und überliefern uns den Truppen Uncle Sams. Ohne die Freundschaft der Ottawas sind wir keinen Tag sicher.«

Morris und Tyron stimmten zu.

»Geht manchmal im Leben alles quer, Boys. Müssen's nehmen wie's kommt. Habe große Lust, hier oben einen Store zu eröffnen, bin des Herumliegens in den Wäldern überdrüssig. Kennen mich hier nicht. Wißt, verstehe das Geschäft. Muß nur etwas Geld haben. Nun, denke, werden es finden. Können dann in Geschäftsverbindung bleiben und habt einen Unterschlupf, Boys.«

»Ja, das wäre schon recht, machte sich da unten am Muskegon auch ganz gut, aber Geld? Woher nehmen? Hier draußen ist wenig zu finden.«

»Kalkuliere, kaufen in Traverse City auch Pferde. Müßten nur den Burton haben, ist der Mann, sie zu verkaufen, sieht Vertrauen erweckend aus.«

»Ist vor allem notwendig, uns zu bewaffnen, Iltis. Muß da hier in der Nähe ein alter Kerl in seinem Shanty hausen.«

»Ah, ja, den habe ich gesehen, gehen ihm die Ottawas scheu aus dem Wege, nennen ihn den toten Mann.«

»Recht, der ist's. Wollen ihm einen Besuch abstatten.«

»Sage euch, Boys, ist nicht ungefährlich, soll ein gewaltiger Schütze sein, der Alte.«

»Kalkuliere, kann auch schießen,« entgegnete Morris trocken.

Die drei würdigen Gesellen brachen dann auf, um der Hütte Johnsons den in Aussicht gestellten Besuch abzustatten. Nach einiger Zeit wurden sie dieselbe gewahr. Die Warnung des Iltis hatte auf den rohen Morris so viel gewirkt, daß dieser sich dem kleinen Blockhause mit großer Vorsicht näherte. Etwa hundert Schritt noch von ihm entfernt hielten sie und lugten scharf aus.

Still und ruhig lag das kleine Gebäude vor ihnen.

»Scheint auf Besuch abwesend zu sein, der Alte,« sagte endlich Morris. »Bleibt hier, will den Fall untersuchen.«

Er schlich durch die Büsche bis nahe zu dem Hause hin. »Alles verschlossen,« murmelte er, als er es genügend betrachtet hatte, »muß der Alte tot oder abwesend sein.« Er kroch dann dreist an die Hütte hinan und lauschte. Kein Laut war zu vernehmen. Dann ging er zur Tür, klopfte derb an und rief: »Ho, aufgemacht, ist ein Fremder hier!« Schweigen antwortete ihm.

Er winkte dann die beiden andern zu sich.

»Ausgeflogen ist der Vogel, wollen ihm aber doch ins Nest schauen.«

Er rüttelte derb an der Türe, doch diese widerstand.

»Hm, von innen verschlossen?« Er ging um das Haus herum und versuchte die Läden aufzureißen, vergeblich, sie waren stark befestigt. Die Oeffnung aus der Rückseite war so künstlich in dem Balkenwerk verborgen, daß sie ihm bei seinen Nachforschungen nicht auffiel.

Tyron und der Iltis waren herangekommen und unterstützten die Bemühungen ihres Gefährten, doch jeder Versuch, sich Eingang zu verschaffen, erwies sich als nutzlos.

»Verd– wie hat der Kerl sich verwahrt. Ist so schwer zu öffnen, wie eine eiserne Geldkiste. Wäre nur eine Axt zur Stelle, wollte bald ein Loch gemacht haben.«

Mißmutig standen die drei Gesellen und schauten die Balkenwände an. »Muß ein Fuchs sein, der Alte, und hat sicher etwas zu verschließen, sonst hätte er nicht alles so befestigt. – Hm. Wollen's mit ein wenig Feuer versuchen, Boys – he?«

»Wird lange dauern, bis diese Klötze brennen,« sagte Tyron, »ist ein Jammer, ist sicher eine Büchse drinnen.«

Ein leichter Schritt machte sie aufhorchen, alle drei fuhren bei dem Laut zusammen und wandten den Kopf.

Wenige Schritte von ihnen stand, auf seine Büchse gelehnt, ein hochgewachsener Indianer. Wortlos starrten ihn die Männer an.

Die dunklen Augen des Mannes überflogen die Gruppe, er grüßte dann mit der Hand und sagte in verständlichem Englisch: »Ich suche die rote Hand.«

»Mich suchst du, Ottawa? Und was verschafft mir die Ehre?«

»Der stammlose Häuptling sendet mich dir nach.«

»Wer ist das? Du bist doch ein Ottawa?«

»Onugsa ist kein Ottawa mehr, er ist stammlos wie sein Häuptling, er hat das Ottawavolk vergessen.«

»Stammlos? Stammloser Häuptling? Was ist das?« Die Männer sahen sich erstaunt an.

»Wen meinst du denn mit dem stammlosen Häuptling?«

»Ihn früher nennen Peschewa, die wilde Katze, früher großer Häuptling der Ottawas, jetzt kein Volk mehr, fechten allein.«

»Fechten? Will Peschewa fechten? Wann? Mit wem?«

»Er dir sagen.«

»Und Peschewa sendet dich mir nach?«

»So er tun.«

»Er ist doch noch der gute alte liebe Freund, den ich so sehr schätze. Und fechten will er? Desto besser, mit wem, ist mir gleichgültig, ich bin sein Mann.«

»Warum ist denn Peschewa jetzt ein stammloser Häuptling?«

»Er alles sagen. Rothand mitkommen.«

»Wo ist denn Peschewa?«

»Er ist in den Wäldern,« entgegnete der vorsichtige Indianer.

»Und hat Krieger um sich?«

»Viel Krieger. Kommen noch mehr.«

»Boys, das gibt eine Frolic. Ich konnte es ja auch gar nicht begreifen, daß mein alter werter Freund Peschewa die Streitaxt ausgraben sollte und mich den Tanz nicht mitmachen lassen wollte. Aber sieh mich an, Ottawa, die Spitzbuben im Fort haben mir und Tyron hier die Büchsen genommen. Decken, alles –«

»Wieder holen,« entgegnete kurz der Indianer.

»Bin ganz dafür. Was meint ihr, Fellows, sollen wir der Einladung Peschewas folgen?«

»Selbstverständlich,« sagte Tyron, »werden ja schon hören, was es gibt.«

»Wenn mir nur Büchsen hätten. Habt ihr Waffen, Indianer?«

»Peschewa Büchsen. Warum nicht nehmen Büchse von totem Mann?«

»Meinst du den, der hier wohnt, so viel ich weiß, nennt ihr den Alten so.«

»Nicht ihn,« sagte der Indianer und warf einen scheuen Blick auf die Hütte, »er großer Medizinmann, meinen toten Mann im Walde.«

»Liegt hier einer erschlagen?«

»Er tot, Büchse neben ihm. Warum nicht nehmen?«

»Ja, das sehe ich auch nicht ein. Wo liegt denn der tote Mann, ist es weit?«

»Nicht weit.«

»Nun, so führe uns hin, eine Büchse ist in unserm Zustande nicht zu verachten.«

»Kommen,« sagte der Ottawa, und schritt voran, über den Bach hinweg.

Die drei folgten ihm.

»Ist das beste, was wir tun können, Männer, uns dem Peschewa anzuschließen, meint ihr nicht? Wo Holz gehauen wird, fallen Späne ab, wollen schon zusehen, daß wir genügend davon erlangen. Bin doch neugierig, zu erfahren, was mit dem Peschewa geschehen ist, und was er vor hat.«

Der Indianer führte sie auf geradestem Wege zu der Stelle, wo die Leiche lag, welche unsre Freunde bereits entdeckt hatten.

Sie warfen die Aeste, welche sie bedeckten, zur Seite und starrten mit schreckhaftem Erstaunen in die Züge Burtons.

Morris warf dem Iltis einen merkwürdig fragenden Blick zu, doch dieser bemerkte ihn nicht.

»Burton!« rief er, »segne meine Seele, wie konnte das kommen?«

»Bei Jingo,« sagte Tyron, »ist wie ein Hund von hinten zusammengeschossen worden.«

»Und beraubt,« setzte Morris hinzu, mit einem zweiten Blick auf Iltis. »Hatte er denn Geld bei sich?« fragte er diesen.

»Wenig mehr als ich, hatten zusammen keine vierzig Dollar im Vermögen.«

»Sind die Taschen rein ausgefegt, muß einer getan haben, der's versteht.«

»Wundre mich, daß Burton sich seinen Mörder so nahe kommen ließ. War vorsichtig, der Mann.«

»Hilft kein Klagen, Morris, ist tot wie ein Türnagel. Schade, hätten ihn brauchen können. Ein Glück, daß er uns die Büchse als Erbteil hinterlassen hat.«

Da es in diesen Tagen nicht geregnet hatte, fanden sich die Büchse, Pulverhorn, Kugelbeutel in gutem Zustande vor.

Morris bemächtigte sich derselben und gab seine Soldatenflinte an Tyron.

»Wunderbar,« sagte der Iltis, »als ich ihn am White-River verließ, trug er andre Kleider. Das ist übrigens auch seine Büchse nicht.« Er nahm Morris die Waffe aus der Hand und betrachtete sie. »Ist ganz sicher seine Büchse nicht.«

»Willst am Ende behaupten, das wäre auch Burton nicht?«

»Das ist er sicher genug. Aber wie kommt er zu diesem Rock und dieser Waffe? Und wer kann ihn erschlagen haben?«

»Hat einer von euch den Mann niedergeschossen, Ottawa?« fragte Morris.

»Nicht Ottawa, weißer Mann ihm schießen, sehen Spur.«

Von dieser war nun freilich jetzt nichts mehr zu erblicken.

»Weißer Mann?« Und wiederum streifte ein Blick von Morris den Iltis.

»Am Ende der Alte in dem Shanty dort,« meinte Tyron.

»Nicht toter Mann; finden Spur, nicht seine Spur. Andrer weißer Mann schießen tot, nehmen Geld, gehen in Bach dorthin.« Und er wies stromauf.

»Da muß sich also noch ein Weißer hier herumtreiben.«

»Na,« sagte Tyron, »nützt alles Philosophieren nichts, tot ist tot. Decken wir ihn zu und lassen ihn ruhen. Kann ihm nichts mehr nützen. Hat ein gutes Ende gehabt, war tot, ehe er es mußte.«

»Möchte doch ein Wörtchen mit dem sprechen, der ihn so hinterrücks niedergeschossen hat,« murmelte Morris. »War ein guter Kamerad, der Burton. Schade um ihn.«

Sie deckten die Aeste wieder über den Leichnam.

»Nun führe uns zu Peschewa, Ottawa.«

Darauf schritt der Indianer voran, und rasch und schweigend folgten ihm die drei Banditen.


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