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Elftes Kapitel.

Die Stammlosen.

Ein sonniger, lachender Morgen stieg über Fort Jackson herauf. Vom unbewölkten Himmel sielen goldig des leuchtenden Tagesgestirns Strahlen hernieder und spiegelten sich glitzernd in den stillen Fluten des Chippeway-Sees, der einsam zwischen den schattigen Wäldern lag, einer köstlichen Perle gleichend, deren Schönheit durch dunkle Einfassung gehoben wird.

Kein Ton klang von den Wäldern herüber, es war so still und feierlich, wie an einem Sonntagmorgen, den die Natur mitfeiert.

Weitausgedehnt lag der glänzende See da, dessen östliches Ufer noch in Schatten gehüllt war, während sein westliches im jungen Frührot schimmerte.

Still wie alles ringsum lag auch das Fort da, selbst die beiden Schildwachen aus den Wällen standen bewegungslos, gebannt von der einfachen, erhabenen Schönheit des erwachenden Tages, und sahen, auf ihre Flinten gelehnt, schweigend über den See hinüber.

Erst nach und nach, sowie die Sonne höher stieg, wurde es dort lebendig, die das Ufer bewohnenden Wasservögel tauchten auf und suchten die erste Nahrung, hoch oben kreiste ein mächtiger Fischadler, mit scharfen Augen nach Beute ausspähend, und aus dem Walde her tönte dann und wann der helle Ruf der Spottdrossel oder das Pfeifen eines Eichhörnchens.

Im Fort selbst herrschte Schweigen, wie überall ringsum, alles schien dort noch in tiefem Schlafe zu liegen, selbst aus dem Raume, wo die zur Wache kommandierten Mannschaften weilten, drang kein Laut hervor.

Es war ein Bild solch stillen, sonnigen Friedens, welches sich an diesem Morgen dem Auge bot, daß es auch ein verhärtetes Herz zur Andacht zwingen konnte.

Ein leichter Wind erhob sich, kräuselte die sonnbeglänzte Fläche des Sees und ließ den Wald ringsum im Blättergeflüster rauschen.

Langsam gingen die Wachen auf den Wällen wieder auf und ab.

Geraume Zeit verstrich, während die Sonne höher und höher stieg, ehe sich Bewegung innerhalb des Forts zeigte.

Endlich regte sich's auf der Wache. Mannschaften traten daraus hervor, ordneten sich unter Befehl eines Sergeanten und lösten unter den üblichen Formalitäten die Schildwachen ab.

Jetzt ward es auch in dem langhingestreckten Blockhause, welches als Kaserne diente, lebendig; Soldaten kamen mit Eimern und gingen zum Brunnen, um Wasser zu holen. Bald rauchte auch der Schornstein ihrer Küche, man war augenscheinlich dabei, das Frühstück zu bereiten.

In dem Häuschen, wo der narbige Sergeant Wood wohnte, rührten sich bereits fleißige Hände, denn auch dessen Schornstein zeigte, daß die Sergeantin bereits am Herde tätig war.

Fenster wurden geöffnet und man erblickte Leute, Uniformstücke reinigend, Waffen putzend oder die Schlafsäle in Ordnung bringend.

Immer mehr und mehr entwickelte sich das gewöhnliche Tagestreiben.

Um sechs Uhr trat der Hornist aus der Wachtstube und blies zum Antreten.

In kurzer Zeit stand die ganze Besatzung des Forts, die Wachen ausgenommen, in Reih' und Glied.

Aus dem Hause, welches für die Offiziere errichtet war, ein einstöckiges Gebäude von zierlicherer Form als die andern Baulichkeiten, traten Leutnant Sounders und etwas später Kapitän Davis hervor. Die Sergeanten hatten die Mannschaften verlesen und meldeten jetzt dem Befehlshaber, daß niemand fehle.

Die Soldaten traten nach gehaltenem Appell wieder ab und der Kapitän gab den Unterbefehlshabern seine Tagesbefehle aus.

»Sergeant Harrisson, Sie nehmen sechs Mann vom zweiten Zug zum Holzfällen. Schafft noch ein paar Ladungen Brennholz herbei, mein Nachfolger soll alles in bester Ordnung finden.«

»Leutnant Sounders, Sie nehmen sich zwölf Mann vom ersten Zuge mit dem Sergeanten Mulders und machen einen Marsch den See entlang bis zum Blackcreek, dem Obersten entgegen. Den letzten Nachrichten zufolge kann er zwar frühestens morgen hier sein, aber ich kenne Schuyler, er liebt es, zu überraschen, und es ist gar nicht ausgeschlossen, daß er der Kolonne vorauseilt. Sollte er Ihnen begegnen, schicken Sie mir den flinksten Burschen, den Sie haben, hierher zur Meldung. Lassen Sie die Leute Proviant und Munition fassen. Die übrigen Mannschaften werden zum Scheuern kommandiert, damit der Oberst alles in sauberstem Zustande vorfinde. Abtreten!« Die Sergeanten entfernten sich, und zum Leutnant sagte der Befehlshaber: »Nun lassen Sie uns frühstücken. Sounders, es ist zeitig genug, wenn Sie um acht Uhr ausrücken.«

Die Offiziere ließen sich neben dem kleinen Kommandantenhause nieder, in dessen Schatten die Sergeantin mit Hilfe einer Ordonnanz einen Frühstückstisch hergerichtet hatte. Davis und sein Leutnant sprachen herzhaft dem nach amerikanischer Sitte reichlichen Frühmahle zu.

Seit der an Peschewa und seinen roten Gefährten vollstreckten Exekution waren fast vier Wochen vergangen.

Als der gallige Zorn des Kapitäns sich gelegt hatte, sah er wohl ein, daß er nicht nur seine Befugnisse weit überschritten, sondern einen Akt roher Gewalt begangen hatte. Er schämte sich dessen innerlich aufrichtig, und war auch nicht ohne Besorgnis, daß ihm die über das Haupt der Ottawas, welches von der Regierung als solches anerkannt war, verhängte Strafe, da ja auch nicht der Schatten eines Beweises gegen ihn vorlag, an dem Diebstahl der Kühe beteiligt zu sein, erhebliche Unannehmlichkeiten bereiten könnte, wenn sie im Kriegsdepartement bekannt wurde. Er hatte sich von seinem heißen Kreolenblut hinreißen lassen, jene Tat zu begehen, die, bei der Verachtung des Südstaatenmannes gegen alles, was farbig ist, ihm im ersten Augenblick keineswegs unstatthaft erschienen war.

Denn fünfundzwanzig wohlgezählte Peitschenhiebe auf den Rücken dieses roten Gesindels bedeuteten an und für sich nicht viel, und hielten andre sicher ab, sich wiederum dem Fort in diebischer Absicht zu nähern.

Als er aber mit ruhigem Blute den Vorgang betrachtete, sah er nicht nur ein, daß er unrecht getan, sondern auch bei der bekannten Rachsucht der Eingeborenen einen Ausbruch indianischen Zornes gewärtigen könne, den veranlaßt zu haben, eine schwer Verantwortung auf seine Schultern lud.

Seine Besorgnisse wurden durch die offen geäußerten Ansichten seines Leutnants und des alten Sergeanten, welche beide die Indianer besser kannten als er, keineswegs zerstreut.

Mr. Sounders hatte ihm gesagt, daß er nach dieser Beschimpfung ihres ersten Häuptlings durchaus nicht verwundert sein werde, wenn binnen acht Tagen fünfhundert heulende Wilde das Fort angriffen, um blutige Rache zu nehmen. Der Sergeant hatte ihn ernstlich gewarnt, die Wälle des Forts zu verlassen, da er fest überzeugt sei, daß seit dem Tage der Exekution mehr als eine indianische Büchse auf ihn lauere, daß es unmöglich sei, ihn gegen solch meuchlerische Kugel zu schützen und höchst wahrscheinlich, daß der Mörder sogar entkommen werde, da ihn in diesen Wäldern zu verfolgen für reguläre Soldaten unmöglich sei.

Nicht die seinem Leben drohende Gefahr, denn Kapitän Davis war ein mutiger Mann, aber die, wie er jetzt einsah, nicht fern liegende Möglichkeit, einen Indianerkrieg hervorgerufen zu haben, hatte sehr ernstliche Besorgnisse bei ihm geweckt, die er nicht immer seiner Umgebung zu verbergen vermochte.

Sounders hatte wiederholt mit den geschicktesten seiner Leute die Wälder abgesucht, ohne irgend etwas Verdächtiges zu finden. Auch der Pottawatomie, der die Wunde, welche er bei der Verfolgung von Morris und Tyron durch zu hitziges Vorgehen und Unterschätzung seiner Gegner sich zugezogen, im Fort heilte, hatte mit indianischem Spürsinn, als er hergestellt war, den Wald weit und breit durchforscht, doch mit demselben Resultate wie der Leutnant.

Kapitän Davis zeigte sich mit der ihm eigenen Verwegenheit an der Spitze von Mannschaften oder auch allein außerhalb des Forts, und war sogar sonder Begleitung auf die Jagd gegangen, ohne daß ihm ein Unfall zugestoßen wäre.

Als so etwa vierzehn Tage vergangen, und die von Sounders und dem Sergeanten befürchteten Folgen nicht eingetreten waren, legten sich seine Besorgnisse. Sie schwanden fast ganz, als um diese Zeit ein Häuptling der Ottawas im Fort eintraf, und im Auftrage Kitates die Mitteilung machte, daß Peschewa die Häuptlingswürde niedergelegt habe und Kitate von der großen Ratsversammlung seines Volkes zum ersten Häuptling desselben gewählt sei. Kitate ließ gleichzeitig um Mitteilung des Häuptlingswechsels nach Fort Dunkan und Washington bitten und anfragen, ob der Befehlshaber des Forts Jackson seinen Besuch annehmen wolle.

Davis ließ ihm erwidern, daß er im Fort sehr willkommen sein werde.

Einige Tage später war auch Kitate in Begleitung von zwei andern Häuptern seiner Nation und einigen Kriegern im Fort erschienen, wo er sehr freundlich aufgenommen und in gastlicher Weise bewirtet worden war.

Mit lächelnder Höflichkeit hatte der indianische Diplomat die ihm erwiesenen Aufmerksamkeiten entgegengenommen. Gleichzeitig hatte er dem Kapitän mitgeteilt, daß Peschewa nicht nur die Häuptlingswürde niedergelegt habe, sondern auch aus dem Stamm der Ottawas geschieden sei, leider mit noch einigen Mitgliedern des Volkes, und hierbei sehr energisch betont, daß für etwaige Ausschreitungen Peschewas und seiner Leute gegen die Ansiedelungen oder die Soldaten des Forts keinesfalls die Ottawas verantwortlich gemacht werden könnten, da er nicht mehr zu ihnen gehöre und für alle Zeiten aus ihrem Verbande geschieden sei. Da Kitate mit der Art und Weise der Amerikaner bekannt war, hatte er gebeten, diese seine Aeußerungen zu Papier zu bringen, ein Wunsch, dem willfahrt wurde.

Davis und Sounders waren sehr froh, daß die Gefahr eines kriegerischen Vorgehens von seiten der Ottawas vermieden war, vor Peschewa und der Handvoll Gesindel, welches er allenfalls mit sich führen konnte, fürchteten sie sich nicht. Denn daß er das Fort angreifen werde, war nicht gut denkbar.

Kitate teilte ferner mit, daß fünf seiner jungen Leute, von einer unergiebigen Jagd zurückkehrend, die Kühe geraubt hatten, übrigens ohne Wissen und Willen Peschewas, erbot sich, den Wert derselben zu ersetzen, und teilte mit, daß, nachdem er zum Häuptling gewählt worden sei, er den fünf Kuhdieben befohlen habe, sich im Fort zur Bestrafung zu stellen oder gewärtig zu sein, aus dem Stamm ausgestoßen zu werden, wie es auch ganz der Wahrheit gemäß war. Wiederholt betonte Kitate, der durchaus im Einverständnis mit Peschewa handelte, daß er im Frieden mit den Weißen und dem großen Vater in Washington zu leben wünsche. Die durch Kapitän Davis' übereilte Handlung heraufbeschworene Gefahr war also auf einen etwaigen Racheakt des beleidigten Peschewa zusammengeschrumpft, und diesem glaubte man begegnen zu können.

Kitate zog nach seinem Besuche reich beschenkt davon. Daß er die Geschenke verächtlich in einen Sumpf warf, davon erfuhr man im Fort nichts; man hatte die Gewißheit hier gewonnen, daß eine Störung des Friedens von seiten der Indianer nicht zu befürchten sei.

Einem möglichen Attentate des beleidigten Indianerhäuptlings setzte man jede denkbare Vorsicht entgegen, doch war bis heute auch nicht die unbedeutendste Veranlassung gegeben worden, daß ein solches zu befürchten sei.

Die beiden Offiziere hatten ihr Frühstück beendet. Davis zündete sich behaglich eine Zigarre an und sagte: »Glorioser Tag, Sounders, hört mit ihm die babylonische Gefangenschaft auf, während deren ich oft genug an diesen Wassern saß und beinahe Tränen geweint hätte, kommen wieder zu Menschen. Nein, Sounders, ehe ich mich wieder in die Wildnis schicken lasse, eher quittiere ich den Dienst. Die Monate hier waren martervoll – ist ein Fakt.«

»Ich bin auch durchaus nicht abgeneigt, diese Garnison mit einer andern zu vertauschen, es ist in der Tat etwas einsam hier.«

»Etwas einsam? Wüste Sahara – nichts weiter. Noch ein Vierteljahr länger hier und ich war blödsinnig. Habe eine Idee, Sounders, eine kapitale Idee, denke, mir trinken zur Vorfeier des morgenden Festtages unsre letzte Flasche Champagner.«

»Sollten mir sie nicht lieber bewahren, um Miß Schuyler gebührend zu bewillkommen?«

»Ja, recht, auch gut. Furchtbare Idee des Alten, das Mädchen hier mit in die Wälder zu schleppen, mir ganz unbegreiflich.«

»Ganz kann ich's auch nicht fassen, obgleich es ja dem Oberst gewiß einen Trost gewährt, die Tochter zur Gesellschaft zu haben, denn viel unterhaltender als dieser Posten ist Fort Dunkan auch nicht.«

»Sage, fürchterliche Idee, eine junge, hübsche Lady hierher zu bringen. Schauderhaft.«

»Sie kennen Miß Schuyler, Herr Kapitän?«

»Sah sie mehrmals in Washington. Auffallende Erscheinung, nur etwas kühl, und soll ungewöhnlich geistreich sein, paßt hierher wie eine blühende Magnolie in eine Eiswüste.«

Sounders lächelte über das drastische Bild seines Vorgesetzten.

Dieser sandte einige Dampfwolken gen Himmel und fuhr nach einiger Zeit fort: »Bin froh, Sounders, daß die Geschichte hier ein Ende hat, in doppelter Beziehung. Einmal überhaupt fortzukommen, und dann,« sagte er langsamer, »die Besorgnisse dieser letzten Wochen endlich beendet zu sehen, die mich noch mehr gequält haben, als ich zeigen mochte.«

»Ja, Kapitän, wir können von Glück sagen, daß dieser Zwischenfall ohne ernste Folgen vorübergegangen ist.«

»Habe mich übereilt. Sounders, gestehe es gerne, und danke Gott, daß es so abgelaufen ist.«

»Mich wundert nur, daß Peschewa diese ganze Zeit her gar nichts von sich merken ließ. Rachsüchtig sind diese Indianer bis zum Aeußersten, und ich wußte Sie nie außerhalb des Forts, ohne ernstliche Befürchtung zu hegen, daß Ihnen aus sicherem Hinterhalt eine wohlgezielte Büchsenkugel zufliegen konnte.«

»War auch nicht ganz ruhig, wenn ich draußen war.«

»Es müssen bei den Ottawas Dinge vorgefallen sein, über welche der, wie mir schien, sehr geriebene Fuchs, der Kitate, wie er sich nannte, nicht mit der Sprache heraus wollte. Mir, soweit ich die Indianer kenne, will scheinen, daß in ihrem eigenen Lager ein Streit ausgebrochen ist, eine Palastrevolution, welche dem Peschewa seinen Thron gekostet hat. Der brave Kitate wird ihn herunter gestoßen haben. Peschewa ist mit seinem kleinen Anhang von den übrigen vertrieben worden, so nur kann ich mir den Vorgang erklären, und das wird auch Ursache sein, daß er seinen Grimm gegen uns hinunterschluckt bis zu gelegener Zeit, er wird als entthronter Prätendent mit seinen Stammesangelegenheiten genug zu tun haben. Sie haben recht, Herr Kapitän, auch für diese Angelegenheit ist ein Garnisonswechsel gut, denn daß er sich rächen wird, wenn er kann, ist sicher genug.«

»Ich würde ja dem Kerl für die Tracht Prügel gern ein paar Fäßchen Rum, Decken, Pulver schenken, um seinen Zorn zu lindern; tut mir leid, die Geschichte. – Werde sie wohl dem Oberst melden müssen.«

»Das wird wohl unausbleiblich sein.«

»Bin bereits auf eine Moralpredigt gefaßt. Wird heißen: Sind Menschen, Menschen wie wir und so weiter, kenne das Lied. Denn Teufel sind's, Menschen wie wir, Tiere, wilde Tiere sind's, nichts weiter.«

»Doch steht der Indianer, denke ich, hoch über dem Neger.«

»Bestreite ich. Sounders, halte das schwarze Viehzeug immer noch für bildungsfähiger als diese roten Bestien. Na, schließen mir das Kapitel, bin froh, daß ich fortkomme.«

Der Sergeant Harrisson war mit seinen sechs Mann nach dem Walde gegangen, um dem erteilten Befehl gemäß Holz zu schlagen, während die übrigen Soldaten eifrig mit Scheuern beschäftigt waren.

Das Piquet, welches der Leutnant dem Obersten entgegenführen sollte, trat an, und Sounders verabschiedete sich von seinem Chef.

»Also, wie gesagt,« äußerte dieser noch, »sucht der alte Pedant uns zu überraschen, flink den schnellsten Läufer hierhergesandt. Sonst meine Empfehlung an Miß Schuyler. Will übrigens noch ein paar Guirlanden aus Waldesgrün an unsrer Residenz anbringen lassen, damit die Lady sieht, daß wir hier noch nicht ganz verwildert sind. Gute Fahrt, Sounders.« Er schüttelte dem jüngeren Kameraden die Hand und dieser zog mit seinen Soldaten ab und verschwand bald im Walde.

Der Kapitän rief die vorbeigehende Sergeantin an: »Ist alles für die Aufnahme der Miß Schuyler vorbereitet, Mistreß Wood?«

»Ja, Herr Kapitän, so gut es nur irgend anging.«

»Hängen Sie ihr nur gleich auch meinen Spiegel ins Zimmer, es ist das einzige anständige Möbel im ganzen Fort, und junge Damen betrachten ihr Abbild gern.«

»Junge Herren auch,« dachte die Sergeantin, die Frau des narbigen älteren Kriegers, welche recht gut wußte, daß der Kapitän von seiner Person ziemlich eingenommen war, sie sagte aber nur: »Wie der Herr Kapitän befehlen.«

»Halt, mir haben ja auch das alte Harmonium, welches mein musikalischer Vorgänger hierher gebracht hat. Lassen Sie das in Miß Schuylers Gemächer überführen, sie singt ja und kann die Echos des Waldes mit ihrer schönen Stimme wecken.«

»Ja, Herr Kapitän.«

»Und dann wäre es hübsch, wenn Sie von den Leuten einige Laubgewinde anfertigen ließen, Mistreß Wood, um das Haus etwas zu schmücken, wir müssen doch der Tochter unsres Obersten eine Art Empfang bereiten.«

»Soll geschehen, Herr Kapitän.«

»Ist Sie denn nicht auch froh, daß mir hier fortkommen, Frau?«

»Mir ist es gleich, ich habe so lange mit meinem Mann an der Grenze und in den Außenforts gelebt, daß ich mich an ein andres Leben erst gewöhnen müßte.«

»Na, da haben wir doch eine Seele, welche sich nicht von hier fortsehnt. Merkwürdig genug. Ich verlasse mich auf Sie, Mistreß Wood.«

»Das können der Herr Kapitän.« Damit ging die Frau.

Davis setzte sich wieder an den Frühstückstisch, gähnte, zündete sich eine neue Zigarre an, befahl einen Pack New Yorker Zeitungen aus dem Zimmer zu bringen, und las sie zum viertenmal.

Die Wache auf dem Wall, welcher nach dem See zu lag, ließ einen Ruf vernehmen.

Der Kapitän legte die Zeitung fort und horchte auf. Der Sergeant Wood, welcher die Arbeiten der Soldaten beaufsichtigte, begab sich schnell auf den Wall und meldete seinem Kommandeur nach kurzer Frist: »Indianische Kanoes auf dem See, Herr.«

»Wieviel?«

»Ich denke fünf bis sechs.«

»Nahe?«

»Nein, noch ziemlich weit.«

»Indianische Kanoes auf dem See? Was bedeutet denn das? Bring mir mal das Fernrohr, Jack,« rief er seiner Ordonnanz zu und begab sich mit dem Sergeanten auf den Wall.

Ein Blick durch eine der Schießscharten belehrte ihn, daß noch ziemlich weit draußen eine Anzahl indianischer Boote hielten.

Er nahm das ihm gebrachte Glas und schaute eifrig hindurch.

»Es sind acht Fahrzeuge und in jedem befinden sich zwei Mann. Was wollen die hier? Und wie kamen sie überhaupt auf den See?«

Er sah wieder durch das Glas und bemerkte, daß eines der Kanoes sich jetzt, von raschen Ruderschlägen getrieben, auf das Fort zu bewegte, während die andern auf der Stelle, wo sie hielten, blieben und die Insassen sich ruhig darin niederlegten.

Er beobachtete die in der Ferne Harrenden, wie das herankommende Fahrzeug scharf durch sein gutes Glas, ohne übrigens irgend etwas Verdächtiges zu bemerken.

Als das Kanoe noch einige hundert Schritt entfernt war, begab er sich hinunter, nachdem er dem Sergeanten befohlen hatte, die Insassen desselben ihm vorzuführen, und nahm wie bisher Platz an dem Tische.

Die beiden Indianer, welche die Besatzung des leichten Fahrzeugs bildeten, landeten an dem Anlegeplatz und wurden von Wood, da sie den Häuptling zu sprechen verlangten, vor Davis geführt, worauf der schlaue alte Krieger sich sofort zurück begab und das Kanoe einer sorgfältigen Untersuchung unterwarf.

Außer den Büchsen der Männer und ihren wollenen Decken fand er nur ein Fischnetz und zwei Fischspeere darin. Hierauf ging er zu Kapitän Davis und betrachtete sich die Indianer, welche vor dem Kommandanten standen. Der eine dieser Leute war ein älterer Bursche und mochte vielleicht fünfzig Jahre zählen, während der andre kaum das Jünglingsalter überschritten haben mochte. Der Aeltere sprach ziemlich verständlich englisch.

»Wer seid ihr? Was wollt ihr hier?« hatte sie Davis gefragt.

»Langsam fragen,« entgegnete ihm der Alte mit einem Lächeln, »nicht gut verstehen. Zu viel fragen.«

»Also wer seid ihr?«

»Etepate,« so entgegnete der Indianer, den Zeigefinger auf die Brust richtend, »dies Etepate, der Waschbär, dies,« und er zeigte auf den Jüngling neben ihm, »Scheschepuk, die Ente.«

»Nun gut, das sind eure romantischen Namen, aber welchem Stamm oder Volke gehört ihr an?«

»Pottawatomie!« sagte der Aeltere wieder, mit unverkennbarem Stolze.

»So? Pottawatomie? Ich glaubte, ihr wäret Ottawa.«

»Nicht Ottawa, Pottawatomie, Ottawa arme Hunde.«

»Und was verschafft mir die Ehre, meine roten Gentlemen?«

»Nicht verstehen.«

»Was wollt ihr hier?«

»Ihn bitten, Pottawatomie in Chippeway-See Yeentse fangen.«

Dies war der Name eines überaus wohlschmeckenden und seltenen Fisches, der nur in diesen nordwestlichen Gewässern der Halbinsel gefunden wurde. Kapitän Davis, der ein kleiner Gourmand war, und in den letzten Wochen seinen Tisch ziemlich einförmig gefunden hatte, verbarg sein Vergnügen nicht bei der Aussicht, diesen Fisch, den die Amerikaner Merle nannten, zu erhalten. Den Genuß, Merle zu speisen, konnte man sich nur um so seltener verschaffen, als der Fisch mit dem Netze gar nicht und mit der Angel nur sehr schwierig zu fangen war, so daß er, der sich in stillen Uferwinkeln aufhielt, nur mit dem Speer erlegt werden konnte. Da aber die dazu nötige Geschicklichkeit und Uebung nur bei den Indianern zu Hause war, so oft die jüngeren Leute auch schon versucht hatten, den Fischspeer zu handhaben, so war es klar, daß nur jagende Wilde Aussicht auf Beute gaben. Da in der Nähe des Sees keine Indianer wohnten, so erschienen solche selten an dessen Ufern, um zu fischen, doch war es wiederholt vorgekommen, wie Davis bekannt war, daß Ottawas oder Pottawatomies zum Chippeway kamen mit der ausgesprochenen Absicht, sich gerade diese Leckerspeise zu verschaffen, von welcher der Indianer ein so großer Freund war wie der Weiße.

»Also ihr wollt Merle fangen oder Yeentse, wie du sagst?«

»Wenn du es erlaubst, ja.«

»Seid ihr denn nur des Fischfangs wegen hierher gekommen?«

»Haben in den Wäldern gejagt, kein Fleisch in Wigwam.«

»Das wissen die Götter, die Jagd wird immer unergiebiger hier. Habt ihr Beute gemacht? Will sagen, habt ihr etwas geschossen?«

»Nicht viel, zwei Hirsche, einen Bären,«

»O, wenn ihr die Bärenhaut noch habt, die kaufe ich euch ab. Mir ist es in dreiviertel Jahren nicht gelungen, hier einen Bären zum Schusse zu bekommen, und ich möchte doch gern mit seinem Pelz in New York paradieren. Willst du mir das Fell verkaufen?«

»Gerne.«

»So schaff es her.«

Sergeant Wood war zurückgekehrt, hatte die beiden Indianer genau betrachtet, deren Verhandlung mit seinem Offizier gelauscht, und mischte sich, da eine Pause eingetreten, mit den Worten in das Gespräch ein: »Erlauben der Herr Kapitän, daß ich einige Fragen an die Leute richte?«

»Immer zu, Sergeant.«

»Ihr seid Pottawatomies?«

Beide bejahten.

Wood hatte einige Worte des Pottawatomiedialektes erlernt, da er längere Zeit in einem der nördlicheren Forts stationiert gewesen war, und fragte jetzt in diesem: »Wo habt ihr denn eure Wigwams, Leute?«

Wie es schien, angenehm davon überrascht, in seinen eigenen Lauten angeredet zu werden, erwiderte der Alte mit einem Schwall von Worten in seiner Muttersprache, aus welchem Wood, dessen indianische Sprachkenntnisse geringe waren, denn doch nur das entnehmen konnte, daß jener wirklich den Pottawatomiedialekt sprach.

Er wiederholte also seine Frage auf englisch: »Wo wohnt ihr?«

»O, am Pinelac, wie die Yengeese sagen, Pottawatomie nennen ihn Schatwura.«

»Das ist richtig, am Pinelac wohnen Pottawatomies.«

»Aber wie kommt ihr denn hierher?«

»Kommen Maguacreek herauf, suchen Chippeway-See auf, Yeentse zu fangen, Pinelac keine mehr.«

Keiner der beiden Militärs bemerkte, wie während dieser Unterhaltung die Augen des Jüngeren verstohlen umherblickten, als wolle er sich die Örtlichkeit genau einprägen, vielleicht auch, daß, wenn sie es bemerkt hätten, sie es der Neugierde dieses Sohnes der Wildnis, der wohl zum erstenmal ein europäisches Heim betreten haben mochte, zugeschrieben haben würden.

»Wie aber,« fuhr der Sergeant in seinem Examen fort, »kommt ihr denn zu Kanoes? Hier am See sind außer denen, welche hier im Fort liegen, keine zu finden, außer daß vielleicht ein weißer Jäger hie und da eines versteckt hätte.«

»Tragen ihn her,« antwortete der Alte freundlich, »tragen ihn von Maguacreek hierher.«

»Ist das möglich, Sergeant?«

»Zu Befehl, Sir, o ja. Diese indianischen Rindenboote sind leicht genug dazu, ob es gleich ein beschwerliches Stück Arbeit sein muß, sie vom Magua hier auf den Chippeway zu schaffen.«

»Wieviel Boote habt ihr hier?« fuhr der Kapitän fort.

»So viel,« entgegnete der Indianer und erhob acht Finger.

»Und wieviel Männer seid ihr?«

»Jedes Kanoe so viel,« und er hob zwei Finger.

Das stimmte mit den Beobachtungen, welche Davis durch das Fernrohr angestellt hatte, überein.

»Wie lange wollt ihr hier fischen?«

»Denken drei Tage, wenn weißer Häuptling es erlauben.«

Kapitän Davis rief den Sergeanten beiseite, während die Indianer ruhig am Tische stehen blieben, und fragte, als sie außer Hörweite waren: »Was meint Ihr, Wood? Sollen mir den Leuten das gestatten?« Er war durch die Affaire mit Peschewa sehr vorsichtig geworden und mehr geneigt, auf den Rat seiner Untergebenen zu hören.

»Wüßte nicht, was dagegen einzuwenden wäre, Herr Kapitän! Pottawatomies sind es, das erkenne ich an ihren Mokassins, ja sogar aus den wollenen Decken im Kanoe, denn um die Kerle gelegentlich unterscheiden zu können, haben sie und die Ottawas solche von ganz verschiedenen Mustern geliefert erhalten. Ich kann nicht umhin, immer noch irgend einen Teufelsstreich von dem Peschewa zu besorgen. Der Herr Kapitän kennen indianische Schlauheit nicht, wie ich sie kenne. Aber hier scheint ja nichts zu befürchten zu sein, denn Pottawatomies dürften sich schwerlich zu etwas Feindlichem hergeben, das dieser Wilde etwa gegen uns plante. Schade, daß unser Pottawatomie nicht mehr hier ist,« dieser war vor einer Woche bereits heimgekehrt, »der hätte ihnen noch besser auf den Zahn fühlen können als ich.«

»Nun, ich denke, wir können die Leute fischen lassen, sie sind ja im schlimmsten Falle nicht zahlreich genug, um uns schaden zu können, falls sie Böses im Schilde führen füllten.«

Sie begaben sich zurück zu den beiden Indianern, welche scheinbar den Frühstückstisch aufmerksam beobachtet hatten, während ihre Blicke überall verstohlen herumflogen.

»Ich will euch die Erlaubnis zum Fischen erteilen, Pottawatomies.« Die Augen der Indianer blitzten freudig auf. »Wer ist denn euer Anführer oder Häuptling hier?«

Nicht ohne stolze Betonung entgegnete der Aeltere: »Etepate Häuptling, ihm gehorchen die jungen Männer.«

»Nun gut, also, Etepate, fische mit deinen Leuten, aber den dritten Teil der gefangenen Merle müßt ihr hier abliefern, verstehst du?«

»O, geben dir Fisch, viel Fisch, Yeentse und andre, und du wirft geben armen Pottawatomie etwas Tabak und Rum, Kein Tabak in Wigwam, seit vielen Sonnen, kein Rum.«

»Das ist schrecklich,« lächelte Davis bei der kläglichen Betonung des eingetretenen Mangels, »ohne Rum und Tabak leben? Gut, ihr sollt von beidem haben, wenn ihr mir bis zu Mittag ein Gericht Merle schafft. Ich habe das ewige geräucherte Zeug und die paar Fische, die wir fangen, vollständig überdrüssig, Sergeant, und mich soll es freuen, wenn ich auch dem Obersten und seiner anmutreichen Tochter ein Gericht Merle vorsetzen kann, es ist doch das Kostbarste, was diese Gewässer bergen, leider,« seufzte er, »gehen sie, wie ich aus diesem Zug der Indianer hierher ersehe, wie alles Gute ihrem Untergange entgegen. Also ans Werk, Indianer, und Glück zur Jagd.«

Schon wollten diese gehen, als der Sergeant, den sein Mißtrauen nicht verließ, plötzlich fragte: »Wo ist Peschewa, Indianer?«

Ruhig, nicht ohne ein gewisses Staunen über eine allem Bisherigen so fern liegende Frage, entgegnete der Aeltere: »Nicht wissen. Ihm denken, er in sein Wigwam.«

»Du kennst ihn also?«

»Ihm kennen, er großer Häuptling der Ottawa.«

»Und du weißt nicht, wo er sich augenblicklich befindet? Hast nichts von ihm gesehen oder gehört? Mir liegt daran, es zu wissen, habe ihm eine Botschaft zu senden,« setzte er erläuternd auf die erstaunten Blicke des Wilden hinzu.

»Ihm nicht sehen, nicht von ihm hören, nicht Ottawa sehen. Der wohnen dort,« er wies nach Westen, »Pottawatomies dort,« er zeigte nach Norden. »Es ist weit von den Dörfern der Pottawatomies zu denen der Ottawas.«

»Geht nur, Leute,« fiel der Kapitän ein, »und schafft ihr mir zu Mittag Merle, will ich euch loben.«

Die Indianer gingen zu ihrem Fahrzeug zurück und ruderten mit aller Kraft in den See hinein. Davis und Wood erstiegen den Wall. Sie sahen von dort aus, wie die Indianer einen Augenblick inne hielten und eine der im Boote befindlichen Decken in die Luft schwangen. Es mußte ein verabredetes Zeichen sein, denn man bemerkte, wie sich hierauf die in der Ferne weilenden Boote zerstreuten und sich zum Fischfang anschickten.

»Sie sind ja furchtbar mißtrauisch, alter Wood,« sagte, während sie vom Wall herunterschritten, Davis, »der Peschewa muß Ihnen doch eine heillose Furcht einflößen, daß Sie sein Gespenst überall zu sehen vermeinen.«

»Herr Kapitän,« sagte mit tiefem Ernste der alte Soldat, »ich besitze so viel Mut wie jeder andre –«

»Das weiß ich ja, Sergeant, das weiß ich ja,« und der Kapitän klopfte ihm vertraulich auf die Schulter.

»Aber vor indianischen Teufeleien hege ich einen heidenmäßigen Respekt; ich habe Proben davon gesehen.«

Davis, der die Schauergeschichten des alten Soldaten kannte und eine Wiederholung fürchtete, fiel rasch ein: »Nun, fühlen Sie noch Mißtrauen gegen unsre Fischfänger, Sergeant?«

»Nein,« sagte der Alte, »ich wüßte auch nicht, wie ich es aufrecht erhalten sollte, obgleich ich ein beängstigendes Gefühl schon seit einigen Tagen nicht loswerden kann, und ich habe wiederholt in meinem Leben die Erfahrung gemacht, daß wenn dies Gefühl über mich kam, gewissermaßen als Warnung vor kommendem Unheil, mich auch stets ein Unglück bedrohte.«

»Torheit, alter Krieger,« lachte fröhlich der Kapitän, »schweres Blut, nichts weiter. Ich muß Euch einmal dreißig Meilen marschieren lassen, da wird's Euch leichter ums Herz werden. Morgen gehen wir, so Gott will, aus diesen verwünschten Wällen hinaus, und wenn mich wieder einer hineinbekommt, darf er mich den größten Narren nennen, der je in der Union herumgelaufen ist. Munter, Wood, zu Mittag essen wir, wenn die Najaden dieses Sees uns hold sind, Merle; unterrichten Sie Mistreß Wood von diesem ungewöhnlichen Ereignis, damit sie alle Vorbereitungen trifft.«

Der Sergeant ging und versah wie bisher seinen Dienst.

Der Tag schritt langsam vor, für Kapitän Davis um so langsamer, als er die Stunde nicht erwarten konnte, die ihn aus dieser Garnison befreite.

Von Zeit zu Zeit begab er sich auf den Wall und schaute durch sein Glas nach den Kanoes aus. Einige waren immer in Sicht, deren Insassen sich eifrig mit dem Fischfang beschäftigten.

Die Sonne hatte die Mittagshöhe überschritten, als die Schildwache bemerkte, daß die Fahrzeuge der Indianer wieder inmitten des Sees zusammengekommen waren und sich langsam auf das Fort zu bewegten.

Um diese Zeit kehrte auch Sergeant Harrison mit seinen Leuten aus dem Walde zurück, von denen jeder eine Tracht Birkenholz trug. Der Sergeant meldete sich bei Davis als vom Holzmachen wieder eingetroffen. Da er auf den Wink des Kapitäns nicht gleich zurücktrat, fragte dieser: »Haben Sie noch etwas für mich, Sergeant?«

»Zu Befehl, Herr Kapitän. Sind da im Walde auf fünf Indianer gestoßen.«

Davis horchte auf. »Möchten ins Fort?«

»Soviel ich aus dem englischen Kauderwelsch des einen entnommen habe, sind sie von ihrem Häuptling geschickt, um Abbitte zu tun für die entwendeten Kühe. Auch führten sie Felle mit sich, um Ersatz für das Gestohlene zu leisten. So viel habe ich von ihnen herausbekommen.«

»Da hätten mir also die Herren Kuhdiebe. Warum haben Sie die Bursche nicht mitgebracht, Harrison?«

»Ja,« lachte dieser, »der eine, der etwas Englisch sprach, fragte, ob sie gepeitscht werden würden, wenn sie ins Fort kämen. Ich entgegnete ihm, daß das in dem Willen des Herrn Kapitäns läge. Darauf sagte der Mann wieder, wenn sie nicht die Versicherung erhielten, daß sie nicht gepeitscht werden sollten, würden sie nicht kommen, sondern in die Wälder laufen.«

»Was meinen Sie, Sergeant Wood?« wandte er sich zu diesem, der herangekommen war und die Meldung mit angehört hatte. »Sie haben am meisten Erfahrung in diesen Indianerangelegenheiten, was beginnen wir mit den Kuhdieben?«

»Waren die Leute bewaffnet?« fragte dieser seinen Kameraden.

»Büchsen hatten sie nicht, doch haben sie die sicher versteckt, denn ohne solche gehen sie nicht in die Wälder.«

»Der Kitate, oder wie der Mann hieß, hat also doch Wort gehalten, als er versprach, die Spitzbuben hierherzuschicken, um Abbitte zu leisten und Ersatz für das Gestohlene anzubieten. Das ist mir sehr lieb dem Obersten gegenüber, er wird daraus schließen, daß ich trotz meiner derben Behandlung des Peschewa kein übler Diplomat bin, wenn ich auch bei diesem Ausgang der unangenehmen Sache nicht das mindeste Verdienst habe. Wir wollen die Burschen kommen lassen, Wood, ich werde ihnen eine Strafpredigt halten, sie können die Kühe bezahlen und dann wieder laufen Gehen Sie, Harrison, und holen Sie die Leute herbei.«

Der Sergeant ging.

»Und daß sie nicht mit Waffen ins Fort kommen!« rief ihm Wood noch nach.

»Unbesorgt, ich kenne die Instruktion.«

»Das ist mir ungeheuer angenehm,« sagte Davis vergnügt, »einen Konflikt mit den Roten meinem Nachfolger zu hinterlassen, wäre mir sehr peinlich gewesen. Das ist ein glücklicher Tag heute. Die Kühe ersetzt, ein Gericht Merle in Aussicht und dazu der fröhliche Abschied morgen von dieser grauenvollen Einsamkeit – solche Tage lobe ich mir.«

Es wurde ihm gemeldet, daß die Boote der Indianer aufs Fort zu kämen.

Der Kapitän begab sich auf den Wall. Die kleine Flottille der Indianer nahte langsam. Er beobachtete sie einen Augenblick durch sein Glas, die Insassen, deutlich erkennbar, ruderten ruhig und sorglos auf das Fort zu.

»Lassen Sie ein Fäßchen Rum und etwas Tabak für die Leute holen, Wood, wir wollen nicht knausern, wenn sie anständige Beute bringen, und das scheint so, die Boote müssen schwer beladen sein. Was geb' ich denn dem Kerl für sein Bärenfell?«

»Ich glaube, für ein Fäßchen Rum bringt ein Indianer drei der schönsten Bärenfelle.«

»Das soll er haben und noch ein paar wollene Decken und Pulver dazu, mir wollen bezahlen, was es hier wert ist.«

»Ich würde die Boote nicht alle landen lassen, Herr Kapitän, es ist genug, wenn die beiden an Land kommen, welche heute morgen da waren.«

»Ich will seinem Rate folgen, Wood.«

Der Sergeant ging, um die erhaltenen Befehle auszuführen. Davis blieb auf dem Walle, um das Herannahen der Kanoes zu beobachten, auch ein Teil der Mannschaft hatte sich hier eingefunden und blickte den Indianern neugierig entgegen.

Die Boote kamen näher, in dem ersten derselben saßen die Männer, welche die Erlaubnis zum Fischen eingeholt hatten.

Der Landungsplatz war in einer kleinen Ausbuchtung gebildet, welche rechts und links von Pallisaden eingefaßt war, um ihn gelegentlich verteidigen zu können.

Als das erste Boot auf etwa hundert Schritt herangekommen war, nickte Etepate, welcher im Stern saß, dem Kapitän freundlich zu und rief: »Merle, viel Merle!«

Der Kapitän begab sich hiernach hinab auf die Plattform, wo die Boote anlegten, hinter ihm blieb die dort befindliche Tür offen, in welcher einige Soldaten standen.

Im selben Augenblick zog der Sergeant Harrison mit den fünf Indianern durch das Tor ein, welches sich nach dem Walde zu öffnete. Er schloß es hinter sich und befahl den Leuten, welche Felle auf den Armen trugen, zu warten. Scheu um sich blickend, blieben diese am Tor stehen. Der Sergeant suchte seinen Kommandeur auf.

Kapitän Davis rief den im ersten Boot befindlichen Indianern zu: »Ihr könnt landen, Bursche, die andern mögen in respektvoller Entfernung bleiben,« worauf Etepate den folgenden Kähnen etwas im Pottawatomiedialekte zurief. Diese verlangsamten ihren Lauf und hielten, während Etepate und sein junger Gefährte nach dem Landungsplatz zusteuerten. Die Wilden hatten sich sämtlich in ihren Kanoes erhoben. Quer über dem Bug des ersten Bootes war ein prachtvolles Bärenfell ausgebreitet und dahinter lagen die ersehnten Fische. Sergeant Harrison erschien in der Tür und meldete: »Die Indianer sind da, Herr.«

Der Kapitän überhörte es, denn er beugte sich im selben Augenblick über das landende Boot, um das Bärenfell zu betrachten. Kaum berührte es seine Hand, als es blitzschnell zurückgeworfen wurde, ein Indianer in voller Kriegsbemalung aufsprang und mit einem gellenden, weithin hörbaren Schrei seinen Tomahawk in dem Schädel des Kapitäns begrub. Lautlos sank dieser tot danieder. Unter den Streichen der beiden andern Indianer, welche mit gleicher Schnelligkeit ihre Streitäxte schwangen, fielen Sergeant Harrison und ein Soldat. Dem Schrei des Indianers auf der Plattform antwortete ein einzelner Ruf im Fort, welchem ein furchtbares Geheul der Wilden in den Booten folgte, die mit Sturmeseile heranruderten.

Dies alles geschah so schnell, die Ueberraschung war so furchtbar, daß die Soldaten auf dem Wall und an der Wasserpforte wie versteinert standen.

In den Kanoes hatten sich Indianer erhoben, welche bisher auf dem Boden verborgen lagen, jedes Fahrzeug zeigte jetzt vier bis fünf Insassen. Der bemalte Indianer, es war Peschewa, schrecklich anzuschauen für solche, die nie die Kriegsbemalung gesehen hatten, raste, ununterbrochen seinen Mark und Bein erschütternden Schlachtschrei hören lassend, in der Rechten den blutigen Tomahawk schwingend, in der Linken die Büchse haltend, weiter, die nächsten fielen unter seinen und seiner Begleiter Streichen. Das Wasser rauschte schäumend auf unter den Bugen der mit Dampfergeschwindigkeit heranschießenden Kanoes und im Nu wimmelte die Plattform von dreißig heulenden Wilden. Peschewa voran stürmten sie in das Innere des Forts, Dort war die Überraschung, der Schreck noch größer fast, als auf der Plattform. Die fünf eingelassenen Indianer, wirklich die, welche sich bei der großen Ratsversammlung als die Diebe zu erkennen gegeben hatten, standen scheu und ruhig am Tore, bis der Schlachtschrei Peschewas vom Wasser her in ihre Ohren klang. Da warfen sie die Felle von sich, unter welchen sie geschickt ihre Büchsen verborgen gehalten, rissen die Aexte aus den Gürteln und stürzten sich mit hellem Ruf auf die Nächststehenden, sie mit Beilen und Messern niederstreckend.

Auch hier herrschte unter den Soldaten einen Moment die Starrheit, welche eine solch grausenhafte Ueberraschung hervorruft.

Eine Scene furchtbarer Verwirrung folgte dann. In Todesangst flüchteten die wehrlosen Soldaten nach den Blockhäusern, hinter ihnen gleich Wölfen die erbarmungslosen heulenden Wilden, jeden würgend, den sie erreichen konnten.

Der einzige von allen, der den Kopf nicht verloren hatte, war Sergeant Wood. Als er aus dem Magazin zurückkehrte, wohin ihn der Befehl seines Kapitäns geführt hatte, zwei Soldaten neben sich, von welchen der eine ein Fäßchen mit Rum, der andre ein Fäßchen Pulver und einige wollene Decken trug, hörte er den Schlachtschrei Peschewas, das ihm wohlbekannte Angriffsgeheul der Wilden, sah, wie die im Fort befindlichen fünf Männer sich auf ihre überraschten wehrlosen Opfer stürzten. Aber nicht einen Augenblick verlor der kampferprobte Soldat die Besinnung. Mit Donnerstimme schrie er: »An die Gewehre!« sprang, das Faß von sich werfend, in sein Häuschen, wo seine Frau schreckensbleich stand, rief der zu: »Unters Bett, unters Bett, Lizzie!« faßte seine schwere Muskete und sprang wieder hinaus. Sterbende, flüchtende, einzelne mit einem der Wilden ringende Kameraden traf sein Auge. In dem zur Kaserne dienenden Gebäude verrammelten die Soldaten Tür und Fenster. Der ganze Raum wimmelte von Wilden. Aus dem Walde waren beim Beginn des Kampfes noch eine ganze Anzahl Indianer herbeigeeilt, welche jetzt durch das von innen geöffnete Tor eindrangen.

Zwei Soldaten hatten sich noch zu Wood gesellt und hielten die Gewehre mit den aufgepflanzten Bajonetts vor sich. Da erklangen zum erstenmal Schüsse und alle drei, der Sergeant und seine Begleiter, stürzten getroffen nieder. Peschewa hatte bei der Schwierigkeit, welche das Laden machte, befohlen, nur im Notfall zu schießen und vorerst nur Axt und Messer zu brauchen, ein Befehl, welcher bei der durch die so schreckliche Ueberraschung hervorgerufenen Betäubung der friedlichen Garnison wirksam genug ausgeführt werden konnte. Zu allem Unglück hatten die Soldaten mit Ausnahme der Wachtposten keine Patronen. Die in die Kaserne gelangten Leute rissen die Gewehre von den Wänden, pflanzten die Bajonette auf und stellten sich zum Kampfe. Die beiden Schildwachen, anfänglich wie alle starr vor Schreck, bedienten sich jetzt als tapfere Soldaten ihrer Gewehre und feuerten sie in den Haufen der heulenden Wilden ab, nicht ohne Erfolg, wie ein und der andre Schmerzensschrei bewies. Doch alsbald fielen sie unter den Kugeln der Indianer.

Als Wood getroffen niedersank, öffnete sich die Tür seines Häuschens und seine unerschrockene Frau trat heraus, faßte den starken Mann unter den Armen und zog ihn, während Kugeln sie umpfiffen, welche in die Balken eindrangen, hinein, warf die schwere Tür hinter ihm zu und verrammelte diese, wie die kleinen Fenster eilig mit Möbelstücken.

Der innere Raum des Forts zeigte nur Tote und Sterbende, und die vor Mord- und Siegeslust trunkenen Wilden.

Ein geringer Widerstand fand noch an der Kaserne statt, an deren Fenstern blitzte dann und wann ein Bajonett auf, welches von kräftigen Händen geführt ward, aber den gewandten Wilden gegenüber nur wenig Schaden anrichtete.

Peschewa, welcher wie ein Tiger unter den Wehrlosen gerast hatte, befahl jetzt, da es augenscheinlich war, daß die Eingeschlossenen kein Pulver für ihre Gewehre hatten, die Türen des Gebäudes einzuschlagen. Aexte standen in der Nähe und gleich darauf donnerten die Hiebe gegen die schweren Planken, während ununterbrochen durch die Fenster, wo sich nur eine Oeffnung zeigte, hineingefeuert wurde. Nach wenigen Minuten brachen die Türen ein, mordgierig stürzten die Indianer hinein, und fielen gleich einige unter den Bajonettstichen der zur Verzweiflung getriebenen Soldaten, eine Minute nachher war der Kampf beendet, die Besatzung des Forts Jackson war vernichtet, nichts atmete mehr, was von diesem Tage des Schreckens erzählen konnte.

Ein Ruf Peschewas versammelte die blutige Mörderschar, an deren Gürteln die Skalpe der unglückseligen Opfer indianischer Rachsucht hingen.

Als sie schweigend um ihn standen, trat er auf den Pfosten zu, an welchem er vor wenig Wochen gebunden gestanden hatte, und hieb tief seine Axt hinein: »Seht alle, ihr Krieger des stammlosen Häuptlings, hier stand Peschewa, das Haupt der Ottawas, und empfing die Streiche des weißen Häuptlings. Nie schlägt man einen roten Mann ungestraft – Peschewa ist gerächt,« er zeigte mit wilder Gebärde auf die Toten ringsum, »das Blut der Weißen wäscht das Blut ab, das unter der Peitsche von seinem Rücken floß. Es ist gut, ich danke meinen Freunden.«

Die Indianer zerstreuten sich nun, um mit wilder Gier die Zimmer und Magazine zu plündern, einige holten brennende Scheite und Holz aus der Küche, um inmitten des Platzes ein großes Feuer zu entzünden.

Doch selbst in seiner wilden Siegeslust vergaß Peschewa nicht der Vorsicht, und sandte zwei junge Leute auf die Wälle als Späher. Dann ließ er sich an dem Tisch nieder, den unlängst Davis verlassen, und schaute mit einem Ausdruck wilden Triumphes und befriedigter Rache in das wirre Treiben seiner Leute. In der kleinen Behausung der Sergeanten war es ganz still. Einer der Bewohner war mit Sounders ausmarschiert, die andern lagen draußen tot. Wood ruhte besinnungslos auf seinem Bett, wohin die mutige Frau den schweren Mann mit großer Anstrengung gebracht hatte. Sie hatte ihm die Wunden verbunden, eine am Kopf, eine an der Seite. Der Sergeant atmete schwer, aber da kein Blut über seine Lippen kam, wußte die erfahrene Frau, daß die Lunge nicht getroffen war. Sie saß blaß, aber gefaßt vor ihrem Gatten und lauschte auf seine Atemzüge. Mistreß Wood war die einzige Frau im ganzen Fort, keiner der andern Sergeanten oder der Offiziere war verheiratet. Der wilde Lärm draußen rauschte, während sie vor dem todwunden Gatten saß, an ihren Ohren vorbei, sie saß still ergeben, die Hände gefaltet, da.

Draußen entwickelte sich ein wildes Bacchanale. Gewehre, Montierungsstücke, Fäßchen mit Pulver oder Rum gefüllt, Weinflaschen, die Kleider und das Mobiliar der Offiziere, Betten wurden herausgeschleppt oder zu den Fenstern hinausgeworfen und jeder wählte sich nach Belieben Beutestücke aus. Die Speisekammer ward gleichzeitig geleert und bald saß die ganze Bande um lodernde Feuer, stürzte Rum und Wein hinunter und verschlang mit Gier den vorgefundenen Vorrat an Fleisch und Brot. Nur Peschewa hielt sich schweigend und genoß wenig. Die Indianer hatten nur fünf Tote und sechs leicht Verwundete. Die letzteren waren bereits verbunden, während man die Toten in der Nähe des Tores in sitzender Stellung an den Wall gelehnt hatte.

Wild schmatzten und schrieen die Wilden durcheinander, von denen sich einige in grotesker Weise mit Uniformstücken oder den Zivilkleidern der Offiziere, mit Tisch- und Bettdecke geziert oder bunte Taschentücher um die Köpfe gewickelt hatten.

Fast schien es, als ob man des Sergeanten und seiner Frau vergessen habe, doch nein, an einem der Feuer erhob sich ein Indianer, winkte noch zwei andern, alle drei ergriffen Aexte und begaben sich nach dem Häuschen, in welchem die Sergeanten wohnten.

»Oeffne!« rief einer in englischer Sprache, »Squaw kann herauskommen, roter Mann nichts tun.«

Die Sergeantin horte das wohl, verstand es auch, aber sie saß wie bisher still mit gefalteten Händen, in tiefem Schmerze, doch auch mit gottergebener Ruhe neben ihrem Gatten und achtete es nicht.

Dann donnerten Aexte an die Tür, aber diese war sehr stark, war mit Eisen beschlagen und widerstand den Hieben. Plötzlich wurden diese eingestellt und es ward still.

Draußen war alles aufgesprungen und lauschte, von fernher ließ sich Gewehrfeuer hören.

Die indianischen Späher, welche vom frühesten Morgen an das Fort umlagerten, hatten wohl gesehen, wie Leutnant Sounders mit seiner Mannschaft auszog. Ehe dies aber dem auf dem See befindlichen Peschewa mitgeteilt, seine Befehle eingeholt, wieder ans Land getragen und dann ausgeführt werden konnten, verging um so mehr Zeit, als die Indianer die größte Vorsicht beobachten mußten, denn die Wirkung des Fernrohrs war Peschewa sehr wohl bekannt und er nahm als sicher an, daß sie durch ein solches beobachtet würden. Er hatte dann an Amata den Befehl gelangen lassen, den Ausgezogenen mit zwanzig Kriegern zu folgen, sie zu überfallen und niederzumachen, doch jedenfalls in solcher Entfernung vom Fort, daß der Büchsenknall dort nicht mehr zu hören sei.

Amata hatte sich auch alsbald auf die Verfolgung begeben, mußte aber einen weiten Umweg ums Fort nehmen.

Leutnant Sounders war ruhig seinen Weg gezogen, hatte nach einigen Stunden Rast gemacht und war auf seinem Weitermarsche in die Nähe des Sees gelangt. Mit Erstaunen hatte er auf diesem Boote mit Indianern bemerkt. Er kannte als fleißiger Jäger die Gestaltung des Sees recht gut und gewahrte, daß die Kanoes da, wo sie, wie er wußte, vom Fort aus gesehen werden konnten, nur zwei Männer aufwiesen, von denen der eine ruderte und der andre fischte, daß sie aber von Zeit zu Zeit hinter die Landzungen steuerten, wo sie dann nicht vom Fort aus erblickt werden konnten, und hier sich dann noch zwei andre vom Boden erhoben, welche die Plätze mit Fischer und Ruderer tauschten, während sich diese sorgfältig im Boote verbargen und erst dann wieder in dem vom Fort aus sichtbaren Teile des Sees erschienen.

Er wandte sein Glas an und ein gleicher Vorgang wurde von ihm an dem gegenüberliegenden Ufer beobachtet.

Dies rief sein Mißtrauen in einem Grade hervor, daß er sich unverweilt zu seiner umherlagernden Mannschaft begab, und ohne seine Wahrnehmungen mitzuteilen, den Rückmarsch zum Fort befahl. Er hatte den auserlesensten Teil der Besatzung unter sich. Die zwei erfahrensten Waldleute aus deren Zahl ließ er vorangehen, die andern einzeln hintereinander herschleichend, nach Indianerart folgen. Vor dem Abmarsch hatte er das Rauchen verboten, die tiefste Stille eingeschärft und den Soldaten gesagt: »Es schwebt Gefahr in der Luft, es ist eine indianische Teufelei im Werke, vorsichtig, Leute.«

Die ganze Garnison fürchtete oder besser erwartete nach der Abstrafung Peschewas von den Indianern angegriffen zu werden, und diese Worte ihres besonnenen Offiziers ließen sie ahnen, daß die Wilden am Werke seien.

Rasch, aber vorsichtig gingen sie zurück. Mittag war vorüber und schon näherten sie sich dem Fort, als fernher Schüsse und Geschrei über den See herüber sich hören ließen.

Die Leute standen still und lauschten. Leise sagte Sounders zu seinem Sergeanten, bleich und mit bebender Stimme: »Die Hunde überfallen das Fort. Gott sei Davis, er sei den Soldaten gnädig, das ist Peschewa.« Aber entschlossen setzte er dann hinzu: »Vorwärts, Kameraden, dort wird gekämpft, wir wollen dabei sein.«

Und die tapferen Männer folgten, gleich entschlossen, dem tapfern Führer.

»Aufgepaßt, ihr da vorn. Die Hunde haben sicher unsern Abmarsch bemerkt und legen uns einen Hinterhalt.«

Nach kurzer Frist hoben auch schon die vorn Gehenden die Hände und bückten sich nieder, alle folgten, sich in Anschlag legend, diesem Beispiel. Eine Reihe von Indianern wollte an ihnen vorüberziehen, doch zögerte Sounders noch, im unklaren über die Vorgänge im Fort, und bei der Möglichkeit, einen Irrtum zu begehen, den Befehl zum Angriff zu geben, als plötzlich einer der Indianer die Büchse an die Wange riß und nach ihnen herüber schoß. Der Ruf des Leutnants »Feuer« ertönte gleichzeitig mit dem Krachen der Gewehre. Ein Teil der Indianer fiel im Feuer, die andern stürzten heulend in jäher Bestürzung zurück, wie sich denn des überraschten roten Kriegers leicht eine Panik bemächtigt. »Laden!« befahl Sounders kaltblütig. Als dies geschehen, ging er auf die Stelle zu, wo die Indianer liegen mußten, die gespannte Büchse in der Hand, und fand sieben Tote und vier, wie es schien, Schwerverwundete, welche sich am Boden krümmten. Einen dieser Verwundeten riß er empor. Es war Amata, und fragte: »Was greift ihr uns an? Sind die Ottawas auf dem Kriegspfade gegen die Langmesser?«

Mit einem Blicke wilden Hasses entgegnete der sterbende Mann: »Peschewa holt Skalpe im Fort.«

»Ich fürchtete es,« sagte der junge Offizier, »arme Kameraden.«

»Schießt den Verwundeten eine Kugel durch den Kopf,« kommandierte er, »wir können keine Gefangene machen,« legte selbst kaltblütig seine Büchse an Amatas Schläfe und bereitete ihm so ein schnelles Ende. Dann versammelte er die Soldaten um sich.

»Leute, das Fort ist augenscheinlich heimtückisch von den roten Hunden überfallen worden. Ist einer unter euch, der zögert, den Kameraden, die vielleicht, was Gott verhüten möge, in großer Gefahr sind, beizustehen, der sage es.«

»Keiner, keiner!« riefen die Soldaten.

»Dann vorwärts, aber vorsichtig, wir haben es mit wilden Tieren zu tun.«

Und schweigend zogen sie weiter.

Das waren die Schüsse, welche im Fort gehört worden waren. Als Peschewa den Wall erstiegen hatte und nach dem Walde schaute, sah er auch schon die vor Sounders flüchtigen Indianer, welche die Zahl der Soldaten wohl weit höher geschätzt hatten, als sie in Wirklichkeit war, in wilder Hast aus dem Walde stürzen.

Alsbald gab Peschewa Befehl, das Fort zu verlassen, und der ganze Haufe, wohl an sechzig Leute, die Verwundeten führten sie mit sich, verließ das Fort und verschwand im Walde, wo sich die Flüchtigen bald mit ihnen vereinten und dem Häuptling Bericht erstatteten.

Peschewa war durch von Norden kommende Händler etwas von einem Garnisonswechsel zu Ohren gekommen, dies und die übertriebene Beschreibung von der Zahl der Angreifer dort im Walde, welche ihm die eingeschüchterten Ausreißer machten, veranlaßte ihn, mit großer Vorsicht gegen den Feind vorzugehen.

Am wenigsten wollte er sich, für den Fall wirklich eine stärkere Truppenzahl heranzog, im Fort überraschen lassen, sondern das günstigere Terrain des Waldes zum Kampfplatz nehmen, welches auch nach allen Seiten für einen Rückzug offen war.

Im Fort Jackson blieben nur die stillen Toten zurück und der immer noch bewußtlose Sergeant mit seiner Frau, welche an seinem Lager inbrünstig betete.


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