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Die Beichte.

Herr Pater! hob die Wittwe an,
Könnt' ich erröthen noch, erfrechte
Ich schwerlich mich mit dem Roman
Von dreien meiner Jugendnächte
Und ihrem schlüpfrigen Geschlechte
Dem Beichtstuhl eines Mönchs zu nahn;
Doch jetzt könnt Ihr ganz sicher wagen,
Die Augen zu mir aufzuschlagen.

Um desto eher werdet Ihr,
Selbst bleich wie ich, Euch gern bequemen,
Mein Selbstbekenntniß voll Begier
Nach Euerm Trost, mir abzunehmen;
Was sollten wir uns deß auch schämen?
Es spricht ja die Natur aus mir,
Und die verführt uns oft zum Guten,
Wo wir's am wenigsten vermuthen.

Nachts drauf entstand das Weltgestürme,
Ach! Ihr erinnert's Euch gewiß,
Das unsre Häuser, unsre Thürme
In einem Nu wie Glas zerschmiß,
Und tausend menschliches Gewürme
Hinunter in den Abgrund riß;
Es schien die Erde zu zerspringen,
Und ganz Messina zu verschlingen.

Auch mich traf dieses Schreckensloos:
Ganz stürzt' ich zwar an Hals und Beinen
Von meinem Pfühl, doch nackt und blos,
Hinab zu meines Vaters Weinen.
Kaum lag ich in des Kellers Schooß,
Ach Gott! da schmiegte sich dem meinen
Ein Alp an, wie ich albern dachte,
Der langsam mich zu würgen trachte.

Mir, die vor fünf Minuten kaum
Um einen Frühlings-Traum betrogen,
Der Erdsturm mit sich fortgezogen,
Gleich einem Hänfling, der vom Baum
Gescheucht aus seines Nestes Flaum,
In einen Dachbau sich verflogen,
Blieb es unmöglich zu verstehen,
Was für ein Unfall mir geschehen.

Verrückt aus dem gewohnten Gleise
Kam ich wie eine Uhr mir vor
Mit Rädern ohne Schutzgehäuse;
Denn nicht nur meines Busens Flor,
Die ganze Draperie verlor
Ich in dem Luftzug meiner Reise.
Das Schicksalsrad hat wohl so nackt
Noch nie ein Mutterkind erpackt.

Sagt, läßt wohl eines Mädchens Noth
Von größerm Umfang sich ersinnen?
Schon hatt' ich mir die Augen roth
Geweint – was sollt' ich nun beginnen?
Da diesem Krater zu entrinnen
Mir keine Seele Hülfe bot;
Sollt' ich in den verfallnen Mauern
Wie meines Vaters Wein versauern?

So lag ich schnappend nach der Luft
Und ohne Kraft mich umzuwenden,
Erstarrt und mit gefaltnen Händen,
Gleich einem Leichnam in der Gruft.
Ach! seufzt' ich, möcht' in dieser Kluft
Der Alp mir bald das Leben enden;
Und doch erstickt' ich fast vor Schaam,
Je näher mir das Unthier kam.

Doch kurz drauf glaubt' ich zu bemerken,
Es sey wohl nur ein Erdensohn;
Wahrscheinlich der zu finstern Werken
Die Maulwurfsaugen sich zu stärken,
Aus Furcht vor dem verdienten Lohn,
Dem Hochgericht hieher entflohn,
Und der zu spät gehenkt, erbarme
Sich Gott! reicht dir nun seine Arme. –

Längst hat ja Flaccus vorgeschrieben:
Singt nur, was reizet und ergötzt.
Ob nun gleich der Geschmack im Lieben
Nicht mehr den Athem dir versetzt;
O schöne Zeit! so ist doch jetzt
Mein Schwanenkiel mir treu geblieben;
Er macht mich wieder froh und jung
Im Schauer der Erinnerung.


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