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Kapitel XI.
Vier Provinzen Nordostbrasiliens.

An Bord. Küste von Rio Grande do Norte. – Freitag, den 3. August.

Den ganzen heutigen Tag fuhren wir der Küste von Rio Grande do Norte entlang. Es ist letzteres die im Verhältniss zu den meisten übrigen Provinzen ziemlich dicht bevölkerte, drittkleinste Provinz Brasiliens. Der Prozentsatz der weissen Bevölkerung ist hier 43, somit ein höherer als in all den bisher von uns besuchten Provinzen; auf die civilisirten Indianer entfallen 5, die Neger 12, die Mischlinge 38 Procent. Die Indianer gehören, wie diejenigen Cearás, dem Stamm der Cayriri und der Gruppe der Osttupi zu. Die von Moura (Diccionario Geographico do Brazil I. 80, 460 e s. II. 193 e 265) für Rio Grande do Norte angeführten Groahira, Payacú u. Pannati sind Cayriri und die von ihm genannten Icó u. Potiguára (e. c. I. 445, II. 361) sind Osttupi, Siehe Martius (Ethnographie etc. I. 190 a. 348 u. ff.)

Rio Grande do Norte hat viel Aehnlichkeit mit seiner nordwestlichen Nachbarprovinz. Es ist seiner ganzen Ausdehnung nach camposbedeckt; Catingas wechseln mit Carrascos und Sertões. Das Klima ist sehr heiss und trocken, und es fehlen die zeitweisen Dürren hier ebenfalls nicht. An Culturen sind Baumwolle und Zuckerrohr die hervorragendsten, auch die Carnaúbapalme (Copernicia cerifera Mart.) wird auf weite Strecken gepflanzt. Im Innern des Landes ist die Viehzucht nennenswerth und gelangen Rinder und Pferde von da zur Ausfuhr.

Der Küstensaum der Provinz, den wir heute ununterbrochen im Auge behielten, bot gar nichts Anregendes. Er gehört noch zu jener ödesten und menschenleersten Strecke der brasilianischen Küste, welche sich von Maranhâo bis zum Cap de São Roque hinzieht. Düne reiht sich an Düne in erdrückender Einförmigkeit, darüber bilden an vielen Stellen Wälder von Cocos nucifera eine langweilige, den Horizont begrenzende, wagrechte Linie.

Nachdem wir gestern Abend ziemliche Dünung hatten, war das Meer über Nacht vollständig ruhig geworden. Einige Jangádas mit und ohne Segel wiegten sich auf der salzigen Fluth, einige hübsch getakelte Segelschiffe durchschnitten die weite, blaue Wasserfläche, Auf dem Strande lagen etliche Fischerhütten. Unsere Maranhão steuerte immer näher der Küste zu und fuhr endlich in den Kanal von São Roque hinein, welcher einerseits von der Flachküste, andererseits von den der Küste parallel laufenden Riffen begrenzt wird. Letztere ragten nur in einzelnen Spitzen über die Meeresoberfläche hinaus. Die Villa Touros mit ihren graubraunen Hütten und ihrer grossen, weissen Kirche, welche hübscheren Styles scheint als die meisten Gotteshäuser Brasiliens, kam unmittelbar am Strande zum Vorschein. Unabsehbarer Cocospalmenwald dehnte sich dahinter. Die Palmen, welche alle mit Stamm und Krone nach Nordwesten gebeugt dastanden, sprachen deutlich von der in diesen Regionen constant herrschenden Windrichtung. Zwei Seemeilen nördlicher hatten wir die Nordostspitze Brasiliens, das Cap Touros, passirt, von welchem an die Küste südsüdöstlich verläuft.

Früh war es sehr windig gewesen und stand das Thermometer um siebeneinhalb Uhr auf 21° C. Seit wir eingeschifft sind, ist, der Regenguss in Maranhão abgerechnet, kein Tropfen Regen gefallen. Zu Mittag fuhren wir zwischen dem Orte Maracajahú und dem gleichnamigen Recife hindurch, auf einer Wasserstrasse, deren Tiefe zwischen 5 und 10 Meter beträgt. Das Recife wurde gekrönt durch das Wrack eines eisernen Segelschiffes, welches hoch emporgehoben, naturwidrig unbeweglich inmitten des Wassers zu halten schien. Das diesem aufgefahrenen Schiffe gerade gegenüberliegende Maracajahú stimmte mit den grauen Strohdächern seiner regellos auf den Strand hingeworfenen Häusern gut in die Landschaft hinein. Auch hier bildete Cocospalmenwald den Hintergrund. Vor uns tauchte das den Seefahrern wohlbekannte Cap de São Roque auf, weder eine hohe noch weit vorspringende Landspitze, sondern einfach ein buschgekrönter, fächerförmig ausgebreiteter Sandhügel.

Im Meer trieben losgerissene Stücke von Algen umher, welche auf den Riffen wachsen sollen. Daneben schwammen viele Medusen, die einen mit stielartiger Bildung, wahrscheinlich irgendwelche, einen Magenstiel besitzende Saumquallen (Craspedotae), die anderen lilagefärbt, mit langem fransenähnlichem Schmucke, möglicherweise Pelagia cyanella Péron et Lessueur, die den Scheibenquallen (Discophorae) zuzählen.

Um drei ein halb Uhr Nachmittag hielten wir ausserhalb der Barre und den Klippen, die der Mündung des Rio Grande do Norte vorlagern, Natal, die 6000 Einwohner zählende Hauptstadt der Provinz, welche einige Kilometer flussaufwärts liegt, wurde hinter einer Düne in der Feme sichtbar. Auf der Barre selbst, einem Sandsteinriffe, erhob sich das zerfallene Fort dos Reis Magos aus welchem ein Leuchtthurm emporragte. Jenseits, am gelben Strande, wuchsen vier einsame Cocospalmen, dann folgte eine breite Düne, und fern im Hintergrund ein öder Höhenzug. In Vegetationsarmuth und grellen, glühenden Farbentönen muthete uns diese Landschaft ganz afrikanisch an. Das Meer war unruhig, unsere Maranhão tanzte vor Anker, und die gewaltigen Brandungswogen brachen schäumend über das Steinriff, zwischen welchem und dem nächsten Riffe blos ein schmaler Kanal für den Schiffsverkehr übrig bleibt. Es ist dieser Kanal die einzige und zwar hauptsächlich nur für Boote benutzbare Einfahrtsstelle in den Rio Grande do Norte. Das Ausschiffen der Passagiere, welche hier an Land gehen wollten, war ungemüthlich anzusehen. Die armen Leute, Männer und Frauen, mussten an einer Strickleiter in das Boot hinunterklettern. Während sie zwischen Himmel und Wasser schwebten, wurde das kleine Fahrzeug, welches bestimmt war, sie aufzunehmen, von den mächtigen Wellen bald hoch hinauf gehoben, bald tief herabgesenkt, bald der Schiffswand unserer ›Maranhão‹ unheimlich nahe gebracht, dann wieder fern von ihr gerissen. Endlich hatten die Matrosen mit unsäglicher Mühe alle Reisenden und Gepäckstücke im Boote geborgen. Doch hiermit war die Bedenklichkeit des Ausschiffens noch nicht überstanden. Die Fahrt zur Küste sah ebenso wenig einladend aus. Die Wogen spritzten über das schwanke Fahrzeug hinweg und in den Wellenthälern verschwand es unseren Blicken vollständig.

Noch sahen wir den wüsten, sandigen Landstrich in den wärmsten Sonnenuntergangstinten aufleuchten, dann zog unser Dampfer, nach zwei bis dreistündigem Aufenthalt, gegen Süden weiter.

Parahyba. Samstag, den 4. August.

Nachts schlingerte die Maranhão heftig, früh 6 Uhr aber lag sie ruhig und geschützt in der Mündung des Rio Parahyba, innerhalb des wogenabhaltenden Steinriffes. Wir hatten eine neue Camposprovinz erreicht, nämlich Parahyba do Norte.

Diese Provinz ist etwas grösser als die vorhergehende und auch etwas dichter bevölkert, da in ihr sieben Menschen auf den Quadratkilometer treffen und nicht fünf wie in Rio Grande do Norte. Die Mischlinge erreichen hier wieder das Uebergewicht mit 50 Procent, indessen die Weissen 38, die Neger 9, die civilisirten Indianer nur 3 Procent betragen. Letztere sind Nachkommen zweier Osttupíhorden, der Caheté und Potiguára. Ausgenommen die Unterschiede in den Bevölkerungsverhältnissen bietet Parahyba do Norte wenig Verschiedenes von den bisher besprochenen Camposprovinzen. Catingas und Charnecas bedecken zwei Drittel seines im Ganzen welligen und theilweise bergigen Terrains. Die Hauptculturen sind die gleichen, wie in der nordwärts angrenzenden Provinz, die Viehzucht jedoch ist weniger entwickelt. Das Clima hat ebenfalls einen heissen und trockenen Charakter und verursacht von Zeit zu Zeit Dürren, welche dem landwirtschaftlichen Betriebe hinderlich sind. Die Regenzeit ist ziemlich übereinstimmend mit der von Rio Grande do Norte, sie dauert von Ende März bis zum Monat Juli.

Unser Dampfer hatte gegenüber Cabedello Anker geworfen, einem Dorfe mit grösstentheils gemauerten Häusern, welche idyllisch in einem Cocospalmenhain halb versteckt liegen. An Bord gebrachte, frische Cocosnüsse konnten nur unter grossem Kraftaufwand mittelst eines Beiles geöffnet werden; Zur Gewinnung des noch flüssigen Sameneiweisses, der sogenannten Milch, werden die Nüsse erwachsen, aber unreif herabgenommen. die Milch, welche sie enthielten, war zwar kühlend, mundete uns aber höchst wenig.

Eine Steamlaunch führte uns in zwei Stunden den Fluss hinauf nach Parahyba, der Hauptstadt der Provinz. Die Ufer des hier buchtartig erweiterten Flusses waren dicht bewaldet, aber lange nicht so üppig wie die der Flussläufe der Amazonasniederung. Mangroven, wie mir schien Stelzenbäume (Rhizophora Mangle L.), säumten breit den Wasserrand, dahinter erhob sich, unmittelbar daran anschliessend, ein Waldstreifen aus anderen Laubbäumen mit einzelnen Palmen untermischt. Lianen fehlten hier gänzlich. Nicht ganz halbwegs nach der mindestens 20 km von Cabedello entfernten Stadt breitete sich ein grosser Palmenwald aus. Er beschattete die Strohhütten des Oertchens Martins, Hütten, welche mit ihren steilen Satteldächern aus Palmstroh und ihren geschlossenen Wänden sich lange nicht so malerisch ausnahmen, wie die primitiven Indianerbehausungen am Amazonenstrom. Auf dem Flusse begegnete uns ein originelles Boot, welches ein grosses Palmblatt als Segel führte. Ziemlich viele Inseln theilten den Parahyba do Norte in verschiedene Arme. Waldige Höhen kamen in der Ferne in Sicht und die schneeweisse Kathedrale der Hauptstadt schaute über den Wald herüber. Unter den Mangroven, welche hier, weiter flussaufwärts, mehr im Trockenen standen und vermuthlich Avicennien waren, liefen ziemlich grosse Krabben mit graubraunem Rückenschild und scharlachroten Füssen umher. Diese Taschenkrebse, welche ich für Goniopsis cruentatus De Haan aus der Familie der Viereckkrabben (Grapsoidea) gehalten, Goniopsis cruentatus sind unter allen brasilianischen Krabben die einzigen, welche in der Färbung annähernd mit den von mir gesehenen Krabben übereinstimmen. (Vergl. ihre Personalbeschreibung in United States Exploring Expedition l. 342, 343.) Doch da manche der Brachyuren Brasiliens nur nach Weingeistexemplaren beschrieben sind, welche häufig die ursprüngliche Farbe eingebüsst haben, kann es daselbst möglicherweise noch andere in den Farben passende Arten geben. Ob diese Arten aber auch in der Lebensweise auf obengenannte Krabben des Parahyba so passen würden wie G. cruentatus, ist dann eine weitere Frage. waren ungemein rasch in ihren Bewegungen.

In Parahyba, welches auf einen Hügel hinaufgebaut ist und 40 000 Einwohner zählen soll, stiegen wir endlich an das Land. Die äusseren Stadttheile oder Vorstädte bestanden aus Palmstrohhütten, welche Cocospalmen, Bananen und einzelne Brotfruchtbäume (Artocarpus) umgaben. In und vor den Hütten sassen Indianerinnen und Mestizenweiber mit Spitzenklöppeln beschäftigt. Es ist diese Spitzenindustrie besonders in Nordbrasilien ausgebildet, und in manchen Theilen des Landes sind ihre Erzeugnisse sehr gesucht. Wir erwarben ein paar Meter dieser aus Baumwollfaden, nach altportugiesischen Mustern hergestellten Spitzen und setzten dann unseren Weg weiter in die eigentliche Stadt hinein fort. Dieselbe hatte ein ziemlich reinliches Aussehen, und auch verschiedene öffentliche Gebäude, wie der Thesouro und das Gefängniss, machten einen gepflegten Eindruck. Weniger konnte man dies von einem in Kasernennähe liegenden Theater sagen, da es unvollendet gelassen worden war. Eine steile Strasse, auf welcher Kinder mit einem hellblau angestrichenen Hunde herumtollten, führte uns nach der hochgelegenen Kathedrale. Ihr Name, Nossa Senhora das Neves, passt nicht in eine äquatoriale Gegend, in welcher weit und breit von keinem Schnee zu träumen ist. Wir bestiegen einen der beiden Kirchthürme, deren geographische Lage man, mit 70° 6' 3'' südlicher Breite und 37° 13' 15'' westlicher Länge v. Paris, auf das Genaueste bestimmt hat. Der Rundblick von da oben war herrlich. Rings um uns lagerte sich die Stadt, deren äusserste Theile sich in einem Cocospalmenwald verloren; dann, so weit das Auge reichte, folgte nichts als waldbedecktes Land, ein üppiger, hellgrüner, ununterbrochener Laubwald, welchem an vereinzelten Stellen Palmen und Palmengruppen entragten. Der Parahyba do Norte mit seinen Zuflüssen durchzog und durchschlängelte das wellige, höhencoupirte Waldterrain. Fern im Osten schimmerte das Meer herüber. Scheinbar hatten wir die üppigste Vegetation vor uns und doch, in der Nähe besehen, konnte sie keinen Vergleich mit der Hylaea aushalten. Ein Fortschritt an Ueppigkeit der Pflanzenwelt gegen die nördlicheren Camposprovinzen liess sich hier aber immerhin nicht ableugnen.

Aussen um die Kirchthürme herum flatterten Schwalben mit gelbbraunem Bauche, welche, nach Art des Vorkommens und der Gefiederfärbung, Hirundo erythrogastra Bodd. gewesen sein müssen. Innerhalb des Thurmes flatterte eine Unmenge kleiner Fledermäuse, von denen wir umsonst eine zu erhaschen suchten.

Unten am Ufer des Flusses bot man uns später einen jungen Jaguar zum Kaufe an. Er hatte graugrüne, wasserhelle Augen und gelbliches Fell, auf welchem man erst den Anfang einer Zeichnung bemerken konnte; Kopf und Tatzen waren noch unverhältnissmässig gross. Er wurde an einem Strick auf der Strasse geführt und liess sich ruhig streicheln und auf den Arm nehmen.

Eine abermals zweistündige Fahrt auf der Dampflancha brachte uns nach der ›Maranhão‹ zurück. Diese heutige Flusslandschaft kam uns recht kleinlich vor nach Allem, was wir an Flüssen und Strömen im Amazonasgebiet gesehen hatten. Der Parahyba do Norte ist an seinem buchtgleichen Unterlaufe zwar ungefähr zwei Kilometer breit und fünf bis zehn Meter tief, aber was haben diese Zahlen gegen diejenigen zu bedeuten, die uns in der Amazonasgegend geläufig geworden sind. Auch durchfliesst sein westöstlicher Lauf kaum drei Längengrade, indessen andere brasilianische Flüsse endlose Strecken bewässern. Ueberhaupt ist der Mangel an grösseren Flussläufen ein Charakteristikum des nordöstlichen Brasilien zwischen dem Rio Parnahyba und dem Rio São Francisco. Der längste Fluss dieses Gebietes steht an Stromlänge hinter den meisten mittelgrossen Flüssen Europas zurück, und in kleineren Stromsystemen trocknen in der regenlosen Jahreszeit nicht nur manche Zuflüsse ein, sondern versiegt das Wasser auch stellenweise im Hauptfluss.

Recife. Montag, den 6. August.

In dreizehn Stunden, von vorgestern vier ein halb Uhr Nachmittags bis gestern fünf ein halb Uhr früh, legte unser Dampfer den Weg von Cabedello bis Recife, meist Pernambuco genannt, zurück. Mit Pernambuco befinden wir uns in einem Theile Brasiliens, welcher weniger dem Weltverkehr entrückt ist als die nördlicheren Provinzen und welcher sich auch in Bezug auf Klima theilweise von den bisher von uns besuchten Gebieten unterscheidet.

Indessen sämmtliche Küstenorte, welche wir seit Pará angelaufen haben, entweder, wie São Luiz und Fortaleza, nur von einer einzigen, oder, wie Natal und Parahyba, von gar keiner transatlantischen Dampferlinie berührt werden, wird Recife von den Dampfern nicht weniger als sieben Zeitweise sind es nur sechs, möglicherweise auch nur fünf. überseeischer Linien angelaufen. Man rechnet im Jahre durchschnittlich einige Tausend ein- und auslaufende Schiffe. Der Werth des Exportes der Provinz Pernambuco nach dem Auslande betrug 1885 12 770 Contos, 12 770 Contos sind ungefähr 29 115 600 Mark. der Werth des Importes 20 694 Contos, 20 694 Contos = ca. 47 182 320 Mark. und nahm Pernambuco, was den Werth dieses Waarenumsatzes betrifft, nach Rio de Janeiro, São Paulo und Bahia, die höchste Stelle unter sämmtlichen brasilianischen Provinzen ein. Aus- und Einfuhr nach, bezw. von den übrigen Provinzen belief sich im gleichen Jahre auf den Werth von 12 424 Contos, 12 424 Contos = ca. 28 326 720 Mark. und stand Pernambuco hier wieder in vierter Reihe, in diesem Falle hinter Rio de Janeiro, Rio Grande do Sul und Amazonas zurück. Vergleicht man diese Werthe von zusammen 45 888 Contos 45 888 Contos = ca. 104 624 640 Mark mit den Werthen des Waarenumsatzes der vier nordöstlichen Küstenprovinzen, welche alle vier zusammengenommen nur 29 397 Contos, 29 397 Contos = ca. 67 025 160 Mark. also nicht einmal zwei Drittel obiger Summe betragen, so wird man sich über die Bedeutung Pernambucos, speziell Recifes, im brasilianischen Handel vollständig klar werden. In neuester Zeit ist der Werth des Waarenumsatzes in Recife auf jährlich durchschnittlich 160 Millionen Mark gestiegen.

Auch bezüglich des Klimas finden wir in Pernambuco, wie schon gesagt, einige uns neue Verhältnisse. Gemäss seiner Jahresisotherme ist das Klima im Ganzen wohl noch ein äquatoriales, doch bildet es durch seine ausgesprocheneren Jahreszeiten schon einen Uebergang zu dem subäquatorialen. In der Hauptstadt ist die mittlere Jahrestemperatur 26,2° C., die Isotherme des heissesten Monats, des Februar, 28° C, die des kältesten, des Juli, 23,5° C.; die höchste der bisher daselbst beobachteten Temperaturen war 37,3° C, die niedrigste 16,3°. Mehr gegen das Innere der Provinz nimmt die Höhe der Jahresisotherme ab und steigt die absolute Temperaturschwankung auf 27°. Die Niederschlagshöhe von Recife wird von derjenigen des ganzen übrigen brasilianischen Litorale fast nirgends übertroffen. Sie beträgt 2970 mm, indessen im Innern des Landes sich die Regenmenge auf nicht viel mehr als ein Drittel dieser Summe beläuft. Die in den verschiedenen Werken angegebenen Zahlen variiren sehr bedeutend. So führen die neuesten einschlägigen Werke (S. Anna-Nery: Le Brésil en 1889, p. 43, 44, 58 und Morize. Esboço de uma Climatologia do Brazil, p. 22, 24, 46) obige Niederschlagshöhe und Temperaturen an. Liais (Climat etc. du Brésil 583, 592) gibt für Recife eine Niederschlagshöhe von 2,62 m und eine absolute Temperaturamplitude von 24,3° C. an, Hann (Handbuch der Klimatologie. S. 344, 350) eine Jahresisotherme von 25.7° C., eine mittlere Jahresschwankung der Temperatur von 3,2° und eine Niederschlagshöhe von 2752 mm, mit Vertheilung der Niederschläge überwiegend auf Herbst und Winter. Die Vertheilung der atmosphärischen Niederschläge ist ganz verschieden von derjenigen der nördlichen und auch von der fast aller südlicher gelegenen Provinzen. Dank der Bodengestalt und den Winden fällt in Nordbrasilien die Regenzeit hauptsächlich auf den Herbst, im Süden des Landes auf den Sommer, in Pernambuco hingegen auf den Winter. Nebenbei finden aber daselbst das ganze Jahr hindurch Niederschläge statt. Im Innern bleiben die Frühjahrs- und Sommerregen jedoch manchmal aus, und dann entstehen dort Dürren, ähnlich denen der nördlich und westlich angrenzenden Provinzen. Wappäus; Kaiserreich Brasilien S. 1300.

Dass wir uns in einem anderen Klima befanden als bisher, wurde uns in den zwei Tagen unseres Aufenthaltes in Pernambuco vollständig klar. Denn während wir seit Maranhão nicht eine Spur von Regen erlebt hatten, regnete es hier, obwohl der Hauptniederschlagsmonat, der Juli, schon überstanden war, so und so oft im Tage. Zudem schien uns, die wir über einen Monat nahezu unter dem Aequator zugebracht hatten, die Temperatur hier öfters fast empfindlich frisch. Und doch zeigte das Thermometer den zweiten Tag Morgens 7 Uhr 21° C. und Nachmittags 1 Uhr 27° C. Nicht nur wegen Pernambuco selbst, wo wir uns vor den Regenschauern immer wieder unter Dach und Fach flüchten mussten, kam uns das, von dem des übrigen Brasilien abweichende Klima unangenehm zum Bewusstsein, sondern mehr noch wegen unserer ferneren Reiseprojekte. Wir wollten nämlich nach den wunderbaren Paulo-Affonso-Katarakten des Rio San Francisco, des drittgrössten Stromes Brasiliens, dessen ungeheure Wassermassen unweit der Mündung 84 m tief herabstürzen. Der Lokaldampfer, welcher uns von Pernambuco nach dem am unteren Strom gelegenen Penedo bringen sollte, war am Vorabend unserer Ankunft in Pernambuco ausgelaufen. So hofften wir auf dem Landweg an unser Ziel zu gelangen. Doch hier war die Bahn, welche uns die Hälfte des Weges hätte kürzen können in Folge der heftigen Niederschläge unterbrochen; an ein Zurücklegen der ganzen Strecke zu Pferde war aber bei dem jetzt überall aufgeweichten Boden, welcher das Innere des Landes fast unpassirbar macht, nach Aussage der Einheimischen, nicht zu denken. Somit trieb uns die Regenzeit zur Weiterfahrt auf unsere »Maranhão« zurück, und wollen wir nun südlicher versuchen nach den einzig schönen Wasserfällen vorzudringen.

Abgesehen von Verkehr und Klima, steht Pernambuco durch seine allgemeine Physiognomie den nordöstlichen Küstenprovinzen noch ziemlich nahe. In seinem Flächeninhalt von 128 395 qkm ist es ihnen überlegen, in Dichtigkeit der Bevölkerung, mit 9 Seelen auf den Quadratkilometer, stimmt es ganz mit Ceará überein und gehört zu den drei dichtestbevölkerten Provinzen Brasiliens. Wie fast überall im Nordosten, ist die Mischlingsrasse die überwiegende, sie beträgt 49 Prozent; die Weissen belaufen sich auf 34, die Neger auf 14, die civilisirten Indianer auf nur ein Prozent. Letztere, welche gemäss einer GesammtbevöIkerung der Provinz von 1 111 000 Seelen, somit immerhin noch 11 120 Köpfe zählen, sind, den früheren Missionen und Ansiedlungen nach zu urtheilen, Nachkommen von Osttupi, von verschiedenen Cayririhorden, verschiedenen Gêsstämmen und den möglicherweise zu den Karaiben zählenden Pimenteira.

Von der Küste ab zieht sich eine vielfach tertiäre Ebene 60-90 Kilometer weit in das Innere hinein. Dann beginnt ein bergiges Terrain, welches theilweise ebenfalls tertiär ist, sich aber auch aus Kreide und hauptsächlich aus Urgebirg aufbaut und bis zu einer Höhe von mehr als 1000 m ansteigt. Die niedrig gelegene Küstenebene, welcher es an Feuchtigkeit nicht mangelt, ist so ziemlich in ihrer ganzen Breite mit dichtem Wald bedeckt, einer erweiterten Fortsetzung des Küstenwaldes von Parahyba. An diese schliesst sich ein welliges, trockenes Land, welches eine Carrascovegetation besitzt und vorzüglich der Baumwollkultur günstig ist. Noch mehr nach Westen folgt der zur Viehzucht geeignete Sertão mit seinen dürren Campos und seinen plateauartigen Gebirgszügen.

Wie in den benachbarten nördlichen Provinzen, sind auch hier Zucker und Baumwolle die Hauptprodukte der Landwirthschaft. Daneben wird Kaffee, Tabak und Anderes kultivirt, und beginnt man auch, längs des Rio Capibaribe, der Kultur des Cacao Aufmerksamkeit zuzuwenden. Was wir an Hornvieh in der Hauptstadt und ihrer nächsten Umgebung zu sehen Gelegenheit hatten, übertraf an Schönheit noch das von Ceará, überhaupt alles Vieh, welches uns bisher in Brasilien begegnet war.

Die zwei Tage gezwungenen Aufenthalts in Pernambuco boten wenig Interessantes, Wir durchwanderten die Strassen der Stadt und bestiegen den Thurm des Arsenals, um uns über die merkwürdige Lage dieses Küstenortes zu orientiren. Pernambuco, welches ganz flach an der vereinten Mündung des Rio Capibaribe und Rio Beberibe liegt, zerfällt in verschiedene, auf Inseln und Halbinseln erbaute, durch Flussarme getrennte Stadttheile.

Zunächst gegen Meer und Hafen erhebt sich die langgestreckte Altstadt, das eigentliche Recife, östlich und südlich von der Salzfluth, westlich von dem See bespült, welchen der vereinte Beberibe und Capibaribe bilden und auf dessem stillen Wasserspiegel einzelne palmengeschmückte Zwerginseln schwimmen. Der Ausfluss dieses Sees in das Meer trennt die Altstadt von den durch drei Brücken mit ihr verbundenen Stadttheilen Santo Antonio und São José, die auf der Insel Santo Antonio liegen. Das Meer einerseits, der See und der Capibaribe auf den anderen Seiten umfliessen dieses häuser- und baumbesetzte Eiland. Westlich von Recife und Santo Antonio, jenseits des nördlicheren Capibaribearmes, auf dem Festlande ist der Stadttheil Boa Vista erbaut, mit seinem grossen, roth angestrichenen Lyceum und seinem imposanten, kuppelgekrönten Provinzial-Landtagsgebäude. Von der Altstadt nordwärts zieht sich der schmale Sandstreifen, welcher den Beberibe hindert, sich direkt in das Meer zu ergiessen und ihn zwingt, seinen Unterlauf eine Strecke weit dem Meere parallel zu richten. Am Nordende dieser Landzunge steht auf erhöhtem, halbkreisförmig in den Atlantik vorspringendem Terrain, Olinda, die einstige Hauptstadt der Provinz Pernambuco und eine der ältesten Städte Brasiliens.

Der Anblick von Recife und Santo Antonio muthet uns ganz merkwürdig an. Nirgends im ganzen Lande haben sich die Spuren der holländischen Occupation so deutlich erhalten wie hier, nirgends auch hatten sich die Holländer so gründlich festgesetzt. Es ist wie ein nach Brasilien verpflanztes Stück Holland, welches uns da entgegentritt. Schmale, hohe Häuser mit steilen Ziegeldächern lassen uns wähnen im germanischen Norden zu sein, und lange Quais mit Baumreihen an der Wasserseite gemahnen uns an die Grachte und ihre Boompjes. Doch Königs- und Weinpalmen, Espinheiros, Mimosa sepiaria Benth. – Siehe weiter oben S. 193. und riesige Säulencacteen, welche da und dort die Plätze zieren, wecken uns aus unseren nordischen Träumereien. Und je mehr wir nach Westen ziehen, fern von den engen, schmutzigen Gassen der Altstadt, durch das schon etwas elegantere Santo Antonio hindurch über den Capibaribe nach Boa Vista und den Vorstädten, desto mehr verschwinden die holländischen Reminiscenzen und das vereinigte Portugal. Brasilien tritt wieder in seine vollen Rechte. Eine azulejobekleidete Azulejo = Fliese. Villa reiht sich an die andere, von herrlichen Gärten umgeben. Cocos- und Königspalmen, grossblättrige Ricinuspflanzen, mächtige Cereen und Brodbäume (Artocarpus) hüllen die Luxussitze der Pernambucaner in ihren wohltätigen Schatten. Frischgrüner Rasen überkleidet den Rain und an den wiesenbedeckten Flussufern erheben sich malerische Palmengruppen.

Unsere Fahrt bis vor die äussersten Vorstädte nach dem Prado, wo nur mehr Palmstrohhütten inmitten sumpfigen Landes stehen, galt einem Pferderennen. Wir wollten die elegante Welt Pernambucos in Augenschein nehmen, und überzeugten uns neuerdings, dass in Brasilien auch in den höheren Kreisen nur mehr wenig ungemischte, rein weisse Rasse vorhanden sein muss.

Heimkehrend besuchten wir am Hafen eine Thierhandlung, einen passenden Käfig für unseren kleinen, überaus munteren Mocó zu kaufen. Wir fanden daselbst als interessanteste Thiere einige Urubú rey (Cathartes papa L.), fast einen Meter grosse Geier, welche von 20° südl. Br. bis nach Mexico hinauf verbreitet sind und sich unter anderem durch ihre theilweise hellere Färbung deutlich von den so häufig zu sehenden Rabengeiern unterscheiden. Unsere zoologische Ausbeute am Strande bestand aus einigen Exemplaren der auf das Ostmeer des tropischen Amerikas beschränkten Lucina Jamaicensis Lam., und zwar aus Exemplaren der von Reeve Reeve: Conchologica Iconica VI Tafel II. erwähnten weissen Varietät, deren Individuen sich auch durch kleinere Gestalt von der Stammform unterscheiden.

Im Stadtviertel Santo Antonio statteten wir dem Museum einen Besuch ab. Doch bot es uns vom Amazonas Kommenden wenig Neues: eine grosse Todtenurne. Knochen enthaltend, Köcher, Federgürtel, Federnkopfputz, Pfeile verschiedener Arten, einige geschichtliche Andenken und Anderes mehr. Die ganze Sammlung steckt entschieden noch in den Kinderschuhen und kann man ihr nur ein gedeihliches Wachsthum wünschen.

Hafen von Recife.

Mehr jedoch als alles Uebrige fesselt uns in Recife das Sandsteinriff, welches dieser Stadt von jetzt 120 000 Einwohnern einst den Namen gegeben hat Recife = Riff. Es ist eine langgezogene, aber merkwürdig flache Felsenbank, die wie von Menschenhand gebaut erscheint und an den meisten Stellen künstlich zu einer richtigen Hafenmauer ergänzt und erhöht worden ist. An ihrem nördlichen Ende hat man ein nunmehr halbzerfallenes Fort und einen Leuchtthurm aufgesetzt. Davor gegen Norden ragt noch eine gefürchtete, flache Klippe, Tartaruga mit Namen, zeitweise aus den Fluthen heraus. Der Hafen, welchen das Riff bildet, ist klein und wird nur von brasilianischen Schiffen und kleineren ausländischen aufgesucht. Zur Zeit unserer Anwesenheit lagen daselbst unter Anderen vier brasilianische Kriegsschiffe, deren eines den in der Marine dienenden, jugendlichen Prinzen August von Sachsen-Coburg an Bord hatte. Es lag da auch ein norwegischer Kauffahrer, welcher, wie zu bemerken, nicht das erste unter norwegischer Handelsflagge segelnde Fahrzeug war, das wir in einem Hafen Brasiliens antrafen. Die ausländischen Dampfer gehen auf der Rhede vor Anker. Doch soll das Ausschiffen dort in Folge der starken Dünung so unangenehm sein, dass manche Reisende vorziehen, weiter bis Bahia zu fahren, um von dort mit einem einheimischen Dampfer zurückzukehren und dann im geschützteren Hafen aussteigen zu können. Was wir in Natal über Ausschiffungsschwierigkeiten selbst beobachtet hatten, liess uns diese Erzählung vollkommen glaubhaft erscheinen.

Unsere ›Maranhão‹ liegt, als brasilianisches Schiff, selbstverständlich im Hafen, was uns in nächster Nähe ein unvergessliches Schauspiel verschafft. Trotzdem nämlich das Riff vielfach aufgemauert ist, gehen doch die Brandungswellen, namentlich bei Fluth, darüber hinweg und rauschen dann in mächtigen Cascaden auf der Hafenseite hinunter, so weit das Auge reicht eine einzige schäumende Wasserwand bildend. Wir können uns nicht satt sehen an diesem wunderbaren Branden, Hochaufspritzen und Herabstürzen, dessen gewaltige Musik uns in den Kojen Abends in Schlaf lullt.

An Bord. Küste von Alagôas. Dienstag, den 7. August.

Gestern um 5 Uhr Nachmittags verliess die ›Maranhão‹ das landschaftlich vollständig reizlose Recife und steuerte südwärts weiter. Jangadas wiegten sich auf der blauen Fluth, die sie rhythmisch hob und senkte; sie hatten hier ein halbcylinderförmiges Palmstrohdach wie die Igarités auf dem Amazonas, Die ganze Nacht hindurch strömte der Regen herab und unser Dampfer schlingerte auf unangenehme Weise. Früh sechs ein halb Uhr lagen wir auf der Rhede Maceiós vor Anker. Auch hier noch rollte die ›Maranhão‹, da diese Rhede gegen die jetzt, den Winter über, herrschenden Südwinde nicht geschützt und in Folge dessen einer heftigen Dünung zugänglich ist. Auf der Nordostseite hingegen ziehen sich wellenbrechende Korallenriffe hin.

Das vor uns sich ausbreitende Maceió ist die Hauptstadt der kleinen Provinz Alagôas, welche zu den Küstencamposprovinzen gezählt wird, in ihrer Vegetation aber schon theilweise den Uebergang zu einer uns noch neuen Vegetationsform Brasiliens, den Küstenurwald bildet. Das Innere der Provinz ist ein ödes camposbedecktes Gneisplateau, von zahlreichen niederen Serras durchzogen und anhaltenden Trockenzeiten ausgesetzt, wie die Sertões der übrigen nordöstlichen Provinzen. Gegen die Küste zu erstreckt sich eine tertiäre, driftüberlagerte, fast horizontale Ebene, welche in Stufen von 85 bis 45 Meter Höhe abfällt. Es ist dies eine sehr fruchtbare Region, zu Culturen geeignet und mit schönen Wäldern bestanden. Die Landwirthschaft in Alagôas befasst sich hauptsächlich mit dem Anbau von Zuckerrohr, Baumwolle und Tabak, doch wird auch den Cerealien und dem Maniokstrauche Aufmerksamkeit zugewendet. Das Land ist, im Verhältniss zu den meisten anderen Provinzen, dicht bevölkert. Der Procentsatz an civilisirten Indianern ist nicht höher als in Pernambuco. doch erreicht hier die Mischlingsbevölkerung eine Höhe wie in ganz Brasilien nicht mehr; sie beträgt nämlich 60 Procent. Die Weissen bilden den vierten Theil der Einwohnerschaft, die Neger nicht einmal den achten. Im wenig bekannten, westlichen Binnenlande sollen noch wilde Indianer hausen. Die civilisirten gehören, wie die meisten der civilisirten Indianer in den schon besprochenen Nordostprovinzen, dem Stamme der Cayriri und der Gruppe der Osttupí an. –

Den Aufenthalt unseres Dampfers in Maceió benutzten wir um an das Land zu gehen und Erkundigungen einzuziehen, ob sich von hier aus der beabsichtigte Ausflug nach den Paulo-Affonso-Wasserfällen würde unternehmen lassen. Doch auch hier scheiterte er an der Mangelhaftigkeit und Unverlässigkeit der Lokaldampferverbindungen und gleichzeitig an der noch andauernden Regenzeit. Der deutsche Viceconsul versicherte uns, dass ein Ritt über Land nach Penedo nicht nur, in Folge der täglichen, Alles durchnässenden Regengüsse in hygienischer Beziehung ein Wahnsinn, sondern auch, in Folge der brückenlosen, hochangeschwollenen Flüsse geradezu eine Unmöglichkeit sei. So kehrten wir denn, nach Bahia weiterzufahren, wieder auf unsere »Maranhão« zurück, doch nicht ohne uns vorher am Lande etwas umgesehen zu haben.

Von dem Hafenorte Jaguará unternahmen wir eine Trambahnfahrt nach Bebedouro. Zunächst führte der Weg dem Strande entlang, um dann nach Maceió einzubiegen und es zu durchqueren. Maceió, welches mit Jaguará zusammen 15 000 Einwohner zählt, besitzt einige grössere, sauber aussehende Kirchen, von denen eine auf der Aussenseite bis zum Thurmdach über und über mit Fliesen bedeckt ist. Auch einige grosse Unterrichts- und Verwaltungsgebäude wie Lyceum und Palast des Präsidenten fallen in die Augen. Ziemlich steil zieht sich die Stadt den Abhang der Tertiärebene hinauf. Viele Strassen sind über Erlaubniss schmutzig und mit halsbrecherischen Löchern versehen; die Trottoirs befinden sich in nicht minder schlechtem Zustande.

Von Maceió geht der Weg direkt landeinwärts. Zur Rechten hat man ein Hügelland oder richtiger den Absturz des aus dem Innern meerwärts sich abstufenden Flachlandes, zur Linken die Lagôa do Norte, einen sehr tiefen, fischreichen Salzwassersee, in welchem Meerschildkröten sich tummeln sollen. Das Gehänge ist, näher der Stadt, mit üppiger Waldung bedeckt, zu seinen Füssen breiten sich Gärten und gedeihen Bananen, Artocarpeen, Cocos-, Kohl- und Oelpalmen, letztere die aus Afrika eingeführten Elaeïs Guineensis L. Weiter nach Nordwesten wandelt sich das Pflanzenkleid des Abhanges in Niederwald und Buschvegetation. Bei dem grossen, von waldigen Höhen umringten See bemerkt man deutlich den Anfang des für diese Gegend so überaus charakteristischen Stufenlandes. Fast senkrecht steigt das Terrain ungefähr 40 Meter und mehr von der sandigen Küste in die Höhe, um dann tischplatteben in das Innere zu verlaufen. Auf der Lagôa schwimmen aus einem einzigen Baumstamm gefertigte Canôas, wie wir deren schon auf dem Parahyba do Norte begegnet haben. Das zwei Kilometer von Maceió entfernte Oertchen Bebedouro, welches auf hügeligem Grunde steht, zeichnet sich mit seinen einstöckigen, buntgetünchten Häusern durch Mangel an Schönheit aus, wie alle von Weissen erbauten, brasilianischen Ortschaften. Die Bevölkerung ist, gleich der von Maceió, was Rassen betrifft, eine sehr gemischte und vertritt die ganze Farbenskala der verschiedenen Rassenkreuzungen.

In Maceió sahen wir zum ersten Male einen der im mittleren Ostbrasilien früher sehr gebräuchlichen Tragstühle; er war auf allen Seiten mit Vorhängen geschlossen und nahm sich sehr drollig aus. Wie in den übrigen Camposprovinzen fiel uns auch hier die Schönheit des Hornviehes auf. Ehe wir uns einschifften, wurde uns in einem Käfig ein Cuandú oder Stachelschwein (Cercolabes prehensilis L.) zum Kaufe angeboten, ein ziemlich grosses Thier mit langen gelb und braunen Stacheln.

Nachmittags lichtete unsere »Maranhão« wieder die Anker und bei starkem Seegang, der den leblosen Gegenständen an Bord Leben zu verleihen schien, ging es unfern der Küste nach Bahia zu.


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