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Der erste Frühling unserer Insekten.

6. April 1857.

(Hierzu das Titelbild)

Kaum haben die ersten Zierden unserer Gärten, die bunten Crocus, ihre gelben, weißen oder blauen Blumen aus der oberflächlich erwärmten Erde hervorgeschoben und zur Hälfte den wohlthuenden Sonnenstrahlen erschlossen, so sind sie auch schon von Schaaren hungriger Bienen umlagert, und werden von ihnen in einer Weise geliebkost, daß man für ihr ferneres Gedeihen, ja für ihr Leben besorgt sein könnte. Wir freuen uns über das rege Leben in der seit lange öden, wie ausgestorbenen Natur und empfinden eine leise Ahnung von der bald bevorstehenden, auch unsere Lebensgeister auffrischenden Frühlingswonne, wundern uns aber nicht gerade, daß diese Thierchen schon da sind; denn wir wissen, woher sie kommen. Sie waren während des rauhen Winters geborgen unter schützendem Obdache. Ihre große Zahl sicherte ihnen im »Stocke« die gehörige Wärme, der eigene Fleiß in frühern, bessern Zeiten bewahrte sie vor dem Hungertode. Jetzt erlaubt ihnen die liebe Sonne, ihre Sehnsucht zu befriedigen und den ersten Ausflug zu halten in die freie Nachbarschaft.

Draußen in Wald und Flur ist es noch gar öde, dem Winter scheint der Abschied schwer zu werden; denn alles erinnert uns noch lebhaft an ihn. Doch ist er im Abzuge; einige gelinde Regentage haben den letzten Schnee unsichtbar gemacht und einen grünen Duft über den noch unwirthlichen Forst hingezaubert. In ihn treten wir ein, nicht durch seine noch wenig versprechenden Reize angelockt, als vielmehr verführt durch den trockenen Pfad, welchen wir eben wandeln im Vollgenusse der lange entbehrten, neues Leben einhauchenden Frühjahrsluft. Noch starren uns kahle Aeste und Zweige entgegen, noch ist die dürre Laubdecke auf dem Boden nicht dem wohlthuenden Grün der jungen, neu erstehenden Kräuter gewichen. Ein kühler Hauch weht uns an, aber doch ist es schön, und wir schwelgen im Vorgefühle besserer, wonnigerer Tage.

Aus den sich vielfach kreuzenden Gedanken wecken uns bekannte Töne, ein gemüthliches Summen macht uns stutzen und staunen. Wir entdecken in unserer Nähe einen reich mit gelben Blütenkätzchen besäeten Weidenbusch, den wir bisher vollständig übersehen hatten. Von ihm kommen die Töne, hier feiern die kleinen Musikanten, luftiges Insektenvolk, ihren Frühling. Wir treten näher und staunen nochmals über die Menge, über das bunte Gewirr, das wir wohl im Sommer auf einer prangenden Wiese, über einem blühenden Kleefelde schon oft gesehen haben, aber in jetziger Zeit nicht erwartet hätten. Verweilen wir ein wenig, um der allgemeinen Lust, der Frühlingsfreude dieser kleinen Wesen zuzuschauen!

Den meisten Lärm verursachen während ihrer Arbeit die aus allen Blüten naschenden Honigbienen, von denen man weiß, daß sie zwei Stunden weite Reisen unternehmen, um würzigen Nektar einzuheimsen und gelbe »Höschen« mitzubringen. Außer ihnen kriechen und fliegen noch mehrere gleich große und kleinere Arten wilder Bienen, jenen ähnlich an Farbe oder schwarz und auf dem Brustrücken, besonders hinter den Flügeln, wollig weiß behaart ( Andrena) in und an den Kätzchen umher und fegen unbewußt den gelben Staub mit ihren seinen Härchen von den geduldigen Blüten. Daß es wilde Bienen sind, zeigt zum Theil ihr eigenthümliches Auftreten. Scheu und flüchtig umkreisen sie den Busch, fliegen pfeilschnell zwischen den Zweigen durch, bis sie endlich das auserkorene Plätzchen ausgefunden haben – ein Gebahren, das der fleißigen Arbeitsbiene, abgesehen vom Gepräge der Wildheit, viel zu zeitraubend dünken würde. Mutter Hummel, die gelb und weiß bandirte, brummt ruhig ihren Baß dazwischen und läßt sich durch nichts stören. Sie hat ausgeschlafen unter dem kühlen Moosbett und ist eifrig bemüht, alles vorzubereiten, was dazu nöthig ist, einem jungen Geschlechte, welches sie zu gründen gedenkt, das Dasein zu sichern. Besonders zahlreich und durch die mannigfaltigsten Arten und Formen vertreten ist das Volk der Fliegen. Leicht schweben von Zweig zu Zweig, von Blüte zu Blüte, mehr tändelnd als Nahrung suchend, die leicht beschwingten, gelbfleckigen Schwebfliegen ( Syrphus), denen ihre Puppenhülle zu eng ward, die als wahre Kinder des jungen Jahres die ersten warmen Strahlen der lebendigmachenden Sonne zum geflügelten Dasein hervorriefen. Die plumpere, darum aber nicht minder flüchtige Schlammfliege ( Eristalis tenax), die wir noch zuletzt im verwichenen Herbste als Beherrscherin der sparsamen Flora angetroffen hatten, ist auch schon da, aber nicht dieselbe von damals – diese hat der grausame Winter getödtet – sondern eine, welche es vorzog, lieber den Lenz als den Herbst zu genießen, dort unter dem übrigen Volke als vereinzelte zu verschwinden, als hier mit ihren Brüdern und Schwestern massenhaft vereint, beinahe das ganze Fliegenvolk zu vertreten. Andere, unsern Stubenfliegen nicht unähnlich, größere und kleinere, sind bald hier, bald da, als wollten sie das übrige Geschmeiß glauben machen, sie dürften nirgends fehlen. Das schäbige Kleid, die zerfetzten Flügel verrathen bei einem Theile derselben ihr Alter, sind redende Zeugen der schon erlebten Stürme.

Plötzlich erscheint ein Gemeinschweber ( Bombylius) mit hummelartig geformtem und behaartem Leibe; kein Härchen fehlt in der reichen Sammetdecke seines gedrungenen Körpers, und doch sitzen sie so lose, daß ein Theil derselben bei der Berührung am Finger hängen bleibt. Er steckt seinen spießartig vorgestreckten Saugrüssel in eine Blüte, trompetet dabei wie eine Stechmücke und schwebt in der Weise wie unter den Schmetterlingen die Schwärmer, ohne sich niederzulassen, vor der Quelle seines Genusses. So plötzlich wie er kam, ebenso schnell ist er wieder verschwunden; denn unstät und flüchtig irrt er umher. Hier wieder lenkt eine kleine, dünnleibige Schnabelfliege ( Rhamphomyia marginata) durch ihre nach hinten sehr erweiterten, breit und dunkel besäumten, fächerförmige» Flügelchen unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wer sie näher kennt, weiß es, daß sie als Weibchen diese Auszeichnungen vor ihrem Männchen, voraus hat. Sie steckt, emsig umherkletternd, ihren senkrecht nach unten gerichteten Schnabel in die Blütchen, um Honig zu schöpfen. Erschrocken prallt sie zurück; denn sie trifft auf ihren Wanderungen ein für ihre Persönlichkeit gar gewaltiges Thier. Ein großes Wespenweib sitzt mit krummem Rücken fest auf einer Stelle und nagt und beißt und reißt mit seinen scharfen Freßzangen die junge, grüne Schale vom Zweige, Stoff für das Nest, welches es aus den von ihr zu Pappe verarbeiteten Pflanzenfasern zu bauen beginnt. Träge und wie verdrossen kriecht an einem andern Zweiglein eine schwarze Blattwespe ( Dolerus) und fällt sogleich mit angezogenen Beinen und vorgestreckten, dicht zusammengeklappten Fühlern zur Erde nieder, wenn ihr irgend etwas Unerwartetes naht, was ihr Gefahr bringen könnte. Hoch oben auf der Spitze sonnt sich, seine prächtig gemalten Flügel in wechselndem Spiele ausbreitend und wieder zusammenlegend ein Pfauenauge, und eben will sich in seinem schlicht einfarbigen Schmucke ein blaß gefärbter Citronenfalter freundschaftlichst daneben niederlassen: da fliegt jenes unwillig auf und sucht sich einen andern Platz; denn er, der Prunkende, erträgt es nicht, mit dem unansehnlichen Gelblinge auf einem und demselben Zweige zu sitzen. Wer weiß, ob nicht beide in guter Nachbarschaft in einem hohlen Baume über Winter bei einander geschlafen haben; denn beide sind Weiber, welche die Keime einer reichen Nachkommenschaft noch sicher in ihrem mütterlichen Schooße bergen. Tief darunter hat sich ein rothes Marienkäferchen ( Coccinella) mit schwarzen Fleckchen auf dem gewölbten Rücken in einen Winkel geklemmt, unbekümmert um all das wilde Treiben, nur froh darüber, daß es seinen Schlupfwinkel unter dürren Blättern auf dem modernden Boden verlassen konnte und nun wieder an frischer Luft im eben sprossenden Grün sitzen darf. Auch die schildförmige, grün und braune Blattwanze – unästhetisch dem Namen und Gerüche nach – ist im Begriffe, es dem Marienkäfer nachzuthun und kriecht am Baume in die Höhe, des dumpfigen Winterlagers überdrüssig. Das ist ein Leben, ein Kriechen und Krabbeln, ein Fliegen und Schwirren, ein Summen und Brummen, ein Naschen und Kosen, eine wahre Frühlingslust und süße Wonne!

Wie aber bei den Menschenkindern Freud und Leid gar häufig bei einander sind, so geht es auch in der Insektenwelt. Je blinder die Lust, desto jäher das Verderben. Verrath und Mord lauert auf unserem Weidenbusche im Verborgenen. Am Grunde eines Blättchens, oder in einer noch zusammengerollten, aber in ihre Theile gespaltenen Knospe lauert aus Beute der kleine achtbeinige Finsterling – – die Spinne. Sie hat keine Fallstricke gelegt, höchstens wenige Blättchen zusammengezogen, oder im Winkel zweier Zweiglein durch einige Fäden eine Höhle gebaut, in der eben sie nur Raum hat. Wehe dem Mückchen, wehe der kleinen Fliege, die sich ihr unvorsichtig nähert: sie sind unrettbar verloren, mit einem Bisse getödtet und in kurzer Zeit ausgesogen. Die größern Insekten sind jetzt noch vor diesem Raubgesindel gesichert; denn die Arten, welche Nester bauen und in denselben Beute ablegen, oft größer als sie selbst, sind noch nicht anzutreffen. Aber auch unter den sechsbeinigen Brüdern fehlt es nicht an Feinden. Ameisen laufen geschäftig an den Zweigen hin und her und verschmähen es nicht, gelegentlich einmal ein winziges Thierchen beim Kragen zu fassen; die verbissene Wespe thut es ihnen gleich, wenn sie sich hungrig gearbeitet hat, und unter den Schnabelfliegen ist eine, düster von Farbe, welche den Weidenbusch weniger seiner honigspendenden Blüten wegen aufsucht, als um den honigdürstenden Gästen ihre Freude zu vereiteln und Verderben zu bereiten. In der Luft umherschwärmend paaren sich die Thierchen und lassen sich dann nieder, um zu ruhen; aber sicher kann man darauf rechnen, daß von einem solchen Pärchen der eine Theil ein anderes kleines Insekt erwürgt zwischen seinen Vorderfüßen hält und es mit dein Schnabel aussaugt, aufgescheucht auch mit der doppelten und dreifachen Last davonfliegt, um die beiden Genüsse, die ihm in seinem kurzen Leben überhaupt nur vergönnt sind, auf einmal zu haben.

All dieses Treiben, wie wir es eben mit ansahen, beschien die Frühlingssonne, ist sie doch eben das belebende Wesen für unseren Erdkörper. Jetzt verbirgt sie sich hinter Wolken, sofort ist's rauh und unfreundlich. Einige Regentropfen vermehren noch die unangenehme Lage der kleinen lustigen Gesellen. Es wird still unter ihnen. Die Flüchtigeren sind verschwunden; andere, weniger lebhafte, setzen sich fest, damit sie der Wind nicht abschüttele, und auch jetzt ist es interessant bei den verschiedenen Kerfen verschiedene Gewohnheiten zu beobachten. Da ist eine kleine Biene ( Nomada), welche uns in der Form, mehr aber noch durch ihre gelben Hinterleibsringe an die Wespe erinnert, und darum ganz passend als Wespenbiene näher bezeichnet wird, welche lediglich auf dem Kopfe ruht. Sie beißt sich nämlich an einem Blättchen, Knöspchen oder dürren Zäckchen fest, läßt mit den Füßen los und legt die Beine eng an den Leib. Das Volk der wilden Bienen bleibt theilnahmlos und ohne Bewegung an der Stelle, wo eben die Arbeit aufhörte. Eine Fliege ( Myopa) nimmt sich höchst eigentümlich aus. Sie hat einen nach unten gekrümmten Hinterleib, einen blasig aufgetriebenen, großen Kopf und dadurch ein höckeriges, ungeschlachtes Aussehen. Dort sitzt sie auf der Spitze eines Zweiges, hat den weißlichen Dickkopf etwas zurückgelegt, so daß die Nasenspitze, wenn sie eine hätte, ihren Gipfelpunkt bilden würde; dort sitzt sie, als wollte sie sagen: »Hier bin ich Herr, alles dieses gehört mir, ich gönne euch andern aber auch etwas davon, wenn ihr mich nur in Ruhe laßt.«

Das sind sie noch lange nicht alle, welche an der Frühlingsfeier Theil nehmen. Wer Lust hat, den Abend am Weidenbusche abzuwarten, kann unter Umständen auch Nachtschwärmer antreffen. In leichtem, eulenartigem Fluge erscheinen einzelne gelbgraue Nachtschmetterlinge ( Orthosia), oder die bunte Kieferneule (S. 333) – vorausgesetzt, das Kiefernbestände nicht fern sind – und sehen zu, was ihnen etwa ihre Vorgänger noch übrig gelassen haben. Auch dieses und jenes Mottchen dürfte sich noch einstellen, ist aber bei der mangelhaften Beleuchtung seiner Kleinheit wegen nicht sichtbar. Mag immer der Weidenbusch eine große Anzahl jener geflügelten Wesen um sich versammeln, vereinzelt finden sie sich auch anderwärts und noch viele andere außer den genannten. In Eile spaziert der goldig grüne Laufkäfer ( Carabus auratus) über den Weg, ob er etwa ein zertretenes Würmlein oder ein anderes kleines Wesen auffinden und verspeisen könne, und sucht Dir unter Blättern oder Steinen zu entkommen, wenn Du ihm mehr Aufmerksamkeit schenken wolltest als ihm lieb ist; hast Du ihn aber dennoch erhascht, so spuckt er Dir einen braunen, widerlich riechenden Saft an die Finger. Am Wasser, aber nur an dem fließenden, heben sich in eigenthümlich flatterndem Fluge Frühlingsfliegen ( Phryganea) verschiedener Größe und Färbung mit ihren bunt behaarten Flügeln in die Luft, spielen lustig, wie die langbeinigen Mücken, oder kriechen in Gesellschaft, ihre borstigen, langen Fühler vorstreckend, an Baumstämmen und Gemäuer umher, wogegen vorzugsweise auf stehenden Gewässern schmalleibige, ungemein lang- und dünnbeinige Wasserläufer ( Hydrometra) sich tummeln und in rutschender Bewegung wie stümperhafte Schlittschuhläufer dahingleiten.

Nicht blos die vollkommenen Insekten feiern Frühling, auch die unvollkommenen, die Larven nehmen an der Feier Theil, natürlich in ihrer Weise. Die Raupen einer Menge von Schmetterlingen, besonders aus der Abtheilung der Eulchen, kriechen aus ihren Verstecken hervor und fressen; einen manierlicheren Ausdruck darf man wahrlich nicht gebrauchen, wenn man von der Ernährungsweise dieser Thiere spricht. Hast Du es zu der Jahreszeit, von der hier die Rede ist, noch nicht bemerkt, so wundere Dich nicht darüber; denn sie thun es nur des Nachts, und Du müßtest einen eifrigen Raupensammler begleiten, der sie mit der Laterne sucht, ein Vergnügen, welches Du mit ihm, namentlich zu jetziger Jahreszeit, schwerlich theilen möchtest.

Noch ein anderes Frühlingsbild.

(7. Mai 1859)

Meine geneigten Leser wollen gestatten, daß ich sie an den Stamm einer altehrwürdigen Eiche führe. Da es aber der kleinen Gesellschaft, welche uns ein Schauspiel zu geben verspricht, nicht gleichgiltig sein dürfte, ob dieselbe im jetzt allerdings noch durchsichtigen Dickicht steht, ob vereinzelt im freien Felde, ob am Rande des Waldes, so wollen wir uns für das Letztere entscheiden und außerdem noch annehmen, sie werde von den Strahlen der Nachmittagssonne freundlichst angelacht. Es wäre überflüssig, den eben näher bezeichneten Schauplatz weiter zu schildern, jedermann kennt die tiefgefurchte, der Länge nach geborstene, in die Quere zerrissene, rauhe Oberfläche eines untersetzten, urwüchsigen Eichbaumes, der Jahrhunderte hindurch Wind und Wetter Trotz geboten hat, Jahrhunderte lang schon nicht mehr wankt und weicht, wenn auch seine knorrigen Aeste bei jedem Gewittersturme gar jämmerlich zerzaust werden und mancher davon, ein verlorner Sohn, unheimlich in den blauen Himmel hinaus starrt. Nur auf einige Anhängsel außer den grauen Flechten, die in zottigen Büscheln am Stamme sitzen, und außer dem gelben Schorfe, welcher weithin leuchtende Flecke bildet, möchte ich noch aufmerksam machen, welche insektischem Leben ihr Dasein verdanken. Verwitterte Raupenbälge, hohle, zerbrochene Puppenhäute längst verblichener Schmetterlinge sitzen hie und da, gedeckt von einem Vorsprunge der rauhen Borke, weiße Tonnenpüppchen kleiner Ichneumonen hängen wie Eierklümpchen umher und lassen an je einem schwarzen seitlichen Löchlein erkennen, daß den frühern Bewohnern die kleine Klause zu eng geworden war. Ganze Reihen glänzend brauner Kügelchen, die einen kleiner, die andern größer, aber kaum von dem Umfange einer Erbse, füllen die Sohle der Längsthäler aus. Diese pockenartigen Auswüchse sind die entweder vertrockneten, oder noch Lebenssaft enthaltenden Leiber einer an solchen Stellen sehr gemeinen Schildlaus ( Lecanium quercus). An einer von Rinde entblößten, glatten Stelle des Holzkörpers zeigen winzig kleine, oder wie mit Rehposten geschossene Bohrlöcher, daß hier einst ein kleines Thier die Schärfe seines Zahnes versucht hat, wo der der Zeit noch nichts hatte ausrichten können. Hier ein dreieckiges Loch in der Rinde! Es geht abwärts, und diese wölbt sich unter ihm flach und genau wie ein Oval, von der Größe einer derben Bohne; so wuchs sie unmöglich. Das müssen wir näher untersuchen. Das Messer zur Hand! Die Rinde läßt sich wie ein Deckel losschneiden und ist keine Rinde, sondern ein ebenso gefärbtes, fest wie Pergament zusammengeleimtes Gespinst, dessen andere Hälfte eine vollkommen entsprechend in die Rinde genagte und schön geglättete, flache Höhlung bildet. Eine leere Puppenhaut liegt noch darin. Der Schmetterlingssammler ärgert sich, wenn er dieses Gehäuse findet, nachdem der Vogel ausgeflogen, er hätte es lieber geschlossen erobert, wozu begreiflicher Weise ein sehr geübtes Auge gehört. Er weiß, daß es die Puppe eines von allen Sammlern gesuchten, ungemein schwer zu erlangenden Spinners ( Hybocampa Milhauseri) in sich schließt; er sah es öfter, aber immer mit dem berüchtigten Loche, das, wenn regelmäßig, durch den Schmetterling entstanden ist, der eine Art von Deckel abgehoben hat, wenn unregelmäßig erscheinend, möglicherweise von Spechten eingehackt wurde.

So etwa sieht jener Eichstamm aus, überall Spuren frühern Insektenlebens an ihm; so sieht er aus mitten im Winter und auch jetzt noch, Anfangs Mai, aber neues Leben bringt Neues zu dem Alten.

In buntem Gemisch tummeln sich Insekten fast aller Ordnungen; die einen, und zwar die Mehrzahl, lassen sich nur von den wohlthuenden Strahlen der Sonne durchwärmen, die andern suchen nach Nahrung oder nach dem zweiten Ich; sämmtlich feiern sie in ihrer Weise den Frühling, das Auferstehungsfest alles Organischen. Am zahlreichsten ist das geharnischte Heer der Käfer vertreten und weiß sich zum Theil geschickt zwischen den hohen Rindenbergen vor jeglicher Gefahr sicher zu stellen, welche ihm zur Zeit hauptsächlich der Sammler bringen dürfte. Da kriecht noch etwas unsichern Schrittes ein schlanker Bursche, glänzend, als wenn er polirt wäre, besonders auf seinem halbeiförmigen, schwarzen Halsschilde, die etwas gerieften Flügeldecken sind vorn bis zu zwei Dritteln ihrer Länge blutroth, an der gerundeten Spitze wieder schwarz gefärbt. Beim ersten Blicke erkennst Du ihn als einen Schnellkäfer, einen sogenannten »Schmied«, jene im Verlaufe ihres Körpers fast gleich breiten Käfer, welche, auf dem Rücken liegend, unter knipsendem Tone sich emporschnellen, bis es ihnen gelingt, wieder auf die Beine zu kommen. Er, den die Kundigen Ampedus balteatus heißen, wurde aus seinem sichern Verstecke, wahrscheinlich zugleich seiner Geburtsstätte im alten Eichstamme durch die belebende Sonne hervorgelockt und begrüßt seinen minder großen Vetter und gewiß auch – Landsmann, den durchaus schwarzen Cardiophorus rufipes. Beide halten ihre ersten Ausgänge und gewinnen den Ort immer lieber: denn sie gehören weniger zu denen ihres Gleichen, welche man im Sommer auf Blättern und blühenden Sträuchern in größerer Menge antreffen kann. Nicht weit von jenen stellt sich uns ein kleines, eirundes Käferchen vor, dessen Körperform beinahe die entgegengesetzten Verhältnisse von den »Schmieden« aufweist. Fast so breit wie lang hat es genau den Umriß und die Wölbung eines Schildes. Von seinem Kopfe bemerkt man auf der Oberseite keine Spur; denn er wird vom Vorderrücken vollkommen bedeckt und steckt, wenn man ihn auf der Unterseite sucht, bis zum Munde in der Brust. Dieses wandelnde Schildchen sieht rostbräunlich aus und ist unregelmäßig mit schwarzen Pünktchen bestreut. Wer es nicht besser versteht, hält das Geschöpf für eine Blattwanze, die Käferkundigen geben ihm aber den Namen: nebeliger Schildkäfer ( Cassida nebulosa). Siehe da! Noch ein ebenso gebildetes, etwas schmäleres, elliptisch umrandetes, fast nur halb so großes Käferchen hat einen vornehmen Anstrich: denn seine gelbgrüne Oberfläche ist auf den Flügeldecken mit zwei gleichlaufenden Längsstreifen vom herrlichsten Goldglanze verziert ( Cassida nobilis). Beide schliefen noch vor Kurzem mit den andern zahlreichen Gattungsgenossen unter dem todten Laube und haben eigentlich an dem Eichstamme nichts zu suchen, da sie sich von den Blättern verschiedener Kräuter ernähren; das sonnige Plätzchen war für sie so verführerisch wie für die vier Arten von Marienkäferchen, unserm alten Bekannten, dem Siebenpunkt, und noch einigen anderen, etwas bunteren ( Coccinella 14-pustulata, 14-punctata, Micraspis 12-punctata), welche mir nach und nach zu Gesicht kamen.

Aber auch die, für welche jene erstgenannten öfter gehalten werden und mit denen sie, wie wir von früher wissen, das Winterlager theilen, die Blattwanzen, fehlen nicht am Platze, Eine der größeren, die überall gemeine, grünlich-braune schwarzfühlerige Schildwanze ( Pentatoma nigricornis) mit ihren schwarzen, breit seitwärts abstehenden vordern Ecken des Halsschildes, welche aussehen, als wenn sie angebrannt gewesen wären, spaziert träge umher, vielleicht nicht so harmlos, wie sie scheint. Sie ist gefräßig und vom Winter her ausgehungert und würde darum kaum verschmähen, mit ihrem Schnabel ein kleines Insekt anzuspießen, wenn sie ein geeignetes erwischen könnte. Auch die nicht minder gemeine, bedeutend kleinere Kohlwanze ( Eurydma oleraceum) mit ihrem seitlich nicht vorstehenden, aber über die Mitte querwulstigen Vorderrücken, läßt sich blicken; sie trägt ihr ehern grün- oder blauschimmerndes Gewand mit weißen Zeichnungen zur Schau und würde nach menschlichen Begriffen mehr gelten als die andern, wenn in der Natur das Kleid maßgebend wäre. Der Sachverständige erkennt in dieser Tracht sogleich das Männchen heraus; denn er weiß, daß beim Weibchen die hellern Striche und Flecke blutroth sein müssen. Von den noch kahl in die Lüfte hinausstarrenden Aesten herab dringt das drohende Gebrumm der allgemein gefürchteten Hornisse. Aus ihrem Winterschlummer erwacht, hat dieses Weib noch keine Mordgedanken, es hat höhere Pflichten zu erfüllen; denn es ward von der Vorsehung dazu bestimmt, Gründerin eines neuen Staates zu werden. Sucht sie dort oben Baustoff zu den ersten Wohnungen, oder diese selbst in einem hohlen Aste auf? Ich achtete nicht näher aus sie und ließ mich durch ihr Brummen nicht in meinen Betrachtungen stören, weil gar manch, dem Kenner seiner Gattung nach wenigstens bekanntes Wesen mir zu Gesicht kam: keins zeigte aber eben große Neigung, seinerseits Bekanntschaft anzuknüpfen.

Der stahlblaue Eichen-Erdfloh ( Haltica Erucae), eben an einem dürren Grasstengel unten am Fuße des Baumes emporkriechend, vertritt seine artenreiche Sippe, dem Gärtner und Landmanne durch ihre Zerstörungswuth auf Blättern gar wohl bekannt und gefährlich. Bei Annäherung der Fingerspitzen schnellt er sich mit seinen dicken Hinterschenkeln fort. Immerhin, wir verlieren nichts an ihm. Am Nachbarhalme zeigt ein nicht viel größerer, aber schlankerer Blattkäfer seine Kletterkünste: der Käferbeflissene unterscheidet ihn von seinen nächsten Verwandten durch die durchaus schwarzen Fühler und Beine; deren kleine Klauen am Grunde zusammengewachsen sind, durch das glänzend blaue oder blaugrüne Gewand und durch die stark punktstreifigen Flügeldecken, und nennt ihn Lema cyanella. Um zu entwischen, wendet er ein anderes Verfahren wie der eben Entsprungene an, er läßt sich hinabfallen und stellt sich todt. Doch er lag den ganzen Winter schon in Starrsucht da unten im Laube, darum wollen wir ihr nicht beängstigen, sondern ihm seine Frühlingsfreude gönnen: die Sonne, die milde Luft, welche ihn jetzt wieder umweht, ist alles, was er für sich beansprucht. Gleich hinter jenem Halme, am Stamme selbst, welcher eine Strecke hinauf seiner schützenden Rinde beraubt ist und das nackte Holz zur Schau trägt, äußerlich noch glatt und gesund, sitzt ein kleiner, schwarzglänzender Käfer, genau von der Gestalt eines O, wenn man sich dessen beiden Enden etwas abgeplattet denkt. Man pflegt ihn Stutzkäfer ( Hister) zu nennen, nicht von seiner Gestalt, sondern von der eigenthümlichen Laune, wie stutzend stehen zu bleiben, wenn ihm irgend etwas Auffälliges, Gefahrdrohendes in den Weg kommt. Wenn er erzählen könnte, würde er von seinen Wühlereien im Kothe oder in Thierleichen als Larve berichten und wie er dann hier in der Nähe Puppenruhe gehalten, wie ihn die liebe Sonne zu einen hart gepanzerten Käfer mit breiten Beinen und kleinem Kopfe, welchen er schildkrötenartig zurückziehen könne, gezeitigt habe und wie er sich darauf freue, bald wieder ein seiner Heimath entsprechendes Plätzchen ausfindig zu machen; er würde uns mittheilen, daß er noch viele Vettern habe, die sich theilweise so ähnlich sähen, daß es den wißbegierigen Menschen oft recht schwer werde, sie zu unterscheiden, und daß man gerade ihm von seinem unliebenswürdigen Lieblingsaufenthalte den Namen Miststutzkäfer ( H. stercorarius) beigelegt habe. Unmittelbar in seiner Nähe sitzen zwei andere Kopfhänger, ihrer Gattung nach uns von früher her bekannt. Der eine ist der mäusegraue Speckkäfer ( Dermestes murinus), dessen Gattungsgenossen wir auf S. 39 kennen gelernt haben. Dieser hier ist größer und ohne braunen Sattel auf dem Rücken, schwarz und grau gemischt, am Bauche und an dem größern Theile der Brust durch feinen Haarfilz weiß. Der andere stellt einen gelb- und braunfleckigen Werkholzkäfer (S. 65), das Anobium tessellatum dar, welcher nur ? von der Größe des vorigen erreicht, aber der Riese seiner Gattung ist. Sie leben beide auf die Weise, wie die dort besprochenen, finden sich nur weniger in unsern Häusern; ihrer Entwickelungsweise und dem frischen Ansehen nach dürften sie Kinder des Frühlings sein.

Am ganzen Stamme entlang eilt hastigen Laufes und, weil in größerer Anzahl, sogar hörbar eine andere alte Bekannte, die Waldameise (S. 239). Die emsigen Thiere haben ihre Arbeit schon begonnen, welche sie das ganze Jahr hindurch bis gegen den Winter hin fortsetzen. Sie suchen nach Nahrung und Baustoff; denn die alte Wohnung bedarf mancherlei Ausbesserung. Ich bemerkte noch die dickleibige, glänzend schwarze und zwei andere Arten, deren Namen mir eben nicht gegenwärtig sind, und sah daraus, daß sie aus dem Schlafe erwacht, jede in ihrer Art von neuem zum Tagewerke geschritten waren. Hier an einer zottigen Flechte nagt eine kleine schwarze Bürste. So beinahe nimmt sich eine Raupe aus, von welcher der Schmetterlingssammler weiß, daß sie im Juni das oft massenhaft fliegende Weißfleck ( Syntomis Phegea) liefert, jenen stahlblauen am dicken Leibe zweimal gelb geringelten Tagschwärmer, dessen Vorderflügel mit je sieben weißen Fleckchen gezeichnet sind. Wer sein Auge recht anstrengt, kann auch kleine an Farbe der Baumrinde, in Form gewissen Schneckenhäusern ähnliche Gebilde langsam fortkriechen sehen und das winzige, pechschwarz glänzende Köpfchen bemerken, welches hervorragt und das Bewegungswerkzeug zu sein scheint. Wenn er sich der Sackträger (S. 319) erinnert, weiß er, was das Ganze zu bedeuten hat und daß mit der Zeit ebenfalls ein Schmetterling daraus entsteht, aber wieder anderer Art, wie der dort beschriebene, das würde die Zucht ihm lehren. Noch ein anderer alter Bekannter kann uns möglicherweise auffallen: die häßliche Kamelhals-Fliege (S. 459), welche, eben der Puppe entschlüpft, beutedürstend einer kleinen Mücke, Fliege etc. auflauert, um ihren Hunger zu stillen, wie diese und jene Spinne, welche des winterlichen Versteckes überdrüssig geworden. Auch ein und die andere Zehrwespe stellt sich ein, nicht um zu schmausen, sondern unter den Festgenossen einen zu erwählen, dem sie den Keim ihrer Nachkommenschaft, das Ei, anvertrauen könne.

Doch wo soll ich enden? Diese und noch manchen andern Frühlingsgast gewahrte ich, wenn auch nicht alle an einem Stamme, so doch an vielleicht einem Dutzend von solchen, welche den oben bezeichneten Bedingungen genügten. Andere Gegenden bieten wieder andere Bilder, doch tragen alle denselben Charakter an sich; nach dem tiefen Schweigen einer öden, winterlichen Landschaft athmet alles, selbst die kleine, stumme Insektenwelt neues Leben, neue Lust, feiert im Frühlinge sein Auferstehungsfest.

Rückblick.

Auf den vorangehenden Blättern wurden die mannigfachsten Bilder aus dem Leben der Insekten vorgeführt, ein verschwindend kleiner Theil im Vergleiche zu deren bis jetzt noch ungezählten Menge. Wir lernten einige Zwerge dieser Wesen kennen, wenn auch noch bei weitem nicht die kleinsten, aber auch einige Riesen. Die einen traten uns in schlichtem, unscheinbarem Gewande entgegen, andere würden uns durch ihre Farbenpracht sicher entzücken, wenn wir sie so vor uns gesehen hätten, wie sie die Natur selbst gemalt hat. Wir lernten nur zwei Arten darunter genauer kennen, welche als Spender nützlicher Produkte sich unserer besonderen Zuneigung und Pflege zu erfreuen haben, dagegen eine Reihe von solchen, welche der Mensch als Feinde verfolgt; noch größer mochte die Zahl derer sein, welche als vollständig gleichgiltige gegen die Person, gegen die Werke und das Eigenthum des »Herrn der Schöpfung«, außer Acht gelassen zu werden pflegen. Damit ihnen dies Loos fernerhin nicht mehr zu Theil werde, wenigstens von Seiten derer, welche sich unter reger Theilnahme ihre Geschichte erzählen ließen, an ihrem Thun und Treiben einiges Interesse fanden: wurden sie statt ihrer zahlreichen Schicksalsgenossen vorgeführt. Wir wollten aber noch nicht von ihnen allen scheiden, mögen sie Freund oder Feind, oder keins von beiden sein, ohne uns das Verhältniß klar gelegt zu haben, in welchem sie zu uns stehen. Darum hier am Schlusse noch einige Worte zur Beherzigung für den »Herrn der Schöpfung«.

»Wozu wird denn das gebraucht?« Diese Frage, wenn auch in etwas anderer Fassung, ist wohl schon jedem sammelnden Botaniker von einem neugierigen Landmanne, einem alten Weibe vorgelegt worden, und mißtrauisch hat der Fragsteller den Kopf geschüttelt, wenn jener der Wahrheit die Ehre gab und seine Ausbeute nicht als Hausmittel gegen irgend welche Krankheit gelten ließ. Die guten Leute können nicht begreifen, wie doch die Städter so viel Zeit und Mühe auf in ihren Augen so vollständig unnütze Dinge verwenden mag. Der entomologisirende Sammler wird lieber gar nicht gefragt; denn daß seine Waare nicht für die Apotheke sein kann, weiß man, und darum mag er gar oft als bloser Herumtreiber angesehen und keiner Beachtung gewürdigt werden von dem nur »zur Plagerei gebornen« Ackerbauer, Handarbeiter u. dgl., welche jeden Andern lieber für einen Faulenzer halten, der sich eben nicht in ihrer Weise beschäftigt. Doch wir wollten nicht streiten, sondern die eigenen Erfahrungen als Beweis anführen, wie tief dem Volke die Nützlichkeitsidee innewohnt und nichts in der Natur für die allermeisten aus demselben ein Interesse hat, dessen Nutzanwendung sie nicht kennen. Die Anschauung hat selbstredend volle Geltung in allen, eben darum praktisch genannten Einrichtungen und Verrichtungen der Menschen.

Der grübelnde, immer vorwärts drängende Geist derselben hat sich nach und nach immer mehr der Geschöpfe bemächtigt und diejenigen zu seinem Dienste verwendet, die er gebrauchen kann. So wurde mit der Zeit eine Zahl von Thieren – um nur dieser zu gedenken – ihm unentbehrlich! Er führte sie in sein Haus ein, und bei vielen wird es heutzutage dem Forscher unmöglich, anzugeben, wann und wie dieselben noch in der Wildniß gelebt und damals ausgesehen haben. Andere werden als lästige oder der Kultur geradezu schädliche mit Recht zurückgedrängt und wie Feinde vertilgt. Wenn wir außerdem erkannt haben, wie es selbst möglich geworden, den riesigen Elefanten, den König der Wüste und andere blutgierige Katzen, durch ihre Körperkraft dem stärksten Manne unendlich überlegen, zu zähmen, sie dem Willen einer gewissen Persönlichkeit wenigstens unterwürfig zu machen: so hat der Mensch wohl das Recht, sich als den Herrn der Schöpfung zu betrachten. Ja, wir sind vermöge unserer Stellung, unserer geistigen Anlagen, mit einem Wort, nach der von Gott eingesetzten Ordnung der Dinge die Herren der Schöpfung! Nach eben dieser Ordnung ist der Familienvater der Herr seines kleinen Staates, nach ihr gehorcht jedes Volk einem Oberhaupte.

Daß aber eine solche Weltordnung eingesetzt ist, erkannten schon die Weisen des grauen Alterthums, sonst hätte Aristoteles Aristoteles, ungefähr im Jahre 384 vor unserer Zeitrechnung »Ueber die Welt« 5. 6. u. a. nicht sagen können wie folgt: Den Zusammenhang aller Dinge, des Himmels und der Erde und des ganzen Weltbaues hat durch die Mischung der entgegengesetzten Anfänge eine Harmonie geordnet. – Entstehen ersetzt das Vergehen, das Vergehen aber entlastet das Entstehen. Ein einziges Wohlbefinden aber wird durch alles bewirkt und erhält sich, während alles sich einander gegenüber steht. Und indem dies abwechselnd überwindet und überwunden wird, so bewahrt es das Ganze unvergänglich eine Ewigkeit hindurch. Kosmos aber magst du in Wahrheit das Ganze und nicht eine ungeordnete Masse es nennen. Alles besteht aus Gott und durch Gott, der an Kraft der Gewaltige, an Schönheit der Ansehnlichste, an Leben der Unsterbliche, an Tugend der Beste ist. Weshalb er, aller sterblichen Natur unsichtbar, aus seinen Werken selbst geschaut wird. Die Ereignisse, die sich in der Luft, auf der Erde und im Wasser zutragen, könnte man Gottes Werke nennen, dessen, der die Welt inne hat, dieser Gott ist Einer mit vielen Namen, daher es auch im Orphischen Gedichte heißt:

»Zeus war der Erste und Zeus der Letzte, der Sender der Blitze!
Zeus das Haupt und die Mitte Zeus; aus Zeus nun ist alles.
Zeus ist die Feste der Erd' und des sternebesäeten Himmels;
Zeus ist der Mann und Zeus ist zugleich unsterbliche Jungfrau;
Zeus das Wehen der Winde, der Zug nie rastenden Feuers;
Zeus die Wurzel des Meeres, der Mond ist Zeus und die Sonne.
Zeus ist König und Zeus der Herrscher, von allen der Ahnherr;
Alles verbirgt er und wiederum alles in's freudige Licht auf
Zieht er, mit heiligem Willen Gewaltiges immer beginnend.«

Nach dieser Ordnung, welche auch kein christlicher Forscher, überhaupt kein denkender Mensch leugnen kann, wenn auch viele den Gott leugnen, welcher sie eingerichtet hat und handhabt, sind aus einem unendlich winzigen Theile der Welt, unserer Erde, unzählige Gebilde vorhanden, welche der wiederum ordnende menschliche Verstand in den bekannten drei Naturreichen unterbringt und in ihnen eine Stufenleiter vom Unvollkommenen zum Vollkommensten, seinem eignen Geschlechte anerkennt.

Wir haben bei unsern Betrachtungen über die unbedeutende, verachtete Insektenwelt in einzelnen Fällen aus die wichtige Rolle hingewiesen, welche die kleinen Wesen im Haushalte der Natur spielen, in den wenigsten aber ist ein solcher Nachweis möglich, darum immer wieder die Frage, welche man allen Ernstes von gebildeten Leuten aufwerfen hört: Warum ist nur das und das Thier da? Würde der Fragsteller nicht bisweilen in Verlegenheit kommen, wenn man ihm die Gegenfrage stellte: Wozu ist nur dieser oder jener Mensch da? Die Antwort auf jene ist einfach: Jedes Thier gehört zum Haushalte der Natur, bildet eins von den unendlichen Gliedern in der Kette der Erscheinungen, welche das Weltall ausmachen, jedes, auch das winzigste, unbedeutendste ist wie jedes andere, welches uns Nutzen bringt, zum Leben berechtigt, eben weil es aus der Hand desselben Schöpfers hervorgegangen, dem auch wir das Leben zu verdanken haben, weil es, gleich uns, Nahrung findet, dasselbe zu erhalten, gleich uns Mittel besitzt, seine Art fortzupflanzen. Wohl gemerkt: auch nicht ein einziges ist um der Menschen willen geschaffen, sondern es dient seinen selbstischen Zwecken und dem Ganzen, mittelbar in einzelnen Fällen also auch uns. Wären sie nur für uns geschaffen, so würden wir besser Bescheid wissen unter ihnen und vor allem angeben können, wozu wir sie zu verwenden haben. Was folgt nun daraus für uns, die Herren, wenn wir als vernünftige Wesen, als verständige Gewalthaber und nicht als Tyrannen die Herrschaft eben so ausüben wollen, wie wir wünschen in unsern menschlichen Verhältnissen von Andern beherrscht zu werden?

Wir sind erstens berechtigt, die für uns brauchbaren Thiere zu unserm Nutzen zu verwenden, aber immer von dem Gesichtspunkte aus, daß auch sie auf ihr Leben ein Recht haben und nicht ausschließlich für uns geschaffen worden sind. Wir sollen uns von ihnen nicht nur Nahrung, Kleidung, Stoff zu allerlei andern Bedürfnissen liefern lassen oder ihre Kräfte für unsere Zwecke verwenden, sondern ihnen auch, sofern sie unsere Hausgenossen sind, den nöthigen Unterhalt gewähren, billige Pflege angedeihen lassen und ihnen nicht mehr aufbürden, als sie eben zu leisten vermögen. Leider wird hiergegen noch mannigfach gesündigt. Wir sind nicht selten Augenzeugen von Quälereien der empörendsten Art. Auf offener Straße entblödet sich der Fuhrmann nicht, ein überladenes Pferd in einer Weise zu behandeln, daß der verständige, gefühlvolle Zuschauer gern die Peitsche gegen den gekehrt wissen möchte, welcher sie so unbarmherzig gegen das geplagte Thier handhabt. Wer sein Vieh, welches er braucht, welches ihn ernähren hilft und das er durch Geldopfer wieder anschaffen muß, wenn es mit der Zeit seiner schlechten Behandlung unterliegt, so wenig liebt, wie kann man von dem Mitgefühl und Erbarmen gegen seine Mitmenschen, vor allen gegen diejenigen, welche ihm durch die natürlichen Bande untergeordnet sind, gegen Weib und Kind erwarten? Schlimm genug, daß dergleichen Dinge noch vorkommen!

Da aber die Bildung der Menschheit noch nicht auf dem Punkte angelangt ist, um jenen Barbareien von selbst ein Ende zu machen, so sind die mehr und mehr überhandnehmenden »Thierschutzvereine« ein erfreuliches Zeichen der Zeit, und ihnen ist nach der Seite hin die Aufgabe vorgesteckt, den Thierquälereien, welcher Art sie auch sein mögen, energisch entgegenzutreten. Wir müssen bei dieser Gelegenheit einer Art von Thierquälerei gedenken, welche »im Dienste der Wissenschaft« unternommen wird und leider in gewissen Fällen, als einem höheren Zwecke dienend, vollkommen gerechtfertigt erscheint. Untersuchungen auf dem Felde der Physiologie und anderen der Heilkunde dienenden Gebieten können den dazu verwendeten Thieren Qualen nicht ersparen, diese sind also für streng wissenschaftliche Arbeiten theilweise gerechtfertigt. Auch gegen diese Quälereien ist man in England aufgetreten und eine jüngst erschienene Schrift »Griech. Wort fehlt die Vivisection, ihr wissenschaftlicher Werth und ihre ethische Berechtigung« Leipzig l877, diesen Gegenstand näher beleuchtend, stimmt mit dem Verdammungsurtheile überein. Dies beiläufig. Jedenfalls können wir den unnöthigen Martern, zu welchen viele Sammler die lebendig gespießten Insekten verurtheilen, das Wort nicht reden und müssen ihnen anrathen, geeignete Mittel anzuwenden, um ihre Opfer aus möglichst schnelle Weise zu tödten.

Zweitens sind wir auch berechtigt, uns vor dem verderblichen Einflusse der schädlichen Thiere zu schützen und sie selbst durch geeignete Mittel zu vertilgen. So einfach dieser Punkt scheint, so vielfach sind doch Mißgriffe vorgekommen und noch heutigen Tages eine Menge verkehrter Ansichten verbreitet. Von dieser Seite bietet sich den Thierschutzvereinen ein ganz anderes Feld für ihre Thätigkeit. In Gegenden, welche größere Raubthiere unsicher machen und selbst Menschenleben gefährdet ist, geht man auf die Jagd, und sucht sich jener Bestien durch Pulver und Blei zu entledigen. Löwen und Tiger, Bären und Wölfe und wie alle jene Feinde der Menschen heißen mögen, sind schlechte Nachbarn und müssen da weichen, wo der Mensch seine Kultur ausbreitet, darüber ist kein Zweifel und davon kann hier keine Rede sein. Aber in unsern Ländern, wo das Leben des Einzelnen von dieser Seite so leicht nicht bedroht wird, giebt es ganz andere Feinde zu bekämpfen, welche nicht der Person, wohl aber den Werken des Menschen, besonders dem Acker- und Waldbaue Verderben drohen, ich meine das sogenannte » Ungeziefer«.

Es wurde in den vorangegangenen Bildern mehrfach darauf hingewiesen, wie die Natur selbst die mannigfachsten Mittel anwende, um das in irgend welcher Weise gestörte Gleichgewicht in ihrem Walten wieder herzustellen. Wenn nun aber der Mensch zu gewaltig in ihr Wirken eingreift, durch seine Kultur die natürlichen Verhältnisse stört und Unnatur in sie hineinbringt, so ändern sich die Dinge, und wenn Unwissenheit und Verblendung zum Theil Ursache davon sind, wenn er verkehrte Mittel anwendet, um seine vernünftigen Zwecke zu erreichen, so ist es Pflicht, ihn von den falschen Wegen abzubringen. Die Klagen über Schaden, welchen das Ungeziefer den Feld- und Baumfrüchten zufügt, werden in neueren Zeiten viel allgemeiner als sonst. Woher kommt das?

Es ist hier nicht der Ort, tiefer auf Beantwortung dieser Frage einzugehen und den Gegenstand nach allen Seiten hin zu beleuchten. Wir hatten es mit den Insekten allein zu thun, und in Rücksicht auf sie mögen einige Andeutungen des für die Landwirthschaft so wichtigen Gegenstandes genügen. Die Abnahme der insektenfressenden Vögel hält mit Zunahme jenes Ungeziefers gleichen Schritt, dies ist eine Wahrheit, die sich nicht wegleugnen und bei weiterem Nachdenken auch wohl begreifen läßt. Woher die Abnahme jener Vögel? fragen wir weiter. Zunächst tritt ihnen die fortschreitende Kultur des Landes (das Verschwinden von Wäldern, Buschwerk, alten Zäunen etc.) schon an und für sich ungünstig entgegen und erschwert ihnen das Ansiedeln und Aufbringen ihrer Brut. Sodann werden sie vermindert durch Katzen, durch unsere liebe Jugend, welche trotz der Verbote den Nestern noch viel zu sehr nachstellt und schadet, und durch das häufige Wegfangen. Meinen doch hie und da gewisse Leute ein Vorrecht dazu zu haben, wie hier die Halloren, welche nicht nur die Lerchen im Herbste massenhaft den Leckermäulern zuführen, sondern sich nicht entblöden, die Schwalben mit Netzen wegzufangen, wahrscheinlich, um sie ebenfalls zu Markte zu bringen; der vielerlei Singvögel nicht zu gedenken, welche die Vogelhändler für die Liebhaber stets feil halten. Die angeführten Uebelstände sind aber kaum als solche zu bezeichnen im Vergleiche zu der »alle Begriffe übersteigenden Vogelmörderei der Italiener«, und somit der Schaden, welcher hierdurch unsern nützlichsten Zugvögeln zugefügt wird, unberechenbar. Es ist bekannt, sagt Fr. v. Tschudi In seiner 28 Seiten füllenden Schrift: »Das Ungeziefer und seine Feinde« (7. Aufl. St. Gallen 1865), welche wir zum weiteren Nachlesen allen denjenigen empfehlen, die sich für diesen Gegenstand interessiren., »daß zur Zeit des Vogelzuges im Frühlinge, besonders aber im Herbste die Italiener von einer wahren Wuth der Vogelfängerei befallen werden, und zwar Leute aller Stände und Alter, Buben und Greise, Nobili, Kaufleute, Priester, Handwerker, Straßenarbeiter und Bauern. Alles läßt die gewohnte Arbeit liegen, um die Schaaren der durchziehenden Gäste banditenmäßig anzufallen. An Bächen und in den Feldern knallen überall die Flinten, werden Netze gelegt, Fallen aufgerichtet, Ruthen gebreitet; auf allen geeigneten Hügeln Vogelheerde ( Roccoli) angelegt, um mit Sperbern und Käuzchen die kleinen Fremdlinge zu locken und zu würgen. Nicht nur größere, jagdbare Vögel, sondern besonders die kleinen Insektenfresser und Singvögel, selbst Nachtigallen, werden abgethan, die Schwalben, die sonst in Deutschland und der Schweiz gewöhnlich den Schutz des Volkes genießen, werden in zahllosen Massen gefangen und zwar oft auf die grausamste Art, mittelst frei in der Luft schwebender Fischangeln, an denen ein Insekt oder Federchen steckt und die Schwalben sich spießen. Wie groß diese Verheerungen sind, denen mehrere Wochen hindurch alle Klassen der Bevölkerung herkömmlich obliegen, ist aus der Angabe zu ermessen, daß nur in einem Bezirke, am Langensee allein die Zahl der jedes Jahr erwürgten Sing- und kleinen Vögelchen sich auf 60-70,000 Stück beläuft, daß in der Lombardei an einem einzigen Tage, auf einem einzigen Roccolo oft 1500 Stück gefangen werden, so daß bei Verona, Bergamo, Brescia die Zahl der erwürgten Thierchen sich in einem Herbste auf viele Millionen beläuft. Und dies ist nur ein kleiner Theil von Italien. Weiter im Süden geht's ebenso zu, – die Vertilgung erreicht unermeßliche Mengen. Wir können nun zwar, fährt derselbe Berichterstatter weiterhin fort, den Italienern ihr absurdes Nationalvergnügen nicht wehren; sie sind zu leichtsinnig, um dessen Verderblichkeit zu beherzigen; wir können aber doch einigermaßen die traurigen Folgen jener Barbarei für uns vermindern, und es müßte ein schöner Zug des biederen deutschen Charakters sein, den lieben Vögeln um so mehr Sorgfalt angedeihen zu lassen, je bitterer sie im Süden verfolgt werden.« Es werden in diesem Sinne zwei Mittel vorgeschlagen: einmal können wir die Vermehrung nützlicher Standvögel auf mancherlei Weise begünstigen und sodann den Zugvögeln während ihres Sommeraufenthaltes ein besseres Asyl und hinreichenden Schutz gewähren, und somit die gestörte Naturordnung wenigstens einigermaßen wieder ausgleichen, wenigstens theilweise ein besseres Gleichgewicht zwischen Insektenvermehrung und Insektenvertilgung wieder herstellen. Zu den nützlichsten Vögeln in dieser Hinsicht gehören: die Meisen. In einem Gewächshause war ein hochstämmiger Rosenstock mit 2000 Blattläusen besetzt; eine herbeigeholte Sumpfmeise vertilgte dieselben in wenigen Stunden; die Rothschwänzchen, deren eins, wenn es Hunger hat, in einer Stunde an sechshundert Fliegen verzehrt; ferner die Grasmücken, Rohrsänger, Bachstelzen, Braunellen, Steinschmetzer, Pieper, Lerchen, Finken, Ammern, Baumläufer, Wendehälse, Spechte, Fliegenschnäpper, Drosseln, sofern sie nicht dem Weinbaue schaden können, Sperlinge da, wo es an andern und zwar Insektenfressern fehlt. Das Urtheil über die Krähen ist noch immer ein getheiltes, jedenfalls sind sie lange nicht in dem Maße zu verdammen, als in der Regel geschieht, und überhaupt muß die Oertlichkeit und das Zusammenwirken der verschiedensten Umstände berücksichtigt werden, um das Richtige zu treffen. Unter den Raubvögeln sind vor allen die Eulen und die so verbreiteten und gemeinen Bussarde, deren Nutzen ihren geringen Schaden um ein Bedeutendes überwiegt, namhaft zu machen. Diesen und so manchen anderen noch Schutz angedeihen zu lassen, muß somit unsere Aufgabe sein, und die Vorkehrungen, welche man in manchen Gegenden trifft, Staare, Meisen etc. durch Brutkästen, welche an den Gartenbäumen angebracht werden, an den Ort zu fesseln, sind nur zu allgemeinerer Nachahmung zu empfehlen. Dank der Presse sind in verschiedenen Staaten des Deutschen Reiches der »Vogelschutz« zu einem Gesetze erhoben und unseres Wissens Verhandlungen im Gange, um durch internationale Feststellungen den nützlichen Vögeln einen gesetzlichen Schutz zu sichern.

Auch die Maulwürfe sollte man nicht so massenhaft wegfangen und wahre Galgen für die getödteten errichten, sondern vielmehr die aus Wiesen und in Gärten allerdings unbequemen und nachtheiligen Auswürfe derselben lieber niedertreten, als die nützlichen Urheber derselben tödten, welche bekanntlich den Pflanzen selbst nicht nachgehen, sondern nur den diesen schädlichen Regenwürmern und Engerlingen. Doch genug hiervon; denn es lag nicht in unserem Plane, Mittel und Wege zur Abhilfe schwer empfundener Uebelstände anzugeben, sondern nur darauf aufmerksam zu machen, daß noch viele Verkehrtheiten in dieser Hinsicht vorkommen, und daß gerade uns, den Herren der Schöpfung, auch

Drittens noch die Verpflichtung obliege, die Thierwelt zu studiren und im allgemeinen immer besser kennen zu lernen.

Bei richtiger Beurtheilung der Sachlage und genauer Kenntniß von der Lebensökonomie der Thiers können Mißgriffe gegen ihre schädlichen Einflüsse, wie wir sie in den Bildern hie und da erwähnt haben, zu denen u. a. auch die Schußprämien auf Krähenschnäbel und Raubvogelfänge gehören, welche auch bei uns zu Lande vor einer Reihe von Jahren noch ausgezahlt worden sind, nicht mehr vorkommen; man wird nützliche Thiere in der Meinung, daß sie Schaden brächten, nicht mehr verfolgen und dafür die schädlichen laufen lassen, man wird viel leichter die durchgreifendsten Mittel auffinden zur Vertilgung der letzteren und zu rechter Zeit seine Vorkehrungen treffen, man wird mehr und mehr das Gedeihen derjenigen unterstützen, welche weit wirksamer als wir das gestörte Gleichgewicht auf natürlichem Wege wieder herzustellen vermögen, mir einem Worte, erst dann wird auch von dieser Seite her eine rationelle Landwirthschaft ermöglicht werden. Und eben weil nicht Einer alles beobachten kann, weil z. B. der Entomolog von Fach oder Neigung seine Aufmerksamkeit nur gewissen Erscheinungen zuwendet, so sind die Landbauer selbst, welche die beste Gelegenheit zum Beobachten haben, nicht dringend genug zu ermahnen, es endlich zu lernen, richtig zu sehen, was sich vor ihren sehenden Augen zuträgt, und den bisherigen Stumpfsinn, die übliche Apathie gegen Gegenstände abzulegen, deren unmittelbarer Nutzen ihnen nicht klar auf der Hand liegt. So müssen wir als praktische Menschen über diesen Gegenstand denken, so als würdige und vernünftige Herren der Schöpfung überhaupt; denn es leuchtet ein, daß der Herr unter sonst gleichen Verhältnissen in dem Maße der beste sein wird, welcher seine Untergebenen am besten kennt. Wollen wir also jenen ehrenvollen Namen mit Würde tragen, so dürfen wir es auch nicht unter unserer Würde hatten, nach dem Kleinsten zu sehen, dem Unbedeutendsten, wo es sich darbietet, unser Interesse zu schenken, brauchen darum noch lange nicht zu glauben, daß wir Botaniker, Zoologen, Entomologen etc. sein müßten, um jenes zu können, auch höhere und wichtigere Geschäfte darüber nicht zu vernachlässigen.

Steht es aber fest, das sowohl vom rein menschlichen, wie vom praktischen Standpunkte aus noch viel zu wünschen übrig bleibt, um unserer richtigen Stellung zur Thierwelt eine allgemeine Anerkennung zu verschaffen, daß die Thiere noch lange nicht hinreichend vor Quälereien gesichert, die nützlichen noch lange nicht genug auch in unserem Interesse geschützt, sie alle überhaupt in ihrem Werthe für das große Ganze bei weitem noch nicht hinlänglich gekannt sind: so ergeht an alle diejenigen, denen die Bildung der Menschheit wahrhaft am Herzen liegt, die Aufforderung, ihr Scherflein zur Abhilfe jener Uebelstände nach Kräften beizutragen. Wem liegt diese Pflicht aber wohl mehr ob, wem wird sie dringender durch den heiligen Beruf selbst an das Herz gelegt, als dem Lehrer der Jugend? Das Kind wendet, wie wir schon in der Einleitung angedeutet haben, vor allen den Naturdingen, den bunten Blumen, dem regen Thierleben, ganz besonders auch den ihm überall begegnenden Kerfen seine Aufmerksamkeit zu, an ihnen übt es auch vor allem die ihm angeborne Zerstörungssucht. Der Knabe, welcher mit der Haselgerte oder dem jetzt so beliebten Spazierstöckchen die uns zur Freude ersprossene Blume zu seinem Zeitvertreibe köpft, achtet auch nicht des thierischen Lebens, so weit er dessen Herr ist. Maikäfer, Fliegen, die großen grünen Grashüpfer sind ihm Spielwaare, die flüchtige Blindschleiche wird mit wahrer Wuth todt geschlagen, der ihn anglotzende Frosch gesteinigt u. s. w. Daher muß so früh wie möglich dem Kinde zu Gemüthe geführt werden, daß auch an sich so unbedeutende und kleine Wesen, wie z. B. die Insekten sind, ebenfalls zur Freude des Lebens geboren wurden, daß sie nicht zur Kurzweil oder zum Nutzen der Menschen da seien, sondern als notwendige zum großen Haushalte der Natur, selbst wenn sie uns schaden sollten, daß wir gerade an ihnen, den kleinen und von den Menschen so viel verachteten, die Wunderwerke des Allmeisen studiren können, ja daß manche von ihnen uns nachahmungswürdige Beispiele zum Guten vorführen, um Liebe in ihm zu erwecken zu den Werken dessen, den wir allein aus seinen Werken zu erkennen vermögen. Wer die Werke verachtet, die er doch sieht, wie kann der den Werkmeister achten, den er nicht sieht? »Bringt, ruft auch der geringste Wurm, bringt meinem Schöpfer Ehre! mich, ruft die Saat hat Gott gemacht, bringt unserm Schöpfer Ehre!«

Durch die Erziehung, durch die Schule müssen alle Verkehrtheiten, muß jede Rohheit in ihrem Keime ausgerottet werden. Sollte das Gelingen so schwierig sein? Ich meine nicht, wenn nur die Sache im rechten Sinne, mit dem wahren Interesse dafür angegriffen wird.


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