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Das Schmetterlingsei.

Zwischen den Eiern der Schmetterlinge findet, wie sich wohl erwarten läßt, der geringste Unterschied statt, aber immer noch groß genug, um einige Worte darüber sagen zu können. Sie alle sind mit einer für ihre Größe festen Schale umgeben, welche die junge Raupe zu durchnagen hat, ehe sie frei wird, und die sie in vielen Fällen als ihre erste Nahrung verspeist. Obgleich die Kugelform allen Eiern zu Grunde liegt, so findet sich diese doch mannigfach abgeändert. Bei den Tagschmetterlingen nehmen sie im allgemeinen eine mehr langgestreckte Form an, bei den übrigen ändert die Grundgestalt, nach eben dieser hinüberführend und andererseits durch Ueberwiegen des Querdurchmessers im Vergleiche zu dem der Länge vielfach ab. Es versteht sich von selbst, daß bei ein und demselben Schmetterlinge die Form genau dieselbe ist: und hier findet die Anwendung des bekannten Vergleiches zwischen sehr ähnlichen Gegenständen »wie ein Ei dem andern« mit viel größerer mathematischer Schärfe statt, als wenn, man etwa dabei an die Eier unserer Haushühner denkt.

Die Oberfläche ist bald glatt, bald gerippt und in verschiedener Weise gekantet, meist weißlich oder perlgrau, aber auch gelb, grün, braun, blau oder roth, einfach oder in verschiedenen Zeichnungen gefärbt. Die Farbe ist indessen nicht beständig, sondern ändert sich nach dem Alter des Eies ab. Größere Abwechselung, als man erwarten sollte, zeigt sich in der Art und Weise, wie das Schmetterlingsweibchen seine Eier ablegt, und bewundernswürdig ist hierbei sein Naturtrieb, der es (mittels der Fühlhörner) nicht nur die richtige Futterpflanze auffinden lehrt, sondern auch die den jedesmaligen Verhältnissen angemessene Stelle an derselben wählen läßt. So wird z. B. der Schmetterling, dessen Raupen von den Blättern mehrjähriger, aber alljährlich bis auf die Wurzel absterbender Pflanzen leben, seine Eier, die überwintern sollen, nicht an den Stengel oder die Blüten der jetzt noch frischen Pflanze legen, sondern er geht, als wenn er es wüßte, daß dieser später abstirbt, unter Umständen abgebrochen und vom Winde fortgeführt wird, an den Grund desselben, wo der künftige Trieb schon vorbereitet ist, und legt hier seine Eier ab; denn hier findet man in der Knospe des ersten Triebes im nächsten Jahre das Räupchen. Der Ringelspinner, dessen Eier überwintern und dessen Raupen von den Blättern unserer Obst- und anderer Bäume leben, legt jene nicht an die Blätter des Pflaumenbaumes, wie es andere unter ihren Verhältnissen so gern thun, als ob er es wüßte, daß diese abfallen und während des Winters der Zerstörung preisgegeben sind, sondern er leimt 2-400 Eier in dichten Reihen rings um ein Zweiglein so fest, daß es Schwierigkeiten macht, diesen Ring unbeschadet seiner Unterlage zu lösen. Wo wir auch Hinblicken mögen in der großen, weiten Natur, überall Wunder über Wunder! Begreifen wir auch öfter das Warum, so wird uns doch alles das räthselhaft bleiben, was der Mensch mit dem nichts erklärenden Worte » Instinkt« bei dem Thiere zu bezeichnen pflegt. Die meisten Eier werden mit einem Leime, den sie aus einer am Ende des Eileiters befindlichen Blase erhalten, an einander und an den Stamm, die Zweige oder Blätter der Futterpflanze fest geklebt, die einen loser, die andern fester, je nachdem sie kürzere oder längere Zeit in diesem Zustande zu verharren haben. Bei den Tagschmetterlingen im allgemeinen und den Spinnern finden sich die Eier meist in unregelmäßigen oder regelmäßigen Häufchen beisammen, die Schwärmer und andere setzen immer nur ein einzelnes Ei an ein Blatt, noch andere streuen dieselben mehr aus, wie der Säemann seinen Samen. Bei einigen, wie wir schon oben sahen, z. B. dem Schwammspinner und seinen Verwandten, sind sie in einen schwammigen Filz gebettet und so vor gefährlichen Einflüssen geschützt. Der oben erwähnte Ringelspinner leimt sie ein, die meisten jedoch werden ganz frei, ohne irgend welche schützende Umkleidung gelegt. Um ihnen den richtigen Platz geben zu können, sind die Weiber mancher Schmetterlinge mit einer hornigen Legröhre versehen, die sie weit vorstrecken, damit sie unter die Baumrinde an Rissen derselben, oder in weichere Pflanzentheile eindringen und so ihre Eier verbergen können.

Was endlich die Dauer des Eies anlangt, so ist diese bei den verschiedenen Arten verschieden und fällt in die Zeit von acht Tagen bis acht Monaten. Im allgemeinen sind die Arten, deren Eier überwintern und also sechs bis acht Monate alt werden, ihrer Zahl nach gering, die meisten Eier kriechen in demselben Jahre aus, in welchem sie gelegt sind, und das Thier überwintert als Raupe oder Puppe oder als Schmetterling. Wenngleich jeder Art ihre bestimmte Zeit für das Eierleben zugewiesen ist, so hängt diese doch einfach von der Witterung ab, da die Sonne allein hier das Brütgeschäft übernimmt, und rauhes, ungünstiges Wetter kann auf Wochen das Ausschlüpfen der Räupchen verzögern, wie im umgekehrten Falle dasselbe um ebenso viel beschleunigt wird. Man kann sich sehr leicht davon überzeugen, wenn man z. B. die im September (Oktober) gelegten und zum Ueberwintern bestimmten Eier des blauen Ordensbandes im warmen Zimmer aufbewahrt. Mitten im Winter kommen die Räupchen aus und müssen nothwendig zu Grunde gehen, da sie sich von den Blättern der Pappelarten ernähren, die auch im allergelindesten Winter zu dieser Zeit noch nicht zu haben sind. Aus eben diesem Grunde müssen sich die Züchter der Seidenraupen in unseren nördlichen Gegenden mit dem Aufbewahren der Eier wohl vorsehen, daß diese ihnen nicht früher auskommen, als junge Triebe der Maulbeerbäume im Freien zu haben sind, da die nöthige Menge dieses Futters auf künstlichem Wege unmöglich beschafft werden kann. Gewöhnlich nimmt ein dem Auskriechen nahes Ei eine dunklere Farbe an, sein Insasse schimmert durch die immer durchsichtiger werdende Schale hindurch, beißt sie endlich entzwei und nagt sich mit Unterbrechungen, die dem Ausruhen gewidmet sind, nach und nach vollständig heraus, was unter Umständen länger als einen Tag dauert.


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