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Von den schädlichen Heuschrecken und besonders von der Wander- oder Zugheuschrecke.

Unserer Mittheilung legten wir eine ausführlichere Behandlung desselben Gegenstandes vom Gerichtsrath Keserstein zu Grunde, welche zu finden ist in der Stettiner entomologischen Zeitung IV. (1843) S. 167. 216. 233, wo auch die einzelnen Quellen nachgesehen werden können. – A. Gerstäcker, die Wanderheuschrecke. Berlin 1876.

( Oedipoda migratoria)
siehe Bildunterschrift

Larve. Erwachsenes Weibchen.

Uns allen ist vom biblischen Unterrichte her bekannt, daß unerhörte Schwärme von Heuschrecken eine der Plagen bildeten, welche über Aegyptenland kamen, und der seiner Zeit gewissenhafte und fleißige Schüler weiß auch noch, daß sie in der Reihe jener furchtbaren Züchtigungen die fünfte war. Wer seinem Gedächtnisse weiter zu Hilfe kommen will, der schlage nach das II. Buch Mose 10, V. 12-19, wo er das Ausführlichere nachlesen kann; bemerkt sei nur noch dabei, daß, wenigstens der griechischen Uebersetzung zufolge, in V. 13 statt »Ostwind« richtiger »Südwind« stehen müßte.

Auch die alten Griechen und Römer kannten die Heuschrecken und fürchteten ihre Verwüstungen. Pausanias erzählt, er wisse selbst, daß diese Thiere dreimal auf dem Berge Sigylus umgekommen seien, doch nicht auf gleiche Weise: einmal vertrieb sie ein plötzlich hereinbrechender Sturmwind, das andere Mal tödtete sie die Ausdünstung einer starken, unmittelbar auf einen Regen folgenden Hitze und das dritte Mal kamen sie durch eine plötzliche Kälte um. In Italien erschien einst, wie der römische Geschichtsschreiber Plinius erzählt, über das Meer her von Afrika ein so großer Schwarm von Heuschrecken, daß die Römer in ihrer Angst zu den sibyllinischen Büchern ihre Zuflucht nahmen, jenen Orakelsprüchen, in denen nur dann nachgeschlagen wurde, wenn man den Staat in Gefahr und kein Mittel zur Abwehr derselben wußte. Zu einer andern Zeit wurden abermals von Afrika aus solche Massen von Heuschrecken durch den Wind in das Meer verschlagen, daß diese, von der Flut an die Küste von Cyrene angespült, die Luft verpesteten, und infolge einer dadurch entstandenen ansteckenden Seuche 800,000 Menschen starben. In derselben Stadt Cyrene bestand ein Gesetz, wonach die Heuschrecken dreimal im Jahre ausgerottet werden sollten, einmal durch Zertreten der Eier, sodann durch Vernichtung der jungen Brut und endlich durch Tödtung der erwachsenen Thiere; wer diesem Gesetze nicht nachkam, wurde wie ein Ausreißer bestraft. Auch auf der Insel Lemnos war gesetzlich bestimmt, wie viel ein jeder Einwohner tödten und der Obrigkeit abliefern mußte.

Um von der Furchtbarkeit der Heuschreckenverwüstungen einen Begriff zu geben, mögen hier einige kurze Berichte aus der reichen Reiseliteratur der letzten Jahrhunderte folgen. Herrn Brué begegnete im Jahre 1698 bei seiner Fahrt auf dem Senegal eine Heuschrecken-Verfinsterung der Luft, die zwei volle Stunden anhielt, bis der Südwind begann und die Heuschrecken in die Wüste warf. Dieselbe Erscheinung mit vollständiger Verfinsterung des Himmels begegnete dem Kapitän Stibbs auf seiner Schifffahrt, und er versichert, daß alles Grün durch die Thiere verschwunden sei. Als Adanson im Jahre 1750 bei demselben Flusse angekommen war, erschien, während er sich noch auf der Rhede befand, früh 8 Uhr ein dickes Gewölk, welches den Himmel verfinsterte. Es war eine Wolke von Heuschrecken, die etwa 20 bis 30 Toisen über der Erde schwebte und eine Strecke von etlichen Meilen Landes bedeckte, auf welches sie wie ein Wolkenbruch herunterfiel; hier ruhten sie aus, fraßen und flogen weiter. Diese Wolke wurde durch einen ziemlich starken Ostwind herbeigeführt und zog den ganzen Morgen in der Gegend umher. Nachdem die Thiere das Gras, die Früchte und das Laub der Bäume aufgefressen hatten, fielen sie die jungen Sprossen an. Selbst das Rohr, mit welchem die Hütten bedeckt waren, blieb, so dürr es auch war, von ihnen nicht verschont.

Gegen Ende März 1724 zeigten sich in der Berberei (Nordafrika) die ersten Heuschrecken, nachdem längere Zeit der Südwind geweht hatte. Gegen Mitte April hatten sie sich dermaßen vermehrt, daß sie Wolken bildeten, welche die Sonne verfinsterten. Vier Wochen später breiteten sie sich in den Ebenen von Metidja und der Nachbarschaft aus, um ihre Eier abzulegen. Im folgenden Monat sah man die junge Brut, und das Merkwürdige dabei war, daß sie sich gleich in Massen zusammenschaarten, welche viele hundert Quadratruthen bedeckten. Indem sie ihren Weg geradeaus nahmen, erklimmten sie die Bäume, Mauern und Häuser und vernichteten alles Laub, welches ihnen in den Wurf kam. Um sie aufzuhalten zogen die Einwohner Gräben, welche sie mit Wasser füllten, oder errichteten eine Linie von Holzhaufen oder andern Brennstoffen, welche sie anzündeten. Alles vergeblich, die Gräben füllten sich mit Leichnamen an, die Feuer wurden verlöscht. Nach einigen Tagen folgten neue Schaaren erst frisch ausgeschlüpfter Heuschrecken. Sie zernagten die kleinen Zweige und die Rinde der Bäume, von denen ihre Vorläufer die Früchte und Blätter gefressen hatten. So verlebten die Heuschrecken ungefähr einen Monat, bis sie völlig erwachsen waren und ihre alte Haut abstreiften. Jetzt waren sie noch gefräßiger und geschwinder als früher; doch dauerte dieser Zustand nicht lange, sie zerstreuten sich und legten Eier.

Auch Amerika, besonders das südliche, ist nicht frei von jener Landplage. Gegen Abend, erzählt Temple in seiner peruanischen Reise, hatten wir in einiger Entfernung von uns auf der Fläche des Landes einen ungewöhnlichen Anblick: statt der grünen Farbe des Grases und der Baumblätter, an die wir in allen Schattirungen gewöhnt waren, bemerkten wir eine gleichförmige Masse von Rothbraun, so daß einige von uns glaubten, es sei Haide, auf welche die Sonne schien; aber es waren nichts als – Heuschrecken. Diese bedeckten buchstäblich Erde, Bäume und Sträucher, so weit wir sehen konnten. Die Zweige der Bäume bogen sich unter ihrer Menge, wie bei tiefgefallenem Schnee, oder wenn sie mit Früchten überladen sind. Wir passirten mitten durch den von ihnen eingenommenen Raum und brauchten eine volle Stunde, um hindurch zu kommen, während wir mit unserer gewöhnlichen Schnelligkeit reisten.

Ein Engländer besaß zu Conohos in Südamerika beträchtliche Tabakpflanzungen. Da er bei seiner Niederlassung in jener Gegend gehört hatte, daß sich dann und wann verheerende Heuschreckenschwärme in derselben gezeigt hätten, so vereinigte er alle Tabakspflanzen, 40,000 Stück an der Zahl, bei seinem Hause, um sie besser schützen zu können. Hier wuchsen und grünten sie vortrefflich und hatten etwa eine Höhe von 12 Zoll erreicht, als eines Mittags der Ruf erscholl: »die Heuschrecken kommen!« Der Pflanzer eilte vor das Haus und sah sie in einer dichten Wolke rund um dasselbe geschaart. Der Schwarm verdichtete sich unmittelbar über dem Tabaksfelde, fiel plötzlich in dasselbe und bedeckte es so, als wenn ein brauner Mantel darüber gebreitet worden wäre. In etwa 20 Sekunden, also nach keiner halben Minute, erhob sich der Schwarm eben so plötzlich wie er gekommen war und setzte seinen Flug fort. Von den 40,000 Tabakspflanzen sah man aber nichts mehr, das Feld war so rein, als wenn es mit einem Besen gekehrt worden wäre.

Major Moore war Augenzeuge, wie ein Heuschreckenschwarm, welcher aller Vermuthungen nach aus Ostindien gekommen war, das Mahrattenland (Ostindien) verwüstete. Ihr Zug dehnte sich auf 500 engl. Meilen aus und war so dicht, daß er die Sonne vollständig verfinsterte, kein Gegenstand warf mehr einen Schatten, und einige erhabene Grabmäler, welche von Moore's Standpunkte nicht weiter als 600 Fuß entfernt lagen, wurden gänzlich unsichtbar gemacht. Da das Insekt blutroth aussah, so gewährten die damit bedeckten Bäume ein ordentlich furchtbares Schauspiel. Uebrigens griffen sie die Pfirsichbäume zuletzt an. In Doob (Calcutta) bemerkte Herr Playfair bei einem Spazierritte in der Nähe eines Sumpfes eine ungeheure Menge kleiner, schwarzer Insekten, die den Boden weithin bedeckten. Bei näherer Untersuchung erwiesen sie sich als junge Heuschrecken. Es war am 18. Juli 1812, als diese Entdeckung gemacht wurde, und man erinnerte sich wohl, daß vier Wochen früher (20. Juni) daselbst große Heuschreckenschwärme niedergefallen waren. Nach wenigen Tagen rückten diese jungen, ungeflügelten Thiere gegen die Stadt Etaweh vor, zerstörten die Fluren und wurden bald eine so furchtbare Plage, daß keine Anstrengung der Landleute, ihnen entgegenzutreten, selbst Feuer nicht im Stande war, sie zu zerstören; denn immer neue Züge kamen angerückt. Noch ungeflügelt, hatten sie alle Hecken, alle Mangobäume schon kahl gefressen. Ende Juli (28.) entfalteten sie mit dem ersten Regen ihre Flügel, die Köpfe färbten sich dunkelroth, und sie begannen in Schwärmen umherzufliegen, als Winde sie am 31. Juli plötzlich verschwinden ließen. Wohin sie verschlagen wurden, hat man nicht in Erfahrung bringen können.

Die Wanderheuschrecke, erzählt Prokesch in seiner Reise durch Aegypten und Kleinasien, welche ich hier zu Moadin sah, ist klein, zwischen ½ bis 2 Zoll, braunroth und hat schwarze Flügel und Beine. Sie frißt geradezu alles, was Pflanze heißt, und zwar bis zu unterst auf. Die Strecke, welche sie verläßt, hat auch keinen grünen Stengel mehr. Alles und jedes ist ausgezehrt, wie nur die glühendste Sonne eine Gegend aufzehren kann. Kein Bach, kein Wald unterbricht die Lagerungen dieser Wandervölker. Wenn sie nicht ziehen, fliegen sie selten hoch, und ich habe sie häufig über Bäche schwimmen sehen. Die Länge und Breite dieser Lagerungen kann nur nach Meilen gemessen worden. Diejenige, in welche ich bei Vranlar getreten war, dauerte ununterbrochen fort bis an das Gestade von Adramytti, zwei gute Tagereisen Länge. Sie rauschten in Wolken rechts und links neben den Pferden empor, um sich sogleich hinter denselben wieder niederzulassen, und fortwährend vernimmt man um sich ein Rieseln wie Regen, der auf dürres Waldlaub fällt. Die Ebene von Smyrna war ebenfalls von dieser Pest heimgesucht. Die Heuschrecken jedoch, welche ich dort sah, waren von doppelter, ja dreifacher Größe der oben erwähnten: dennoch wurde die Gegend nicht so ganz und gar aufgezehrt, wie die Thäler des Ida, auch lagen die Thiere nicht so dicht wie dort. Es scheint daher, als wenn die kleinere Gattung, die gefährlichere sei. Als ich auf dem Schlosse zu Pergamos stand, sah ich eine Heuschreckenwolke von Südwest nach Nordost ziehen. Ihr Zug war in der Höhe des Berggipfels gedrängt und ihr Flug schnell im Vergleiche zu dem anderer Insekten. Ein Theil derselben strich über das Schloß weg, ohne sich niederzulassen. Die Dauer ihrer Flüge ist daher anhaltender, als bei allen übrigen bekannten Insekten. Ihr Sprung ist ohne Beihilfe der Flügel zwei, auch drei Fuß weit. Sitzen sie, so zeigt sich eine zwiefache merkwürdige Regelmäßigkeit, die gleichsam auf das unsichtbare Band hinweist, welches die wandernden Millionen zusammenhält und zu einem Ganzen verbindet. So oft sie nämlich stillsitzen, sind ihre Köpfe alle nach derselben Seite hin gerichtet. Stundenlange Strecken entlang sah ich sie im Strahle des Tages sich sonnen, alle ohne Ausnahme so gerichtet, daß ihre Körper gleichlaufende Linien bildeten. Wenn sie aufgeschreckt waren, fraßen oder sonst herumkrochen, wendeten und drehten sich wie sie wollten, sobald sie aber aus der Bewegung in die Luft übergingen, schien ein höheres Gesetz werkthätig zu werden und sie alle nach dem einen Ziele zu richten. Dies eine Ziel war aber offenbar die Sonne. Prokesch kam auf diesen Gedanken in den Ebenen des Hermus, welche er zu der Zeit durchritt, als die Sonne im Westen stand. Ihm fiel auf, daß alle Heuschrecken, mit denen die Ebene bedeckt war, gerade die entgegengesetzte Richtung von der innehielten, welche von ihm bei Branlar wahrgenommen worden war, wo er zur Zeit des Sonnenaufgangs reiste. Als er am folgenden Morgen von Menimem nach dem Gestade hinritt, wo man sich nach Smyrna überschifft, sah er abermals alle Heuschrecken nach Osten gerichtet, woraus er folgert, daß diese Wanderinsekten wirklich am Strahle der Sonne zu halten scheinen Wenn Herr Prokesch meint, daß die Heuschrecken gewissermaßen magisch von den Sonnenstrahlen angezogen würden, so hat er sich wohl täuschen lassen und nicht darauf geachtet, daß in jener Jahreszeit und in den Gegenden, wo er seine Beobachtungen anstellte, der Wind so zu sagen mit der Sonne geht, also ihm mehr, als der Sonne die bestimmten Richtungen der Schwärme zugeschrieben werden mußten. Die normale Luftströmung in den Zeiten, wo sich Heuschreckenschwärme bei uns in Deutschland zeigen, kommt von Ost oder Südost, daher jene auch immer in der Richtung von Südost nach Nordwest beobachtet worden sind. Daß ihre Flugkraft durch den Wind wesentlich bedingt werde, scheinen u. a. folgende Berichte zu beweisen. Das Schiff Georgia, welches von Lissabon nach Havanna mit einem leichten Winde von Südost segelte, befand sich am 21. November 1811 in einer Entfernung von 200 englischen (40 deutschen) Meilen von den canarischen Inseln, dem nächsten Lande. Plötzlich trat Windstille ein, ein kleines Lüftchen erhob sich darauf von Nordost, und zugleich fiel aus dem Gewölk eine unzählige Menge großer Heuschrecken, so daß sie das Verdeck, die Masten und jeden Theil des Schiffes, auf dem sie sich niederlassen konnten, bedeckten. Diese Windstille oder vielmehr der leise Luftzug hielt eine volle Stunde an, und während dessen fielen die Kerfe immer auf und um das Schiff nieder. Auch O. v. Kotzebue auf seiner Erdumsegelung berichtet, daß die Reise von Plymouth nach Teneriffa wegen der vielen Windstillen sehr langweilig gewesen sei, nur eine Merkwürdigkeit sei ihm aufgestoßen: eine ungeheure Menge von Heuschrecken, mit denen die See viele Meilen weit bedeckt war..

Die Chroniken- und Geschichtsschreiber Europa's gedenken der Heuschrecken und ihrer Verwüstungen in den verschiedensten Gegenden, und besonders wurde das südliche und südöstliche Europa von ihnen am meisten heimgesucht, aber auch Deutschland blieb keineswegs verschont. Die ältesten Nachrichten reichen bis zum Jahre 873 zurück, aus welchem die Jahrbücher des Klosters zu Fulda und die Xantener Jahrbücher über die entsetzlichen Verheerungen der Heuschrecken berichten. Weiter sind aus späteren Zeiten die Jahre 1333-1336 verzeichnet. Die Heuschrecken drangen von Syrmien nach Ungarn vor, verbreiteten sich von da weiter nach Polen, Böhmen und Oesterreich und theilten sich hier in zwei Haufen, deren einer Italien, der andere Frankreich, Bayern, Schwaben, Franken und Sachsen heimsuchte. Noch im Jahre 1338 wurde die Gegend von Halle a. S. ungemein von ihnen verheert. Dieselbe Gegend und Leipzig hatten von ihnen wieder im Jahre 1543 zu leiden; sie kamen aus Lithauen, durchstreiften Polen und drangen nach Schlesien und Sachsen vor. Im Jahre 1693 kamen die Heuschrecken aus Böhmen nach Thüringen und verheerten die Gegenden von Jena, Erfurt und Weimar. Von hier wendeten sie sich nach dem Ettersberge und Buttelstedt dergestalt, daß sie auf vier Meilen wegesbreit, doch an einem Orte stärker als am andern gefunden wurden. Ludolph erstattet größtentheils als Augenzeuge folgenden Bericht über diese Heuschrecken: »Man war bereits in den Herbst des Jahres 1693 eingetreten, als man die erste Nachricht von dem Einfalle der Heuschrecken hörte. Sie waren am 3. August nach Oesterreich aus Ungarn und weiter von Morgen hergekommen. Von da gingen sie nach Böhmen und streiften in das Voigtland und das Altenburgische. Nun flogen sie über die Saale und kamen zwischen dem 18. und 20. desselben Monats nach Thüringen. Ihrer waren so viele Millionen, daß sie wie schwarze Wolken daherzogen. Bei Tage, wenn es anfing heiß zu werden, erhoben sie sich von der Erde und suchten neue Weide, bei Nacht aber lagen sie aus der Erde und fraßen alles weg, was grün war. Einige machten sich an die Bäume und zwar in solcher Menge, daß sich die Zweige zur Erde beugten. Der am 20. bei Jena vorbeiziehende Hauptschwarm bestand aus drei Haufen, die in gewissen Entfernungen von einander flogen und zwar mit einem Geräusche, welches dem Brausen eines nicht unbedeutenden Wasserfalles gleich kam. Ein Südwind hob sie auf und trieb sie gen Norden auf die nächst gelegenen Berge, wo sie alles Gras verzehrten, indeß die Weinstöcke und meisten Bäume verschonten. Um die Stadt Weimar traf man sie zwei Hände hoch an. Alle Heuschrecken waren gelblich, die Männchen kleiner und heller als die Weibchen. Schwäne, Enten und Hühner, auch Schweine fraßen davon begierig. Da kalter Regen und Frost einfielen, konnten sie nicht weiter kommen, und so starben sie zu Naumburg und in andern Gegenden an der Saale, nachdem sie über vier Wochen sich daselbst aufgehalten hatten. Man fürchtete für das nächste Jahr, merkte aber, als es gekommen war, nichts von neuen Schwärmen.« Indem wir uns auf die beigebrachten Angaben beschränken, stellen wir nur am Schlusse noch die Jahre zusammen, in welchen seit dem 15. Jahrhunderte bald diese bald jene Gegend unserer deutschen Gauen von den Heuschrecken heimgesucht worden sind. Man hat folgende aufgezeichnet: 1475, 1542-44, 1547, 1681, 85, 93, 96, aus dem 18. Jahrhundert: 1712, 14, 15, 19, 27-31, 34, 46-50, 52-54, 59, 63 und aus diesem: 1803, 25-27. Im Jahre 1846 vernichteten sie bei Breslau vorherrschend die Kohlfelder.

1859 berichteten die Zeitungen nicht nur von verheerenden Heuschreckenschwärmen in Deutschland (Tempelburg in Hinterpommern), sondern auch in Rußland und der Walachei. Doch gab man ihnen durch daraus abgefeuerte Kanonenschüsse – die Artillerie exercirte zufällig da, wo sie bemerkt wurden – eine andere Richtung; hier heißt es aus der Stadt Ibrahil (Braila), daß sich Niemand erinnere, diese ½ Zoll dicken bis 4 Zoll langen Thiere je in so zahllosen Mengen gesehen zu haben. Sie hingen an den Bäumen dergestalt, daß die Aeste zum größten Theile brachen, und hatten alles Grün aus der Stadt und einer weiten Strecke in der Runde verschwinden lassen. Nach spätern Zeitungsberichten sollen die deutschen Ansiedler aus der Umgegend Odessa's einen Vernichtungskrieg gegen diese Thiere geführt haben, und wird dem Gewichte nach die Ausbeute auf 1 Billion 422,305 Millionen, 283,000 Stück berechnet, welche diese kleinen, aber mächtigen Feinde verloren hätten. Am 14. Juni 1867 überfiel ein ungeheurer Heuschreckenschwarm die Stadt Cagliari auf Sardinien und zwar so massenhaft, daß sich die Thiere in den Kleidern, in den Ohren, den Nasenlöchern und den Augen der Menschen festsetzten, die Straßen, Plätze, Häuser schuhhoch mit dem gefräßigen Ungeziefer belegt waren, welches man malterweise einsammeln konnte.

Auch in den jüngsten Zeiten (1876 und 1877) sind die Heuschrecken in der Provinz Sachsen und in anstoßenden Theilen der Provinz Brandenburg in bedenklichen Mengen aufgetreten, so daß sie die Aufmerksamkeit der Behörden und deren Einschreiten veranlaßt haben. Immer und immer wieder werden auch in künftigen Zeiten Heuschreckenplagen in geringeren oder größeren Ausdehnungen vorkommen, ohne daß die Sonne verfinsternde Schwärme derselben mit ihrem Auftreten verbunden zu sein brauchen.

Daß in den finstern Zeiten des Mittelalters, in denen die »Hexenbulle« und der »Hexenhammer« zustande kommen konnte, auch gegen Plaggeister, wie die Heuschrecken sind, von Seiten der Kirche eingeschritten worden ist, darf uns nicht Wunder nehmen, und mögen hier zum Andenken an jene »frommen« Zeiten einige Bannflüche noch Platz finden. Im Jahre 1338 flogen die Heuschrecken aus der Tartarei durch Ungarn, Oesterreich und kamen bis nach Botzen. Es war gerade Bartholomäustag (24 August). Der Flug dauerte 17 Tage nach einander und sie fraßen alles, nur die Reben nicht. Dann zogen sie dem Wasser nach bis zu dem Meere. Der Same aber blieb zurück, deswegen wurde ihnen der Prozeß gemacht und vom Pfarrer in Kaltern wurden sie in den Bann gethan unter folgendem Urteilsspruche: »Dieweil vermelte Heuschrecken dem Land und Leuten schädlich und verderblich kommen wären, so wird zu Recht erkannt, daß sie der Pfarrer auf offener Kanzel mit brennenden Lichtern verweisen sollte im Namen Gottes Vaters, Sohnes und des heiligen Geistes«. Dieses Urtheil wurde auch ordentlich vollzogen. – 1779 wurde ihnen auf ähnliche Weise in Lausanne der Prozeß gemacht. Als Sachwalter stellte man ihnen einen gewissen Perrodet, ein damals nicht lange verstorbenes, zanksüchtiges Subjekt. Da weder dieser noch seine Schutzbefohlenen vor Gericht erschienen, so wurden letztere in contumaciam verurtheilet und excommuniciret, so wie aufgefordert, aus der Diöcese des Bischofs von Lausanne zu weichen!

Wenn wir so unerhörte, an das Unglaubliche grenzende Berichte über die Heuschrecken vernehmen, so dürften wir vielleicht geneigt sein mit Plinius zu glauben, es seien Thiere von drei Fuß Länge und solcher Stärke, daß die Hausfrauen die Beine derselben als Sägen gebrauchten, oder Thiere, denen in der bilderreichen Sprache der Araber zugeschrieben werden: die Augen des Elephanten, der Nacken des Stieres, das Geweihe des Hirsches, die Brust des Löwen, der Bauch des Skorpions, die Flügel des Adlers, die Schenkel des Kamels, die Füße des Straußen und der Schwanz der Schlange. Von alle dem finden wir nichts an ihnen, höchstens im Kopfe Aehnlichkeit mit einem Pferde, weshalb sie auch allgemein unter dein Namen der Gras- oder Heupferde bekannt sind. Nachdem wir so viel Nachtheiliges von den Heuschrecken berichtet haben, ist es auch unsere Pflicht, des Nutzens zu gedenken, welchen sie bringen, wenn auch nicht uns, so doch anderen Völkerschaften, welche sie – verzehren. So wird ihrer auch in dieser Hinsicht wieder in der heil. Schrift gedacht, wenn es z. B. beim Evangelisten Marcus I, v. 6 heißt: »Johannes aber war bekleidet mit Kamelhaaren und mit einem ledernen Gürtel um seine Lenden, und aß Heuschrecken und wilden Honig.« Auch der um Christi Geburt lebende griechische Reisende und Geograph Strabon erzählt, daß einige äthiopische Stämme Heuschrecken-Esser genannt würden, sowie Plinius, daß diese Kerfe unter den Parthern als Speise in hoher Achtung ständen. Friedr. Hasselquist, ein aus Ostgothland gebürtiger Arzt, erfuhr auf seiner Reise, welche er 1749 in den Orient unternahm, als er sich über diesen Gegenstand bei den Arabern erkundigte, daß man zu Mecca bei Gelegenheit eines Kornmangels gedörrte Heuschrecken zu Mehl auf Handmühlen zerrieben oder in Steinmörsern zerstoßen habe. Dieses Mehl ward mit Wasser zu einem Teige verknetet, um Kuchen aus demselben zu backen. Er fügt hinzu, daß es unter den Arabern nicht ungewöhnlich sei, auch wenn sie nicht von einer Hungersnoth dazu gezwungen würden, Heuschrecken zu genießen. Sie werden zunächst eine gute Weile in Wasser gekocht und hernach in Butter gebraten und sollen gar nicht übel schmecken. Sparrmann, welcher einige Zeit als Arzt seit 1775 am Kap gelebt und das Innere von Afrika bereist hat, erzählt, daß die Hottentotten sich höchlich erfreuen, wenn die Heuschrecken ihr Land besuchen, obwohl sie alles Grüne in demselben vernichten; denn sie essen deren so viele, daß sie merklich fetter werden als sie waren, auch bereiten sie von den Eiern eine braune Suppe. Er meldet bei dieser Gelegenheit zugleich die seltsame Vorstellung, welche man dort von ihrem Entstehen habe, sie sollen von dem guten Willen eines großen Zaubermeisters weit oben im Norden herrühren, welcher, nachdem er den Stein von der Mündung eines gewissen großen Erdloches entfernt hat, diese Thiere loslasse, damit sie ihnen, den Hottentotten zur Nahrung dienen. Nach Fez bringt man Wagenladungen von Heuschrecken auf den Markt als einen gewöhnlichen Nahrungsartikel. Als Jackson 1799 in der Berberei war, wurden Heuschreckengerichte überall aufgetischt und für eine große Delikatesse gehalten. Die Mohren ziehen sie den Tauben vor; und es kann jemand eine Schüssel von zwei- bis dreihundert Stück essen, ohne eine schlimme Wirkung davon zu verspüren. Man siedet sie gewöhnlich eine halbe Stunde lang in Wasser, nachdem man ihnen vorher Kopf, Flügel und Beine abgerissen hat, bestreuet sie mit Salz und Pfeffer und bratet sie hierauf mit ein wenig Essig nochmals auf.

Von welcher Beschaffenheit sind nun aber die Thiere, welche so furchtbar werden können? Aus den Erzählungen geht hervor, daß nicht überall dieselbe Heuschreckenart zur Plage derer wurde, deren Ländereien sie überfluthete, sondern verschiedene Arten in Betracht kommen. Ohne uns hier in Erörterungen einzulassen, welche zum Theil ihre großen Schwierigkeiten haben würden, begnügen wir uns damit, eine Art etwas genauer zu betrachten und zwar diejenige, welche entschieden im nördlicheren und nordöstlichen Europa zeitweise zum Plagegeiste geworden, und bemerken nur dabei, daß die Verwüstungen der südlichen und westlichen Gegenden unseres Erdtheils hauptsächlich von einer andern Art, der »italischen Heuschrecke« ( Caloptenus italicus) herrühren, welche in Italien, Dalmatien, Griechenland und Spanien, aber auch im südlichen Deutschland, in der Schweiz, ja selbst in einigen Gegenden des nördlichen Deutschlands, wie z. B. bei Berlin, und in Schlesien etc. heimisch ist. Sie gehört einer Gattung an, welche mit der gleich nachher näher zu beschreibenden die fadenförmigen, nach der Spitze hin nicht verdünnten Fühler und den abgestutzten, nicht erweiterten Vorderrand des Vorderbruststücks gemein hat, sich aber von ihr unterscheidet durch eine zwischen den Vorderbeinen stehende Warze, durch die spitzzähnigen Oberkiefer und von andern Verwandten durch die scharfen Ränder des kaum gekielten Vorderrückens so wie durch den senkrecht nach unten gestellten Kopf.

Die eine Art, der wir noch einige Aufmerksamkeit schenken wollen, ist die oben abgebildete, übel berüchtigte Zug- oder Wanderheuschrecke ( Oedipoda migratoria), von welcher erwiesen, daß sie nicht nur Deutschland bis auf die neueste Zeit, sondern auch Polen, Galizien, die Krim, Nordafrika und Epypten hart mitgenommen hat. Nach den gemachten Erfahrungen geht die Nordgrenze ihrer Verbreitung von Spanien durch Südfrankreich, die Schweiz, Bayern, Thüringen, Sachsen, die Mark, Posen, Polen, Volhynien, Südrußland, Südsibirien bis zum nördlichen China. Ich selbst habe vereinzelte Wanderheuschrecken zu verschiedenen Zeiten, in denen von einer Plage derselben nicht die Rede war, bei Seesen im Braunschweigischen und in der Halleschen Umgebung gefangen; vereinzelte Züge von ihr sind in Schweden, England und Schottland beobachtet worden. Sie ist es, welche gerade jetzt stellenweise im nordwestlichen Deutschland aufmerksam überwacht wird, um durch starke Vermehrungen nicht zur Landplage zu werden. Wenn man hie und da gemeint hat, daß es sich um den Pachytylus cinerascens und nicht um die Oedipoda migratoria ( P. migratorius) handle, so beruht dies auf der unbegründeten Ansicht, daß die zwei Artnamen auch zwei verschiedenen Arten entsprechen. Dies ist jedoch nicht der Fall, sondern unsere nördlicher vorkommende Wanderheuschrecke, die mit dem ersten Namen belegt worden ist, scheint durchschnittlich etwas kleiner zu sein als die in den wärmeren, südlichen Gegenden. Wenn man aus der geringeren oder bedeutenderen Höhe des Rückenkammes, aus der Körperfärbung und Farbe der Hinterschienen Unterschiede ableiten will, so ist man übel berathen, weil dies Dinge sind, die bei den Heuschrecken überhaupt und auch bei unserer Art mehrfach abändern nach dem Alter des Thieres oder nach der Eigenartigkeit des einzelnen Stückes.

Die Wanderheuschrecke gehört in Ansehung ihrer Körperausdehnung mit zu den ansehnlichsten heimischen Kerfen, namentlich das Weibchen, welches bei allen Feldheuschrecken (Acridiern) sein Männchen merklich an Größe überragt. Es mißt vom Scheitel bis zu der Hinterleibsspitze durchschnittlich 4,5 bis zur Flügeldeckenspitze 5,75 cm. und spannt mit den ausgebreiteten Flügeldecken 10,67 cm., während das Männchen, in der entsprechenden Weise gemessen, durchschnittlich 3.5, 5, 8-9 cm. ergiebt. In Südeuropa kommen Weibchen von 6,67 cm. Gesammtlänge und 12 cm Flügelspannung vor. In den übrigen Merkmalen und namentlich in der Körpertracht stimmt die Wanderheuschrecke mit unsern kleineren, die Wiesen bevölkernden Feldheuschrecken (Grashüpfern, Sprengseln) überein. Der Kopf steht fast senkrecht und ist in dem leicht gewölbten, in der Augenhöhe liegenden Scheitel merklich schmaler als unten an der Wurzel der kräftigen Freßwerkzeuge. Vor den Augen stehen die dick fadenförmigen, 26gliedrigen Fühler, welche etwa nur den vierten Theil der Körperlänge erreichen, ein leicht in die Augen springendes Unterscheidungsmerkmal zwischen den Feld- und Laubheuschrecken, zu welch letzteren das große grüne Graspferd im vorhergehenden Bilde gehört. Der nächste Körpertheil, das Halsschild, ist auf der Rückenseite nach vorn und hinten winkelig ausgezogen und mit einem scharfen, sich allmählich aus seinem Grunde erhebenden Kiele versehen, der in der Mitte einen feinen Quereinschnitt zeigt. Auch der etwas von der Seite her zusammengedrückte Hinterleib ist auf dem Rücken gekielt, wird von den Flügeldecken überragt und läuft bei den weiblichen Feldheuschrecken nie, wie bei den Laubheuschrecken, in eine säbelartige Legröhre aus. Von den drei Gliedern, welche die Füße bilden, ist das mittelste das kürzeste, und die Schienen der hintersten Beine sind mit einer Doppelreihe kräftiger Stacheln bewehrt.

Wie bereits erwähnt, ändert die Körperfärbung vielfach ab; wir müssen sie etwas umständlicher angeben, weil das Thier in neuerer Zeit vielfach verkannt worden ist und weil ältere Schriftsteller auf die Farbe gewisser Theile mehr Gewicht gelegt haben als dieselbe verdient. Kopf und Halsschild stimmen in der Grundfarbe bei ein und derselben Wanderheuschrecke überein, und diese besteht entweder in einem lebhaften hellen Grün, welches entweder in Gelb oder in Spangrün übergehen kann, oder mit Beimischung von Roth in einem unbestimmten Braun. Die grüne oder die braune Grundfarbe kann nun ziemlich gleichmäßig über die genannten beiden Körpertheile verbreitet sein, aber auch partienweise mit andern Farben wechseln. So kommt sehr häufig auf lichtem Grunde jederseits eine Längsstrieme oder eine in Flecke aufgelöste Zeichnung vor, welche vom Auge beginnt, bis zum Hinterrande des Halsschildes reicht und dunkelgrün, gelbbraun, rothbraun bis tief schwarz gefärbt ist. Fast beständig sind die Kinnbacken an ihrer Wurzel beinfarben, an der Spitze bläulich mit schwärzlichem Kaurande. Die breite, schwach behaarte Brust wie der Hinterleib sind fleischfarben oder steingrau, in Roth, Gelb, Grün ziehend und den verschiedensten Farbentönen unterworfen, die Hinterschenkel an der Innenseite ziemlich beständig wurzelwärts schwarz und nach vorn zu mit zwei schwarzen Querbinden gezeichnet, äußerlich bald grün, bald rothgelb, bald gelbbraun, ihre Schienen in den meisten Füllen mennigroth, oft genug aber auch röthlichgelb oder lichtgelb, ihre Dornen stets schwarz bespitzt.

Mehr beständig in Farbe und Zeichnung als andere Körpertheile sind die schmalen Flügeldecken und die wenig kürzeren, aber wesentlich breiteren Hinterflügel. Jene sind längs ihrer beiden Ränder licht ledergelb gestriemt, in der ungefärbten Fläche mit zahlreichen Würfelflecken von graubrauner Farbe überstreut, die mehr weniger deutlich eine Anordnung zu Querbinden erkennen lassen. Die Hinterflügel sind in ihrer kleineren Wurzelhälfte blaßgelb, im übrigen erscheint der glasige Grund durch das reiche Netzgeflecht der braunen Adern mehr oder weniger angeräuchert.

An den größern, bereits mit Flügelstumpfen versehenen Larven kommen fast noch erheblichere Farbenabweichungen vor als bei den vollkommenen Kerfen. Die Flügelansätze liegen gleich länglich dreieckigen Läppchen der Körpermitte dicht an und sind matt kohlschwarz oder bräunlich gefärbt und durchschnittlich 1 cm. lang. Eine rostrothe oder rothbraune Grundfarbe herrscht vor grasgrüner oder grauer vor, in welch letzteren beiden Fällen dunklere Zeichnungen nur selten vorkommen, dagegen sind die dunkler gefärbten mit den oben erwähnten, oft tief schwarzen Striemen gezeichnet und der Hinterleib zu beiden Seiten auf braunem Untergrunde gelb, auf schwärzlichem rostroth marmorirt. Je jünger die Larve ist, desto dunkler scheint sie bei der überwiegenden Mehrzahl zu sein.

Bevor wir zu der Entwickelungsgeschichte unserer Wanderheuschrecke übergehen, müssen wir noch mit einigen Worten des Lautmerkzeuges der Feldheuschrecken überhaupt gedenken. Die Töne werden sehr einfach durch Reiben der dicken Hinterschenkel an den Flügeldecken hervorgebracht. Zu diesem Ende sind jene an ihrer Innenfläche mit einer Längsleiste versehen, mit welcher sie an einer entsprechenden, erhabenen Längsrippe der letzteren auf- und niederstreichen und dadurch zugleich die dünne, trockne Haut derselben in schwirrende Bewegung versetzen. Im Baue jener Leiste, ob sie glatt oder fein gezähnelt, in der Schnelligkeit und Dauer der scheuernden Bewegungen, in der Größe und Dicke der Flügeldecken, deren geringere oder größere Anzahl von Adern sind die Unterschiede der Töne begründet, an denen das geübte Ohr des Kenners viele Arten schon aus der Ferne zu unterscheiden vermag.

Nun findet sich aber bei diesen Heuschrecken über den Hinterhüften, hinter dem Luftloche des ersten Leibesgliedes eine mondförmige Grube, welche im Grunde von einer glatten, gespannten Haut geschlossen wird, und von verschiedenen Forschern für das Stimmorgan selbst oder wenigstens für einen zugehörigen Theil desselben angesprochen worden ist. Neuere Untersuchungen haben jedoch mit der größten Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, daß dieses trommelartige Werkzeug als das – Gehörorgan dieser Thiers anzusehen sei. C. Th. v. Siebold: Ueber das Stimm- und Gehörorgan der Orthopteren im Archiv für Naturgeschichte, gegründet von A. F. A. Wiegmann X, 1. Berlin 1844. S. 52. ff.

Vom Monat August bis Ende September hin fällt die Zeit des Eierlegens, deren ein Weibchen bis 150 und mehr in verschiedenen Partien absetzt. Zu diesem Zwecke sucht es einen lockeren, trockenen Boden auf, am liebsten etwas hoch und. gegen Mittag oder Morgen gelegen. Mit den vier, unter dem letzten Leibesringe befindlichen spitzen Häkchen gräbt es ein Loch, in welches es den Hinterleib versenkt, so daß die Eierhäufchen bis ungefähr 4 cm. tief in den Boden gelangen. Dieselben bilden Packete, indem sie zusammenkleben durch einen ihnen anhaftenden Schleim, der bald erhärtet. Hierauf wird der so verwahrte Klumpen sorgfältig mit Erde wieder zugedeckt. Von Ende September an sind die Heuschrecken verschwunden, nur einzelne Nachzügler finden sich in noch späterer Jahreszeit. Einem meiner Freunde war im Sommer 1876 eine weibliche Wanderheuschrecke in die Stube geflogen und erfreuete sich in der Gefangenschaft der sorgfältigsten Pflege, indem sie mit ausgesäeten Gräsern gefüttert und an die Sonne gesetzt wurde, nachdem die Witterung rauher geworden war. Hierdurch gelang es, sie bis zum Anfange des Decembers am Leben zu erhalten.

Zwischen Ende April und Ende des Mai künftigen Jahres kriechen die Larven aus und liefern somit Brüten verschiedenen Alters. Bis zur zweiten Häutung nach ungefähr fünf Wochen sehen die Jungen schwärzlich aus, werden ihrer Kleinheit wegen und weil sie sich nur von den zartesten Graskeimen ernähren, nicht leicht bemerkt. Nach dieser Zeit werden sie aber verderblich, breiten sich mehr und mehr aus und bekommen in dem Maße größere Freßlust als sie wachsen, was ziemlich schnell geschieht und noch zwei Häutungen nöthig macht. Etwa 14 Tage nach der vierten erfolgt die letzte Häutung und mit ihr die vollendete Körperform, so daß sich von Mitte Juli an noch weiche, aber geschlechtsreife Heuschrecken zeigen. Was die erwachsenen Thiere leisten können, haben uns obige Angaben gelehrt.

Aus der Entwickelungsgeschichte der Thiere, wie auch zum Theil aus den Angaben über die von ihnen angerichteten Verheerungen geht hervor, daß sie als Larven natürlich nur an ihren Geburtsstätten selbst Verwüstungen anrichten und als geflügelte Insekten auch nicht allzu weit von denselben auftreten, zumal wenn sie in der Nähe der Brutplätze noch andere zum Ablegen der Eier geeignete Stellen vorfinden, und ihnen der Wind nicht weitere Reisen vorschreibt; denn daß er eine Hauptrolle bei ihren Zügen spielt, scheint aus allen Angaben darüber hervorzugehen. Somit dürfte die Ansicht, daß sie aus der Tartarei kämen, eine leere Vermuthung sein, und weder durch directe Beobachtungen, noch durch richtige Vernunftschlüsse erwiesen werden können, zumal der natürliche Bau der Thiere die Annahme einer übermäßigen Flugfertigkeit gerade nicht rechtfertigt.


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