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Die hornissenartige Raubfliege und ihre Sippschaft.

( Asilus crabroniformis)
siehe Bildunterschrift

a. Oelandische Habichtsfliege ( Dioctria oeliandica), b. hornissenartige Raubfliege, beide in natürlicher Größe.

Raub und grausamer Mord herrscht überall in der Thierwelt, und was sollte wohl aus uns armen Menschenkindern werden, wenn alles Gezücht vom riesigen Elephanten bis zum winzigen Infusionsthierchen herab, das zu Hunderten in einem einzigen Wassertropfen noch Raum zu seinen muntern Bewegungen findet, in paradiesischer Eintracht bei einander lebte, welch urweltliches Pflanzenreich würde nicht gefordert, wenn es allen und jedem den hungrigen Magen füllen sollte? Die Hinterlist wilder Katzen in dem heißen Erdgürtel, die Blutgier des schlanken Mardergeschlechts in den rauheren Gegenden, das Geheul der ausgehungerten Wölfe und das Gebrumm der schwerfälligen Bären, das widerliche Gekrächz der lauernden Raubvögel, die weitklaffenden Rachen glotzender Panzereidechsen und heimlich schleichender Schlangen, die Unersättlichkeit der Haifische und so manche andere Bilder treten uns bei dem oben ausgesprochenen Gedanken wohl vor die Seele, lassen aber die Wirklichkeit noch weit hinter sich, wenn wir aller der Thiere gedenken, deren Namen weniger an ihr blutiges Handwerk erinnern.

Die Insekten sind bei ihrer großen Fruchtbarkeit vorzugsweise dazu geschaffen, um von andern Thieren verzehrt zu werden, ihnen das an sich kurze Dasein zu opfern. Wir wollen nur an die unzähligen Vögel erinnern, welche auf sie angewiesen sind und uns Menschen dadurch häufig zu den größten Wohlthätern werden, wir wollen nur daran denken, daß die sämmtlichen nicht warmblutige Thiere verschlingenden Amphibien und das häßliche Spinnengeschlecht sich ausschließlich von ihnen ernähren. Nicht genug! Wie verhalten sich die kleinen, unscheinbaren Wesen unter einander? Ueberall Mord, überall unersättliche Raubgier! Der Panzer des harten Käfers schützt ihn nicht vor den kräftigen Freßzangen seines eignen Bruders, die wüthende Wespe und Hornisse, sie fallen zu bestimmten Zeiten über diejenigen her, die sie vorher mit merkwürdiger Selbstverleugnung ernährt haben, der zahlreichen Mordwespen gar nicht zu gedenken, welche ihrer Brut den Wohlgeschmack verwandter Thierleiber kennen lehren. Wir mögen die sämmtlichen Ordnungen dieser kleinen Unholde durchgehen, in allen finden sich einzelne Mörder, oder ganze, wohl organisirte Räuberbanden. Das ist vielleicht zu viel gesagt! Die unschuldigen, harmlosen Schmetterlinge z. B. beanspruchen für sich doch volle Freisprechung? Sie selbst allerdings, aber dem Züchter von Raupen ist nicht unbekannt, daß es unter diesen eine Anzahl giebt, welche sich mit Stumpf und Stiel auffressen, wenn man sie, auch bei reichlichem Futter, etwas eng zusammen einsperrt.

Wie steht es mit dem Volke der Fliegen? Die Namen »Habichts-, Wolfs-, Mord-, Raubfliege« lassen uns den Charakter einzelner Stämme schon errathen. Die hochbeinigen Tanzfliegen ( Empis) mit ihrem kleinen, runden Kopfe, dem der Rüssel wie ein langer Schnabel nach unten steht, in Form des Bruststückes und des langen Hinterleibes den Schnaken nicht unähnlich, treiben sich vom ersten Frühlinge an, den ganzen Sommer hindurch auf den Sträuchern umher und spießen mit jenem kleinere Insekten, welche sie aussaugen. Bei wildem Tanze paaren sie sich in der Luft, und setzen sie sich fest um auszuruhen, so sieht man nicht selten, wie der eine Theil ein gewürgtes Insekt zwischen den Vorderbeinen hält und gierig an demselben saugt, schwelgend in dem Doppelgenusse, den ihnen das irdische Dasein überhaupt nur bietet. Lauernd sitzt die schlanke, äußerst dünnleibige Habichtsfliege ( Dioctria Fig. a) auf einem Blatte und stürzt sich auf das Mückchen, die neugierige Fliege, welche ohne Arg in ihrer Nähe Platz nahmen; auch die fette Spinne ist nicht sicher vor ihr. Die schwarze, hinten goldig roth behaarte Mordfliege ( Laphria) drückt ihren überall gleich breiten, etwas flachgedrückten Hinterleib an einen Baumstamm, streckt die haarigen Beine weit von sich und schmaust, von der Sonne beschienen, das glücklich erhaschte Schlachtopfer.

Ueberall auf Buschwerk, auf Wegen, an sandigen Hängen oder Baumstämmen treffen wir, besonders im Sommer, die artenreichen, allermeist düster braungrau gefärbten, darum nicht leicht zu unterscheidenden Raubfliegen ( Asilus), deren größte und bunteste unsere Abbildung in einem mittelgroßen Weibchen vorführt. Nicht selten begegnet sie uns, wenn wir des Nachmittags an einem Stoppelfelde vorübergehen. Wenige Schritte vor unsern Füßen summt sie unerwartet in jähem Fluge auf, flach über den Boden hin und sucht Schutz vor etwaigen Angriffen an einer Stoppel mitten im Felde. Gegen Abend ruht sie gern an Baumstämmen. Ich traf einst auf einem vereinzelten Weidenbüschchen an einem Wiesenrande eine hornissenartige Raubfliege an; die Krallen der sechs Beine nahe bei einander, diese selbst steif, die Spitze des Hinterleibes eingezogen und die Flügel platt auf dem Rücken gelegt, hing sie da, eher wie ein todtes als ein lebendes Wesen. Ich faßte sie, weniger in der Absicht, das Thier zu haben, als mich zu überzeugen, ob noch Leben in ihm sei. Sofort drang aus der Leibesspitze, dessen Seiten und aus den Fußgelenken eine milchige, ekelhafte Flüssigkeit in feinen Tröpfchen heraus, die mich unwillkürlich veranlaßte, die unangenehm werdende Fliege, welche sich sonst kaum regte, in das Gras zu schleudern. Ohne Gezappel und bissiges Wesen hatte sie sich durch die unvermuthete und vielleicht darum mich etwas erschreckende Eigenschaft mühlos ihres Ruhestörers entledigt. Ich kannte nun ihre Launen und ließ mich ferner nicht weiter durch dieselben beirren, wenn ich mir eine recht genau besehen wollte.

Die braungelbe Grundfarbe, welche am Kopfe, an den Schulterbeulen, an einigen Längsstriemen über den Rücken, an den Beinen von den Schenkeln abwärts und an den vier letzten Hinterleibsringen in reineres Gelb übergeht, zeichnet diese Raubfliege vor ihren Verwandten aus; die drei vordersten Glieder des etwas flach gedrückten, beim Weibchen in eine hornige Legröhre zugespitzten, beim Männchen in drei hornige Klappen und eine Haltzange endigenden Hinterleibes sind sammtschwarz. Der vom Bruststück ziemlich abgerückte, flache Kopf erfordert vorzugsweise eine genauere Betrachtung. Die großen, dunklen, mit einigen Goldschüppchen belegten, ziemlich weit von einander abstehenden Netzaugen erheben sich etwas über den Scheitel, so daß der gerade von vorn angesehene Kopf eine herzförmige Gestalt annimmt. Genau zwischen jenen bilden drei gedrängt stehende Nebenaugen einen kleinen dreigipfeligen Hügel auf dem Scheitel. Hoch oben an der Stirn strecken sich die dreigliedrigen Fühler vor, deren dunkelstes, größtes Endglied- an seiner Spitze mit einer zweigliedrigen Borste versehen ist. Bald unter ihnen erhebt sich das Gesicht in seiner ganzen Breite höckerig, wie eine Nase, ist aber, wie die schmalen Backen (Stelle hinter den Augen) mit langen, gelben Borstenhaaren dicht bewachsen, welche man hier den »Knebelbart« zu nennen pflegt. Unter diesem ragt schräg nach vorn der in seiner Länge der Höhe des Kopfes gleichkommende Rüssel hervor, eine hornige Scheide, von welcher vier Borsten eingeschlossen werden. Die längste derselben bildet den eigentlichen Stachel, beiderseits umgeben ihn zwei kürzere, und davor liegt die vierte, nur halb so lange Borste. Mit welcher Kraft die Fliegen dieses Mordinstrument handhaben können, geht daraus hervor, daß sie ziemlich harte Gegenstände mit demselben durchbohren. Man hat sie mit Marienkäfern ( Coccinella), Springkäfern ( Elater), Rüsselkäfern, ja selbst den sehr harten Stutzkäfern ( Hister) angetroffen. Mit den Vorderbeinen erhaschen und halten sie ihre Beute und bohren den Rüssel sodann in dieselbe ein. Die gelblichen Flügel zieren am Außenrande einige schwärzliche, dreieckige Flecke, hinter ihnen bewegen sich die kurzen Schwinger frei. Die ziemlich langen Beine mit geraden Schienen sind durchaus stachelhaarig und vorn an den Krallen mit je zwei viereckigen Ballen versehen. Am Hinterrücken stehen einzelne Borsten und an den Seiten des Hinterleibes, besonders vorn, kurze Borstenhaare.

Die Larve lebt in der Erde, ist flach, spindelförmig und wird von zwölf fußlosen Ringen gebildet. Am hornigen Kopfe sitzen zwei Häkchen zum Graben in der Erde. Das erste und vorletzte Leibesglied ist mit je zwei seitlichen Luftlöchern ausgestattet. Vor ihrer Verwandlung häutet sie sich und wird sodann zu einer frei in der Erde liegenden Puppe, denen der Erdschnaken ähnlich. Sie trägt vorn zwei Hörnchen, darunter jederseits eine dreieckige Schuppe, Flügel und Beine sind sichtbar. Mit Haaren und Stacheln sind die neun Hinterleibsringe bewehrt, mit vier Dornen die äußerste Spitze des Körpers.


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