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Die Pelz- oder Kleidermotte und ihre nächste Verwandte, die Tapetenmotte ( T. tapetiella).

( Tinea pellionella)

Auch ein Naturbild, aber für jedermann ein unerfreuliches, wenn er an seinem Pelzkragen, Muffe oder dem wärmenden Pelzfutter der Winterbekleidung die Haare in ganzen Flauschen ausfallen oder kahle Straßen hineingearbeitet sieht; wenn er unter den Polstern seiner Sophas und immer der besten, am wenigsten benutzten, in den Prunkzimmern wochenlang nur zum Staate dastehenden, seine, staubartige schwarze Körnchen haufenweise zusammenfegen lassen kann; wenn er die wollenen Stoffe im Kleiderschranke an einzelnen Stellen gangweise dünn genagt, gar durchlöchert antrifft; wenn die Federn der ausgestopften Vögel, die Haare der kleineren Säugethiere umherfliegen und Schandflecke am Thiere selbst zurücklassen, das hie und da zur Verzierung von Liebhabern aufgestellt worden ist; wenn die Elastizität der weichen Kutschwagenausschläge und Polster merklich sich vermindert und Löcher in den feinen Tuchüberzügen derselben erscheinen. Er weiß, wem er diese unangenehmen Entdeckungen zu verdanken hat, und mit dem Seufzer »die Motten sind darin« sucht er nach Mitteln, derselben sich zu entledigen, damit der Schade nicht weiter um sich greife und seine Schätze, »so der Rost und die Motten fressen,« nicht gänzlich für ihn verloren gehen.

Wir sahen schon früher, daß gewisse Käferlarven dieselbe Kunst verstehen, jetzt sind aber die Motten gemeint, deren gemeinste Art, die Kleidermotte, ein sehr unscheinbares Thierchen darstellt. Die metallisch glänzenden, gelblichgrauen Schmetterlinge mit nach innen besonders langen Flügelfranzen haben lehmgelbliche Vorderflügel, auf denen ein oder zwei kleine dunkle Pünktchen vor und ein größerer hinter der Mitte stehen, wenn dieselben nicht gänzlich fehlen. Die Hinterflügel sind hellgrau, schimmern aber gleichfalls gelblich und die Kopfhaare lehmgelb. Die Körperlänge beträgt reichlich 5-8 mm. Namentlich während Mai bis Juli kann man dieselben da, wo sie einmal hausen, umherfliegen sehen und beobachten, daß, wenn man nach ihnen vergeblich fängt, sie sich niederwerfen und in rutschenden Bewegungen irgend ein Versteck aufzufinden wissen, so daß ihr Ergreifen nicht ohne Schwierigkeiten bewerkstelligt werden kann. Als nächtliche Thierchen halten sie sich bei Tage sehr verborgen. Die weißen Eierchen werden um diese Zeit an die genannten Gegenstände gelegt, an das Pelzwerk so lose, daß sie sich leicht abklopfen lassen, wenn man zu rechter Zeit kommt. Nach acht bis zwölf Tagen bekommen sie schon Leben. Die beinfarbenen, durchsichtigen Räupchen mit horngelbem Kopfe und der gewöhnlichen Fußzahl (sechszehn) spinnen seidene, etwas gedrückte Röhren, verweben auch die Abnagsel dazu geeigneter Futterstoffe in dieselben und wohnen hier, jede in ihrem Häuschen. Man hat, um die Bauweise recht zu veranschaulichen, die Kleidermotte von einem Tuchstückchen auf das andere, vom ersten verschieden gefärbten gesetzt. War die Wolle zuerst grau, so ist das Gehäuse in der Mitte grau, daran schließt sich beiderseits eine rothe Einfassung, dieser folgt vorn und hinten ein blauer Ring, dann schwarze Streifchen u. s. w. wenn die benagten Tuchstückchen in den genannten Färbungen auf einander folgten. Von der Mitte beginnt also der Bau und setzt sich gleichmäßig nach beiden Seiten fort, indem der Insasse sich natürlich immer darin umwendet und einmal mit seinem Spinnapparate den vordern, ein andermal den hintern Rand bearbeitet. Wird die Wohnung zu eng, so schneidet sie der kleine Futteralmacher der Länge nach ein Stück auf, so scharf, wie mit einer Scheere, und setzt in Tagesfrist ein Stückchen ein, dann kehrt er sich um, vollendet nach der andern Seite den Durchschnitt oder bringt die Fortsetzung desselben auch an einer andern Stelle an und webt ebenfalls ein Streifchen ein; öfter kann man auch vier Zwickel eingesetzt sehen. Bei diesen Arbeiten hat er das Häuschen mit einigen Fäden angeheftet und sitzt fest, so lange er, nur den Kopf und die drei vordern Beinpaare vorbringend, noch Baustoff erreichen kann. Erst wenn die Wollfäserchen abgenagt sind, eist er sich wieder los und rückt weiter fort. Abwechselnd werden die Stoffe zum Baue verwandt oder dem Darme zur Verdauung überwiesen. Treibt man eine Raupe mit Gewalt aus ihrem Futterale, so zieht sie es häufig vor, ein neues anzufertigen, als das alte wieder zu beziehen.

In voller Behaglichkeit treiben die Thiere ihr Unwesen bis in den November oder Dezember fort, unter Umständen auch noch den Winter hindurch. Dann sind sie erwachsen, verlassen sammt dem Sacke meist ihre bisherigen Aufenthaltsorte und verstecken sich zwischen Balkenwerk, die Polster der Stühle, suchen Winkel der Wände auf oder erklettern sogar die Decke der Zimmer. Hier befestigen sie jenen an einem oder beiden Enden, daß er entweder senkrecht, auch schräg herunter hängt, oder wagrecht zu liegen kommt. Beide Enden werden nun fein zugesponnen und im ersteren Falle kehrt sich die Raupe vor der Verpuppung um. Zu dieser schreitet sie aber noch nicht, sie kann sich nicht von sich trennen und ruht noch bis Ende April, Anfangs Mai von ihren Thaten aus. Schließlich wird sie zu einer anfangs weißen, später gelbbraunen, stumpfen Puppe, welche sich nach schon 14 Tagen zur Hälfte aus dem Sacke hervorbohrt und den kleinen Falter entläßt.

Eine zweite Art, die Tapetenschabe ( T. tapetiella), lebt als Raupe von eben jenen Stoffen, jedoch in anderer Weise, und findet sich seltener in unseren Behausungen, so daß an sie weniger gedacht werden darf, wenn von »Motten« die Rede ist. Die Motte ist etwas größer und kräftiger, in der kleineren Wurzelhälfte ihrer Vorderflügel dunkelbraun gefärbt, dahinter gelblich weiß mit grauem Spitzenflecke gezeichnet, die starke Behaarung des Kopfes ist weiß. Die bis 8 mm. lange Raupe ist beinfarben, mit einem gelbbraunen, schwach plattgedrückten Kopfe und am Körper mit einigen langen Borstenhärchen versehen. Im Pelzwerke frißt sie, röhrenartige Gänge spinnend, den Grund der Haare weg, an wollenen Stoffen, wo sie nicht in dieser Weise verfahren kann, dürfte sie ein Säckchen anfertigen, wie die Kleidermotte, die jedoch im Polsterwerke und in Pelzwaaren auch nicht immer einen vollkommenen Sack anfertigen mag. Wir beobachten überhaupt bei andern, im Freien lebenden Schaben, daß sie bei ihrem Streben, sich vom Lichte abzuschließen, je nach den Verhältnissen ihren Aufenthalt verändern. So giebt es Arten, welche in der ersten Jugend sich in bestimmten Pflanzentheilen verbergen können, später aber, wenn dies bei ihrer vorgeschrittenen Größe nicht mehr möglich, ein Säckchen anfertigen.

Die Alten hatten vortreffliche Mittel gegen die Motten, schade nur, daß wir sie heutigen Tages nicht mehr brauchen können. Nachdem Plinius diejenigen, welche von einem Skorpion gestochen sind, damit getröstet hat, daß sie nun nichts mehr von den Stichen der Bienen, Wespen und Hornissen zu fürchten hätten, meint er weiter, man brauche ein Kleid nur auf einen Sarg zu legen, um es vor den Zähnen der Motten zu sichern. Irgend ein Araber schlägt vor, die Kleider in eine Löwenhaut zu wickeln, weil dann keine Motte daran ginge. Cato empfiehlt die Kleiderschränke mit Olivenmark auszureiben. Wenn in neueren Zeiten beobachtet worden, daß die Motte trockene Wolle der fettigen vorzieht, und darum vorgeschlagen worden ist, die vor ihnen zu schützenden Gegenstände von Zeit zu Zeit mit roher, noch fetter Schafwolle abzureiben, so könnte man dasselbe Rezept vielleicht auch in folgender Fassung geben: Richte es so ein, daß Deine Sonntagskleider recht bald von Fettflecken strotzen, und übernimm für Deine Freunde dieselbe Sorge, indem Du sie auf eingesalbte Polster niedersetzen heißest, so werden Dir Motten nichts zu Leide thun und bei jenen wenigstens den hintern Theil ihrer Kleidungsstücke verschonen.

Um den Woll- und Haarschaben vorzubeugen, sind natürlich die Gegenstände gegen die «erlegenden Weibchen zu schützen. Häufiger Gebrauch, Lüften, Ausklopfen oder Abbürsten sichern freilich am meisten, das Erstere, natürlich nicht immer anwendbar, wird ersetzt durch sorgfältiges Einwickeln der betreffenden Pelze u. s. w. in geschwefelte oder in Salpeterwasser gewaschene Linnentücher. Der unangenehme Kien- oder Terpentinölgeruch ist auch den Motten zuwider. Sind die Raupen bereits vorhanden, so wird die Sache schon bedenklicher und wiederholtes sorgfältiges Nachsehen sehr nothwendig; Einstreuung von grob gestoßenem Pfeffer oder Eisenvitriol soll sie vertreiben, vielleicht auch das jetzt so beliebte Insektenpulver. Mir wurde kürzlich versichert, daß ein unvollkommen verschlossenes Gefäß mit Karbolsäure, in einem Kleiderschranke aufgestellt, daselbst keine Motte aufkommen ließ. An den Geruch dieses erst in neuerer Zeit entdeckten und für die Chirurgie unentbehrlich gewordenen Präparates gewöhne man sich nach der Versicherung meines Gewährsmannes bald.


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