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Eine rothbeinige Pimpla und der gelbleibige Ichneumon.

( Pimpla rufata, Ichneumon pisorius )
siehe Bildunterschrift

Weibchen und Männchen von Pimpla rufata und Männchen von Ichneumon pisorius (in natürlicher Größe).

Wer die Völker der Schlupfwespen in größter Mannigfaltigkeit bei einander sehen will, braucht nur im Sommer an vereinzelten Zäunen oder sonstigem Buschwerke solche Stellen aufzusuchen, welche mit Blattläusen stark besetzt sind. Diese verrathen sich jederzeit, auch wenn man die kleinen Thiere selbst anfangs übersehen sollte, durch die vielen, stark glänzenden, bisweilen schwarz gefärbten Flecken, mit welchen die Blätter übersäet sind, oder aber, besonders in gewitterschwülen Stunden, durch die bedeutenden Mengen von emsig auf den Blättern umhersuchenden, ab und zu schwirrenden und schwebenden Schlupfwespen und von noch andern ähnlichen, glasig beflügelten Wesen. Untersucht man solche Stellen näher, so wird man sehr bald auf der Rückseite einzelner Blätter oder um die Aestchen geschaart jene kleinen schwarzen oder grünen harmlosen Thierchen mit oder ohne Flügelchen bemerken, die unter dem Namen »Blattläuse« allbekannt sind, und deren ganz absonderlicher Entstehung weiter unten ein besonderes Kapitel gewidmet werden wird. Hier also ist reges Leben, wie zu Meßzeiten in einer Handelsstadt. Groß und Klein drängt sich heran, um zu sehen, zu genießen oder ein wichtiges Geschäft abzuschließen, nur daß hier alles lautlos abgethan wird, allenfalls durch uns unverständliche Zeichensprache. Um aber nicht auf unserem Umgange nichts gesehen zu haben, wenn wir alles mit einem Male gierigen Blickes verschlingen möchten, müssen wir blind sein gegen die übrigen und nur ein Wesen ins Auge fassen, eine Schlupfwespe unablässig verfolgen, auf die wir es nun einmal abgesehen haben.

Es ist ein untersetzter, kräftiger Bursche, rothbeinig, sonst schwarz von Farbe; in der Stellung, wie ihn unsere Figur zeigt, spaziert er suchend auf den Blättern umher, klettert von Zweig zu Zweig, fleißig mit dem geschwänzten Hinterleibe auf und nieder wippend, wohl auch mit den glasigen Flügeln fächernd. Jetzt sitzt er still und leckt begierig an dem einer Blattlaus entquollenen Honigtröpfchen, ihr selbst fügt er kein Leid zu. Wir können die Wespe genauer betrachten; denn sie läßt sich nicht stören. Ihr glänzender Hinterleib sitzt mit ziemlich breiter Wurzel am Rumpfe fest, wird in der Mitte am breitesten und ist auf seiner Oberfläche durch die wulstigen Ränder der Glieder und durch einzelne Wärzchen längs der Seiten uneben. Die mittelste Unterrandzelle, Spiegelzelle genannt, hat beinahe dreieckige Gestalt. Die gelbbraunen, fadenförmigen Fühler sind fein schwarz geringelt, am Ende des Brustrückens, auf dem Schildchen, zeigt sich ein gelblicher Fleck.

Das Mahl ist beendet, sie wird unruhig und setzt ihre Wanderungen fort. Siehe da eine zweite! ganz wie sie gestaltet, etwas kleiner und schlanker und ohne den Fortsatz am Leibesende, jedenfalls ein Männchen derselben, oder einer sehr verwandten Art; die kleinen gelben Strichelchen vor und unter der Flügelwurzel und einige schwarze Fleckchen an den Hinterbeinen charakterisiren sie als das andere Geschlecht unserer Art. So schnell wie sie kam, ist sie auch wieder verschwunden. Das Weibchen treibt sich aber immer noch umher, scheint ganz besonders auf diesen Platz versessen zu sein. Jetzt muß es seinen Gegenstand gefunden haben, und doch bemerken wir außer ihm nichts auf dem Blatte, wo es sitzt und eben seinen Bohrer aus der zweitheiligen Scheide hervorzieht. Er wird auf jenes aufgesetzt und bis an die Wurzel durchgestoßen und dies in kurzen Zwischenräumen vier bis fünf Mal hinter einander. Allemal theilt sich eine zitternde Bewegung einer größern Umgebung mit, als mit dem durchstochenen Blatte in unmittelbarer Verbindung steht. Das ist ja eine ganz eigenthümliche Erscheinung, wie von einem elektrischen Schlage wird die ganze Umgegend getroffen. Die Wespe scheint befriedigt; denn sie fliegt davon und ist unsern Blicken entschwunden. Die Wirkung ihrer Stiche ist noch nicht klar, die Sache muß näher untersucht werden! Ah! Der Zauber ist gelöst: dicht hinter dem Blatte hängt im Neste einer Kreuzspinne ein Ballen ihrer Eier. War er nun von der Schlupfwespe gesehen oder auf andere Weise gewittert worden? Genug, ihm hatten die Stiche gegolten, nicht dem ihn unserm Blicke gerade deckenden Blatte; die Erschütterung war durch die Kreuzfäden des Nestes so weit verbreitet worden.

Daß die Mutter Eier in den Knäuel Spinneneier gelegt hatte, unterliegt keinem Zweifel; denn die Larven finden sich öfter im Herbste im Innern solcher Klumpen. Sie zehren dieselben auf und spinnen sich dann dicht neben einander in etwas flachen, papierähnlichen Gehäusen ein, deren man zehn bis fünfzehn in den Spinnennestern finden kann, und die im nächsten Frühjahre ausschlüpfen. Doch ist diese Art der Schlupfwespen nicht eben wählerisch, sie legt ihre Eier auch, und wohl noch häufiger, in die Puppen verschiedener Schmetterlinge wie der Nonne, der Blaukante, des Rainweidenschwärmers etc. Uebrigens scheint es eine Eigentümlichkeit der Gattung Pimpla zu sein, außer an die Eier der Kreuzspinne nur noch an Schmetterlingspuppen, aber nicht deren Raupen ihre Eier zu legen, und ihre Entwickelungsstufen für den Fall des Nichtüberwinterns der Puppe in ziemlich kurzer Zeit, in etwa sechs Wochen zu durchleben. Zur Charakteristik unserer Art sei noch hinzugefügt, daß die Beine durchaus, also die fast kugeligen Hüften eingerechnet, roth aussehen, bei andern, in der Färbung und der sonstigen Bildung wenig verschiedenen dagegen die der hintersten schwarz oder dunkelbraun. Außer der Färbung der hintersten Hüften giebt auch die des Schildchens noch ein Kennzeichen ab, ob es nämlich mit dem übrigen Rumpfe gleichfarbig oder gelblich gezeichnet ist, wie bei unserer Art. Der bei den verschiedenen an Länge sehr verschiedene Legbohrer, welcher, beiläufig erwähnt, auch recht geschickt in den menschlichen Finger zu stechen versteht, liegt mit seinem Anfange in einer kurzen Rinne des Bauches, ist also nie, wie seine etwas gefiederte Scheide, am äußersten Hinterleibs ende angewachsen.

Die Lebensdauer ist bei den verschiedenen Arten nicht gleich. Wie schon erwähnt überwintert die hier beschriebene rothbeinige aus den Eiern der Kreuzspinne als Puppe, die erste Brut braucht zu ihrer vollständigen Entwickelung nur vier bis sechs Wochen; es sei hier noch bemerkt, daß der Legbohrer der Weiber in der Puppe nach hinten sich biegt und längs des Rückens verläuft. Die gelbe Pimpla ( P. Flavicans) wurde meist Anfangs Juli aus der Puppe des Baumweißlings erzogen und zwar immer aus deren Schwanzende herauskommend, aus den Puppen des Kiefernspinners, des Dickkopfes etc. gegen Mitte des August; im allerersten Frühjahre fand ich häufig die Wespe unter Laub, also überwintert. Einzelne hierher gerechnete Arten gehören zu den gemeinsten Schlupfwespen, die uns den ganzen Sommer bis in den Herbst hinein auf Gebüsch, Blumen, an Mauern und Baumstämmen, am meisten aber in Hecken begegnen, flink und beweglich im Sonnenscheine, träger und schwerfälliger an trüben, nicht gewitterbangen Tagen.

Als in einem Sommer die ganze Natur schon mehrere Tage nach einem erquickenden Regen geseufzt hatte, führte mich von Ungefähr mein Weg durch einen Kiefernwald, gemischt mit einigem Laubholze. Der breite Fahrweg, von Wagengeleisen tief durchfurcht, war beiderseits mit einem verfallenen Graben eingefaßt, wo der Rasen üppig wucherte und einzelnes Brombeergestrüpp seine dornigen Ranken wild nach allen Seiten hin aussandte. Hie und da nur ließen die hohen Kiefern einige schräge Strahlen der Abendsonne durch, und an den stets beschatteten Stellen hatten sich die Spuren eines früheren Gewitterregens, anderwärts schon längst verwischt, als feuchte Flecke glücklich erhalten. Sie waren der Sammelplatz von Tausenden durstiger Insekten, welche in buntem Gemisch den feuchten Boden belebten oder im kühlenden Grase sich tummelten. Vor allen waren es wieder Schlupfwespen, große und kleine mit sichelförmigen oder breiten, zierlich gestielten, geschwänzten und ungeschwänzten Hinterleibern, die sich erquickten am selten gewordenen Naß, oder unter den andern, die Kühlung aufsuchenden Wesen für ihre Eier ein geeignetes Plätzchen erspähen möchten. Zu jenen zählte eine Art, welche mir häufig begegnete, und die ich vom Juni bis zum September in eben jenem Holze in manchen Jahren gar nicht selten angetroffen hatte: eine schmucke Wespe, zu den größten unserer heimischen gehörig, das wahre Urbild dieser so mannigfaltigen Familie. Sie führt bei den Entomologen den Namen Ichneumon pisorius, dessen zweiten man mit pisum (Erbse) zusammenbringt, weil Linné als Namengeber von der Ansicht ausgegangen sei, daß die Schlupfwespe die Raupe der Erbseneule ( Mamestra pisi) ansteche, was sie allerdings nicht thun dürfte. Obige Figur stellt ein Männchen in seiner natürlichen Größe dar.

Der matte Hinterleib mit deutlich abgesetzten Ringen ist röthlich gelb, an der Spitze bisweilen etwas getrübt, an der Wurzel schwarz, in einen ebenso gefärbten, dünnen, fast rechtwinklig gebogenen Stiel verschmälert; am Vorderrande des zweiten Ringes bemerkt man deutlich zwei tiefe Grübchen. Der grob und weitläufig punktirte Rumpf ist schwarz, mehr glänzend, gelb am Schildchen, an dem Vorderrande des Halskragens und unter der Flügelwurzel. Am Kopfe sind gelb die innern Augenränder (bisweilen auch die äußern), das Gesicht, das erste Fühlerglied auf seiner Unterseite und die Mundtheile. Die Beine haben vorherrschend eine gelbe Farbe, doch zeigen sich die Schenkel an ihren Spitzen mehr oder weniger schwarz, besonders die hintersten. Die Flügel, welche beim Fluge ein schwirrendes Geräusch veranlassen, sind durch gelblichen Schein etwas getrübt, ihre Spiegelzelle fünfeckig wie bei allen ächten Ichneumonen d. h. Arten der alten (Gravenhorst'schen) Gattung Ichneumon. Das Weibchen unterscheidet man leicht von seinem Männchen. Die Legröhre tritt kaum hervor, desto empfindlicher verwundet sie, ohne jedoch Entzündung zu verursachen. Das Gelb an den Beinen und übrigen, sonst schwarz gefärbten Theilen tritt hier sparsamer als beim Männchen auf, an jenen bleiben aber die Hinterschienen zu ihrem größten Theile gelb, am Kopfe sind es blos die innern und obern Augenränder; die stärkeren Fühler sind in ihrer Mitte breit sattelartig weiß gefärbt. Noch einige Worte über die Gattung Ichneumon, welche so unendlich reich an Arten ist, daß ein früherer Schriftsteller ( Gravenhorst) beinahe einen dicken Band nur mit den europäischen füllen konnte. Nach ihrer Färbung sind sie, um von deren Mannigfaltigkeit einen Begriff zu geben, gruppirt in a) ganz schwarze, b) ganz schwarze bis auf das weiß gezeichnete Hinterleibsende, c) schwarze mit hellem (weißem oder gelbem) Schildchen, d) wie vorige, nur auch das letzte Hinterleibsglied weiß gezeichnet, e) Schildchen hell, Körper dreifarbig (schwarz, roth oder gelb und weiß sind die verschieden combinirten Farben), f) Schildchen hell, Spitze des Hinterleibes, bei vielen auch die Seite gelb gefleckt oder geringelt, g) Schildchen hell, Hinterleib entweder hell gezeichnet, oder mit einigen ganz gelben Gliedern, aber ganz schwarzem Endgliede, h) Schildchen hell, Hinterleib entweder ganz roth (gelb) oder roth und schwarz, i) Schildchen schwarz, sonst wie vorige, k) Schildchen schwarz, Hinterleib dreifarbig, l) Bruststück sammt Schildchen roth oder weiß gezeichnet, Hinterleib drei- oder zweifarbig, im letzten Falle mit weißer Spitze. In späteren Zeiten hat Wesmael die Gattung in zahlreiche Untergattungen zerlegt und die Gesammtmenge in zwei große Gruppen, solche mit gestreckten und solche mit kreisrunden Luftlöchern am Hinterrücken geschieden. Letztere umfassen die kleinsten, erstere die größten und nur wenige kleine Arten. Diese Organe verrathen wenigstens bei todten Ichneumonen allemal das Geschlecht, indem sie sich bei den Weibchen, wo ein weißer Ring oder Sattel sehr häufig vorkommt, bei den Männchen nur ausnahmsweise, stets ringeln, während sie infolge anderer Form ihrer Glieder beim Männchen gerade bleiben.

Das Weibchen unserer Wespe sucht die nackten Raupen einiger Schwärmerarten auf, um sie mit je einem Eie zu beschenken, vorzugsweise die des Fichten-, dann aber auch des Pappel- und Rainweidenschwärmers und des Abendpfauenauges. Die erwachsene Larve ist der von Anomalon sehr ähnlich, 3,25 Centim. lang, sehr dick, besonders welk und lappig, gelblich weiß. An jeder Seite führt sie über den stark wulstigen Rändern je neun Luftlöcher, deren drei hinterste weniger bestimmt sind und weniger gelb durchschimmern als die übrigen. In dem oben beschriebenen, erwachsenen Zustande findet man sie erst in den Puppen der genannten Schmetterlinge, welche durch ihre Unbeweglichkeit den Wurm in ihrem Innern verrathen. Die Puppe ist durch die bekannten Merkmale von dem vollkommenen Insekt unterschieden und steckt in einer äußerst feinen Haut, welche erst nach dem Ausschlüpfen des letzteren bemerkbar wird. Durch einen am Kopfende der Puppe abgenagten Deckel kommt die Wespe hervor.


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