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Der Seidenspinner, Maulbeerspinner und einige seiner Hilfsvölker.

( Bombyx mori)
siehe Bildunterschrift

a. Erwachsene Raupe, b. Gespinst, c. aus dem Gespinnst genommene Puppe d. Eier legendes Weibchen.

Neben der Honigbiene ist der Seidenspinner das zweite Insekt, dessen Erzeugnis; die größte volkswirthschaftliche Bedeutung erlangt hat, und ihr als nutzbringendes entschieden den Vorrang abläuft. Er ist wie jene kein Kind unserer Heimath und beweist durch seine noch größere Empfindlichkeit gegen unsere Witterungsverhältnisse, daß er wärmeren Erdstrichen entstammt. Wo diese zu suchen seien, läßt sich mit Bestimmtheit nicht feststellen. Wenn sich jedoch die Annahme rechtfertigt, daß der Maulbeerbaum in China zu Hause ist, so müssen wir auch dieses Land als die Heimath des Seidenspinners ansehen, weil seine Raupe sich allein nur von den Blättern des genannten Baumes ernährt. Mit der Futterpflanze hat er sich nach und nach weiter ausgebreitet. Nach dem ausgezeichneten Kenner der chinesischen Sprache Stanislas Aignan Julien sollen die Chinesen schon 2700 Jahre v. Chr. Seidenzucht getrieben haben.

Daß die Seide den alten Griechen und Römern bekannt gewesen, beweisen verschiedene Stellen bei Dichtern und Prosaikern, und galten damals ganzseidene Kleider als Beweis großer Ueppigkeit und Verschwendung, da ein Pfund Seide ein Pfund Gold aufwog. Auch versuchen verschiedene Schriftsteller nach eingezogenen Erkundigungen die Entstehung der Seide zu erklären. So erzählt Aristoteles, daß aus einem großen Wurme, der eine Art Hörner habe, anfangs durch Verwandlung eine Raupe, Bombylios, später eine Puppe entstehe; alle diese Verwandlungen durchlaufe er in sechs Monaten. Von diesem Thiere haspeln manche Weiber die Seide ab und weben sie dann. Pamphila, Tochter des Plates, soll zuerst aus der Insel Kos oder Koos (bei Karien gelegen) diese Webekunst ausgeübt haben. Plinius gedenkt der Seide an verschiedenen Stellen, giebt die unklare Vorstellung des Aristoteles über den Seidenwurm wieder und erwähnt, daß die Serer (nach Ritter eine Bezeichnung für die Chinesen) berühmt durch die Wolle ihrer Wälder seien. Sie begießen die weißgrauen Haare der Blätter und kämmen sie ab. Unsere Weiber müssen die Fäden wieder abwickeln und von neuem weben. Die Behauptung, daß die Seide als Haare auf Blättern wachse, dürste darauf beruhen, daß die Serer ihre Seidenwürmer auf Bäumen erzogen und die Gespinste von diesen einernteten. Das Begießen mit Wasser möchte sich wohl darauf beziehen, daß die Cocons in heißes Wasser gebracht werden müssen, ehe man ihre Fäden abhaspeln kann. Pausanias (um 174 n. Chr.) berichtet in seiner Reise durch Griechenland, daß im Lande der Serer ein Thierchen lebe, welches die Griechen Ser nennen, während es in seiner Heimath anders heiße. Es ist doppelt so groß wie der größte Käfer, übrigens den Spinnen gleich, hat auch acht Beine. Diese Thiere halten die Serer in eigenen Gebäuden, die für Sommer und Winter eingerichtet sind. Das Gespinst dieser Thiere ist zart und sie wickeln es mit ihren Füßen um sich herum. Vier Jahre lang werden sie mit Hirsen gefüttert, im fünften aber, und man weiß, daß sie nicht länger leben, bekommen sie grünes Rohr zur Nahrung. Dieses schmeckt ihnen unvergleichlich gut; sie fressen sich daran so dick und voll, daß sie platzen und sterben. Man findet alsdann in ihrem Innern noch viele Fäden. Diese und ähnliche wunderbare Ansichten bestanden um jene Zeiten noch fort bis – so erzählt Prokopius, ein Zeitgenosse und Biograph des Kaisers Justinian – um das Jahr 551 n. Chr. zwei persische Mönche Maulbeerpflanzen und Eier des Seidenspinners in ihren ausgehöhlten Wanderstäben nach Konstantinopel eingeschmuggelt hätten.

Der Seidenbau, bei welchem die Insel Kos eine Rolle gespielt zu haben scheint, blieb noch bis in das zwölfte Jahrhundert hinein ein Einzelrecht und eine lohnende Einnahme für die griechischen Kaiser. Von hier aus wurde dann durch die Araber der Seidenbau nach Spanien verpflanzt. In der Mitte des eben genannten Jahrhunderts kam er durch den Krieg, welchen Roger II. mit dem Byzantiner Emanuel führte, nach Sicilien und breitete sich allmählich über Florenz, Bologna, Venedig, Mailand und das übrige Italien aus. Unter Heinrich IV. gelangte er nach Frankreich und von da weiter nach Norden und Nordosten. In Deutschland war es Bayern, wo sich 1670 die erste Seidenbaugesellschaft bildete. Friedrich der Große nahm sich dieses Erwerbzweiges in seinen Ländern auf das Wärmste an, und so kam es, daß in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Seidenbau überall in Deutschland Eingang fand. Die Freiheitskriege gaben der neuen Errungenschaft einen gewaltigen Stoß; denn die Zeiten waren nicht dazu angethan, Seidenwürmer zu pflegen und Maulbeerblätter zu pflücken. Die Bäume wurden älter, mehrten sich nicht und fanden höchstens noch seitens der Jugend auf den Dörfern ihrer süßen Früchte wegen Beachtung.

In neueren Zeiten ward der Gegenstand wieder angeregt und von den Regierungen, in Preußen wenigstens, begünstigt. Man setzte Belohnungen auf eine gewisse Menge erzielter Gespinste aus, pflanzte statt der bisher benutzten Bäume Maulbeerhecken, welche weit schneller und bequemer das nöthige Futter liefern, und schien so auf dem besten Wege zu sein, dem Nebenerwerbszweige für Landschullehrer und andere Leute, die etwas Grund und Boden und Neigung für dergleichen Beschäftigungen besitzen, einen neuen Aufschwung geben zu wollen, allein diese Art der Seidenzucht scheint in unsere spekulative Zeit nicht recht hinein zu passen und wenig Anklang zu finden. Die Mühwaltungen stehen in keinem richtigen Verhältnisse zu dem unsicheren Erfolge und zu dem geringen Gewinne, welche bei der Zucht im Kleinen zu erzielen sind, es wird daher wohl für Europa den Franzosen, den Italienern und den südlichen Bewohnern des österreichischen Kaiserreichs die Aufzucht der Seidenwürmer im Großen überlassen bleiben, wo theilweise die Verhältnisse günstiger sind als in dem rauheren Mittel- und Norddeutschland, wenngleich man auch dort die Zucht nicht im Freien ausführen kann.

Der Seidenwurm, wie man vom wissenschaftlichen Standpunkte aus in fehlerhafter Ausdrucksweise die Raupe unseres Spinners allgemein zu nennen pflegt, bedarf einer gleichmäßigen Wärme von etwa + 18° R., eine reine Luft und ausreichendes, nur trockenes Futter, wenn er freudig gedeihen und ein möglichst großes Gespinst anfertigen soll. Die Maulbeere gehört zu den in unseren Breitengraden am spätesten austreibenden Holzgewächsen. Die im Sommer abgelegten Eier müssen daher sehr kühl gehalten werden, damit im Frühjahre die Raupen nicht früher ausbrechen als ihnen das Futter gewachsen ist. Welche besonderen Vorsichtsmaßregeln bei der Aufzucht anzuwenden sind, gehört in eine Anweisung zur Seidengewinnung, die hier nicht gegeben werden soll, wo wir es mit Naturbildern zu thun haben.

In einem Zeitraume von acht bis zwölf Tagen schlüpfen die Räupchen aus den Eiern, dieselben sind dunkel gefärbt und erhalten in der ersten Lebensperiode fein zerschnittene Maulbeerblätter, die wegen des schnelleren Welkens natürlich täglich mehrmals gewechselt werden müssen. Am fünften Tage erfolgt die erste Häutung, zwischen ihr und der ungefähr nur so lange auf sich warten lassenden zweiten Häutung legt man ihnen neben zerschnittenen auch schon ganze Blätter vor. Die Häutungen wiederholen sich noch zweimal, und schließt mit der vierten auch die vierte Lebensperiode der Raupen ab. Jede der beiden folgenden dauert sechs bis sieben Tage. Während jeder werden die Raupen täglich mehrere Male mit trockenen Blättern gefüttert, die man der Sparsamkeit wegen abwiegt. Das Gewicht bleibt sich nicht für alle Tage gleich, wächst selbstverständlich mit dem Wachsthume der Raupen, wird jedoch gegen das Ende jeder Periode etwas vermindert im Vergleich zu der Mitte derselben, weil während der Häutungen die Freßlust aufhört. Um aber für die Gewichtsmengen des Futters eine Einheit zu besitzen, legt man 1 Lth. Eier zu Grunde. Dabei wird vorausgesetzt, daß die aus einem Loth Eiern Ausschlüpfenden Räupchen sich gleichmäßig entwickeln, was so leicht nicht der Fall ist.

Nach der vierten Häutung tritt die Raupe in ihre fünfte und letzte Lebensperiode, in welcher sie noch elf Tage gefüttert wird. Am sechsten Tage erhält die aus einem Loth Eiern entsprossene Gesellschaft die stärkste Portion, nämlich 111½ Pfund Blätter, am letzten Tage nur 28 Pfund, während sie am ersten Lebenstage in sechs Mahlzeiten mit 14 Loth auskam. Die Abwägung der Portionen, das Reinhalten der Hürden, auf welchen die Raupen fressen, die allmähliche Erweiterung der Räumlichkeiten, die man ihnen zu geben hat, das Ausscheiden der im Wachsthume zurückgebliebenen und die hiernach unter Umständen nöthig werdende verhältnißmäßige Verminderung des Futters, sind neben der Regelung der reinen Luft und gleichmäßigen Wärme Dinge, welche einen Zeitraum von 40 bis 50 Tagen sorgenvoller Mühen beanspruchen und durchschnittlich gutes Wetter voraussetzen; denn wenn es viel regnet, so vermehrt die Beschaffung trockenen Futters die Arbeit wesentlich.

Es wird nun aber Zeit, daß wir die mühsam großgezogene Raupe auch von Person kennen lernen. Obgleich sie in ihren Drüsen den edelsten Spinnstoff reichlich bereitet, so gleicht sie in ihrer äußern Erscheinung viel weniger der Raupe anderer heimischer Spinner, als der eines Schwärmers. Ihre völlige Nacktheit und das kurze Horn auf dem vorletzten Ringe sprechen hierfür, auch finden wir, wie beim mittleren und kleinen Weinschwärmer, das zweite und dritte Glied merklich aufgetrieben und in der Scheu vor Feuchtigkeit einen Gegensatz zu den meisten, die Nässe liebenden Spinnerraupen. Die Grundfarbe ändert von fast reinem Weiß einerseits zum Fleischroth, andererseits zu Grau in verschiedenen Tönen ab und wird auf dem Rücken durch einige unbestimmte Flecke stellenweis verdunkelt; namentlich charakterisiren sie zwei mir der Sichel sich zugekehrte, halbmondförmige Flecke von brauner Farbe auf dem Rücken des fünften Gliedes. Diese höchst unscheinbare Raupe hat die gewöhnlichen sechzehn Beine und erreicht eine durchschnittliche Länge von 60 mm. und darüber.

Wenn die erwachsene Raupe (a) am zehnten oder elften Tage ihrer fünften Lebensperiode das Futter verschmäht und unruhig umherzukriechen beginnt, was zu ihrer bisherigen auffallenden Trägheit im schroffsten Gegensatze steht, so ist es die höchste Zeit, ihr Birkenreiser, Rapsstroh oder ähnliche Gegenstände zu liefern, falls man ihr das letzte Futter nicht als Maulbeerbaum zweige gereicht hatte, damit sie sich an denselben einspinnen könne. An einem derartigen Gegenstande sucht sie sich nun ein bequemes Plätzchen, grenzt ihr Bereich mit einigen, sie in größerer Entfernung umgebenden, unregelmäßig gezogenen Fäden ab, und spinnt eine Art von Hängematte um sich. Dieselbe wird dichter und dichter, umschließt den Raupenkörper immer enger und verbirgt ihn schließlich vollständig dem Blicke des Beobachters. Einige Zeit darnach hört man noch die webende Thätigkeit im Innern, bis zuletzt vollkommene Ruhe eintritt, nachdem die letzte Larvenhaut abgestreift worden ist. Die gedrungene, braune Puppe (c) ist nun fertig und harret in dem gelb- oder weißseidenen Sarge, den die Raupe gesponnen, ihrer Auferstehung entgegen. Dieselbe würde nur wenige Wochen auf sich warten lassen, wenn das gewinnsüchtige Wesen, welches sich Mensch nennt, für die meisten derselben den natürlichen Verlauf der Natur nicht durchkreuzte. Die kräftigsten Cocons nur werden zur Zucht ausgewählt, und zwar einige männliche und eben so viele weibliche. Erstere sind nämlich walzig und in der Mitte schwach eingeschnürt, letztere eiförmig. Die Mehrzahl der gewonnenen soll Seide liefern, es müssen daher die Puppen getödtet werden, damit der aus ihnen sich entwickelnde Schmetterling am Kopfende das Gehäuse nicht durchbreche und den einen Faden in tausend, nicht brauchbare Stückchen zerreiße.

Die Tödtung erfolgt entweder durch Backofenwärme oder mittels heißer Wasserdämpfe, denen die Cocons ausgesetzt werden. Um nun den bis 38 Meter langen Faden von dem hohlen Knäule, als welcher sich das Gespinst darstellt, von außen nach innen abwickeln zu können, werden die Cocons in fast kochendem Wasser mit Reisbesen so lange bearbeitet, bis sich der die Fäden zusammenhaltende Leim löst und sich die Anfänge jener zeigen. Die in angegebener Weise vorbereiteten Gespinste kommen nun in ein anderes, nur mit warmem Wasser gefülltes Becken, welches mit einer Haspel in Verbindung steht, deren Einrichtung verschiedener Art sein kann. Da der Faden des einzelnen Gespinstes zu fein zu einer weiteren Verarbeitung sein würde, so haspelt man deren, je nach den Bedürfnissen, drei bis acht und wohl noch mehr gleichzeitig ab, welche, auf dem »Fadenleiter« durch einen gläsernen Ring gehend, infolge des ihnen noch beiwohnenden Leimes alle zu einem Faden sich vereinigen. Bei dieser, in der Regel von Mädchen ausgeführten Arbeit ist auf Gleichmäßigkeit des Fadens zu achten, welcher, je weiter nach innen, an jedem Gespinste feiner wird und daher nach dem Ende hin der Zuziehung neuer Fäden bedarf. Die nächste Umhüllung der Puppe läßt sich nicht abwickeln, sondern bleibt als pergamentartiges Häutchen zurück. Zehn bis sechzehn Kilogramme frischer oder grüner Gespinste, wie man sie in der Kunstsprache bezeichnet, oder sieben bis neun Kil. gebackener geben nach dem Abhaspeln ein Kilogramm Rohseide. Die locker um das Cocon sitzenden unregelmäßigen Fäden, die wir vorhin als die Hängematten bezeichneten (Wattseide), sind vor der eben angegebenen Behandlung der Cocons von diesen entfernt worden, gehören zu den verschiedenen Abfällen und werden zu der geringeren Flock- oder Floret-Seide verwendet. Doch hiermit genug von der Seidengewinnung!

Wir kehren zu den uns mehr interessirenden für die Zucht ausgesuchten kräftigen Cocons zurück. Nach zwei bis drei Wochen, also Ende Juni, mit Beginn des Juli sind die Schmetterlinge gezeitigt, Feucht- und Braunwerden am Kopfende des Gespinstes deutet das baldige Erscheinen des Falters an, der, wie alle andern eingesargten, durch einen scharfen Saft das Gespinst aufweicht und dann mit seinem Kopfe so lange dagegen drängt und bohrt, bis es seinen Widerstand aufgiebt und den Gefangenen entläßt, der sich auf demselben oder in nächster Nähe festsetzt und die Entfaltung seiner Flügel in Ruhe und genau in derselben Weise abwartet, wie wir dies bei allen Schmetterlingen beobachten können.

Der Seidenspinner als nützlichster aller Schmetterlinge gehört gleichzeitig zu den unscheinbarsten. Seine Form erläutert unsere Fig. d. Er gleicht im Baue unserem Ringelspinner, dessen Raupe eine der schädlichsten ist. Die Vorderflügel sind sichelförmig, indem der Saum bald hinter der Spitze ausgeschweift erscheint; sie sind sammt den breit gerundeten Hinterflügeln gelblich weiß beschuppt, die Rippen, eine stark gebogene doppelte vordere und eine nur schwach gebogene linienförmige hintere Querbinde sind rostgelb gefärbt, und die Binden nehmen mehr oder weniger deutlich abgegrenzt ein Mittelfeld zwischen sich, welches im Vorderflügel einen ebenso gefärbten Mittelmond trägt. Mitten am Innenrande der Hinterflügel steht ein schwarzes Fleckchen. Der Rumpf und die wollig behaarten Beine, sowie der Fühlerschaft tragen dasselbe gelbweiße Kleid, nur die Augen und die Doppelreihe der Kammzähne an den Fühlern sind schwarz. Der dickere, plumpere Hinterleib unterscheidet das Weibchen von dem durchschnittlich kleineren Männchen. Die Trägheit der Raupen hat sich auch auf die Schmetterlinge übertragen.

Sowie die Flügel gewachsen und Schmetterlinge beiderlei Geschlechts vorhanden sind, versetzen sie ihre Flügel in zitternde Bewegung und paaren sich. Die Vereinigung kann 24 Stunden andauern. Nach der Trennung stirbt das Männchen, während das Weibchen noch einige Tage fortlebt, bis es seine 5 bis 600 Eier abgelegt hat. Man reicht ihm hierzu dünne, etwas steif hergerichtete Stücke wollenen Stoffes, an welche es die Eier anklebt. Dieselben sind rund und breit gedrückt mit etwas concaver Oberfläche und müssen eine glänzend aschgraue Farbe besitzen, röthliche und glanzlose Eier oder »Grains« taugen nichts. Die vorher in die gewünschte Größe geschnittenen Tuchstückchen mit den Eiern werden nun weggepackt und an einem trocknen, kühlen Orte, der nicht über + 15° halten darf, überwintert.

Die Seidenwürmer können an verschiedenen Krankheiten leiden, welche man als Gelbsucht, Starrsucht, Wassersucht, Durchfall, Verstopfung u. a. unterschieden hat. Die bedenklichste von allen, welche im Anfange der fünfziger Jahre der Seidenzucht in Frankreich, Italien und Spanien einen empfindlichen Stoß versetzte und dieselbe theilweise in Frage stellte, auch in Deutschland und in der Schweiz aufgetreten war, wurde in den verschiedenen Ländern mit verschiedenen Namen belegt. In Frankreich nannte man sie Etisie, in Italien belegte sie jeder Beobachter mit einem besonderen Namen, wie Gattina, Atrofia contagiosa, polimorfa, Necrosi, Segno nero, Petecchie, Polidisemia, Acetotrophie; sie besteht in einer degenerativen Ernährungsstörung mit Pilzbildung ( Dystrophia mycetica) und kann hier nicht weiter erörtert werden. Wer sich für den Gegenstand näher interessirt, den verweisen wir u. a. auf eine durch Abbildungen erläuterte Abhandlung von Prof. Lebert »Ueber die gegenwärtig herrschende Krankheit des Insekts der Seide« (in der Berliner Entomol. Zeitung II. (1858) Seite 149-186).

Die durch diesen Umstand getrübten Aussichten für die Fortsetzung einer gewinnbringenden Seidenzucht mochten dem begonnenen Aufschwunge derselben in Deutschland störend in den Weg treten, andererseits ließen sie es wünschenswerth erscheinen, auch in Europa mit einigen andern Schmetterlingen Zuchtversuche anzustellen, deren Gespinste in ihren Heimathländern, wie man in Erfahrung gebracht hatte, schon seit länger zur Gewinnung von Seide, wenn auch von geringerer Güte, angewendet wurden. Die verschiedenen Acclimatisationsvereine nahmen die Angelegenheit in die Hand und verlangten für die abgegebenen Grains gewissenhafte Berichte über die Zuchtergebnisse. Ohne auf den Werth derselben für die Seidengewinnung und auf das Geschichtliche der Einführung näher einzugehen, dürfte es doch von Interesse sein, hier in kurzen Worten noch derjenigen Arten zu gedenken, mit denen die allseitigsten Versuche angestellt worden sind. Sie alle gehören den größten Spinnern an, die man wegen der vier Augen- oder auch Fensterflecke auf den vier Flügeln mit dem gemeinsamen Namen der Nachtpfauenaugen belegt hat.

Der Ailanthus-Spinner ( Saturnia Cynthia), in seinem Vaterlande Assam Erya genannt, wurde, wenn ich recht unterrichtet bin, im Jahre 1854 zuerst von dem Pariser Acclimatisationsvereine verbreitet. Ich habe von der Berliner Gesellschaft Eier erhalten und Zuchtversuche angestellt. Der schöne Spinner zeichnet sich durch ein lebhaftes und sammetartiges Rehbraun aus. Quer über die Mitte der Flügel zieht eine weiße, nach außen allmählich in die Grundfarbe verwaschene Binde, die neben dem nach innen stehenden Fensterflecke jedes Flügels sich schwach winkelig nach außen biegt, die Fensterflecke, d. h. durchsichtige, schuppenlose Stellen sind halbmondförmig, mit der Sichel nach hinten gerichtet und hier gelblich umrandet. Eine weiße, etwa M-förmige Zeichnung geht mit dem einen Fuße nach dem Vorderrande, mit dem längern andern nach der Flügelwurzel und schließt sich mit ihrem Kopfe an den Mondfleck an, auf dem Unterflügel zieht eine einfache, etwas verwischte weiße Bogenlinie über das Fensterfleck bis zur Querbinde hin. Außerdem ist der am Saume ausgeschweifte Vorderflügel über diesem Ausschnitte mit einem schwarzen Augenflecke und vor dem selben mit einer matten, weißen Zackenlinie gezeichnet. Die Fühler sind doppelt und lang kammzähnig und die Hinterränder der Leibesglieder mit weißen Haarbüscheln verziert. Dieser stattliche Spinner entwickelt sich schnell und würde selbst bei uns drei Bruten zu Stande bringen, wenn die Futterpflanzen seiner Raupe dies zuließen. Der Götterbaum ( Ailanthus gandulosa) und der einjährige Ricinus communis sind zwei bei uns eingewanderte Gewächse, die zwar unser Klima vertragen, aber einem zeitig eintretenden Froste unterliegen, so daß, wie es mir im Herbste 1864 erging, die halbwüchsigen Raupen des Futters beraubt sind. Die Raupe ist grünlichgelb gefärbt und trägt außer den sechs Reihen fleischiger Zapfen schwarze Pünktchen, zwei auf jedem Ringe zwischen den drei obern Zapfenreihen, drei um das schwarzbesäumte Luftloch zwischen den äußersten Zapfenreihen und außerdem auf jeder Fußwurzel noch zwei übereinander. Nach der letzten Häutung bekommt sie einen weißen, häufiger einen ungemein zart blauen Anflug. Diese letzteren als besondere Art, Saturnia Arindia, anzusprechen und Ricinus als ihre Nahrung zu bezeichnen, stimmt so wenig mit meinen Erfahrungen überein, als ich in den geringen Zeichnungsabweichungen, die bei den Schmetterlingen überhaupt vorkommen, einen specifischen Unterschied zu erkennen vermag. Die Raupen der zweiten Brut erscheinen im Juni oder Juli. Nach sorgfältigen Aufzeichnungen hatte eine Raupe, deren Geburtstag auf den 14. Juli fiel, am 19., 28. Juli, 8. und 14. August ihre vier Häutungen bestanden. Sie verspinnen sich, wie auch die andern, gern an ein Blatt oder zwischen Blätter der Futterpflanze und fertigen ein großes, eiförmiges Gehäuse von gelber Seide.

Der chinesische Eichen-Seidenspinner ( Saturnia Pernyi) trägt seinen wissenschaftlichen Namen zu Ehren des Abbé Paul Perny, der über die Entwickelungsgeschichte und Aufzucht des Schmetterlings in China nach Paris berichtet und sich für die weitere Verbreitung Verdienste erworben hat. Von Paris aus mag er 1870 allgemeiner bekannt geworden sein. Er ist vom Baue des vorigen, jedoch etwas kräftiger, an den Vorderflügeln mehr zugespitzt und saumwärts flacher geschweift, bei 3,6 cm. Körperlänge spannen die Flügel 11,3 cm., Maße, welche keineswegs den größten Stücken entnommen sind. Rumpf und Flügel führen eine ledergelbe Grundfarbe, jeden Flügel ziert in der Mitte ein kreisrundes dunkel, hell, dunkel gefärbtes, im Kerne durchsichtiges Augenfleck und weiter saumwärts eine weiße, nach innen dunkler beschattete Querlinie; dieselbe verläuft im Vorderflügel ziemlich geradlinig vom letzten Viertel des Innenrandes nach der Spitze, im Hinterflügel beinahe parallel mit dem Saume, ohne jedoch den Vorderrand zu erreichen. Zwischen Fensterfleck und Flügelwurzel zeigen sich bräunliche, nach innen fein weiß besäumte Zackenlinien. Der Halskragen und eine nach hinten braun begrenzte schmale Einfassung des Vorderrandes der Vorderflügel, welche nach der Spitze hin allmählich verschwindet, sind mit weißen und zahlreich eingesprengten braunen Schüppchen bekleidet. Die Kammzähne der gelben weiblichen Fühler sind merklich kürzer als die der männlichen.

Sobald diese stattlichen Falter ihrer Puppe entschlüpft und die Flügel ihnen ausgewachsen sind, paaren sie sich nach Spinnerart sogleich und bleiben bis 50 Stunden vereinigt. Drei Tage nach der Trennung, mit welcher das Männchen seinen Lebenszweck und somit sein Lebensende erreicht hat, legt das Weibchen große, braune Eier in Häufchen an die Wände seines Zwingers oder an den Gegenstand, auf welchem es gerade sitzt. Acht bis zehn Tage später schlüpfen die schwarzen Räupchen aus, welche nach der zweiten Häutung eine gelblich grüne Farbe annehmen und dieselbe bei den beiden nachfolgenden auch beibehalten. Bei einem Durchschnittsalter von zweiundfünfzig Tagen fangen sie an sich zu verspinnen in der Weise der vorigen. Die erwachsene Raupe, der nachher noch zu erwähnenden außerordentlich ähnlich, unterscheidet sich von ihr leicht durch einen braunen, dunkler gefleckten Kopf, man hat sie daher auch kurzweg die »braunköpfige Eichenraupe« im Gegensatze zu der »grünköpfigen« des japanischen Eichenspinners genannt. Sie ist lebhaft saftgrün gefärbt, über den kleinen braunen Luftlöchern zieht vom vierten Ringe an eine gelbliche, nach oben fein braun eingefaßte Seitenlinie bis nach dem Hinterende, wo sie, sich theilend, die obere und untere Afterklappe besäumt. Unter den Luftlöchern steht eine Reihe blauer Knospenwärzchen, auf dem Rücken vom zweiten bis drittletzten Gliede eine Doppelreihe etwas nach vorn gerichteter Spitzhöcker, welche gleichfalls in blaue Knöpfchen auslaufen und an den vordersten Ringen ein silberglänzendes Seitenfleckchen zeigen. Sie alle sind mit einzelnen längeren oder kürzeren, schwach keulenförmigen Borstenhaaren bewachsen, sowie der ganze Körper mit zahlreichen Punktwärzchen von gelber Farbe bestreut. Die Raupe ist ungemein träge, umfaßt mit den großen Borstenkränzen ihrer Bauchfüße das Eichenblatt oder den Eichenzweig sehr fest, frißt bei Tage und bei Nacht und zieht, wenn sie von dieser Arbeit ausruht, den Kopf ein und biegt die vorderen Körperringe etwas zurück. Das Gespinst ist grob und braun gefärbt, aber von der gewöhnlichen Eiform.

Der chinesische Eichenseidenspinner hat zwei Bruten im Jahre, die Gespinste der zweiten werden von den Chinesen in den Zimmern überwintert, während sie bis dahin die Entwicklung im Freien vor sich gehen ließen. Bei uns zu Lande würde eine Aufzucht im Freien geringen Erfolg haben, obschon nach meinen Erfahrungen die braunköpfige Eichenraupe weniger empfindlich als die grünköpfige ist, von welcher zum Schlüsse noch kurz berichtet werden mag.

Dieselbe gehört dem japanischen Eichen-Seidenspinner ( Saturnia Yama Mayu) an, welcher in jeder Beziehung dem chinesischen sehr nahe steht, sich jedoch nur einmal im Jahre entwickelt. Der Schmetterling hat dieselbe Färbung und Zeichnung, nach der Spitze hin etwas gestrecktere Vorderflügel und in den Augenflecken, welche auf dem Unterflügel entschieden mehr schwarz und dicker umrandet sind, ein kleineres, unvollkommener kreisrundes Fensterfleck. Ueberdies ändert die Grundfarbe vom lebhaftesten Gelb bis zu tiefem Braun ab, und hat daher die Aufzucht dieses Falters für den Schmetterlingsfreund ein größeres Interesse als die des vorigen. Die Raupe, deren nähere Beschreibung nach dem Gesagten erlassen werden kann, ist noch saftiger, glasartiger in ihrer Grundfarbe und in der Jugend sehr unruhig. So oft es ihr bei meinen Zuchtversuchen möglich war, in das wasserhaltende Futtergefäß zu gelangen, that sie es und ertrank. Beiläufig bemerkt, lieben beide Arten stark mit Wasser besprengtes Futter.

Je nach acht bis zehn Tagen häutet sie sich viermal und spinnt ein gelbes Cocon. Nach den Berichten, welche Herr Mach mit Zuchtversuchen im Freien (in Unterkrain 1866) angestellt hat, wird dieser Art eine Zukunft verheißen. Für jene Gegenden und solche mit gleichmäßigen warmen Sommern mag diese Ansicht ihre Berechtigung finden, für die deutschen Verhältnisse hat die Zucht im Freien keine Aussichten auf Erfolg!


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