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Der königliche Pteromaline, ein Schmarotzer im gemeinen Gallapfel.

( Torymus regius)
siehe Bildunterschrift

Legende Wespe auf einem jungen Gallapfel. Weibchen stark vergrößert.

Wir können die kleinsten der tausenderlei Schmarotzer nicht eher verlassen und zu den größeren übergehen, bis wir noch eines gedacht haben, der seine Familie vergegenwärtigen mag, welche an den geknickten Fühlern und dem überaus dürftigen Geäder der Flügelchen kenntlich ist. In stets wippender Bewegung ihres langschwänzigen Hinterleibes sind diese smaragdgrün prächtig glänzenden Thierchen, wie alle Zehrwespen, so recht eigentliche Herumtreiber. Auf Wiesenblumen, besonders den so beliebten Doldengewächsen, fehlen sie nicht, an Zäunen, auf Gebüsch laufen oder hüpfen sie – man kann füglich die ruckweise Fortbewegung vieler nicht anders bezeichnen – geschäftig umher, mit den Fühlern vorantastend kriechen sie in alle Winkel und besehen sich jegliches, denn sie suchen – – den passenden Ort für ihre Brut, die einen diesen, die andern jenen. Die abgebildete Art ist erzogen aus den gemeinen Galläpfeln unserer Eichen, und ich beobachtete im Spätsommer ein Weib beim Eierlegen. Ich war zu spät gekommen, um den Anfang seiner Arbeit sehen zu können. Es saß fest auf einem Gallapfel, und da ich ihm nahe genug war, um bemerkt zu werden, wunderte mich seine Dreistigkeit. Es blieb ruhig sitzen, weil es – nicht fort konnte; vom gelben Bohrer sammt seiner schwarzen zweiklappigen Scheide war nichts zu bemerken, er war bis an seine Wurzel versenkt in das Fleisch der Galle. Endlich wurde er behutsam gehoben, der Hinterleib und die hintersten Beine mußten mit hoch in die Luft, um endlich auch die Spitze des Stachels frei werden zu lassen, welcher an Länge das ganze übrige Thier übertrifft.

Diese gemeine Art ist veränderlich in mehr als einer Beziehung: in Färbung, im Orte seiner Entwicklung, in den Längenverhältnissen des weiblichen Bohrers. Der Körper ist hellgrün, jedoch auch blau- oder erzgrün und beim Weibchen nicht selten goldig schimmernd. Der Hinterleib, von den Seiten schwach zusammengedrückt, schimmert häufig blau, manchmal feurig roth und trägt auf seiner Rückenseite einen dunkel bronzebraunen Fleck, während die Wurzel seines Bauches gelb erscheint. Mit Ausschluß der grünen Hüften sind die Beine blaßgelb, die Hinterschenkel entweder ohne Auszeichnung oder mit einem grünen Mittelflecken an der Außenseite gezeichnet oder grün und nur an der Spitze gelb. Der Fühlerschaft ist unten hellgelb und das zweite Geißelglied länger als breit. Obgleich der Bohrer gewöhnlich länger als der übrige Körper (2,1 bis 5,2 mm.) ist, so schwankt er doch zwischen 2,1 und 6,5 mm. Dies der Laufpaß des Weibchens.

Das 1,4-3,5 mm. lange, also fast immer kleinere Männchen ändert in der Färbung mehrfach ab, sein Hinterleib ist bisweilen nur an der Wurzel grün und sonst kupfer- oder purpurfarben, und die in der Anlage gelben Beine sind an verschiedenen Stellen dunkler, ebenso der Fühlerschaft durchaus grün und nur selten blau. In beiden Geschlechtern sind die Flügel glashell und blos mit einer Randader versehen, welche hinter der Mitte des Vorderrandes in der Fläche ein gestieltes, mäßig großes Knöpfchen bildet.

Gemein ist diese Art darum, weil sie in neunzehn verschiedenen Eichengallen lebt und zwar nicht nur von den Erzeugern derselben, sondern auch von deren sogenannten Einmiethern, d. h. von andern Gallwespen, welche erst nach Beginn der Gallenbildung sich dort häuslich niederlassen, darum fällt auch das Schwärmen zu verschiedenen Zeiten. Darum und weil die Färbung sich nicht gleich bleibt, hat man die königliche Pteromaline für verschiedene Arten gehalten und mit sechs verschiedenen Namen belegt, von denen der in der ersten Auflage gebrauchte jüngere Ratzeburg'sche T. longicaudis dem älteren T. regius weichen muß, welchen ihr Nees von Esenbeck beigelegt hat. Bei dieser, wie bei allen den andern zahlreichen Torymus-Arten ist nur das dritte Glied der gebrochenen Fühler auffällig klein und bildet den sogenannten »Ringel« (nicht auch das vierte), ist der Unterrand der Hinterschenkel einfach, weder gekerbt noch mit einem Zahne versehen, ist das Schildchen ohne Querfurche und der Hinterleib an seiner Wurzel nicht verengt, sein erstes Glied beim Männchen aber ausgeschnitten.

Die Familie Pteromalinen oder Chalcidier, zu welcher unser Zehrwespchen gehört, ist ungemein reich an Arten, die auf viele Gattungen vertheilt worden sind.

Zu ihnen gehören unbedingt die kleinsten aller Insekten. Von ihrer Zartheit kann man sich einen ungefähren Begriff machen, wenn man erfährt, daß ihrer acht bis zehn in einem Schmetterlings eie sich entwickeln können. Wegen ihrer großen Mannigfaltigkeit und Menge darf man sich auch über die bedeutende Verschiedenheit ihrer Lebensweise nicht wundern. In Larven der Käfer, besonders der Borkenbewohner, der Gallwespen, Gallmücken, Blattwespen, Schmetterlinge fehlen sie nicht, bewohnen ferner Puppen kleinerer und größerer Schmetterlinge, und es ist possierlich, zu sehen, wie sie aus einem einzigen Flugloche nach und nach alle herausspaziert kommen und sich lustig auf der immer neue Völker ausschickenden Puppenhülse tummeln und bald das Weite suchen; andere können die Zeit nicht abwarten und nagen ihre eigenen Fluglöcher. In Schaaren von sechs- bis siebenhundert, also mehreren Müttern entsprossen, brechen sie manchmal aus einer einzigen Schmetterlingspuppe hervor, ja 1800 solcher Wesen wurden von Herrn Nördlinger aus einer Schmetterlingsraupe erzogen! Die Einen von ihnen bleiben ein und derselben Kerfart treu, andere bewohnen mehrere, mit oder ohne Auswahl; zu ihnen gehören auch diejenigen, welche ihr Schmarotzergeschäft bis zum zweiten und dritten Grade fortsetzen. Diese Thierchen sind infolge ihrer Kleinheit wenig beachtet und nur für das scharfe Auge eines Eingeweihten zu unterscheiden, wegen der bedeutenden Rolle, welche sie im Haushalte der Natur spielen, durften sie jedoch nicht mit Stillschweigen übergangen werden.


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