Bertha von Suttner
Eva Siebeck
Bertha von Suttner

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X.

Eva erschien nicht zum Gabelfrühstück. »Die Frau Gräfin habe Kopfschmerzen und bleibe auf ihrem Zimmer,« war von der Kammerfrau gemeldet worden.

Zur Speisestunde kam dieselbe Meldung, und »die Frau Gräfin lasse um eine Tasse Bouillon bitten«.

Befragt, was seiner Frau fehle, antwortete Robert achselzuckend:

»Ich weiß nicht ... Kopfweh, sagt sie und giebt sonst keine Antwort. Vielleicht Launen.«

Im Laufe des Nachmittags gingen die Großmutter und Irene, bei Eva nachzusehen; aber die Kammerjungfer ließ Niemand vor: »ihre Herrin schlummere«.

Indessen – Eva schlummerte nicht; auch hatte sie keinen heftigen Kopfschmerz. Sie wollte nur allein sein – allein mit ihrem Unglück, allein mit ihren Gedanken. Denn sie überlegte: wie sollte sie ihrem Loos entfliehen oder wie es tragen? Dieser Mensch, dieser Robert – er begann, ihr Abscheu einzuflößen. Wie einst – wenigen Monaten erst – sie das Bewußtsein, daß sie liebte, mit einem süßen und seligen Schauer überkam, so überkam sie jetzt mit ebenso bitterem und schmerzlichem Schauer die Erkenntniß, daß in ihr Herz der Haß sich einzuschleichen begann. Damals genügte es, das Bild des vorbeireitenden, zum Fenster hinaufgrüßenden jungen Offiziers sich vorzustellen, um von einem beglückenden, zärtlichen Empfinden durchglüht zu werden, und jetzt – wenn ihr das Bild aus der vergangenen Nacht vor das innere Auge trat – so reichte das hin, sie mit Entsetzen und Widerwillen zu erfüllen ... Und der Gefürchtete, der Verachtete war ihr Mann, der Gefährte ihrer ganzen Zukunft!

Freilich: das mußte sie zugeben – da hatte er sich richtig vertheidigt: was Einer im Rausche spricht oder thut, dafür ist sein nüchternes Selbst nicht verantwortlich. Es wäre eine Ungerechtigkeit von ihr, ihn so zu beurtheilen, als hätte er die Greuel auch begangen, die er im Irrsinn der Trunkenheit nur gesprochen. Doch, im Wein liegt Wahrheit: die Rohheit, welche sich da geoffenbart, war die vielleicht nicht die echte Grundlage seines Wesens? Auch im nüchternen Zustande ließ sein Benehmen viel Rohes durchblicken... So dachte sie hin und her, und das Ergebniß war dieses: unglücklich verheirathet. Und war denn aus diesem Jammer kein Ausweg? Nein – keiner. Ein Scheidungsgrund lag nicht vor. Das Loos war gefallen – eine grausame Niete. Aber war sie die Einzige? Wie viel tausend Frauen giebt es nicht ringsum in der Welt, denen dieses Geschick geworden: »unglücklich verheirathet!« Ergebung war das Einzige, was da übrig blieb. Auch darin lag noch eine edle Aufgabe, das über sie gekommene Leid mit Geduld tragen, mit Würde es zu verbergen trachten, es mit Demuth als Vergeltung hinnehmen. Warum war sie jener inneren Stimme nicht gefolgt, die zur Zeit der Brautschaft ihr zugerufen: »Tritt zurück, tritt zurück – Du stürzest Dich ins Unglück!« Sie hatte den leichtsinnigen Wageschritt gethan, einem Manne, den sie so gut wie gar nicht kannte, den sie auf falsche Voraussetzungen geliebt, die Hand zu reichen. Das Wagniß war mißglückt, jetzt hieß es, die Strafe abbüßen. Nur Niemandem klagen – allein, still und stolz ihren Kummer tragen. Wem auf der weiten Erde hätte sie ihr Herz auch ausschütten mögen? Es gab wohl Einen, zu dem es sie zog – aber der war der Letzte, dem sie sich anvertrauen durfte, zudem konnte sie nicht hintreten und sagen: »Ich bin elend – elend durch Deinen Sohn.«

Gegen acht Uhr kam Robert in das Zimmer. Er näherte sich dem Ruhebette, auf welchem Eva angekleidet lag.

»Schläfst Du?« fragte er leise.

Eva gab keine Antwort. Er ging wieder zur Thür und sagte dort zu Jemand, der im Nebenzimmer auf Bescheid zu warten schien:

»Sie schläft.«

»Nein, nein, ich bin wach – kommt nur herein, alle Beide,« rief jetzt Eva, glaubend, es sei Irene, welche mit Robert gekommen; und es wäre ihr lieber gewesen, in diesem Augenblick mit Letzterem nicht allein bleiben zu müssen.

Es war aber nicht Irene, welche nunmehr hinter Robert in das Zimmer kam; es war – Ralph.

»Nun Evinka – wie geht's? Bist doch nicht krank?«

Sie erhob sich aus ihrer liegenden Stellung und streckte ihm die Hand entgegen.

»O wie gut von Dir, König – nachsehen zu kommen ... ich habe Kopfschmerz, weiter nichts – auch ist mir jetzt besser –«

»Ich hab's ja gleich gesagt, daß es nichts ist,« brummte Robert. »Gesellschaft hast Du jetzt – bleibst ein Bissel hier, Vater? – so gehe ich meine Partie Billard machen – der Doktor wartet schon.« Und er ging wieder hinaus.

Ralph schob sich einen Sessel zu dem Ende des Sophas, wo Evas Kopf geruht hatte.

»Lege Dich wieder zurück, Evinka,« sagte er, die Kissen in Ordnung bringend, »so ... ich setze mich her zu Dir ... Hoch genug so? Bleib ganz still liegen ... Deine Stirn ist etwas heiß, Du armes Weibchen.«

Eva that, wie ihr geheißen. Sie legte den Kopf in die Kissen zurück und blieb ganz still. Die liebkosenden Worte aus ihres Schwiegervaters Munde; die sorgenden Verrichtungen seiner Hände – seiner schlanken, weißen Hände, – die ihr das Polster glätteten und die Stirne kühlten; der freundlich leuchtende Blick aus seinen Augen, das Alles that ihr unsäglich wohl. Nie hatte sie in der Nähe Roberts dieses zutrauenerfüllte, beruhigte Empfinden gehabt, nie dieses wohlige Bewußtsein, daß sie »liebgehabt« sei. Nur als Kind, wenn sie krank gewesen, und ihr Vater an dem Bettende gesessen, hatte sie Aehnliches gefühlt. Ja, so war es ... König betrachtete sie als Tochter und wollte sie als solche in sein Herz schließen. Da durfte sie ihn nimmermehr durchblicken lassen, daß das Band, welches sie zu seiner Tochter machte, zugleich die Fessel abgab, durch welche sie elend war.

Ralph entfernte seine Hand von ihrer Stirn, streichelte sie sanft über die Wangen und legte seinen Arm über den oberen Rand des Kissens. So zu ihr herabgebeugt, sprach er nun sanft auf sie ein:

»Evinka, meine Kleine, Du hast wohl Kummer? Rede nicht – ich weiß Alles ... Deine Kammerjungfer hat die Vorgänge der letzten Nacht nicht verschwiegen. Ja, das muß eine schmerzliche Enttäuschung für Dich gewesen sein! Du bist in Deiner Würde – in Deiner Liebe gekränkt worden – denn Du liebst doch Deinen Mann, nicht wahr? ... Ach, daß ihn diese Liebe doch bessern, veredeln könnte! ... Geben wir die Hoffnung nicht auf – Du bist so recht geeignet, einen Lebensgefährten auf bessere Bahnen zu lenken... Doch ich zweifle, daß – – sei tapfer, Kind – das heißt, lerne verzichten. Das Freudenloos, das Du verdient hättest, ist Dir nicht zu Theil geworden – aber bedenke: wie Wenige, wie wenige unter uns, denen volles Glück beschieden ist! Nicht als Trost biete ich Dir diese Erwägung an, denn das Leid der Anderen macht das eigene nicht leichter – im Gegentheil: das Elend der Welt lastet schwer auf jedem menschlich fühlenden Herzen; nicht als Trost, aber als Pflichtmahnung, als Aneiferung sag' ich Dir: Sieh, die Anderen dulden, dulde auch. –Ich wollte, das irdische Leben wäre schon so eingerichtet, daß die Freude, der Friede allerwärts überwögen, daß die Menschen alle gut und würdevoll und hellen Verstandes wären, daß es keine Einrichtungen mehr gäbe, welche uns widernatürliche Pflichten – wie die Mordpflicht im Kriege, die Ausharrungspflicht in liebeloser Ehe – auferlegen; keine Schranken mehr, an welchen unsere gefesselten Herzen und geknechteten Geister so oft sich blutig stoßen müssen – aber jene Zeit ist noch fern ... wir erleben sie nicht mehr. Wir müssen mit der Gegenwart, wie sie nun einmal ist, uns abfinden ... und da besteht der beste Muth, den man besitzen kann, aus einem Zehntel Thatkraft und neun Zehntel – Entsagung. Aber in Deinem Alter schon am Grabe des Glückes zu stehen – nicht wahr, das ist hart? Dagegen sträubt sich Dein Jugendrecht? Du bist doch an des Lebens Anfang, also willst Du ein schönes Leben erhoffen; Du willst –«

»Nein, König,« unterbrach Eva, indem sie die Augen zu ihm aufschlug. »Nein, was Du mir eben genannt hast, als den besten Theil des Muthes – Resignation – das hatte ich mir heute schon als Losung gegeben. Ich habe den ganzen Tag über meinen Kummer nachgedacht, und war zu dem Entschluß gelangt: still tragen und allein tragen. Nun aber kommst Du daher, König, und sagst mir, Du wissest Alles, und liesest in meinem Innern wie in einem Buche ... Das thut mir so wohl! Jetzt brauche ich nicht mehr einsam zu weinen, jetzt kann ich in ein Freundesherz« – sie rückte ihren Kopf etwas näher zu dem neben ihr Lehnenden und ruhte so buchstäblich an seinem Herzen – »mein Leid und meine Schuld ausschütten.«

»Welche Schuld, mein Kind?«

»Ich habe zu leichtfertig meine Hand vergeben.«

»Das ist wohl wahr ... Aber welches Mädchen kommt denn auch in die Lage, den Mann kennen zu lernen, dem sie ihre Zukunft anvertraut?«

»O doch, doch ... Ich hätte meiner inneren Stimme folgen sollen ... Habe ich denn jemals, in der Brautzeit, ein Wort aus meines Verlobten Munde vernommen, welches mich zu dem Schluß berechtigt hätte, daß er ein edler, ein hochdenkender Mensch sei? Nein – kein einziges. Hat er mir jemals Vertrauen, Bewunderung einzuflößen gewußt, wie zum Beispiel –«

»Wie wer, zum Beispiel?«

»Wie – Du, mein König.«

»Ich flöße Dir Vertrauen ein?«

»O, so volles, inniges!«

»Wenn Du wüßtest ...«

Was?«

»Nichts ... Du darfst mir vertrauen. Ich bin kein schlechter Mensch.«

»Nein – ein vollkommener.«

»O, das nicht, das lange nicht. Auch auf mir lastet manche Schuld. Wo giebt es auf dieser Welt – außer in den Dichterphantasien – vollkommene Menschen? Wir sind alle mitsammt so schwache, aus so schwankenden Regungen zusammengesetzte Wesen – von den Einflüssen der Außenwelt, von der Stimmung der Stunde, von den Umständen und Geschehnissen so abhängig ... wohl können wir uns in manchen Augenblicken zu idealen Höhen erheben – können in manchen Lagen handeln, wie es der »Vollkommenheit« entspricht; aber unabhängig, unausgesetzt von höchster Tugendhaftigkeit durchdrungen, das ist wohl keiner unter uns – ich noch weniger als viele Anderen Evinka. Gegenseitige Nachsicht brauchen wir Alle und gegenseitige Stütze. Mir liegt jetzt eine schwere Pflichterfüllung ob ... es wird mir keinen geringen Kampf kosten ... Aber reden wir nicht davon – das ist so etwas, was ich mit mir allein abmachen muß, von dem Niemand etwas erfahren darf.«

»Was kann das sein, König? Willst Du wir nicht vertrauen? Vor einer Stunde noch lastete das Leid auf mir, das ich glaubte, allein tragen zu müssen ... Da bist Du gekommen und hast diese Last mir abgenommen, hast mir gestattet, daß ich hier an Deiner Brust mich ausspreche, mich ausweine – und das ist mir so süß, daß ich jetzt gar kein Bedürfniß mehr zu weinen habe. Willst Du es nicht auch mit mir versuchen, König, und mir sagen, was Dich drückt? ...«

Er schüttelte den Kopf.

»Wenn nicht heute – vielleicht ein andermal?« bat sie.

»Vielleicht ... Heute laß mich nur Dein Arzt sein! Du armes verwundetes Frauenseelchen ... Was könnte ich Dir nur sagen, um Dich mit dem Schicksal auszusöhnen, um Dir etwas Besseres zu bieten, als vorhin – als die Entsagung. Laß es die Hoffnung sein! Es kann ja so viel Unerwartetes eintreffen in dem langen Leben, das vor Dir liegt... Auch ohne große umwälzende Ereignisse stellen sich große Aenderungen ein ... Die Zeit mit ihren sich häufenden, kleinen Wechselfällen wandelt Alles langsam um; auch hat sie im Gefolge die Gewohnheit, und die ist eine gar mächtige Abschleiferin aller unerträglich scheinenden Kanten und Ecken. Die ist die große Gleichmacherin der Schicksale: dem zu Glücklichen schwächt sie den Genuß, dem Unglücklichen mildert sie das Leid. Aber da gebe ich Dir wieder nur matten Trost, nicht wahr?«

Eva fühlte sich gar nicht trostbedürftig in diesem Augenblick. Sie war von einem eigenen träumerischen Ruhegefühl gewiegt. Der Stimmlaut allein, der an ihr Ohr schlug – auch ohne Rücksicht auf den Sinn der gesprochenen Worte –, hatte etwas so zärtlich Besänftigendes; der hinter ihrem Kopfe um das Kissen gelegte Arm hatte etwas so Schützendes, und an dieser Brust, an der sie lehnte, war es so weich und warm. Sie fühlte das Pulsiren seines Herzens und athmete den leisen Wohlgeruch, der dem aus seiner Brusttasche hervorstehenden Taschentuche entströmte.

Er sprach lange fort, doch sie war nun ganz verstummt. Nur wenn er eine Frage stellte, so machte sie ein bejahendes oder verneinendes Zeichen. Nach und nach wurde auch sein Reden von immer längeren Absätzen unterbrochen; immer leiser und seltener fielen die Worte von seinen Lippen – schließlich verstummte auch er.

Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, und durch das offene Fenster drangen die Zwitscherlaute der zur Nachtruhe sich versammelnden Vögel, die Rufe der sich aufbäumenden Pfauen.

»Schläfst Du, Kleine?« fragte Ralph nach langer Pause.

Eva schlief nicht, doch gab sie keine Antwort. Sie lag in einer Art Halbschlummer, aus dem sie sich nicht herausreißen wollte. Er beugte sich noch etwas tiefer über sie herab und drückte seine Lippen auf ihren Scheitel in einem langen – wie segnenden Kuß.

Dann stand er geräuschlos auf und ging leisen Schrittes zum Zimmer hinaus.

Eva rief ihn nicht zurück. Wie sie so dalag, ohne Stellung zu wechseln, war ihr als sei der Abwesende noch bei ihr. So wie man bisweilen eine Melodie noch im Innern fortklingen hört, wenn die betreffende Musik schon verstummt ist, so fühlte Eva noch die Nähe desjenigen, der nicht mehr da war. Dieselbe Wärme, derselbe Duft, dieselbe Athembewegung, derselbe sanfte Druck des über ihrem Haupte liegenden Armes und auf ihrer Stirn derselbe Hauch des zuletzt gegebenen Gutenacht-Kusses. Dabei empfand sie, wie ihr Herz sich weitete in einer unendlich süßen Liebesregung: König – König! Du freundlicher, guter, einziger, theurer König! Wie gut ist es doch, jemand so recht innig lieb zu haben und zu wissen, daß dieser Jemand Einem so wohlwill ... Ganz arglos, in voller Unschuld gab sie sich der beglückenden Regung hin.

Er war ja kein Fremder; sie war ja hier im Hause seine Tochter, und er würde sie schützen und hegen ... Sie wollte ihn bewundern und von ihm lernen, und manchmal – wenn ihr einsam und sehnsüchtig zu Muthe wäre – würde sie wieder so sehnsuchtsgestillt an seinem Herzen ruhen wie jetzt – d. h. wie vorhin. Ja, wie recht hatte er doch mit seinem Trostworte gehabt, daß so viel Unerwartetes eintreten könne: noch vor ein paar Stunden war sie arm und jetzt so reich – reich an zärtlicher, sanft glühender, heilig reiner Tochterliebe.

»Warum liegst Du da im Finstern – und bei offenem Fenster – und ganz allein?«

Mit diesen Worten trat Irene, welche gekommen war, um nachzusehen, wie es der Cousine gehe, an Evas Lager und schreckte diese aus ihren Träumereien empor. »Da muß man doch gleich...« fuhr sie fort und drückte den Glockenknopf an der Wand. »Schließen Sie die Fenster, bringen Sie die Lampe,« befahl sie der eintretenden Kammerjungfer.

Eva setzte sich auf. Der ganze Zauber war gebrochen. Es war ihr, als sei sie aus einer Verzückung erwacht, als wäre das Alles vielleicht nur Täuschung gewesen, was eben ihren Sinn erfüllte – vielleicht war König gar nicht bei ihr gewesen. »Sag mir, Irene, hast Du meinen Mann – hast Du Deinen Onkel gesehen?«

»Deinen Mann sah ich vor ungefähr einer Stunde ins Dorf hinausgehen – und dem Onkel begegnete ich vor ein paar Minuten, als er eben von hier kam.«

Also doch!

»Ist Dir wieder ganz Wohl? Willst Du später hinaufkommen, oder soll ich Dir den Thee hierherbringen lassen und Dir Gesellschaft leisten?«

»Ich werde Dich bitten, mir eine Tasse Thee herunterzuschicken – ich habe noch etwas Kopfschmerz und brauche nur Ruhe und Einsamkeit.«

»So wirfst Du mich zur Thür hinaus? Auch gut. Ich kenne das: wenn ich Kopfweh habe, bin ich am liebsten allein, und umgekehrt – wenn ich am liebsten allein bleibe, schütze ich Kopfweh vor. Gute Nacht also, liebes Herz – ich verschwinde. Den Thee sollst Du bekommen und ein paar gute Sachen dazu.«

Eva war wieder allein; doch nicht auf lange – nach einer kleinen halben Stunde kam Robert daher.

»Wie?« sagte Eva erstaunt, »Du begiebst Dich heute schon so früh zur Ruhe – es kann ja kaum zehn Uhr sein?«

»O, ich bin nur gekommen, weil die Anderen schlafen gegangen sind – und da sehe ich nach, was Du machst – aber ich werde doch noch ein wenig hinausschauen... Der Verwalter hat mit mir wichtig zu reden, und den treffe ich beim Mondwirth.«

»Beabsichtigst Du wieder so spät, wie gestern, und in dem Zustand ...?«

»Ich verbitte mir diese Einmischungen, diese bissigen Bemerkungen. Ich werde zurückkommen, wann und wie es mir beliebt. Wenn ich mir auch einen leichten »Schwips« hole, so brauchst Du darum nicht Tags darauf den Katzenjammer zu haben. Uebrigens, ich mach' Dir einen Vorschlag – damit wir Beide ungenirt sind – ich werde mein Bett in mein Arbeitszimmer hineinstellen lassen, das hat seinen eigenen Eingang, da störe ich Dich nicht beim Nachhausekommen.«

Mit dieser Einrichtung war Eva sehr einverstanden. Es wäre ihre gräßlich gewesen, wieder einen solchen Auftritt erleben zu müssen, wie den gestrigen; und überhaupt – auch wenn er nüchtern bliebe – die Nähe Roberts war ihr gerade jetzt besonders unangenehm.

»Ich habe nichts dagegen,« antwortete sie laut. »Gieb gleich, wenn Du jetzt fortgehst, die nöthigen Befehle.«


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