Rudolph Stratz
Seine englische Frau
Rudolph Stratz

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Zweites Buch

9

Well – Mr. Merker – wohin?«

Der kleine Mr. Woodland, früher Captain in Diensten Ihrer britischen Majestät in Indien, jetzt Londoner Klubmann, ein schmächtiger, fast zierlich gebauter alter Junggeselle, mit einem feinen, rosigen Gesicht, hob mahnend die Hand.

»Versäumen Sie nicht den Start, Mr. Merker! Gleich wird das vierte Rennen beginnen!«

Er sprach mit Helmut Merker beinahe so kordial wie mit einem seiner Landsleute. Denen glich jener auch äußerlich, in seinem karierten Ulster, dem hohen grauen Hut, dem am Riemen über die Schulter gehängten Fernglas, den aufgekrempelten Beinkleidern. Er hätte ganz wohl ein Fabrikbesitzer aus der guten Stadt Manchester sein können, deren Nähe drüben, am Ende der kahlen Flächen hinter der Rennbahn ein meilenweiter, düster unter dem trüben Frühjahrshimmel brütender Schornsteinqualm verriet. Er warf einen mißmutigen Blick über die grüne, von den schwarzen Massen der Zuschauer eingesäumte Rasenfläche, winkte dem Gentleman mit der Hand zu und sagte: »All right!« und ging weiter. Von drüben, vom Menschengewimmel des dritten Platzes her, klang wildes Geschrei bis zu der großen Tribüne. Die Volksbuchmacher standen dort, in Phantasieuniformen, in der Livree eines Hotelportiers, im Weiß eines Kochs, in grellen Clownmänteln, auf ihren Schemeln inmitten der Menge, eine mächtige Geldkatze vor dem Leib, und brüllten. Es klang wie das nächtliche Bellen großer Hofhunde. ›Vier zu fünf auf Usury‹ . . . Um sie herum wettende Fabrikarbeiter, fahl von der Staubluft der Spinnräume und fiebrig vom Sport. Erst als Helmut Merker die Paddocks hinten erreichte, wurde es um ihn stiller. Hier waren nur die Auserwählten. Das alte Bild: die friedlich im Kreise stelzenden Pferde, die bunten, auf ihnen kauernden Jockeis, die sorgenvoll, mit zusammengebissenen Lippen, sie musternden Wettlustigen . . . Es war keine sehr große Bahn, die von Manchester, und es war kein großer Tag. Nichts von der Nervenerschütterung der Grand National drüben in Liverpool, dem fröhlichen Volksfest des Derby. Es war guter Durchschnittssport. Tägliches Brot des Briten.

Helmut Merker sah sich tiefsinnig die Tiere an. Er dachte sich: ›Warum eigentlich? Die Biester laufen heute nicht anders wie alle Tage . . .‹ Da hörte er sich beim Namen gerufen. Sein Vetter Wolfgang von Wilding aus Frankfurt trat lachend mit einer Gebärde der Überraschung auf ihn zu. Die beiden jungen Männer schüttelten sich die Hände. Der ehemalige Cecil-Rhodes-Stipendiat meinte: »Na – nu hört aber die Weltgeschichte auf! Helmut, wie kommst du denn gerade hierher?«

»Sehr einfach! Ich habe für den Sommer für meine Frau und mich und unser Töchterchen ein Haus in Wales drüben gemietet – ganz nahe von Galt-y-Bladur, dem Landsitz unseres Schwagers Mac Cornick. Da sind wir heute zu dem Rennen mit dem Auto herüber. So was läßt sich Edith nicht entgehen!«

»Ist sie hier?«

»Dort, auf der Klubtribüne! Ich bummle hier solo so 'n bißchen herum. Uff . . . ich sag' dir: ich bin froh, daß ich mal wieder Deutsch reden kann! Ich verlerne es hier fast . . .«

»Ja – hör mal . . . ich bin, wie du wohl weißt, jetzt in Berlin, Streber im Auswärtigen Amt, und hab' die Geschichte nicht so recht verfolgt: Du hattest doch eigentlich die Absicht, dich in unserer Gegend anzukaufen? Nicht?«

»Das wollt' ich allerdings – vorigen Sommer, wie ich das Jahr Urlaub nahm . . .« Helmut Merker musterte unbehaglich, mit scheinbarem Interesse, eines der vorbeigeführten Pferde, das aus Aufregung vor dem Rennen schwitzte und rauchte. Er hatte etwas Gedrücktes an sich. Den klugen Augen des Vetters entging das nicht.

»Ich hätt' es auch getan!« setzte er hinzu. »Aber der Alte sträubt sich! Der Schwiegerpapa! Nicht mit List und nicht mit Gewalt dazu zu bringen! Zulage, so viel man haben will und mehr! Aber die einmalige große Ausgabe für ein Gut – nee! Warum, das wissen die Götter! Der reine Eigensinn! Was liegt ihm denn am Geld? Er wühlt ja drin!«

»Und was machst du denn jetzt?«

»Vorläufig privatisiere ich in England, wie du siehst! . . . Wir mußten doch herüber, um den Alten zu bearbeiten, und nachdem sich das zerschlagen hatte, war meine Frau nicht mehr aus ihrer Heimat wegzubringen. Sie fühlt sich hier so wohl . . .«

»Das glaub' ich!« sagte Wolfgang von Wilding, mit einem eigenen Lächeln, das dem andern nicht entging. Der fuhr rasch, im Tone eines nachlässigen Weltmanns fort: »Im Season gehen wir jetzt ein bißchen nach London! Nachher nach Schottland – zum Sport in den Highlands! . . . Später wohl an die See!«

»Wie lange dauert denn noch dein Urlaub?«

»Nicht mehr ganz ein halbes Jahr. Bis zum ersten Oktober!«

»Und dann . . .?«

Dem Oberleutnant Merker war die Frage unangenehm. Er schaute hinaus auf die Rennbahn, auf der die Pferde in buntem Gänsemarsch erschienen und aufkanterten, und zuckte die Achseln.

»Es ist doch mehr ein schonender Übergang ins Zivil. Der Oberst wollt' es so. Sonst wäre ich gleich abgeschnappt. So halten sie einen immer noch sozusagen par distance an der Strippe!« Er wechselte rasch und offensichtlich den Gesprächsstoff, der ihm nicht behagte. »Nun erzähl aber mal: Was hast du denn hier vor?«

»Ich bin nur auf acht Tage rüber, um alte Oxforder Freunde zu besuchen!« Wolfgang von Wilding wies auf die Gruppe glattrasierter, vornehmer, junger Athleten, von denen er sich getrennt hatte. »Übermorgen geht's wieder heim! Aber 's ist ganz gut, sich die Engländer mal wieder von Zeit zu Zeit aus der Nähe anzusehen! Ich brauch' es für mein künftiges, diplomatisches Metier! Die Kerle seifen uns ja an allen Ecken und Enden der Welt ein! . . . Aber mir machen sie nichts mehr vor!«

Er hatte, wenn er von dem Angelsachsentum sprach, einen Ton, nicht von Überlegenheit, aber von sorgloser Unabhängigkeit. Gerade darin war er diesen Antipoden ähnlich. Er stand auch frei für sich über den Dingen.

»Panem et circenses!« sagte er. »Ich kann mir nicht helfen: so, wie jetzt England ist, denk' ich mir immer das alte Rom. Riesenhaft und mit allen Zeichen des Verfalls. Weideflächen, wo früher die Bauern waren. Kein Brot im Land. Na – und ob nun das Korn damals aus Sizilien oder jetzt aus Argentinien kommt, ob man auf Gladiatoren oder auf Jockeis wettet . . . Donnerwetter . . . da läutet's auch gerade!«

Ein Glockenzeichen hatte den Ablauf der Pferde von dem fernen Startplatz gemeldet. Der junge Frankfurter Patrizier begab sich eilig nach vorne. Sein Vetter Helmut folgte ihm langsam. Mochte es auch um tausend Guineas gehen – das war hierzulande nichts Besonderes. Er hatte schon ganz andere Rennen miterlebt. Dutzende. Eigentlich war es immer dasselbe. Ein Aufschrei der Massen. Dann Stille. Vereinzelte Stimmen. Draußen auf dem grünen Rasen so wie jetzt in der Ferne rasch gleitender Flimmer des Jockei-Dreß. Ein-, zweimal in der Runde, bis zum Einlauf. Da kamen sie: die Gäule sich streckend, lang werdend, als wären sie aus Gummi, die Jockei-Zwerge unter wütendem Peitschengefuchtel auf ihren Hälsen, ein rasendes, vieltausendstimmiges, fast verzweifelt wie in Todesnot klingendes: »Usury! . . . Usury! . . . Go on! . . . go on! . . . Usury! . . . go on . . .!« Na schön . . . da war dieser Gaul nun also glücklich der Erste am Ziel . . . Es machte auf Helmut Merker keinen Eindruck. Seinen Vetter konnte er in dem Durcheinander nicht mehr entdecken. So wandte er sich um und betrat die für Klubmitglieder und deren Gäste reservierte Tribüne. Von nebenan, von dem ersten Platz, scholl schon wieder das Bellen der Buchmacher für das nächste Rennen. Nur waren sie hier, unter dem Zwanzig-Mark-Publikum, manierlicher, beinahe wie gewöhnliche Menschen gekleidet. Neben jedem von ihnen stand auf ebenem Boden ein zweiter Galgenvogel und trug die Wetten in sein Notizheft ein. Die ganz vornehmen Mitglieder der Gilde lehnten abseits an dem trennenden Gitter. Sie trugen keine Geldtaschen um den Leib. Sie rechneten monatlich mit ihren Kunden ab. Sie glichen äußerlich Gentlemen. Dicht bei ihnen stand innen, in reserviertem Viereck, eine große Gruppe von Herren und Damen. Helmut Merker erkannte seine Frau. Sie jubelte. Ihre Augen glänzten. Sie hatte doch recht behalten mit ihrer unerschütterlichen Meinung für den Stall des Lords Soundso. Sie hatte auf Usury gewonnen. Ihr Mann hörte beim Näherkommen, wie sie, begeistert über ihren Sieg, ausrief: »It's not a horse! It's one and a half! – Das ist nicht ein Pferd, das sind anderthalb!«

Er blieb schweigsam und in sich versunken, bis sie nach Schluß der Rennen im langen Zug der Autos an der eine Viertelstunde weit hintereinander harrenden Reihe leerer Straßenbahnwagen hinein nach Manchester fuhren. Im großen Midland-Hotel, wo sie aßen, war alles voll. Ein flutendes Menschengewimmel durch die Säle und Restaurants. Ihr eigener Tisch umrahmt von anderthalb Dutzend Gesichtern, von denen er die Hälfte gar nicht, oder nur ganz flüchtig kannte. Edith war mit ihnen allen vertraut, schüttelte Hände nach rechts und links, nickte Freunden in der Ferne zu. Sie war wieder daheim, in der großen Gemeinsamkeit der Ladies und Gentlemen, auf den britischen Inseln. Ihn betrübte das, so natürlich es war. Er aß wenig und saß nachdenklich da. An seinem Ohr verhallte das Sportgerede um ihn wie eintöniges Regengeplätscher im November. Dann kam, zu Ende des Mahls, Wolfgang von Wilding von einem Nebentisch, begrüßte erst Mrs. Merker und setzte sich dann zu ihrem Mann. Sie sprachen über dies und jenes, und der Frankfurter Patrizier versetzte gedämpft auf deutsch: »Hör mal: du hast doch einen Bruder Hugo?«

»Sag lieber: ich hatt' ihn! . . . Er taugt den Kuckuck was!«

»Er war der einzige von euch, den ich früher kannte. Er kam, wie ich eben Student geworden war, mal zu mir und versuchte einen Pump!«

»Hoffentlich hast du ihn 'rausgeschmissen?«

»Ungefähr! Mit etwas Geld auf der Hand! Stehst du mit ihm noch in Verbindung?«

»Nein. Wir alle längst nicht mehr!«

»Da wird dich das vielleicht interessieren: Also mit diesem Hugo en question bin ich vorige Woche von Calais nach Dover gefahren. Ich hab' ihn gleich erkannt, obwohl er sich fern vom Schuß hielt. Mit den Stewards stand er scheint's auf Du und Du. Er klappert offenbar also die Gegend bis London chronisch ab!«

»Ich glaubte ihn in Amerika!« sagte Helmut Merker. Sein Blick und Ton hatten etwas Geistesabwesendes. Wieder hatte der andere das Gefühl, irgendwie auf ihn zu drücken, ihn unsicher und beklommen zu machen. Er begriff nicht recht, wie das zuging. Er stand bald auf und verabschiedete sich.

»Auf Wiedersehen in Deutschland! Heute über acht Tage sitze ich schon wieder in der Wilhelmstraße. Ganz interessant. Gerade jetzt. Der politische Horizont umwölkt sich wieder einmal bedenklich . . .«

»Zwischen wem denn?«

»Na – zwischen Liberia und Haiti nicht, sondern über der Nordsee! Zwischen denen hier und uns! Also lebt wohl!«

›Zwischen denen und uns‹ . . . Helmut Merker klang es im Ohr nach, als der Vetter schon längst gegangen. Er dachte sich: Wo bin denn da ich? Auch zwischen denen und uns! . . . Nicht Fisch und nicht Fleisch!

Er erhob sich still, warf draußen seinen Mantel um und ging ziellos hinaus ins Freie. Es war schon dunkel. Lange Laternenreihen erhellten die schnurgeraden, endlosen Straßen von Manchester. Eine war wie die andere. Unermeßliche Menschenfluten wälzten sich wie trübe schwarzgraue Bäche auf ihnen hin, nahmen ihn mit. Um ihn englische Gesichter, englische Laute, englische Firmenschilder an den Häusern. Dann die Stille des jetzt verödeten Geschäftsviertels. Enge Gassen. Düstere, riesig ragende Wolkenkratzer – Zwingburgen des Reichtums von Lancashire und wieder Lärm und Leben von Oxfordstreet. Das Geschrei der Zeitungsjungen. Helmut Merker kaufte sich ein Abendblatt und überflog es unter einer Laterne. Ja. Da stand es, was der Vetter gesagt: Großer Lärm in London. Interpellation im Unterhaus. Deutschland schielt nach einer Kohlenstation im Persischen Golf . . . Es fiel ihm ein: Ich bin doch noch Offizier. Ich trag' doch den Säbel an der Seite! Wer weiß, wann die Stunde kommt, wo ich ihn ziehen muß . . .?

»The last news!« schrieen um ihn die hellen Kinderstimmen der Zeitungsjungen, »Germany in Persia!« Die Volksmassen Englands strömten, die Policemen hoben warnend an den Straßenecken die Hand, betrunkene Weiber torkelten aus den Gin-Kneipen, ohne daß das einen Menschen wunderte – Helmut Merker frug sich auf einmal: ›Wie komm' ich denn hierher?‹ Er schüttelte den Kopf. Es schien ihm wie ein Gleichnis, daß er jetzt hier, in der fremden großen Stadt, völlig den Weg verloren hatte: Bei einem Schutzmann erkundigte er sich nach der Richtung und erreichte das Hotel, wo man im Eifer der Sporterörterungen kaum bemerkt hatte, daß er gegangen war, und ebensowenig, daß er wiederkam. Er nahm seinen Platz ein. Sein Auge schweifte durch den Saal. Er hatte eine unwillkürliche unangenehme Empfindung bei dem Anblick eines ihm bekannten Gesichts da drüben. Richtig: dieser kleine, unenglisch aussehende Herr mit dem zahnbürstenartig kurzen, blonden Schnurrbart, der dort offenbar mit anderen Spinnereibesitzern aus der Umgegend zusammensaß, war Augustus Fleck, der britische Imperialist und Ediths abgewiesener Freier.

Zufällig trafen sich Helmuts Blicke mit denen des Manchestermanns drüben, ruhten eine Sekunde kalt ineinander. Helmut Merker schaute weg und wunderte sich über sich selber. Er konnte das sichere, fröhliche Gefühl des Triumphs über seinen Nebenbuhler nicht mehr aufbringen wie vor zwei Jahren. Ihm war immer, als hätte Augustus Fleck der Jüngere irgendwie an ihm Rache für seine Niederlage genommen. Es war irgendeine Macht in den Dingen – es hatte sich etwas in ihnen verändert, verschoben – oder in ihm selbst – er konnte es sich nicht klarmachen.

»Die deutsche Flotte!« schrieen draußen die Zeitungsjungen durch Räderrasseln und Automobilgetute. Es war wie ein Weckruf. Er nahm einen Schluck Portwein, schwieg, sann vor sich hin . . .

»Deutschlands verdächtige Umtriebe in Koweit!« Die schrillen Kinderstimmen der Zeitungsboys wurden nicht müde. Helmut Merker hatte auf einmal die ehrliche Anwandlung, hinauszugehen und einem der Bengel ein paar hinter die Löffel zu hauen, nur als ein Gleichnis, als eine sinnbildliche Handlung zur Wahrung seines Standpunkts. Es war in ihm wieder die sonderbare Frage: ›Was hab' ich denn eigentlich hier verloren?‹

Und dann sagte er sich plötzlich selbst unerbittlich und offen: ›Warum ich hier bin? Hier ist meine Frau. Und ich bin der Mann meiner Frau . . . Und weiter nichts!‹

»Gewiß kommen wir auf acht Tage nach Cowes!« sagte Edith eifrig, oben am Tisch zu ihren Nachbarn. »Wir sind ja doch einen guten Teil des Sommers bei father in Rosemary-Hills! Wahrscheinlich bis tief in den Herbst hinein!«

Helmut Merker runzelte die Stirne.

»So?« sagte er. »Davon weiß ich ja noch gar nichts!« Sie lenkte sofort ein und lächelte.

»Ich meine ja auch nur so, Hellie! Es ist ja noch nichts entschieden . . .«

»Oh . . . wirklich?«

»Pa wollte es nur so gerne! Ich sprach mit ihm in London darüber. Wo sollten wir denn auch sonst hin?«

»Wir müssen doch auch einmal wieder nach Deutschland zurück, Edith!«

»O nein!«

Sie bereute das Wort in dem Augenblick, da sie es vorschnell ausgesprochen. Die Miene ihres Mannes hatte sich verdüstert. Sie merkte: sie hatte ihn jäh verletzt. Die Tischgesellschaft lachte wie über einen guten Witz und sah den Mr. Merker belustigt an. Sein Schwager Mac Cornick, der Liverpooler Baumwollmann, der ihm in seinem blonden Phlegma gegenüber saß, meinte, in einem Aufblitzen von Humor in seinen träumerischen blauen Geschäftsaugen: »Mir scheint, Helmut, Ihre Frau erlaubt das nicht, daß Sie nach Deutschland gehen!«

Und Fred, der Sportsmann, der bei keinem Rennen fehlte, und heute eine Stange Gold bei den Buchmachern gelassen hatte, zwinkerte seinem deutschen Schwager humoristisch zu. Es hieß ungefähr: »All right – tüchtig unter dem Pantoffel – old boy – was?«

Helmut Merker zuckte die Achseln. Er tat, als ginge ihn die Sache nichts an und schaute, seine Zigarre rauchend, ins Leere. So wandte sich das Gespräch wieder anderen Dingen zu. Dem Rennen heute. Usury! Usury war gewiß einen halben Stone besser als ihre bisherige Klasse. Sie stand glorreich nach Hause! Ihr Speed . . . Ediths Mann hörte nicht zu. Er sagte sich: Was bist du denn eigentlich in den Köpfen dieser Leute dort? Nichts als der mitdurchgefütterte deutsche Vetter! . . . Sie haben das Geld. Das ist ihr Rückhalt. Du hattest von Hause aus keinen Groschen. Aber die deutsche Armee stand hinter dir, gab dir höhere Werte, als man sie im Warenhaus kaufen kann, hob dich über dich hinaus, verlieh dir auch in den Augen dieser Ausländer Bedeutung als Glied eines großen Ganzen. Von ihr losgetrennt, bist du nichts. Eine Null. Ein Anhängsel des englischen Hauses Wilding . . .

Er blieb stumm, bis man aufbrach. In heller, herber Frühlingsnacht fuhr er mit seiner blonden Frau im Auto heim. Um sie dehnten sich im Mondschein die öden freudlosen Flächen der Fabrikgegenden von Lancashire. Sie waren allein im Wagen. Nur vorn, jenseits der Glasscheibe, als stummer Schatten, Robinson der Chauffeur, und zu ihren Füßen Mac Gregor, der greise Otternfänger. Die Gummiräder rollten leise, eilig. Die Maschine summte ihr rastloses Lied. Bäume, Dachfirste, Kirchtürme flogen draußen im Helldunkel vorbei. Die beiden schwiegen in ihren schweren Automobilpelzen lange Zeit. Sie fühlten etwas Trennendes zwischen sich. Dann sagte Edith plötzlich, zu seiner Überraschung, um ihn versöhnlich zu stimmen, auf deutsch: »Das war heute ein schöner Tag, nicht?«

Sie war immer zufrieden, wenn etwas geschehen war. Wählerisch war sie darin nicht. Sie genoß alles, was die Jahreszeit bot: Sport, Gartenpartien, Bälle, Ausflüge – sie war darin ganz wie ihre Mutter. Er zuckte die Achseln.

»O ja . . . es war ja ganz nett, Edith! Eigentlich war es wie alle Tage! . . . Ich möchte dich gerne etwas fragen . . .«

»Bitte, Hellie?«

Sie war erfreut, daß er ihr nicht böse war, und lächelte ihm freundlich zu. Er versetzte: »Hast du mal darüber nachgedacht, wie das nun auf die Dauer weitergehen soll?«

»Wie denn? Was soll sich denn ändern, Hellie?«

»Also: man steht jetzt auf – nicht wahr – hat jeden Morgen sein kaltes Bad, seinen Tee und Frühstück – reitet spazieren . . . nimmt seinen Lunch . . . geht auf den Golfplatz . . . kommt zum Fünfuhrtee heim . . . zieht sich zum Dinner um . . . sitzt im Drawing-Room . . . trinkt seinen Brandy und Soda . . . geht wieder zu Bett . . . einen Tag um den andern – das ist, wie wenn man ein Uhrwerk aufzieht – bei dir – bei mir – bei allen Leuten, die ich hier kenne . . .«

»Well!« nickte sie und verbesserte sich gleich auf deutsch. »Freilich, Hellie . . .«

»Denn ob man mal zur Abwechslung Moorhühner schießt oder Lachse fängt oder hinter den Hunden reitet oder nach Coventgarden in die Oper fährt – das ändert ja an der Sache an sich nichts – höchstens an ihrer Form . . .«

Er sah ihr rosiges Gesicht unter dem Autoschleier, verständnislos, mit einer verwunderten Spannung auf sich gerichtet. Er dämpfte seine Stimme. Sie klang leise, fast ängstlich.

»Ja . . . das ist alles ganz gut und schön . . . aber es muß doch auch einmal etwas anderes kommen, Edith . . .«

»Was denn?«

»Das weiß ich nicht . . . Ich habe nur so ein sonderbares Gefühl . . . eine Ungeduld . . . Ich erwarte immer etwas . . . etwas Neues, woran man seine Kräfte erproben kann . . .«

Sie überlegte. Sie wollte so gern seinem Gedankengang folgen. Nun hatte sie es gefunden und schlug freudig vor: »Du mußt mehr Sport treiben, Hellie! Das wird dir gewiß gut tun!«

Aber damit goß sie nur Öl ins Feuer. Er fuhr gereizt auf.

»Euer Sport ist eine Spielerei! . . . Nichts als Zeittotschlag, weil ihr nichts Besseres zu tun habt! Verrückt macht es einen auf die Dauer – dies ewige Pferde- und Lawn-Tennis- und Cricketgekolke . . .«

»Oh . . . Hellie!«

Mrs. Edith Merker sprach es sanft und vorwurfsvoll. Sie blickte ihn an, ob er noch ganz bei Trost sei. Es lag eine Welt in den zwei Worten. Gut, daß niemand außer ihr, hier im Mutterland des Sports, diese schimpfliche Äußerung gehört! Er rückte näher zu ihr heran und faßte ihre Hand.

»Laß das gut sein, Kind!« sprach er. »Darüber ist mit euch nicht zu reden! . . . Aber sag mal selbst: Kribbelt's dir denn nicht auch in den Fingern, wenn du mich so unserm Herrgott die Tage stehlen siehst? Kannst du mir das nicht nachfühlen, daß ich mir einmal einen Zwang wünsche: ›Das und das mußt du jetzt tun – sonst holt dich der Deubel . . .‹ – statt dem ewigen Müßiggang . . .?«

Sie begriff nicht, wo er hinaus wollte. Sie überdachte ernstlich den Fall und fand nun, ihrer Hoffnung nach, das beruhigende Wort: »Alle leben doch so, Hellie – außer Pa! Warum du nicht?«

». . . Weil das Engländer sind und ich . . . ich weiß nicht: vielleicht steckt der Tätigkeitstrieb uns Deutschen zu sehr in den Knochen . . .«

»Spekuliere ein bißchen an der Börse, Hellie! Meine Brüder tun das oft. Das zerstreut viele!«

Er schüttelte verzweifelt den Kopf.

»Gutes Kind: das ist doch immer dieselbe Couleur in Grün! . . . Das seid ihr . . . Was meinst du? Jawohl . . . ich soll Geduld haben, bis die Londoner Season kommt und wir uns wieder bei irgendeinem Sir Tripstrill herumdrücken dürfen? . . . Liebste . . . dir macht das einen Heidenspaß . . . ich hab's dick bis dahin! . . . Ich komm' mir unnütz vor . . . Vollkommen unnütz . . . das ist gräßlich . . .«

»Aber Hellie!«

Sie weinte fast, weil sie so gar nicht seine plötzliche Aufregung begriff. Sie meinte es doch so gut mit ihm. Er hatte doch alles, was er brauchte. Und wenn nicht, dann bat man father darum, und der schrieb den Scheck. Es war doch alles so bequem und einfach. Sie erwähnte das auch und erntete von drüben nur dieselbe ablehnende Kopfbewegung.

»Schau, Edith . . . wir reden zwei verschiedene Sprachen und reden doch ausnahmsweise mal Deutsch! In Deutschland ist es eben nun einmal anders wie hier! Wenn jemand hier in Gottes Namen was tun will, dann tut er's auf eigene Faust. Er steht allein. Bei uns drüben – ich weiß nicht recht, wie ich's nennen soll – es arbeitet sich eben alles in die Hände. Es ist wie bei einem großen Neubau. Eine Unmasse Menschen sind für das gleiche Ziel tätig, und weil so viele den gleichen Willen haben, wird's auch was, und der einzelne kann stolz darauf sein, daß er mit dazu gehört! . . . Bei uns hat das eine ganz andere Bedeutung – das Wort Arbeit . . . oder gar Dienst . . .«

Er sprach das letzte unsicher, gedämpfter, wie vor sich selber zögernd, aus. Sie vernahm es wohl. Aber sie überhörte es absichtlich. Es paßte ihr nicht. Es erweckte Erinnerungen an Alsheim an der Bergstraße, an lächerliches Kleinstadtwesen, an trampelnde Ordonnanzen mit Blechmappen, an beiläufig-allgemeine Bemerkungen der Kommandeuse beim Tee, die die eingeladenen Regimentsdamen in gehorsamem Schweigen nach Bedarf auf sich beziehen konnten – Gottlob – das war vorbei! . . . Von der nahen irischen See trug ein kräftiger Nordwind einen frischen, freien, salzigen Hauch durch die Nacht. Sie wickelte sich fester in ihren Pelz und wartete, ob er noch etwas sagen würde. Wirklich: Er begann wieder . . . zwischen den Zähnen . . . gedrückt . . .

»Edith: in fünf Monaten ist mein Urlaub zu Ende . . . Dann heißt's: Friß, Vogel, oder stirb!«

»Das war doch nur eine Formsache, Hellie!« tröstete sie ihn sanft.

»Du meinst, ich bin schon so gut wie abgehalftert! . . . 'raus aus der Armee! . . . Nee, Kind . . . noch lange nicht! . . . Mein Plätzchen ist noch offen. Es steht nur bei mir . . .«

»Oh . . . Hellie – das ist doch nicht dein Ernst . . .«

»Ja, warum denn nicht, zum Kuckuck?« Er war nervöser, als er selbst begriff. »Ich bin noch Offizier. Ich kann es bleiben. Und wenn ich fühle: ›ich muß es bleiben!‹ – ich bitte dich, Edith: versuche nicht, mich daran zu hindern . . .«

»OK . . . I see . . .« sagte sie. Es klang seltsam . . . zögernd . . . zugebend und zurücknehmend zugleich. Nach einer Weile begann sie freundlich: »Hellie . . . Wie wir uns heirateten – bin ich nicht mit dir ohne Widerrede nach Deutschland gegangen, an diesen kleinen, heißen Platz mit den vielen Mücken, und habe nicht geklagt, nicht wahr?«

»Nein!«

»Und wie du dich da über Mr. Grempe geärgert hast, hab' ich dir mit keinem Wort zugeredet, aus deinem Regiment wegzugehen – nicht wahr?«

»Nein!«

»Und wie du dann in Deutschland einen Sitz kaufen wolltest, war ich auch dazu bereit und kann nichts dafür, daß Pa das Geld dazu nicht hergab – nicht wahr?«

»Nein!«

»Well, Hellie! Dann hab' ich doch das Meinige getan, um mit dir drüben zu bleiben, so sehr ich mein Land liebe. Und wie es also drüben mit uns auf keine Weise ging, warst du das nicht, der zuerst gesagt hat: ›Wir wollen einmal auf einige Zeit als unabhängige Leute nach England‹ – nicht wahr?«

»Ja.«

Edith Merker nickte und schloß: »Gut. Da bin ich erst mit dir hier herüber zurückgekommen. Aber nun bleib' ich hier . . .«

»Edith . . .«

»Doch, Hellie! Deine Heimat hat uns keine Freude bereitet. In meiner Heimat hat man uns mit offenen Armen aufgenommen. Hier ist es so schön! Hier bleib' ich!«

»Aber Edith . . . darüber habe doch ich zu be . . .«

»Deswegen will ich im Sommer zu father nach Rosemary-Hills. Father liebt mich. Er hat uns sicher den Landsitz in Deutschland abgeschlagen, weil er mich in der Nähe haben will. Hier in England kauft er uns gewiß etwas! Ich werde warten, bis die Kurse gut sind, und ihn dann gleich darum bitten, Hellie!«

»Ja – und dann?«

Er kam immer wieder auf dieses, ihr komische: Und dann? zurück. Sie machte große Augen.

»Dann leben wir da, Hellie, bis wir mal sterben!«

»Und was tun wir bis dahin?«

»Oh – was alle tun . . .«

»Das heißt: Nischt! – Das ist ja eben das Verdammte!«

Edith wurde etwas böse.

»So? Nun – wer bei uns um sein Leben arbeitet, ist eben kein Gentleman!«

Helmut Merker lächelte verächtlich.

»Danach ist zum Beispiel mein Bruder Leopold in Ludwigshafen, der durch seine ehrliche Arbeit unsere ganze Familie über Wasser gehalten hat, der mich und Kurt hat erziehen und ausbilden lassen, der meine Mutter unterstützt hat, nachdem sie durch Hugos Leichtsinn alles verloren hatte, der jetzt redlich für seine Frau und seine Kinder sorgt, – danach wäre dieser tätige, nützliche, mitten im Leben stehende Mann in euren Augen ein unanständiger Bursche, weil er am Quartalsersten sein Gehalt empfängt, und vor jedem blödsinnigen Pflastertreter in Piccadilly ersterbt ihr in Ehrfurcht! Das ist ein Unfug! Das halt' ich nicht mehr aus! Das mach' ich nicht mehr mit!«

»Früher dachtest du anders darüber!« sagte sie betrübt. Er nickte.

»O ja! . . . Ich hab' Lehrgeld bezahlt! Ich hab' euren unabhängigen Gentleman durchschaut, seit ich ihn selber spiele! . . . Glaub mir: es ist ein fadenscheiniges Ding. Es ist von vorgestern. Früher galt es für vornehm, zu faulenzen. Heute nicht mehr. Heute schaut jeder, wo er Hand anlegt. Wenn man nicht Sportfex ist, schnappt man ja über bei dem Stumpfsinn hier. Nee, Edith – ich will und muß mich wieder nützlich machen. Das kann ich nur in dem Metier, das ich gelernt hab'! Und da ich nicht Schneidergeselle bin, sondern Offizier, so muß ich wieder zum Säbel greifen. Eigentlich furchtbar einfach . . .«

»Ich geh' nicht wieder nach Deutschland!« sagte Edith freundlich. Ihr Gesicht war sanft und hübsch wie immer. Ein plötzliches Bangen ergriff ihn. Er war in einer ungewissen, zerrissenen Stimmung. Er schwieg lange Zeit. Sie hatten Crewe hinter sich gelassen und rollten den langen, niederen, dunkel am Nachthimmel abgezeichneten Berglinien von Wales zu. Endlich schaute er sie an. Er sagte leise: »Jetzt ist's gerade zwei Jahre her, daß wir uns in Dover zum erstenmal gesehen haben!«

»Oh – das war der beste Tag meines Lebens!«

Er nickte dankbar.

»Nicht wahr? Wir lieben uns doch, Edith?«

Wieder war sie erstaunt über die Frage. Natürlich liebte sie ihren Mann. Sehr. Er fuhr fort: »Da müssen wir zu überwinden suchen, was in uns gegeneinander kämpft. Wir müssen uns immer sagen: Das sind gar nicht wir selbst! Das sind unsere Rassen! Aber die dürfen uns nicht beirren!«

»Nein, Hellie!«

»Wir müssen uns nur nach uns selber richten!«

»Ja, Hellie!«

»Und da bist du meine gute, süße, tapfere Frau und gehst wieder mit mir nach Deutschland!«

»O nein, Hellie!«

Er biß sich auf die Lippen und verstummte. Der Mond schien hell. Das Auto rollte dahin. Der Weg begann zu steigen. Wald dunkelte umher. Vom Hang zur Rechten dämmerte eine ungefüge, turmlose Burg mit ihren grauen Steinmassen wie ein Drache des Mittelalters auf sie hernieder. Der Chauffeur vorne beugte sich stumm vor und schaltete die zweite Übersetzung ein. Die Maschine ratterte stärker, keuchte, stieg. Sie waren im Lande Wales, nicht mehr ferne von ihrem Heim.

Er brach die Stille zwischen ihnen, in der er immer demselben Gedanken nachgehangen hatte.

»Schau, Edith: Wenn ich doch muß! . . . Da kann ich doch nichts dafür . . .«

»Was mußt du denn, Hellie?«

»Es ist etwas wach in mir geworden . . . Pflichtbewußtsein . . . Oder Selbstbewußtsein . . . Es ist zu stark. Wird immer stärker. Irgend etwas ruft mich . . . nach Deutschland . . .«

»Ach . . . du gehst ja nicht!« sprach sie ganz beruhigt. Sie war ihrer Sache sicher. Er fühlte, ohne daß sie selber es wollte, aus ihrem Ton zu ihm einen Unterschied gegen früher. Sie ordnete sich nicht mehr unwillkürlich unter, wie anfangs, als gläubige, ganz auf ihn angewiesene junge Frau in der Fremde. Sie hatte den Boden des Mutterlands unter den Füßen, sie hatte den Rückhalt an den Ihren, sie hatte das Geld. Sie betrachtete sich als den stärkeren Teil in der Ehe und war überzeugt, daß es so bleiben würde. Das klang selbst durch ihr Lachen. Sie schaute ihn übermütig an.

»Was zieht dich denn so nach Deutschland, Hellie? Ist dir der Hauptmann Grempe lieber als ich? Ohne mich gehst du doch nicht! . . . Ich komme nicht mit. Also bleiben wir beide hier . . .«

Sie betrachtete das gar nicht mehr als eine Kraftprobe, sondern als eine längst durch den Gang der Dinge entschiedene Sache. So erklärte sie, als sie einige Tage später auf ein paar Stunden zu Besuch in Galt-y-Bladur, dem gälischen Landsitz ihrer Schwester, Mrs. Jane MacCornick, war und mit der und ihrer Mutter den Nachmittagstee trank: »Ihr müßt mir alle helfen, daß mein Mann Vernunft annimmt! Er hat es doch hier so gut. Er hat es selbst so gewünscht! Was will er denn nun noch da drüben?«

Mrs. Wilding ließ die siebente heiße Butterschnitte hinter ihren großen, weißen Schneidezähnen verschwinden, hungrig vom stundenlangen Tennisspiel, das ihr, der Fünfundfünfzigjährigen, so leicht fiel wie einem Backfisch. Sie war in Eile und Reisekleidung. Draußen harrte schon das Automobil. Sie mußte quer durch England nach Torquay im Süden, um da eine Freundin zu treffen, und dann nach Paris und auf einen Sprung an die Riviera zu Bekannten. Man hatte alle Hände voll zu tun im Leben. Sie nickte.

»Father und ich wollen dich hier im Lande behalten, Edith!«

»Das meint mein Mann auch, eine Engländerin soll keine Deutsche werden,« sagte Jane. »Die Deutschen sind unsere Feinde!«

»Und meine Brüder fragen auch,« versetzte Edith Merker, »›warum willst du dich in Deutschland langweilen, wenn du dich in England amüsieren kannst‹ . . .«

Nach einem kurzen Schweigen setzte sie hinzu: »Ich hab' Hellie doch so lieb. Ich will nur sein Bestes. Und der Dienst drüben tut ihm nicht gut. Ich hab' es doch gesehen. Er leidet darunter, wenn sie dort mit ihrem Säbel fuchteln und mit kirschrotem Gesicht auf ihn einschreien . . . Oh . . . viel lauter als bei uns ein Mann auf der Straße schreien würde. Man denkt, sie bringen sich um. Nachher tun sie, als wäre nichts geschehen! Aber er erträgt das nicht. Wir würden in kurzem dieselbe Sache noch einmal durchmachen! Das können wir uns doch sparen!«

»Ja, wahrlich!« sprachen die beiden anderen Ladies aus einem Mund.

»Jetzt haben wir ja noch den ganzen Sommer vor uns!« schloß Edith Merker. »Vielleicht kommt er da von selbst zur Vernunft. Wenn nicht, dann muß Pa ein Machtwort sprechen. Er hat das Geld . . .«

»Und damit die Kontrolle!« versetzte Mrs. Wilding streng.



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