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Sechsunddreißigstes Kapitel.
Ein Verwandter.

Verwandte sucht er hier! – Sein Recht ward anerkannt.

Das verlaßne Dorf.

Bei der unerwarteten und unerwünschten Erscheinung, welche sich ihm zeigte, wie wir am Schlusse des vergangenen Kapitels es erwähnten, zurückschreckend, fühlte sich doch Mowbray zugleich einigermaßen erleichtert, daß seine Zusammenkunft mit Lord Etherington, die so peinlich entscheidend sein mußte, noch aufgeschoben war. Er fragte also halb verdrießlich, halb innerlich zufrieden, was ihm in so später Stunde die Ehre des Besuches Mr. Touchwood's verschaffe.

»Die Nothwendigkeit, die selbst auch ein altes Weib in den Trab bringt,« entgegnete Touchwood, »keinesweges meine Wahl, das versichere ich Ihnen. – Sehen Sie, Mr. Mowbray, ich wollte lieber den St. Gotthard übersteigen, als mich wieder der Gefahr aussetzen, die ich diese Nacht hier auf Ihren verwünschten halsbrechenden Wegen und in dem verdammten stoßenden Karren überstehen mußte. – Auf mein Wort, ich glaube, ich muß Ihren Kellner um irgend eine Art Trunk bemühen – ich bin so durstig wie ein Kohlenträger bei der Stückgießerei. Sie haben doch wohl Porter, wie ich vermuthe, oder guten alten schottischen Zwei-Pfennig-Schnaps?«

Mit einer geheimen Verwünschung über die Unverschämtheit seines Gastes gebot Mr. Mowbray seinem Diener, Wein und Wasser herbei zu bringen, welches Touchwood in einem Becher mischte, den er ausleerte.

»Wir sind eine kleine Familie, und selten bin ich zu Hause,« – sagte sein Wirth. »Noch viel seltner empfange ich Gäste, wenn ich zufällig hier verweile. – Es thut mir leid, kein Malz-Getränk Ihnen vorsetzen zu können, wenn Sie es vorziehen.«

»Vorziehen?« fragte Touchwood, indem er zugleich ein neues Glas von Sekt und Wasser mischte, ein großes Stück Zucker hinzufügend, um die Heiserkeit abzuwenden, welche die Nachtluft, wie er meinte, ihm leicht zuziehen konnte. »Ganz gewiß, ich ziehe es weit vor, und das thut ein Jeder, die Franzosen und Zieraffen ausgenommen. – Nehmen Sie es nicht übel, Mr. Mowbray, Sie sollten ein Oxhoft davon aus Meux kommen lassen. – Der kräftige, braune Trank wird von dort zur Ausfuhr in die Colonien gezogen, erhält sich, so lange man will, und bleibt in jedem Clima gut. – Ich habe es an Orten getrunken, wo das Quart bis auf eine Guinee gekommen wäre, wenn man die Interessen zum Kapital gerechnet hätte.«

»Wenn ich die Ehre des Besuchs Mr. Touchwoods erwarte, werde ich suchen, besser damit versehen zu sein,« entgegnete Mowbray. »Jetzt aber war Ihre Ankunft hier völlig unerwartet, und es wäre mir lieb, zu erfahren, ob sie irgend einen besondern Grund hat?«

»Das nenne ich gerade den rechten Punkt treffen,« sagte Mr. Touchwood, seine stämmigen Beine gerade ausstreckend, wie sie eben mit ihren alten Bedeckungen, den Stiefel-Strümpfen, ausstaffirt waren, so daß seine Hacken auf die kleine Schirmwehr des Kamins sich stützten. »Auf mein Wort, in dieser Jahreszeit wird das Feuer zur schönsten Blume der Gärten. – Ich nehme mir die Freiheit, ein Stück Holz hinein zu werfen. – Ist es nicht etwas Sonderbares, daß man in Schottland nie ein Bündel Reisig antrifft? – Sie haben viel kleines Buschwerk, Mr. Mowbray, ich wundere mich, daß Sie sich nicht einen Burschen aus den mitten im Lande liegenden Grafschaften kommen lassen, Ihre Leute es zu lehren, wie man Reisigbündel anfertigt.«

Fast mürrisch fragte Mowbray: »Kommen Sie so weit her, blos um mich das Geheimniß zu lehren, wie man Reisigbündel macht?«

»Nicht eben durchaus deßhalb,« entgegnete der unerschrockene Touchwood – »nicht ganz genau deßwegen, aber es gibt bei allen Dingen eine gute und böse Seite – und ein Wort, welches die rechte andeutet, kann niemals überflüssig sein. – Was übrigens mein besonderes und nothwendigeres Geschäft anbetrifft, das ist, wie ich Ihnen versichern kann, an sich sehr dringender Art, da es mich in ein Haus führt, wo ich sehr erstaunt bin, mich zu sehen.«

»Das Erstaunen, Sir, ist wenigstens gegenseitig,« erwiederte Mowbray, da er bemerkte, daß sein Gast inne hielt, »es ist vollkommen Zeit, sich darüber zu erklären.«

»Nun wohl,« begann Touchwood. »Ich muß Sie zuerst fragen, ob Sie nie von einem gewissen alten Herrn reden hörten, der Scroggie hieß, der es sich in dem, was er seinen Kopf nannte, störrisch vorsetzte, sich seines väterlichen Namens zu schämen, obwohl viel achtbare und ehrenwerthe Leute ihn führten, und es vorzog, ihn mit Ihrem Beinamen Mowbray zu verbinden, weil dieser mehr eine Art von ritterlich normännischem Laut, kurz mit einem Worte, einen adeligen Klang hatte?«

»Ich hörte von einem solchen Manne, obwohl erst vor Kurzem,« sagte Mowbray. »Er hieß Reginald Scroggie Mowbray. Ich habe Ursachen, seine Verwandtschaft mit meiner Familie nicht zu bezweifeln, obwohl Sie ihrer mit spöttischem Lächeln erwähnen. Ich glaube, Mr. Scroggie Mowbray hat seinen letzten Willen sehr in der Absicht entworfen, daß sein Erbe sich durch Heirath mit unserm Hause verbinden sollte.«

»Recht, Mr. Mowbray, wahr und richtig, und gewiß werden Sie sich kein Geschäft daraus machen wollen, die Axt an die Wurzel des Baumes zu legen, der Ihnen die goldenen Früchte tragen soll.« –

»Gut, gut, Sir! – Doch weiter – fahren Sie fort!«

»Sie werden also vielleicht gehört haben, daß dieser alte Herr einen Sohn hatte, der mit Freuden den alten Stammbaum zu Reißbündeln zerschnitten hätte; dieser fand nun, daß Scroggie eben so gut als Mowbray klang, und hegte gar keine Vorliebe für einen eingebildeten Adel, den man durch den Umtausch des eigenen Namens und gleichsam durch die Verläugnung der eigenen Verwandten erwerben mußte.«

»Ich glaube, Mr. Touchwood, ich hörte schon durch Lord Etherington, dem ich überhaupt meine Nachrichten über diese Scroggie'schen Leute verdanke, daß der alte Mr. Scroggie Mowbray mit einem Sohne sehr übel daran war, der seine Plane bei jeder Gelegenheit durchkreuzte – sich keines Anlasses bedienen wollte, den ihm der Zufall darbot, seine Familie zu erheben und auszuzeichnen – nur gemeine Neigungen hegte, eine Art Wanderleben führte und ganz sonderbare Grillen durchzusetzen strebte – weßhalb eben sein Vater ihn enterbte.«

»Es ist sehr wahr, Mr. Mowbray, daß dieser Mann der Gegenstand des Unwillens seines Vaters ward, weil er eitlen Prunk und Förmlichkeit verachtete – es vorzog, als ein ehrsamer Kaufmann Geld zu verdienen, statt es als müßiger Edelmann zu verschwenden – nie einen Wagen nahm, wenn ihm das Zufußegehen besser behagte – und lieber auf die Börse als nach St. James ging. – Kurz, sein Vater enterbte ihn, weil er sich dazu eignete, seine Besitzung zu verdoppeln, statt sie zu verschleudern.«

»Das mag Alles ganz wahr sein, Mr. Touchwood; aber ich bitte Sie, was hat dieser jüngere Mr. Scroggie mit Ihnen und mit mir zu schaffen?«

»Was er mit uns Beiden zu schaffen hat?« fragte Touchwood, als erstaune er auf das höchste über diese Worte: »Mit mir hat er mindestens gar viel zu schaffen, da ich es selbst bin!«

»Der Teufel auch, sind Sie's!« rief Mowbray jetzt seinerseits die Augen weit aufreißend: »Aber Mr. A – Ihr Name ist ja Touchwood – P. Touchwood. Paul oder Peter, wie ich vermuthe. – Ich las ihn ja auf dem Gesundbrunnen in der Subscriptions-Liste.«

»Peregrine, Sir, Peregrine – meine Mutter verlangte, daß ich so getauft würde, weil während ihres Wochenbettes eben Peregrine Pickle heraus kam; und mein armer Vater willigte ein, weil er es für einen adeligen Namen hielt. Ich kann ihn nicht leiden und schreibe immer blos ein P. hin, und Sie haben vielleicht auch noch ein S. vor dem Beinamen bemerkt. – Ich unterschreibe mich jetzt P. S. Touchwood. Ich hatte einen alten Bekannten in der Vorstadt, der stets sein kleines Späßchen zu machen liebte – er nannte mich immer Postskriptum Touchwood.«

»Also, Sir, wenn Sie wirklich Mr. Scroggie tout court sind, so muß ich voraussetzen, daß der Name Touchwood angenommen ist.«

»Was zum Teufel,« entgegnete Mr. P. S. Touchwood, »glauben Sie, daß es im Englischen keinen Namen gibt, der sich eben so rechtmäßig mit meinem väterlichen Namen Scroggie einen wird, als der Ihrige Mr. Mowbray? – Ich kann Ihnen versichern, daß ich den Namen Touchwood und ein gut Stück Geld dazu von einem alten Pathen erhielt, der meine Klugheit, mich treu dem Handel zu weihen, bewunderte.«

»Gut, Sir, ein Jeder hat seinen Geschmack. Viele würden es vorgezogen haben, Ihres väterlichen Erbes unter dem Namen Mowbray zu genießen, statt sich ein anderes durch die Annahme des Namens Touchwood, eines Fremden, zu erwerben.«

»Wer sagte Ihnen, daß Mr. Touchwood ein Fremder für mich sei?« fragte der Reisende. »So viel ich weiß, hatte er mehr Recht, kindliche Pflichten von mir zu fordern, als der arme alte Mann, der sich so zum Narren machte und noch in seinen alten Tagen zum Edelmann umschaffen wollte. Jener Touchwood war Compagnon meines Großvaters in der berühmten Firma, Touchwood Scroggie und Compagnie. – Lassen Sie sich immerhin versichern, in eine gute Handlung als Erbe einzutreten, gilt eben so viel, als Landgüter zu erwerben. – Die Compagnons einer Handlung können als Väter und Brüder angesehen werden, und einen tüchtigen Hauptbuchhalter kann man sehr gut einem Geschwisterkinde vergleichen.«

»Ich hatte nicht die Absicht, Sie auf irgend eine Art zu beleidigen, Mr. Touchwood Scroggie.«

»Scroggie Touchwood, wenn es Ihnen gefällig ist,« sagte der Alte. »Erst muß der Scroggie'sche Zweig stehen, denn er mußte Wurzel geschlagen haben, ehe er Touchwood werden konnte. Ha ha ha. – Sie verstehen mich!«

»Das ist ein sonderbarer Mensch!« dachte Mowbray bei sich, »der mit gediegenem Geldstolz spricht; aber ich will höflich gegen ihn sein, bis ich übersehen kann, was er beabsichtigt.« –

Laut fuhr er fort: »Sie sind munterer Laune, Mr. Touchwood. Ich wollte nur sagen, daß, obwohl Sie keinen Werth auf Ihre Verbindungen mit meiner Familie legen, ich doch nicht das Dasein derselben vergessen kann und folglich Ihnen zu Shaw-Castle den herzlichsten Willkommen biete.«

»Dank Ihnen, Dank Ihnen, Mr. Mowbray; wußte wohl, daß Sie Alles im rechten Lichte betrachten würden. Ihnen offen die Wahrheit zu gestehen, viel würde ich mir eben nicht daraus gemacht haben, hieher zu kommen und um Ihre Bekannt- und Verwandtschaft zu bitten, aber ich dachte, Sie würden in Ihrer Noth handlicher sein, als Ihr Vater in seinem Glücke.«

»Kannten Sie meinen Vater, Sir?«

»Ei ja wohl! – Ich kam vor Zeiten einmal hieher, und ward bei ihm eingeführt – sah Sie und Ihre Schwester als kleine Kinder – dachte damals daran, mein Testament zu machen und würde Sie Beide darin bedacht haben, ehe ich mich aufmachte, Cap-Horn zu umschiffen. Aber der Tausend, ich wünschte, mein armer Vater hätte den Empfang gesehen, der mir ward. Ich ließ den alten Herrn, den damaligen Mr. Mowbray, meine Geldsäcke nicht wittern – das hätte ihn vielleicht umgänglicher gemacht – wir lebten zwar einige Tage ganz anständig mit einander, dann ward mir aber ein Wink gegeben, daß man meines Zimmers bedürfe, weil der Herzog, der Teufel weiß wovon, erwartet würde, und mein Bette für seinen Kammerdiener bestimmt sei. – O hol der Teufel alle adeligen Vettern! dachte ich, und machte mich wieder auf die Fahrt um die Welt, und dachte an keinen Mowbray mehr, bis etwa vor einem Jahre!« –

»Und was rief uns Ihrer Erinnerung zurück?«

»Sehen Sie, ich hatte mich auf einige Zeit in Smyrna niedergelassen (denn ich ließ mein Geld arbeiten, wo ich Lust hatte – selbst seit ich zurück bin, habe ich hier schon etwas Geschäfte gemacht); also wie gesagt, da ich in Smyrna war, machte ich die Bekanntschaft Francis Tyrrels.«

»Des natürlichen Bruders Lord Etheringtons?«

»Ja des sogenannten! aber allmählich möchte er sehr wahrscheinlich im Stande sein, sich selbst als Graf von Etherington auszuweisen und den andern zum Bastard zu machen.«

»Den Teufel auch, mag er es sein! Sie setzen mich in Erstaunen, Mr. Touchwood!«

»Ich dachte es mir gleich! – Ich dachte es mir! – Meiner Treu, ich erstaune zuweilen selbst über den Ausgang, den manche Dinge in der Welt nehmen. Aber darum ist die Sache nicht weniger sicher. – Die Beweise ruhen in dem eisernen Kasten unsers Handelshauses in London, wo sie der alte Graf niederlegte, der seinen Betrug gegen Miß Martigny schon lange vor seinem Tode innig bereute, aber nicht den Muth hatte, seinem rechtmäßigen Sohn Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, bis ihn der Todtengräber zur Ruhe brachte.«

»Gerechter Himmel, Sir! Und wußten Sie es diese ganze Zeit schon, daß ich im Begriff war, die einzige Tochter meines Hauses, meine Schwester, einem Betrüger zu vermählen?«

»Was hatte ich mich darum zu bekümmern?« fragte Touchwood. »Sie würden in schönen Grimm gerathen sein, hätte Ihnen irgend Jemand zugetraut, nicht scharfsinnig genug für Ihr und Ihrer Schwester Wohl zu wachen. Ueberdem war Lord Etherington, so wenig er sonst taugen mag, bis ganz kürzlich kein Betrüger, oder mindestens ein Unschuldiger, denn er nahm nur den Platz ein, auf welchen sein Vater ihn gestellt hatte. Und in der That, als ich hörte, da ich nach England kam, daß er hierher ginge, um sich um Ihre Schwester zu bewerben, da gestehe ich, ich sehe nicht ein, was er in der That Besseres hätte unternehmen können. Er war ein armer Bursche, der im Begriff stand, seines Lords-Titels und seines Reichthums beraubt zu werden; war es nicht natürlich, daß er seinen Rang, so lange er ihn noch besaß, so vortheilhaft als möglich benützte; und wenn er durch die Heirath mit einem hübschen Mädchen, während er noch seinen Grafentitel behauptete, sich die schöne Besitzung Nettlewood zueignen konnte, ei nun, ich sehe darin nichts weiter, als eine rechte gute Art, seinen Sturz mindestens zu mildern.«

»Für ihn mochte sie in der That sehr gut und sehr erwünscht sein,« sagte Mowbray; »aber ich bitte Sie, Sir, was sollte wohl aus der Ehre meiner Familie werden?«

»Ei nun, was ging mich die Ehre Ihrer Familie an?« fragte Touchwood, »wenn ich nicht etwa deßhalb mich für sie bemühen sollte, weil ich ihr zu Ehre enterbt ward? – und war dieser Etherington oder Bulmer nur ein guter Mensch, so hätten meinetwegen alle Mowbray's, die je feine Tuchkleider trugen, nach Jericho wandern können, ehe ich mich eingemischt hätte.«

»Ich bin Ihnen in der That sehr für Ihre Freundschaft verpflichtet,« sagte Mowbray ärgerlich.

»Mehr als Sie es jetzt glauben,« antwortete Touchwood. »Denn damals dachte ich, jener Bulmer selbst, wenn seine unehliche Geburt erwiesen würde, könnte noch immer eine ganz annehmliche Partie für Ihre Schwester sein, wenn man die Besitzungen betrachtete, welche diese Verbindung ihnen ertheilen konnte; aber jetzt, da ich entdeckte, daß er ein Schurke ist – in jeder Hinsicht ein Schurke, wollte ich keinem anständigen Mädchen wünschen, ihn zu heirathen, sollte sie auch selbst ganz Yorkshire statt Nettlewood erhalten. Deßhalb komme ich, Ihnen die Wahrheit zu entdecken.«

Das Befremdende der Neuigkeiten, die Touchwood so unerwartet mittheilte, nahm Mowbray's Kopf so ein, daß er fast einem Menschen glich, der bei dem Anblick eines Abgrundes, an dessen Rande er sich befindet, vom Schwindel ergriffen wird. Touchwood bemerkte seine Bestürzung, die er bereitwillig für ein Anerkenntniß seines sich so glänzend zeigenden Genies annahm.

»Trinken Sie ein Glas Wein, Mr. Mowbray,« sagte er mit wohlgefälliger Gutmüthigkeit. »Trinken Sie ein Glas alten Sekt – nichts kommt dem gleich, um uns den Gedanken zu entwirren – und scheuen Sie sich darum nicht etwa vor mir, daß ich Sie so plötzlich mit solchen wunderlichen Nachrichten überraschte. – Sie werden mich als einen offenen, einfachen, gewöhnlichen Mann kennen lernen, der wie andere Leute seine Fehler und dummen Streiche macht. Ich gebe es zu, daß vieles Reisen und Erfahrung mich zuweilen veranlassen, mich gar geschäftig in allerlei Dinge zu mischen, weil ich gefunden habe, daß ich Manches besser wie andere in Ordnung zu bringen verstehe; auch setze ich gern die Leute in Erstaunen – das habe ich aus dem Grunde gelernt. Aber trotz alledem bin ich un bon diable, wie der Franzose sagt; und jetzt bin ich so etwa vier- bis fünfhundert Meilen hergekommen, um ruhig hier bei Ihnen zu verweilen und all' Ihre kleinen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, eben in dem Augenblicke, wo Sie sich in der verzweiflungsvollsten Lage glauben.«

»Ich danke Ihnen für Ihre guten Absichten,« sagte Mowbray; »aber ich muß dennoch bekennen, daß sie noch wirksamer gewesen wären, wenn Sie zu meinen Gunsten weniger List aufgeboten und mir offen mitgetheilt hätten, was Sie vom Lord Etherington wußten. So wie es nun steht, sind die Sachen fast erschreckend weit vorgerückt. – Ich habe ihm meiner Schwester Hand zugesagt – ich habe mir persönliche Verpflichtungen gegen ihn auferlegt – auch gibt es außerdem noch Gründe, die mich fürchten lassen, daß ich diesem Manne mein Wort halten muß, er sei Graf oder nicht.«

»Was?« rief Touchwood aus. »Wollen Sie Ihre Schwester einem unwürdigen Schurken geben, der fähig ist, das Postamt zu bestehlen und seinen Bruder zu ermorden, weil Sie eine Lumperei an ihn verloren haben? – Wollen Sie ihn siegend davon ziehen lassen, weil er sowohl Spieler als Betrüger ist? – Sie sind mir ein schöner Herr, Mr. Mowbray von St. Ronans – Sie sind eins jener glücklichen Schäfchen, die nach Wolle ausgehen und geschoren zu Hause kommen. – Sehen Sie, Sie halten sich für einen Mühlenstein, und sind eigentlich der Sack mit Korn, der gemahlen wird. – Sie fliegen als Falke aus, und kehren als Taube zurück. – Sie gedachten über die Philister zu kommen, und diese haben Ihnen die Augenzähne nachdrücklich vergeltend ausgezogen!«

»Das ist Alles sehr witzig, Mr. Touchwood, aber der Witz allein wird diesem Etherington, oder wer er sonst sein mag, nicht die vielen Hunderte, die ich gegen ihn verlor, bezahlen.«

»Nun denn, so muß die Weisheit das bewirken, was dem Witz nicht gelingt. Ich muß es Ihnen vorstrecken, das ist Alles. Sehen Sie, Sir, ich gehe um nichts und wieder nichts eben nicht zu Fuße – habe ich gearbeitet, so habe ich auch geerntet – und gleich dem alten Burschen in der Komödie ›habe ich genug, und kann meine Grillen durchsetzen;‹ – weder einige wenige Hunderte noch Tausende vermögen es, den alten Touchwood in seinen Planen zu stören; und mein jetziger Vorsatz ist, Sie, Mr. Mowbray, frei wie den Vogel im Walde zu machen. – Wie, noch immer schauen Sie so ernsthaft vor sich nieder? – Nun ich hoffe doch, solch' ein Narr sind Sie nicht, Ihre Würde gekränkt zu finden, weil der bürgerliche Scroggie dem gewaltig hohen Hause der Mowbray's Unterstützung verleihen will?«

Mit noch immer trübe niedergeschlagenen Blicken entgegnete Mowbray: »Ein solcher Thor bin ich in der That nicht, den Beistand zurückzuweisen, der sich mir wie ein hülfreiches Seil dem Ertrinkenden beut; – aber es gibt noch einen Umstand,« – er hielt abbrechend inne und trank ein Glas Wein – »ein Umstand, dessen zu erwähnen mir unsäglich peinlich ist – aber Sie scheinen mein Freund zu sein – und ich kann Ihnen meinen Glauben an die Versicherungen Ihrer Theilnahme nicht deutlicher beweisen, als wenn ich Ihnen sage, daß jenes Geschwätz, das sich Lady Penelope über meine Schwester gestattete, es höchst nothwendig macht, daß sie verheirathet wird; und ich kann nicht umhin, ernstlich zu fürchten, daß der Bruch dieses Heirathsplanes ihr eben jetzt sehr nachtheilig sein möchte. Sie werden Nettlewood besitzen und können getrennt leben; – er hat sich angeboten, schon an dem Tage der Hochzeit selbst die nöthigen Einrichtungen dazu zu treffen. Als verheirathete Frau ist sie jeder üblen Nachrede entnommen und gegen Mangel gesichert, vor welchem ich selbst sie leider nicht mehr lange schützen könnte.«

»Schämen Sie sich! – schämen Sie sich!« rief Touchwood, schneller als gewöhnlich sprechend. »Wollten Sie Ihr eigen Fleisch und Blut diesem Bulmer verkaufen, bloß weil eine erbitterte alte Jungfer Miß Clara verleumdet? Eine schöne Achtung, die Sie da dem verehrten Namen Mowbray beweisen! – Wenn mein armer alter einfältiger Vater gewußt hätte, was die Eigner dieses hoch bedeutenden Sylbenpaares, bloß um sich Unterhalt zu sichern, zu thun sich entschlössen, würde er so wenig der edlen Mowbray's, als der demüthigen Scroggie gedacht haben. Ja ich behaupte dreist, die junge Lady ist gerade so wie die Andern – begierig, sich zu verheirathen, gleichviel mit wem.«

»Ich bitte um Verzeihung, Mr. Touchwood; meiner Schwester Gesinnungen sind so ganz von denen verschieden, die Sie ihr zutrauen, daß wir uns eben im größten Unmuthe trennten, weil ich ihr diesen Mann aufzwingen wollte. Gott weiß, es geschah nur, weil ich keinen andern Ausweg aus dieser Noth sah. Da Sie aber bereitwillig sind, Sir, mich diesen verwickelten Bedrängnissen zu entziehen, die, wie ich bekenne, meine eigne Heftigkeit nur noch verworrener machte, bin ich bereit, Ihnen Alles zu überlassen, als wären Sie mein dem Grabe entstiegner Vater. Demunerachtet muß ich mein Erstaunen eingestehen, daß Sie so genau mit diesen Angelegenheiten bekannt sind.«

»Jetzt sprechen Sie mit wahrem Gefühl, junger Mann! Was übrigens meine genaue Kenntniß aller dieser Dinge anbetrifft – seit einiger Zeit bin ich mit Mr. Bulmers feinen Ränken so genau vertraut, als sei ich bei allen Streichen, die er Ihrer Familie spielte, nicht von seiner Seite gewichen.« Vertraulicher fuhr er fort: »Schwerlich würden Sie wohl erwarten, daß eben das, was Sie so sehr erfüllt zu sehen wünschten, schon in einem Sinne eigentlich sich ereignete, und der eheliche Segen schon früher über Ihre Schwester und diesen vorgeblichen Lord Etherington ausgesprochen ward.«

»Sehen Sie sich vor, meine Offenheit nicht zu mißbrauchen, Sir!« rief Mowbray heftig. »Zeit, Ort und Gegenstand eignen sich nicht zum unbescheidenen Scherz!«

»So wahr ich lebe, ich spreche ganz im Ernste,« sagte Mr. Touchwood. »Mr. Cargill vollzog die Feierlichkeit, und es gibt zwei lebende Zeugen, welche die Worte zu ihm sagen hörten: »Ich, Clara, nehme dich, Francis etc.« oder was sonst die schottische Kirche an die Stelle dieser mystischen Formel sprechen läßt.«

»Es ist unmöglich!« rief Mowbray; »Cargill würde so etwas nicht gewagt haben. – Eine solche heimliche Trauung würde ihm seine Stelle kosten. Ich wette meine Seele gegen ein Hufeisen, es ist Alles Trug; und Sie, Sir, kommen hierher, mitten in meinem Familienunglück mich durch Sagen zu stören, die nicht mehr Wahrheit in sich fassen, als der Alkoran.«

»Auch in dem Alkoran steht viel Wahres; (doch heißt es eigentlich bloß der Koran, denn die Sylbe Al ist nur der vorgesetzte Artikel; doch das thut nichts.) – Noch höher will ich Ihre Verwunderung steigern, ehe ich zu Ende bin. Es ist sehr wahr, daß Ihre Schwester durch eine Heirath mit diesem Bulmer, der sich Graf von Etherington nennt, verbunden ward; aber eben so wahr ist es, daß die ganze Heirath auch nicht einen Pfifferling werth ist, denn sie sah ihn damals für einen Andern an – mit einem Worte, sie hielt ihn für jenen Francis Tyrrel, der jetzt das ist, wofür sich der Andere ausgab, ein reicher Edelmann.«

»Ich kann von allem Diesen nicht ein Wort verstehen. Ich muß augenblicklich meine Schwester befragen, ob diese wunderbaren Nachrichten sich wirklich auf etwas Wahres gründen.«

»Gehen Sie nicht!« rief Touchwood, ihn zurückhaltend, »Sie sollen vollkommene Erklärung von mir empfangen, und um Sie in Ihrem Kummer aufzurichten, füge ich die Versicherung hinzu, daß Cargill nur durch eine abscheuliche Verleumdung in Hinsicht Ihrer Schwester bewogen ward, die ehelichen Bande zu weihen, welche ihn zu glauben verleitete, daß eine schnelle Heirath das einzige Rettungsmittel ihres Rufes sei; und fest bin ich überzeugt, daß nur dies wieder aufgelebte Gerücht der Grund von Lady Penelope's Geschnatter war.«

»Wenn ich das glauben könnte,« sagte Mowbray, »wenn ich dies auch für Wahrheit halten dürfte – und einigermaßen scheint es meiner Schwester geheimnißvolles Betragen zu erklären – ja, könnte ich es mir als Wahrheit denken, so möchte ich niederfallen und Sie als einen Engel des Himmels anbeten.«

»Eine eigne Art Engel,« meinte Touchwood, indem er bescheidentlich auf sein starkes, kurzes Gestell blickte. – »Hörten Sie jemals von einem Engel in Stiefelstrümpfen reden? – oder setzen Sie voraus, die Engel bedienen sich alter, zusammengerittener Reisenden!«

»Nennen Sie sich wie Sie wollen, Mr. Touchwood, aber machen Sie Ihre Geschichte wahr, meine Schwester unschuldig!« –

»Sehr gut gesprochen, Sir,« antwortete der Alte, »sehr vorzüglich gesprochen – allein dann will ich auch meinen, Sie werden sich von meiner Vorsicht und Erfahrung leiten lassen – Nichts da von Ihren Goddam's, Sir, und Ihren Duellen oder Schlägereien. Lassen Sie mich dies Geschäft leiten, und ich führe Sie mit vollen Segeln hindurch.«

»Sir, ich muß als Edelmann fühlen!« sagte Mowbray.

»Oder wie ein Rasender!« – rief Touchwood, »das ist ein und dasselbe. Nichts würde diesem Bulmer besser behagen, als seine Spitzbübereien mit dem Degen durchzufechten. – Er weiß sehr gut, daß er, der Mann, welcher die Pistolenkugel auf der scharfen Kante eines Messers spalten kann, immer eine Art von Ruf unter den Schurken behalten wird – allein ich werde Sorge tragen, ihm das Maul zu stopfen. – Setzen Sie sich nieder. – Sein Sie ein vernünftiger Mann, und hören ruhig die ganze sonderbare Geschichte an.«

Mowbray setzte sich demzufolge nieder, und Touchwood gab ihm auf seine eigne Weise, mit manchen sarkastischen Zwischenbemerkungen, eine Erzählung der frühern Liebe Clara's und Tyrrels – der Gründe, welche Bulmer zuerst bewogen, ihre Correspondenz zu befördern, indem er hoffte, sein Bruder würde durch eine heimliche Heirath sich auf immer mit seinem Vater entzweien – dann die Veränderung, die mit seinen Ansichten vorging, als er die gewichtige Ursache erfuhr, die den alten Grafen bewog, eine Verbindung mit Miß Mowbray für seinen wahrscheinlichen Erben zu wünschen – die gewagte List, welche er anwandte, sich in seines Bruders Stelle einzuschieben, alle Folgen dieser Handlung, von denen es unnöthig ist, sie hier wieder anzuführen, weil sie bereits der Länge und Breite nach durch den Verräther selbst in seinen Briefen an Jekyl dargestellt wurden.

Als die Erzählung beendet war, blieb Mowbray, von dem Wunderbaren, was er gehört hatte, fast versteinert, in eine Art von dumpfer Träumerei versunken, woraus er endlich mit der Frage aufschreckte, welchen Beweis man von solcher befremdenden Geschichte darzubringen vermöchte.

»Das Zeugniß desjenigen,« entgegnete Touchwood, »der in alle diese Begebenheiten vom Anfang bis zum Ende tief verflochten war. – Ein eben so vollkommener Spitzbube, meine ich, als der Teufel selbst – mit dem Unterschiede nur, daß dieser irdische Teufel nicht das Böse um des Bösen willen thut, sondern des Vortheils wegen, den er daraus zieht. Wie weit ihn diese Ausrede bei einem Gerichtshofe schützen wird, kann ich nicht sagen, allein so viel hat er doch mit der menschlichen Natur gemein, daß ich diesen meinen alten Bekannten so bereit zum Guten als zum Schlechten gefunden habe, wenn er nur bei diesem Wechsel denselben Profit hatte.«

»Bei meiner Seele!« rief Mowbray, »Sie müssen Solmes meinen, den ich lange schon in dem Verdachte eines Bösewichts hatte, und der sich nun überdem als ein niedriger Verräther beweist. – Aber wie zum Teufel kamen Sie zu seinem Vertrauen?«

»Der Fall war sonderbar,« sagte Mr. Touchwood. »Solmes, ein zu thätiges Mitglied des Gemeinwesens, um mit den Geschäften seines Herrn allein sich zu begnügen, wagte für sich selbst auch Etwas, und meinend – so glaube ich – daß der verstorbene Lord Etherington seine Verdienste als Diener seines Sohnes nicht hinlänglich belohnt hätte, ersetzte er diesen Defekt durch einen kleinen Wechsel an unser Haus auf 100 Pfund, im Namen des Verstorbenen, dessen Unterschrift er nachgeahmt hatte. Das kleine Mißverständniß ward von unserm Hause entdeckt, und Mr. Solmes, Ueberbringer des kleinen Wechsels, würde zu den Straßenkarren verdammt worden sein, wenn ich nicht Mittel fand, ihn davon zu befreien, unter der Bedingung, mich mit den Hauptpunkten der Geschichte bekannt zu machen, welche ich Ihnen eben mittheilte. Wie ich Tyrrel in Smyrna kennen lernte, hatte er mich lebhaft interessirt, und Sie können denken, er verlor bei mir nicht durch die Verrätherei seines Bruders. Durch dieses Burschen Hülfe habe ich die feinsten Plane seines Herrn umgestürzt. Zum Beispiel, gleich als ich hörte, Bulmer wolle sich hieher begeben, ertheilte ich Tyrrel einen anonymen Wink, wohl wissend, dieser würde schnell wie der Teufel seine Wege zu durchkreuzen suchen, und so würde ich alle dramatischen Personen zusammen bringen, und sie gegen einander nach meinem Wohlgefallen spielen lassen können.«

»In diesem Falle,« sagte Mr. Mowbray, »waren Sie die Ursache des Zweikampfes der beiden Brüder, worin Beide hätten fallen können.«

»Ich kann es nicht läugnen – kann nicht umhin – ein Zufall bloß, nichts anders – man kann nicht jeden Punkt berechnen. – Freilich, ich hätte fast noch einmal eine lange Nase bekommen, denn Bulmer sandte den Jungen, den Jekyl, der nicht ganz ein so schwarzes Schaf ist wie er, und doch noch einige weiße Haare besitzt, um mit Tyrrel einen Vergleich einzugehen, ohne daß mein Agent etwas davon wußte. Dennoch entdeckte ich das Ganze, Sie werden kaum errathen, wie?«

»In Wahrheit, Sir, wahrscheinlich nicht leicht,« antwortete Mowbray; »denn Ihre Quellen, woraus Sie schöpfen, sind eben nicht die faßlichsten, eben so wenig als Ihre Art zu handeln einfach oder begreiflich ist.«

»Ich möchte auch nicht, daß sie so wären,« sagte Touchwood. »Einfache Menschen kommen in ihrer Einfachheit um – ich bin alt, ich habe meine Augenzähne. – Aus welchen Quellen ich meine Nachrichten schöpfe? – Wie – ich spiele den Auflauscher, Sir – horche. – Kennen Sie meiner Wirthin Schenkspinde mit doppelten Thüren? – da schlüpfte ich hinein, wie sie es manchmal gethan hat. – Solch' ein feiner Edelmann wie Sie wird lieber einem Manne die Kehle abschneiden, ehe er an der Thüre einer Schenkspinde ein wenig lauscht, wenn die Absicht auch wäre, dadurch einen Mord zu verhüten.«

»Ich kann nicht sagen, daß ich an dies Auskunftsmittel würde gedacht haben, Sir,« – entgegnete Mowbray.

»Ich that es, und hörte genug, was innen vorging, um Jekyl einen Wink zu geben, welcher ihn in seinem Auftrage unsicher machte. So denke ich, ist das Spiel ganz in meiner Hand. Bulmer traut Niemand ganz als Solmes, und Solmes erzählt mir Alles.«

Hier konnte Mowbray ein Zeichen der Ungeduld nicht unterdrücken.

»Ich wollte zu Gott, Sir, daß, da Sie einmal so freundlichen Antheil an dem Interesse meiner Familie und den damit eng verbundenen Angelegenheiten nehmen, es hätte Ihnen gefallen, offener gegen mich zu handeln. – Wochenlang bin ich der unzertrennliche Gefährte eines elenden Betrügers gewesen, dessen schändliches Betragen gegen meine Schwester ihm längst hätte den Hals kosten sollen. Hier habe ich uns Beide elend gemacht, und jeden Abend mußte ich durch einen Schwindler betrogen werden, den Sie, wenn es Ihnen gefiel, durch ein Wort entlarven konnten. Ich lasse Ihrem guten Willen volle Gerechtigkeit widerfahren, allein bei meiner Seele, ich wünschte, Sie hätten mit mehr Offenheit und weniger versteckt gehandelt; und fast fürchte ich, Ihre Liebe für künstliche Plane hat Sie über Ihre Kräfte verleitet, und Sie haben das Ganze in solche Verwirrung gerathen lassen, daß Sie selbst Mühe haben sollen, es freundlich aufzulösen.«

Touchwood lächelte und schüttelte mit dem stolzen Bewußtsein eines umfassenderen Verstandes sein Haupt. »Junger Mann,« sagte er, »wenn Sie ein wenig mehr von der Welt gesehen haben werden, vorzüglich über die Gränzen dieses engen Eilandes hinweg, werden Sie viel mehr Kunst und Geschicklichkeit nöthig finden, Geschäfte glücklich zu Ende zu leiten, als einem blinden John Bull oder einem rauhen Schotten einfallen möchte; dann werden Sie in der Lebenspolitik kein Fremder mehr sein, die in dem Untergraben und in dem Gegenwirken besteht, bald Verstellung übt, bald das Recht kräftig empor hebt. – Sie, Mr. Mowbray, betrachte ich als einen jungen Mann, der durch sein Daheimbleiben und schlechte Gesellschaft verdorben ist, und ich will es zu meinem Geschäfte machen, wenn Sie sich nämlich meiner Leitung unterwerfen wollen, eben sowohl Ihre Vernunft zu belehren, als Ihre Güter zu verbessern. Nicht – antworten Sie mir nicht, Sir, – ich weiß zu gut aus Erfahrung, wie ein junger Mann auf so Etwas antwortet. – Sie sind immer eingebildet, Sir – so von sich eingenommen, als ob Sie in allen vier Welttheilen gewesen wären. Ich hasse jede Antwort, Sir – ich hasse sie. – Aufrichtig gesagt, eben weil Tyrrel die Art hat, immer mir zu antworten, das hat mich eigentlich bewogen, Sie lieber als ihn zum Vertrauten zu erwählen. – Ich wollte, er sollte sich mir in die Arme werfen, und sich meiner Leitung übergeben – aber er zauderte – zauderte – und ich, Mr. Mowbray, verabscheue alles Zaudern. Wenn er glaubt, Verstand genug zu besitzen, seine Geschäfte allein zu betreiben – laßt es ihn versuchen – laßt es ihn nur versuchen. – Nicht, daß ich nicht zu seiner Zeit Alles gern für ihn thun will, aber ich will ihn noch eine ganze Weile in seiner Verlegenheit und Ungewißheit sitzen lassen. – Und so sehen Sie, Mr. Mowbray, welch' ein alter mürrischer Kerl ich bin, und Sie können mir mit einem Male sagen, inwiefern Sie in meine Maaßregeln einzugehen gedenken. Sprechen Sie es aber mit Einemmal aus, denn ich hasse alles Schwanken.«

Während Touchwood so sprach, hatte Mowbray seinen Entschluß innerlich gefaßt. Er war nicht so unerfahren, als der Alte voraussetzte; wenigstens konnte er vollkommen einsehen, daß er es mit einem alten eigensinnigen Manne zu thun hatte, welcher aus den besten Absichten von der Welt dennoch Alles nach seinem Willen leiten wollte, und der, gleich kleinen Politikern, geneigt war, Geheimniß und Intrigue über Dinge zu verbreiten, die weit schneller sich durch Geradheit und Kühnheit entwickelt hätten. Allein er gewahrte zu gleicher Zeit, daß Touchwood als eine Art Verwandter, reich, kinderlos, und geneigt sein Freund zu werden, eine Person war, welche man schonen mußte, um so mehr, da ihm der Reisende unverholen gestanden hatte, daß Tyrrels Mangel an Nachgiebigkeit seine Gunst verscherzt oder wenigstens geschwächt hatte. Mowbray rief sich zurück, daß die Lage, in welcher er sich befand, ihm nicht erlaubte, mit den rückkehrenden Strahlen des Glückes zu scherzen. Also den Stolz seines Charakters, der ihm als einzigem Sohne und Erben natürlich war, unterdrückend, antwortete er ehrerbietig, daß in seiner Lage der Rath und die Hülfe Mr. Scroggie Touchwoods zu wichtig sei, um nicht gern mit dem Preise erkauft zu werden, sein eignes Urtheil dem eines so erfahrnen und klugen Mannes zu unterwerfen.«

»Gut gesagt, Mr. Mowbray,« entgegnete der Alte, »gut gesagt. – Lassen Sie mich nur Ihre Geschäfte besorgen, und wir wollen sie ohne Zeitverlust für Sie gut aufstutzen. – Ich muß Sie für diese Nacht um ein Bett ersuchen – denn es ist so finster, wie in einem Wolfsrachen, und wenn Sie Befehl geben wollen, den armen Teufel von Postillon und seine Pferde zu versorgen, werde ich Ihnen auf das Angelegentlichste verbunden sein.«

Mowbray klingelte; Patrick folgte dem Rufe und war nicht wenig erstaunt, als der alte Mann, indem er seinem Herrn das Wort aus dem Munde nahm, ein Bett verlangte, um bald schlafen zu gehen, und ein wenig Feuer auf dem Rost. »Denn Freund,« fuhr er fort, »ich denke, Ihr habt nicht oft Fremde hier. – Und sehet ja zu, daß mein Bettlaken nicht feucht ist – und bittet das Hausmädchen, mein Bett in nicht ganz gleicher Richtung zu machen, sondern laßt es sanft abhängig von dem Kopfkissen bis zum Fußende herabgehen, im Ganzen etwa acht Zoll in herabfallender Linie. – Und hört, bringt mir einen Krug Gerstenwasser, und setzt es vor mein Bett nebst einer zerquetschten Zitrone darin. – Nein bleibt, Ihr könntet es mir sauer wie Beelzebub machen – bringt die Zitrone auf einem Unterschälchen, ich will sie selbst mischen.«

Patrick betrachtete ihn wie einen Wahnsinnigen; sein Kopf kehrte sich, gleich dem eines Mandarin, von dem Redner zu seinem Herrn, gleichsam als wolle er den Letztern befragen, ob dies Alles Ernst sei. – Sobald Mr. Touchwood aufhörte, setzte Mowbray seine Beistimmung hinzu:

»Laßt Alles so bequem einrichten für Mr. Touchwood als möglich, ganz nach seinen Wünschen.«

»Sogleich, Sir,« sagte Patrick, »ich werde es Mally sagen, gewiß werden wir unser Bestes thun, obgleich es schon ungewöhnlich spät ist.«

»Und folglich,« sagte Touchwood, »je eher wir zu Bette gehen, je besser, mein alter Freund. – Ich vor Allen muß morgen früh aufstehen – ich habe Geschäfte auf Leben und Tod – Sie sind dabei auch im Spiele, Mr. Mowbray – aber nichts mehr davon bis morgen früh. – Lassen Sie auch den Burschen die Pferde einziehen, und geben ihm irgendwo ein Bett.«

Hier glaubte nun Patrick, er habe festen Grund des Widerstandes gefaßt, zu welchem er sich bei der befehlshabenden Weise des Fremden sehr geneigt fühlte.

»Dazu mögen Sie uns einmal bringen, wenn es Ihnen möglich ist,« sagte Patrick, »nie ist Postvieh in unsern Stall gekommen; wie wissen wir denn, ob sie nicht den Rotz haben, wie die Stallknechte sagen.«

»Auf diese Nacht müssen wir es wagen, Patrick,« sagte Mowbray ungern genug – es müßte denn Mr. Touchwood erlauben, daß sie morgen früh wieder kämen.«

»Ich wahrhaftig nicht,« sagte Touchwood, »gesund hin, gesund her – sind sie einmal fort, bleiben sie auch fort, und wir werden sie morgen früh genug gebrauchen. Ueberdem sind die armen Thiere müde, und ein mitleidiger Mensch ist barmherzig gegen sein Vieh – und mit einem Worte, gehen die Pferde in der Nacht nach St. Ronans zurück, gehe ich zur Gesellschaft mit.«

Oft ereignet es sich, wahrscheinlich aus der angebornen Verderbniß menschlicher Natur, daß Unterwürfigkeit in kleinlichen Dingen einem stolzen Gemüthe schwerer wird, als Nachgiebigkeit bei bedeutenden Gegenständen. Mowbray, gleich andern jungen Leuten seines Standes, war, seinen Stall betreffend, sehr ängstlich, und selbst Lord Etheringtons Pferde waren nicht in dieses Allerheiligste gelassen worden, in welchem er nun zwei elende Postklepper einnehmen mußte. Doch unterwarf er sich mit dem besten Anstande, und Patrick, als er sie verlassen hatte, hob Hand und Augen empor, wie er dem erhaltenen Befehl nachkam, indem er sich kaum enthalten konnte, zu glauben, daß der alte Mann der verkleidete Teufel sei, weil er seinen stolzen Herrn so unterjochte, und gerade in dem Punkte, den er sonst als den Allerwichtigsten zu betrachten pflegte.

»Der Himmel, trotz seiner Barmherzigkeit, hat einen Groll auf diese arme Familie geworfen, denn ich, der ich darin geboren bin, werde wahrscheinlich noch ihren Untergang erleben;« so machte sich Patricks Unmuth Luft.



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