Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Expostulation (Vorhaltung)

Komm nicht zum Fest in diesen schlechten Kleidern!
In mein Gemach! – Wähl' von den meinen dir!

Die gezähmte Widerspenstige.

Sorge, Zorn und Aerger füllte Mowbray's Brust, als er, da er Lady Penelope in das Gemach geführt hatte, wo die Tische gedeckt waren, bemerkte, daß seine Schwester abwesend war, und Lady Binks sich am Arme Lord Etheringtons befand, der seinem Range gemäß die Dame des Hauses hätte führen sollen. Ein schneller, sorgend umher geworfener Blick überzeugte ihn noch fester von ihrer Abwesenheit, und keine der gegenwärtigen Damen konnte, nachdem sie den Garten verlassen hatte, Auskunft von ihr geben, ausgenommen Lady Penelope, welche unmittelbar nach dem Schlusse der Darstellung einige Worte mit ihr in ihrem eigenen Zimmer gesprochen hatte.

Laut über seiner Schwester Langsamkeit beim Umkleiden klagend, und im Herzen nur zagend hoffend, daß kein wichtigerer Grund sie abhalten möge, eilte Mowbray nach ihrem Gemache, und schnell das Wohnzimmer durchschreitend, klopfte er an die Thüre ihres Kabinets und bat sie mit dem Anzuge zu eilen, scherzend hinzufügend:

»Die ganze Gesellschaft wird ungeduldig, und Sir Bingo seufzt nach deiner Gegenwart, damit er auf die kalten Speisen losfahren kann.«

»Die Unke ruft!« erwiederte Clara von Innen. »O nein – o nein!«

»Nein, Clara, jetzt ist's kein Scherz! Lady Penelope miaut kläglich wie eine sterbende Katze!«

»Ich komme – ich komme, du schlaues Kätzlein!« rief Clara in demselben Tone, und trat in das Gemach, ihren ganzen Staat bei Seite gelegt, wieder in ihrem Lieblingsanzuge, ihrem Reitkleide.

Erstaunt und beleidigt rief ihr Bruder: »Bei meiner Seele, Clara, dies ist ein recht unfreundliches Benehmen! Ich gestatte dir im gewöhnlichen Leben jede Grille, aber du hättest am heutigen Tage dich doch wohl herablassen können, so zu erscheinen, wie es meiner Schwester, wie es einer Frau von Stande geziemt, die Gäste bei sich empfängt.«

»Aber theuerster John, wenn nur die Gäste vollauf zu essen und zu trinken haben, so kann ich nicht begreifen, weßhalb ich mich um ihren Putz kümmern, oder sie sich über meinen einfachen Anzug ärgern sollen.«

»Nein, nein, Clara, dies geht heut nun durchaus nicht an; du mußt gleich in dein Kabinet zurück und deine Kleider so schnell als möglich überwerfen. So wie du da bist, kannst du nicht in der Gesellschaft erscheinen.«

»Gewiß, John, ich kann es, und ich will es! Ich habe mich diesen Morgen, um dir gefällig zu sein, zur Närrin gemacht, bin nun aber fest entschlossen, die übrige Zeit des Tages in meiner eigenthümlichen Kleidung zu erscheinen; nämlich in einer, welche es zeigt, daß ich gar nicht zum Treiben der Welt gehöre, noch irgend etwas mit ihren Moden zu schaffen haben will.«

»Bei meiner Seele, Clara, du sollst mir diesen Eigensinn bereuen!« rief Mowbray mit mehr Heftigkeit als er gegen seine Schwester zu zeigen pflegte.

»Du würdest mich nur dahin bringen, theurer John,« antwortete sie gelassen, »wenn du mich schlügest. Und das, glaube ich, würdest du dann selbst bereuen.«

»Ich weiß nicht, ob es nicht vielleicht die beste Art wäre, dich zu regieren!« murmelte Mowbray zwischen den Zähnen; doch seine Heftigkeit bezähmend, sagte er laut nur: »Ich weiß aus Erfahrung, Clara, daß auf die Länge deine Hartnäckigkeit meinen Aerger dennoch besiegt. – Laß uns jetzt also gleich Alles in's Reine bringen. – Behalte dein altes Kleid, weil du dich so gern zum Stichblatt machen willst, nur wirf deinen Shawl über. – Er ist außerordentlich bewundert worden, und jede Dame da unten sehnt sich, ihn näher zu betrachten. – Sie können es kaum glauben, daß er ächt ist.«

»Sei ein Mann, Mowbray, und bekümmere dich um Pferdedecken, nicht um Shawls!« entgegnete Clara.

»Möchtest du eine Frau sein, Clara, und ein wenig deines Geschlechtes denken, da wo Sitte und Anstand es nöthig machen! – Nein, ist es möglich? – Willst du nicht nachgeben? – Mir nicht diese kleine Gefälligkeit erzeigen?«

»Ich wollte es in der That, wenn ich es könnte!« sagte Clara. »Da du aber doch die Wahrheit wissen mußt – sei nicht böse – ich habe den Shawl nicht mehr – ich habe ihn hinweg gegeben – übergeben sollte ich vielleicht sagen, der rechtmäßigen Eigenthümerin – Sie hat mir aber Allerlei zum Ersatz versprochen.«

»Ja,« entgegnete Mowbray, »irgend eine Arbeit von ihren schönen Händen vermuthe ich, etwa einige ihrer Zeichnungen in einem Kaminschirm angebracht. – Auf mein Wort – bei meiner Seele – dies ist zu unartig! – Das heißt mich zu unfreundlich behandeln, Clara! – Viel zu unfreundlich. – Hätte die Sache keinen Werth gehabt, als mein Geschenk hätte sie ihn für dich erhalten sollen. – Lebe wohl, wir wollen uns so gut es gehen will ohne dich behelfen.«

»Nein, nein, lieber John – nur noch einen Augenblick verweile,« rief Clara, seinen Arm ergreifend, da er unmuthig sich zur Thüre wandte. »Wir Beide stehen ja nur allein auf der Erde mit einander da. – Laß uns nicht um eine Lumperei, einen Shawl, streiten!«

»Lumperei?« rief Mowbray. »Er kostet, bei Gott, fünfzig Guineen, die ich wahrhaftig nicht übrig habe. – Lumperei!«

»O sprich mir nicht von dem, was er kostet; es war dein Geschenk, und das sollte hinreichend gewesen sein, ich räume es ein, um bis zu meinem Todestage den kleinsten Lumpen davon aufzubewahren. Aber wahrhaftig, Lady Penelope sah so höchst jämmerlich aus, und zwang ihr armes Gesicht zu so wunderlichem Ausdruck von Aerger und Kummer, daß ich ihr ihn überließ und einwilligte zu sagen, sie habe ihn mir nur zur Vorstellung geliehen. Ich vermuthe, daß sie befürchtete, ich möchte meine Meinung ändern, oder du möchtest ihn, Kraft deines Herren-Rechts in Anspruch nehmen; denn nachdem sie darin verhüllt ein wenig umhergestrichen war, sandte sie ihn durch einen eignen Boten nach ihrer Wohnung auf dem Gesundbrunnen.«

»Möge dies gierige gewissenlose Weib zum Teufel fahren!« rief Mowbray: »die nur ihr selbstisches, neidisches Herz, das hart ist, wie ein Kieselstein, mit einem glänzenden Firniß von Geschmack und Gefühl zu übertünchen versteht!«

»Aber John,« entgegnete seine Schwester, »sie hatte wirklich in diesem Falle hier ein Recht, sich einigermaßen zu beschweren. Der Shawl war für sie schon fast ganz bestimmt besprochen gewesen – mindestens Etwas dem Aehnliches! – Sie zeigte mir den Brief des Kaufmanns – nur war dein Abgesandter mit baarem Gelde erschienen, ein Anblick, dem ein Kaufmann selten widersteht. – Ach John, ich glaube gar am Ende, ein großer Theil deines Unmuthes entsteht aus der Vernichtung deines Planes, Lady Pen zu kränken, und sie hat am Ende mehr Recht, sich zu beklagen, als du. – Komm nur, komm! Du hast den Vortheil gehabt, mit diesem unglücklichen Putz zuerst zu prangen, wenn es prangen genannt werden kann, daß ich Arme ihn trug. – Um des Friedens willen wolle ihr nun gern das weitere Prunken damit gestatten, und laß uns nun zu den guten Leuten herunter gehen, du sollst einmal sehen, wie artig und höflich ich sein werde.«

Mowbray, ein verzogenes Kind mit all' den bösen Gewohnheiten, die zu große Nachsicht veranlaßt, war höchst erbittert über den unerwarteten Ausgang des Planes, den er zur Kränkung Lady Penelopens ersonnen hatte. Aber er sah, wie durchaus nöthig es war, nichts davon mehr gegen seine Schwester zu erwähnen. – Er schwor heimlich bittere Rache an Lady Penelope, die er im Stillen eine gezierte aufgestutzte Harpyie nannte, ungerechter Weise vergessend, daß er selbst diesmal der erste gewesen war, der in der wichtigen Angelegenheit dieses Shawls es listig versucht hatte, den Plänen ihrer Herrlichkeit zuvorzukommen und ihre Wünsche zu täuschen.

»Aber ich will es ihr bezahlen!« dachte er. »Ich will der Dame ihr Benehmen in dieser Geschichte eintränken! Sie soll ein armes wunderliches Mädchen, wie Clara, nicht überlisten, ohne daß es ihr gebührend von allen Seiten vergolten werde.«

Mit diesen eben so christlichen, als eines Edelmanns würdigen Gesinnungen gegen Lady Penelope führte er seine Schwester in's Speisezimmer an die ihr gebührende Oberstelle. Ihr nachlässiger Anzug war es eben, der das vorher erwähnte allgemeine Staunen bei ihrem Eintritt erregte. Mowbray machte im Allgemeinen die Entschuldigung der späten Erscheinung und sorglosen Kleidung seiner Schwester. Er sagte: »Irgend ein Zauber, Puck, oder sonst ein kleiner Kobold habe sich in ihre Garderobe geschlichen, und Alles, was zum Anzuge sich gepaßt hätte, von dort entführt.«

Von allen Seiten tönten die Antworten – es wäre zu viel verlangt gewesen, daß Miß Mowbray sich noch einmal hätte umkleiden sollen – daß nichts, was sie zu wählen würdigte, Miß Mowbray mißkleiden könnte – daß sie der Sonne gleich in ihrem prachtvollen theatralischen Anzuge untergegangen sei, um in ihrer gewöhnlichen Tracht als der mildere Vollmond zu erscheinen (diese Süßigkeit war Herrn Chatterley's Arbeit), und daß Miß Mowbray in ihrem eigenen Hause allerdings das Recht habe, sich ganz nach ihrer Willkür zu kleiden. Diese letzte Höflichkeit, die indessen eben so gut an ihrem Platze stand, als die andere, war der Beitrag der ehrlichen Mistreß Blower, und erhielt eine besondere, äußerst artige Verbeugung Miß Mowbray's zur Erwiederung.

Einem so sichtlich willkommenen Compliment hätte Mistreß Blower es überlassen sollen, wie Dr. Johnson gesagt haben würde, den Ruf ihrer Beredtsamkeit zu gründen; aber Niemand weiß, wo es rathsam ist, stehen zu bleiben. Sie bog ihr breites gutmüthiges, entzücktes Gesicht weit vor, und ihre Stimme so allgewaltig wie einst ihr seliger Mann erhebend, wenn er bei einem Sturm seinen Schiffsgehülfen Befehle ertheilte, rief sie von dem untern Theile des Tisches nach oben hinauf: »Warum Miß Clara, die da oben so recht im Luftzuge der Eingangsthüre säße, nicht den großen Shawl umthue, den sie bei der Vorstellung getragen habe. Gewiß fürchte sie, mit der Bouillon, den Butterbroden, oder Etwas dem ähnlichen beschmutzt zu werden; – aber sie hätte hier drei Shawls, welches sie wirklich für sich viel zu viel fände. – Wenn es der Miß Mowbray gefällig sei, einen davon anzunehmen, sie wären freilich nicht ächt, das müsse sie zugeben – aber sie würden sie eben so wärmen, als die ächtindischen, und es läge weniger daran, wenn sie beschmutzt würden.«

Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, welche diese Worte ihm gewährten, sagte Mowbray: »Sehr verbunden, Mistreß Blower, aber meine Schwester ist noch nicht von so hohem Range, daß er sie berechtigen könnte, ihre Freunde ihrer Shawls zu berauben.«

Lady Penelope erröthete bis an die Augen, und sehr bitter war die Antwort, welche sich auf ihre Zunge drängte. Doch beherrschte sie sich, und so freundlich als möglich, aber mit besonderer Bedeutung, der Miß Mowbray zunickend, sagte sie nur: »Ach, so haben Sie mit Ihrem Bruder von unserm kleinen Handel an diesem Morgen gesprochen? – Tu me lo pagherai! – Ich warne Sie, hüten Sie sich, daß keines Ihrer Geheimnisse in meine Hände falle. – Dabei bleibt es.«

Von welchen elenden Kleinigkeiten hängen zuweilen die wichtigsten Ereignisse unsers Lebens ab! Wenn Lady Penelope ihren ersten rachsüchtigen Unmuth ausbrechen ließ, würde höchst wahrscheinlich einer jener halb komischen, halb ernsten Wortwechsel zwischen ihr und Mowbray erfolgt sein, mit welchen Beide oft die Gesellschaft zu unterhalten pflegten. Aber viel ernster ist die aufgeschobene unterdrückte Rache zu fürchten, und die Ereignisse, welche unsere Erzählung nun zu berichten haben wird, müssen der Wirkung jener besonnenen Rachsucht zugeschrieben werden, welche Lady Penelope bei dieser unbedeutenden Gelegenheit erfüllte. Sie beschloß im Geheim, den Shawl, den sie sich wohlfeil anzueignen gehofft hatte, zurückzugeben; und eben so geheim nahm sie sich vor, an der Schwester, wie am Bruder, bittere Rache zu üben, um so mehr, da sie schon jetzt sich bewußt war, den Schlüssel zu irgend einem wichtigen Familiengeheimnisse zu besitzen, welches ihr zum Fundament dienen konnte, darauf ihre Batterien aufzurichten. Die alten Beleidigungen, der oft erneuete Streit des größeren Einflusses zwischen ihr und dem Laird vereinten sich mit ihrem Groll über Clara's eben heute so hervorstechendes Uebergewicht bei der Darstellung, und sie überlegte jetzt nur noch, auf welche Art ihre Rache am ausgezeichnetsten auszuführen sei.

Während diese Gedanken Lady Penelope beschäftigten, suchten Mowbray's Augen den Lord Etherington, indem er es für rathsam hielt, während des Festes, ehe die Gäste sich Alle entfernt hätten, ihn seiner Schwester förmlich vorzustellen, um so die genauere Bekanntschaft, welche nach ihrem Plane zwischen Beiden Statt finden sollte, allmälig zu begründen.

Zu seinem großen Erstaunen war der junge Graf nirgends sichtbar, und seine Stelle an der Seite der Lady Binks war sogleich von Mr. Winterblossom eingenommen worden, weil es der weichste und bequemste Sitz im Zimmer und noch überdem am obern Ende der Tafel befindlich war, wo man gewöhnlich die erste Auswahl der Gerichte hat. Dieser ehrliche Gentleman hatte, nachdem er der Lady Binks einige fade Complimente über ihre Gestalt als Amazone entrichtet, sogleich eine ihm viel wichtigere Beschäftigung übernommen, nämlich durch ein Glas, welches an einer goldenen Kette von malthesischer Arbeit um seinen Hals hing, die Tische zu beäugeln. Nachdem Mowbray also einige Secunden lang verwundert umher geblickt hatte, wandte er sich zu dem alten Stutzer und fragte, was aus Etherington geworden sei.

»Hat sich zurückgezogen,« sagte Winterblossom, »und ließ blos Grüße für Sie zurück – ein Schmerz, glaub' ich, in seinem verwundeten Arm. – Auf mein Wort, die Suppe hat einen Appetit erregenden Geruch! – Lady Penelope, kann ich die Ehre haben Ihnen vorzulegen? – nein? – oder Ihnen, Lady Binks – Sie sind zu grausam – ich muß mich selbst trösten, wie die heidnischen Priester der Alten, indem ich das Opfer verzehre, welches die Götter anzunehmen verschmähten!« So bediente er sich selbst der Suppen-Schüssel, von welcher er vergeblich den Lady's angeboten hatte, und überließ die Sorge, sie weiter zu vertheilen, dem Mr. Chatterley. »Ihr Amt ist es, Sir, die Götter zu bedienen – ah! ah!«

»Ich glaubte nicht, daß uns Lord Etherington so bald verlassen würde,« sagte Mowbray, »allein wir müssen uns, so gut wir können, ohne seine Gegenwart behelfen.«

So sprechend nahm er seinen Platz in der Mitte des Tisches ein, und that sein Möglichstes, den Charakter eines fröhlichen und gastfreien Wirthes durchzuführen, während seine Schwester an der obern Stelle der Tafel mit natürlicher Grazie und der feinsten Aufmerksamkeit dahin strebte, Jedermann zufrieden zu stellen. Allein das plötzliche Verschwinden Lord Etherington's – die sichtbar üble Laune der Lady Penelope, und die immer gleiche, obwohl passive Verdrießlichkeit der Lady Binks, verbreiteten über die Gesellschaft einen trüben Schimmer, dem Herbstnebel über einer reizenden Landschaft gleich. – Die Frauen waren abgespannt, träge, mißlaunig, unlustig; sie wußten selbst nicht, warum. Auch die Männer konnten nicht recht fröhlich sein, obgleich die Hülfsquellen des alten Rheinweins und Champagners bereits Einige sehr gesprächig gemacht hatten. Lady Penelope brach zuerst unter dem Vorwande, daß es gefährlich und beschwerlich sei, einen so bösen Weg später zurück zu legen, auf. – Lady Binks bat sich einen Platz bei Ihro Herrlichkeit aus, denn Sir Bingo, meinte sie, sei der grünen Flasche zu sehr ergeben, um nicht seines Wagens späterhin selbst zu bedürfen. Sobald sie die Gesellschaft verlassen hatten, würde es zum schlechten Ton gehört haben, noch länger zu bleiben, und Alles, gleich einer retirirenden Armee, zog sich so schnell zurück, daß Jeder darnach strebte, dem Andern zuvor zu kommen, ausgenommen Mac Turk und einige tüchtige Trunkenbolde, welche nicht gewöhnt, täglich so etwas Gutes vor sich zu haben, sehr weise beschlossen, diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Wir wollen uns nicht bei den Schwierigkeiten aufhalten, die das Fortbringen einer so großen Gesellschaft bei so wenig Wagen mit sich brachte, obgleich die Verspätungen und die Streitigkeiten, welche dabei vorfielen, weniger leicht zu ertragen waren, als am Morgen, wo die Aussicht auf die Freuden des Tages die augenblicklichen Unannehmlichkeiten überwog. Die Ungeduld einiger Personen war so groß, daß, obgleich der Abend rauh war, einige es vorzogen, zu Fuß fortzueilen, ehe sie das langsame Rückkehren des Wagens abwarteten, und viele kamen beim Nachhausegehen noch dankbar dahin überein, alles Ungemach, das ihnen ihr Eigenwille zuzog, ihrem Wirth und der Wirthin aufzubürden, die, ehe sie eine so große Gesellschaft eingeladen hätten, erst dafür Sorge tragen sollten, einen bessern und kürzeren Weg zwischen dem Gesundbrunnen und Shaw-Castle anzulegen. »Es wäre ja so leicht gewesen, den Weg bei dem Bucksteine auszubessern.«

Und dies war denn aller Dank, der an Mowbray für ein Fest gezollt ward, das ihm so viel Geld und Mühe kostete, und von der edlen Gesellschaft des Gesundbrunnens seit langer Zeit ungeduldig herbei gesehnt worden war.

»Es war doch ein komisches, hübsches Schauspiel,« sagte Mistreß Blower, die gute Seele. »Nur that es mir leid, daß es ein wenig langweilig war, auch fand wirklich eine furchtbare Verschwendung von Gaze und Mousseline statt.«

Allein Doctor Quackleben hatte seine Geschäfte bei dieser Gelegenheit so gut wahrzunehmen verstanden, daß die gute Frau doch mit dem Ganzen sehr versöhnt ward, weil Husten, Rheumatismen und andere Krankheiten, welche man bei diesem Feste erhascht haben konnte, wahrscheinlich für den gelehrten Herrn, für dessen Wohl sie sich sehr interessirte, angenehme Aussichten eröffneten, und ihm eine reiche Ernte versprachen.

Mowbray, obgleich dem Bacchus nicht wenig ergeben, fand sich trotz dem Zurückziehen des größeren Theils der Gesellschaft nicht aus dem Dienste des fröhlichen Gottes entlassen, so gern er auch nun eben heute dessen Orgien entsagt hätte. Denn weder Gesang, noch Wortspiele, noch Scherze hatten die Macht, sein aufgeregtes Gemüth zu beruhigen, da er höchst aufgebracht war, daß sein Fest bei weitem nicht so glänzend schloß, als er sich versprochen hatte. Die noch anwesenden Gäste, rüstige, lustige Brüder, ermatteten indessen in ihrem Jubel nicht, weil der Wirth weniger Theil nahm, sondern fuhren fort, Flasche auf Flasche zu leeren, mit so wenig Beachtung der ernsten Blicke Mowbray's, als hielten sie ihr Zechgelag in Mowbray's Schenke, aber nicht in seinem Schlosse.

Um Mitternacht sah er sich erlöset, und tappte mit unsicherm Schritt nach seinem Zimmer, sich selbst und seine Gefährten verwünschend, schnell sein Bette aufsuchend, und die rückkehrenden Gäste allen Moorgründen und Sümpfen überlassend, die nur zwischen Shaw-Castle und dem St. Ronans-Brunnen zu finden sein mochten.



 << zurück weiter >>