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Zwanzigstes Kapitel.
Theater-Angelegenheiten.

Das Stück ist die Hauptsache.

Hamlet.

Der wichtige Tag war endlich angebrochen, dessen Feier schon lange alle Gedanken und Unterredungen der Gesellschaft am St. Ronans-Brunnen erfüllte. Um ihm sowohl Neuheit als glänzenden Nachruf zu sichern, hatte Lady Penelope schon lange vorher Mr. Mowbray eingeflüstert, daß der talentvollere Theil der Gesellschaft zur Unterhaltung der übrigen Gäste beitragen müsse, indem sie einige Scenen eines bekannten Schauspiels aufführten, eine Vollkommenheit, in welcher sie nach ihrer Einbildung vorzüglich glänzte. Mr. Mowbray, der wie es schien bei dieser Gelegenheit die Zügel ganz den Händen Ihrer Herrlichkeit übergeben hatte, machte gegen den Plan keine Einwendung, ausgenommen daß die verschnittenen Hecken und Gänge des Gartens zu Shaw-Castle als Theater und Coulissen dienen müßten, indem die Zeit es nicht erlaube, die alte Halle zu den vorgeschlagenen theatralischen Uebungen einzurichten. Allein als die Gesellschaft selbst darüber befragt ward, scheiterte dieser Plan auf der gewöhnlichen Sandbank, das heißt an der Schwierigkeit Darsteller zu finden, welche Nebenrollen des Dramas übernehmen wollten. Für die ersten Rollen fanden sich mehr als zu viel Subjekte, aber die meisten davon waren viel zu hochsinnig, um den Buffo zu spielen, ausgenommen es müsse ihnen erlaubt sein, die Rolle zu veredeln. Unter denen wieder, welche, weniger ehrgeizig, durch Ueberredungen und Schmeicheleien dahin gebracht werden konnten, untergeordnete Rollen zu übernehmen, besaßen so viele ein schlechtes Gedächtniß, daß zuletzt der Plan verzweiflungsvoll aufgegeben ward.

Jetzt ward ein Ersatz, den Lady Penelope vorschlug, in Betracht gezogen. Man wollte nämlich, was die Italiener ein Charakter-Lustspiel nennen, aufführen, wo die Spielenden nicht bloß die erlernte Rolle hersagen, sondern worin zwar der Gang des Stücks fest bestimmt ist, und mehrere Scenen eingetheilt sind, wo aber der Schauspieler den Dialog extemporirt oder, wie Petruchio sagt, seinen Mutterwitz spielen läßt. Dieß ist eine Vergnügungsweise, welche in Italien sehr viel Unterhaltung gewährt, vorzüglich in Venedig, wo die Charaktere des Schauspiels schon seit langer Zeit festgestellt sind, und durch die Tradition auf Vater und Sohn übergehen. Diese Art Komödien, welche eher zu den Maskenspielen als eigentlich zum Schauspiel gehören, wird durch den Namen Commedia dell' Arte bezeichnet. Allein der blöde Charakter des Engländers eignet sich nicht zu einer Art Vorstellung, wo immerwährender selbst erfundener Witz, jene Art leichten Geschwätzes erfordert wird, welches oft diese Stelle vertritt. Besser sagt ihm die regelmäßige Darstellung eines Schauspiels zu, wo der Autor für Rede und Gedanken verantwortlich ist, und der Mitspielende keine weitere Mühe hat, als den richtigen Ausdruck und die beste Declamation sich anzueignen.

Doch der feurige und bewegliche Geist der Lady Penelope, immer nach neuen Gegenständen dürstend, obwohl ihre beiden ersten Pläne vereitelt waren, brachte einen dritten auf die Bahn, womit sie glücklicher durchdrang: Sie schlug vor, mehrere der Gäste dahin zu vereinen, sich in dazu passenden Kleidern einzufinden, und entweder geschichtliche oder dramatische Gruppen zu bilden, die auf etwas Historisches, oder auf eine Scene in einem Schauspiel Bezug hätten. Zu dieser Vorstellung, welche man lebende Bilder nennen kann, war kein Theaterspiel, nicht einmal pantomimische Handlung erforderlich, und Alles, was von den Schauspielern verlangt ward, war, sich in einer Gruppe zu vereinen, welche eine ergreifende und bedeutende Scene, die leicht zu erkennen sei, zurückrief, in welcher, als fände eben eine Pause Statt, die handelnden Personen ohne Sprache und Bewegung sich zeigen konnten.

Diese Art der Darstellung nahm weder das Gedächtniß noch die Erfindungskraft der Theilnehmer in Anspruch, und was sie der edeln Gesellschaft noch mehr empfahl, war wohl, daß kein hervorstechender Unterschied zwischen dem Helden und der Heldin in der Gruppe, und den weniger bedeutenden Charakteren, die sie umgaben, Statt fand, und dagegen ein Jeder, der sich auf ein hübsches Aeußere und einen guten Anzug verlassen konnte, wenn er auch nicht hoffen durfte ganz in dem vortheilhaften Lichte zu stehen, wie die Hauptfiguren, doch einen beträchtlichen Theil der Aufmerksamkeit und des zu erwartenden Beifalls davon zu tragen hoffen konnte. Der Vorschlag also, daß diejenigen unter der Gesellschaft, denen es gefiel, sich dem Zwecke gemäß zu kleiden, sich selbst in kleine Abtheilungen ordnen sollten, die dann wieder unter sich, so oft man wollte, abwechseln könnten, wurde als ein Lichtgedanke angenommen und gepriesen.

Von seiner Seite versprach Mowbray solche Vorkehrungen zu treffen, daß die handelnden Personen dieses stummen Schauspiels von den Zuschauern getrennt würden, damit sie fähig wären das Vergnügen zu erhöhen, indem sie die Scene verließen, und so wechselnd immer neue Darstellungen bildeten. Diese Art sich zu zeigen, wo schöne Gewänder, studirte Stellungen alles ersetzten, was sonst Talent und Gedächtniß leisteten, war fast den meisten gegenwärtigen Damen sehr angenehm, und selbst Lady Binks, deren Verdrießlichkeit sonst jedem Versuch der Zerstreuung Widerstand leistete, willigte in diesen Vorschlag zwar mit vollkommener Gleichgiltigkeit ein, aber doch weniger mürrisch als sonst.

Jetzt war es nur noch nöthig die umkreisende Lesebibliothek zu durchstöbern, um etwas zu finden, das berühmt genug, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zugleich für ihren Plan ausführbar war. Bells englisches Theater, Millers neue und alte Schauspiele, und fast zwanzig andere Bände, in denen verwirrt durch einander Lustspiele und Trauerspiele wie Passagiere in einer Postkutsche ohne die mindeste Aufmerksamkeit, Wahl oder Ordnung vereint waren, wurden im Laufe ihrer Nachsuchung umsonst durchforscht.

Aber stolz und absprechend erklärte sich Lady Penelope für Shakespeare, als den Autor, dessen unsterbliche Werke in ewiger Jugend in jeglicher Erinnerung thronten. So ward also Shakespeare, und von seinen Werken der Sommernachtstraum gewählt, als das Schauspiel, welches die größte Verschiedenheit der Charaktere und folglich den umfassendsten Spielraum für die beabsichtigte Vorstellung darbot. Eine große Regsamkeit erwachte in dem geselligen Kreise, die Bände des Shakespeare, welche den Sommernachtstraum enthielten, in der ganzen Nachbarschaft in Anspruch zu nehmen; denn trotz der Erklärung Lady Penelopens, daß Jeder, der zu lesen verstände, Shakespeares Schauspiele auswendig wüßte, schienen diejenigen, welche nicht mehr auf der Bühne dargestellt werden, sehr wenig zu St. Ronans bekannt zu sein, ausgenommen denen Leuten, die man vorzugsweise die Lesewelt zu nennen pflegt.

Die Vertheilung der Rollen war der erste Gegenstand der Ueberlegung, sobald diejenigen, welche darin mitwirken wollten, sich nur ein wenig den Inhalt des Stücks zurückgerufen hatten. Einstimmig ward der Theseus Mowbray zugesprochen, ihm, dem gastfreien Spender des Festes, und als solcher füglich zur Darstellung des Herzogs von Athen geeignet. Das Costüm einer Amazone, der mit wallenden Federn reich geschmückte Helm, das aufgeschürzte Untergewand, und die eng zugeschnürten himmelblau seidenen Halbstiefeln mit brillantnen Schnallen befestigt, versöhnten Lady Binks mit der Rolle der Hippolyta.

Miß Mowbray's schlankere Größe machte es erforderlich, daß ihr die Rolle der Helena zufiel, und Lady Penelope war mit dem listig schlauen Charakter der Hermia nicht unzufrieden. Man beschloß, dem jungen Grafen von Etherington die Rolle des Lysanders artigerweise anzubieten, welche indessen Se. Herrlichkeit ausschlugen, und das Lustspiel dem Trauerspiel vorziehend, sich dahin erklärte, nur in dem Charakter des vortrefflichen Zettels auftreten zu wollen; er fügte diesem Wunsche eine so launige Probe von seiner Art, diese Rolle zu nehmen, bei, daß ein Jeder entzückt war, eben sowohl über die Herablassung als die Geschicklichkeit, mit welcher er sich den Charakter des Darstellers des Pyramus aneignete.

Den Aegeus übertrug man dem Hauptmann Mac Turk, dessen hartnäckige Weigerung, sich jeder andern Kleidung als der vollständigen hochländischen Tracht zu bedienen, fast das Ganze in's Stocken gebracht hätte. Endlich ward dieß Hinderniß durch die Autorität Childe Harolds beseitigt, welcher der Aehnlichkeit des griechischen und hochländischen Costüms erwähnt; und die Gesellschaft, großmüthig auf die Einheit der Farben verzichtend, entschloß sich, den würflichen Kilt (kurzen Rock) des Hauptmanns Mac Turk für das kurze Gewand eines griechischen Bergbewohners zu erklären – den Aegeus zum Mainotten und den Hauptmann zum Aegeus zu machen. Chatterley und der Maler, durch ihren Stand zu den umherwandernden Leuten bestimmt, ließen sich bereitwillig finden, die Rollen des Demetrius und Lysanders, der beiden atheniensischen Liebhaber, ebenfalls zu durchlaufen, und Mr. Winterblossom ward durch das Geschenk einer antiken oder antik sein sollenden Gemme von Lady Penelope für die Rolle des Philostratus, des Aufsehers der Festlichkeiten, gewonnen, vorausgesetzt nämlich, daß sein Podagra ihm erlaubte, so lange auf dem Rasen, wo ihr Schauspiel aufgeführt werden sollte, zu verweilen.

Weite Unterkleider von weißem Mousselin mit Flittern gestickt, ein vielfach gewundener Turban von Silbergaze, Flügel von eben dem Stoffe, und reichgestickte Schuhe verwandelten sogleich Miß Diggs zum Oberon, König der Elfen, dessen oberherrlicher Ernst indessen nur etwas sehr oberflächlich durch die alberne Lustigkeit des jungen Mädchens bei ihrem unverholenen Entzücken über ihren Anzug dargestellt ward. Eine ihrer jüngern Schwestern übernahm die Titania, und noch zwei oder drei untergeordnete Elfen wurden in den an der heilbringenden Quelle versammelten Familien auserwählt, deren Aeltern sich leicht überreden ließen, ihre Kinder, wenn auch in so jugendlichem Alter, in schöne Kleider gehüllt mit auftreten zu lassen, obwohl sie mit Kopfschütteln Miß Diggs in ihren Pantalons betrachteten, und nicht weniger verwundert über die liberale Ansicht des rechten Beins der Lady Binks waren, welche das hochgeschürzte Amazonengewand dem Publikum zu St. Ronans gewährte.

Doctor Quackleben ward zum Darsteller der Mauer erwählt, und ihm dazu zum Beistand eine Art Schirm oder hölzerner Riegel gegeben, auf welchem man Kleider zu trocknen und zu reinigen pflegt. Der alte Anwalt übernahm den Löwen, und die andern Charaktere von Zettels Schauspielern wurden leicht unter den unbekannteren Brunnengästen aufgefunden. Proben in den Kleidungen u. s. w., Alles schritt munter vorwärts – Jedermann kam überein, die Sache sei zu Stande gebracht.

Aber selbst des Doctors Beredtsamkeit vermochte nicht Mistreß Blower für den Plan zu gewinnen, so sehr man gerade ihrer eben dringend zur Thisbe bedurfte. Sie entgegnete:

»Die Wahrheit ist, daß ich solch' Komödienspiel eben nicht gut leiden kann. John Blower, der ehrliche Mann, wie nun die Seeleute bald diesen oder jenen Einfall haben, wollte mich einmal mitnehmen, eine gewisse Mistreß Siddons zu sehen. – Ich dachte, wir würden todt gedrückt werden, ehe wir nur hinein kamen; außer den vier blitzblanken Schillingen, die es uns schon kostete, rissen Sie uns noch obenein Alles vom Leibe – und nun kamen drei gräßliche Weibsleute mit Besen herein, und wollten eines Seemanns Frau behexen – ich war da lange genug geblieben – heraus wollte ich, und heraus brachte mich auch endlich John Blower, aber mit nicht geringem Lärmen und Noth. – Mylady Penelope Penfitter und die andern vornehmen Leute mögen immerhin handeln, wie es ihnen beliebt; aber nach meiner Meinung, Doctor Quackleben, ist's eine wahre Gotteslästerung, wenn sich die Leute ein anderes Ansehen geben wollen, als ihnen der liebe Gott gegeben hat.«

»Sie mißverstehen die Sache durchaus, meine theure Mistreß Blower,« sagte der Doctor. »Hier ist von nichts Ernsthaftem die Rede – ein bloßes placebo – nichts als ein Scherz zur Aufheiterung der Gemüther, um die Wirkung des Brunnens zu befördern. – Die Heiterkeit ist eine große Stärkung der Gesundheit.«

»Von der Gesundheit, da sprechen Sie mir nun gar nicht, Doctor Kittlepin! – Kann es der Gesundheit des armen Mr. Turk Vortheil bringen, herum zu ziehen wie ein Tabaksspinner an einem kalten Morgen, mit seinen armen blau gefrornen Beinen? Nun, ich weiß wohl, es ist ein kläglicher Anblick. Oder kann es wohl irgend Jemand Gesundheit oder Vergnügen verschaffen, Sie selbst, Doctor, mit einem hölzernen Schirm auf dem Rücken einher gehen zu sehen, der mit Papier beklebt und wie Stein und Mörtel angepinselt ist. – Nein, ich will nichts mit ihrem eiteln Treiben zu schaffen haben, Doctor Kittlehen, und wenn kein anderer anständiger Mensch da ist, der für mich sorgen will, da ich es nicht liebe, einen ganzen Nachmittag so für mich allein zu sitzen, will ich mich nur da unten zu Mr. Lowerbrust, dem Malzhändler, hinbegeben; – er ist ein recht gefälliger, empfindsamer Mann, ein recht achtbarer, heirathbarer Mann in der Welt.«

»Hol' der Henker Lowerbrust!« dachte der Doctor. »Hätte ich geglaubt, daß er mir so in die Quere kommen würde, er hätte sobald nicht gesund werden sollen.« Laut fuhr er dann fort: »Freilich, meine theure Mistreß Blower, ist dieß Treiben thöricht genug; indessen, Jeder, der sich hier zum Ton und zur modischen Welt rechnet, ist überein gekommen, dieser Vorstellung beizuwohnen; seit einem Monat fast ist in der ganzen Gegend nur davon die Rede, und noch in einem Jahre wird es nicht vergessen sein. Ich wollte nur, daß Sie wohl bedächten, wie wenig es sich für Sie passen würde, meine theure Mistreß Blower, von dem Feste weg zu bleiben; Niemand würde glauben, daß Sie eine Karte erhielten – nein, selbst wenn Sie sich eine wie ein Medizinglas um den Hals hingen, Mistreß Blower.«

»Wenn Sie das glauben, Doctor,« sagte die Wittwe, von dem Gedanken beunruhigt, daß man sie herabsetzend beurtheilen könnte, »so will ich lieber zum Ansehen hingehen wie die andern Leute; wenn ihr Thun Sünde und Schande ist, mögen die, welche die Sünde begehen, die Schande tragen. – Aber ich will keine ihrer papistischen Verkleidungen anlegen – ich, die ich in Nord-Leith als Frau und Mädchen, ich weiß selbst nicht wie viele Jahre, lebte, ich habe einen Charakter aufrecht zu erhalten, sowohl bei Heiligen als bei Sündern. – Aber nun, wer soll da für mich sorgen, da Sie selbst hingehen, um Stein und Kalk darzustellen, Doctor Kickinben?«

»Meine theure Mistreß Blower, wenn Sie es so bestimmen, so will ich mich nicht zur Mauer hergeben. Ihro Herrlichkeit muß meinen Stand bedenken – sie muß überlegen, daß es mir obliegt, mich mehr um meine Patienten, als um alle Komödien in der Welt zu bekümmern – und um in einem Falle wie der Ihrige für Sie zu sorgen, Mistreß Blower, da ist es meine Pflicht, wenn es nöthig ist, das ganze Schauspiel, vom Shakspeare bis zu O'Keefe, aufzuopfern.«

Sehr erleichtert fühlte sich der Wittwe Herz, als sie diesen großmüthigen Entschluß vernahm; denn sie möchte in der That, wenn der Doctor seinem Plane treu blieb, gegen den sie so entschiedenen Widerwillen zeigte, es vielleicht gar als ein Zeichen gänzlicher Abweichung von seiner Vasallenpflicht betrachtet haben. Durch eine Uebereinkunft, die beiden Parteien genügte, ward also ausgemacht, daß der Doctor seine liebende Wittwe nach Shaw-Castle ohne Maske noch Domino begleiten sollte, und daß der gemalte Schirm von Doctor Quacklebens Rücken auf die breiten Schultern eines kurzen Anwalts übertragen werden sollte, der sehr gut sich zu der Rolle der Mauer paßte, da der Stoff, aus welchem seine Hirnschale bestand, in Solidität mit dem Mörtel und Stein des erfahrensten Baukundigen um den Preis streiten konnte.

Wir müssen uns nicht damit aufhalten, die verschiedenen körperlichen und geistigen Anstrengungen zu schildern, welche seit dem Entwurfe des heitern Planes und dem zur Ausführung bestimmten Tage von allen Seiten aufgeboten wurden. Wir wollen es nicht versuchen zu beschreiben, wie die Reichern durch Briefe und Abgesandten die Modengallerie nach orientalischem Putze durchforschten, – wie diejenigen, denen es an Juwelen fehlte, den Mangel durch Bristoler Steine und andern Flitterstaat zu ersetzen suchten, – wie die Kaufleute in der Gegend bis zur höchsten Ungeduld durch Fragen nach Dingen, die sie nicht einmal den Namen nach kannten, gereizt wurden – und endlich, wie die emsigen Finger der sparsameren Fräuleins Tücher zu Turbanen, Unterröcke zu Pantalons umformten, schafften und förderten, schnitten und schnipperten, und manches anständige Kleid verdarben, um Etwas hervorzubringen, das einem griechischen Kostüm ähnlich sah. – Wer vermag es, all' die Wunder zu schildern, welche Nadeln und Scheere, Fingerhut und Seide mit Silbergaze oder beflittertem Mousselin hervorbringen können? – oder wer kann es ausdrücken, wie die schönen Brunnen-Nymphen, wenn es ihnen nicht ganz gelang, die erwünschte Aehnlichkeit mit den heidnischen Griechen zu erwerben, mindestens es glücklich dahin brachten, vollkommen der Gleichheit mit der bescheidenern Tracht der Christen los und ledig zu werden?

Eben so wenig nöthig ist es, der mannigfachen Mittel zu erwähnen, welche in Bewegung gesetzt wurden, die schöne Welt des Gesundbrunnens nach Shaw-Castle zu bringen. Sie waren eben so verschieden, als das Vermögen und der Stand ihrer Eigenthümer; von dem Carricle des Lords mit seinen Vorreitern bis zu den demüthigeren versteuerten Wagen, ja selbst unversteuerten Fuhrwerken herab, deren sich Personen geringern Ranges bedienten. Diese Letztern verwandelten in der That die beiden Postkaleschen aus dem Hotel zu einer Art von Fiaker, so unaufhörlich waren sie in Bewegung zwischen dem Hotel und Shaw-Castle. – Ein wahrer Freudentag für die Postillone, und ein Märtyrerthum für die armen Postpferde; so selten ist es, daß jedes Mitglied eines geselligen Vereines aus einem und demselben Umstand Vortheil zu ziehen vermag.

Der Mangel des Fuhrwerks war so groß, daß selbst Meg Dods de- und wehmüthig ersucht ward, sie möge gestatten, daß ihr alter Whisky an dem Tage auf dem Gesundbrunnen zu St. Ronans arbeiten könne (denn das wäre das gebührende Wort gewesen), versteht sich, gegen ansehnliche klingende Erkenntlichkeit. Aber keine Aussicht des Gewinns vermochte Megs ungebeugten Sinn mit ihrem gehaßten Nachbarn auszusöhnen. Sie antwortete kurz ab: »Ihr Wagen wäre ihrem Gaste und dem Prediger versprochen, und den solle der Teufel holen, der sich sonst hineinwagte. – Ein Jeder möge für die Seinigen sorgen!« So rumpelte also zur bestimmten Zeit das lederne Fuhrwerk ab, in welchem, sorglich vor dem Angaffen der Gassenbuben durch die zugezogenen Vorhänge geschützt, Nabob Touchwood saß, der sich als ein indischer Handelsmann gekleidet hatte. Vielleicht wäre der Prediger nicht ganz so pünktlich gewesen, wären sich nicht im Laufe des Morgens Boten und Zettel von seinem Freunde in der Teufelsfalle so eng einander gefolgt, wie die Papiere, welche den Schweif des Drachens eines Schulknaben schmücken, so daß Mr. Touchwood ihn vollkommen gekleidet fand, und der Whisky nur etwa zehn Minuten vor der Thüre der Pfarre warten mußte, während welchen Mr. Cargill seine Brille suchte, die sich endlich schon auf seiner Nase vorfand.

Endlich gelangten beide Herren glücklich nach Shaw-Castle, wo sie den Thorweg des herrschaftlichen Hauses mit einer großen Menge jauchzender Kinder umgeben fanden, die so entzückt von dem Anblicke der seltsamen Gestalten waren, die jedem neu ankommenden Wagen entschlüpften, daß selbst die ernste, wohlbekannte Stimme Johnnie Tirlsnecks, des Büttels, nicht fähig war, sie in Ordnung zu halten. Diese lärmenden, ungebetenen Gäste, denen, wie man glaubte, Clara Mowbray einigen Schutz ertheilte, wurden von dem innern Vorhof des Hauses durch ein paar mit Reitpeitschen bewaffnete Stallknechte abgehalten, und konnten bloß mit ihrem kreischenden, staunenden Geschrei die Ankommenden auf dem kurzen Wege, der vom Thorwege zum Hause führte, begleiten.

Der Nabob aus der Teufelsfalle und der Geistliche wurden mit nicht weniger lärmendem Gejauchze begrüßt, welches bei dem Ersten der Freimuth, mit dem er den weißen Turban trug, bei dem Andern sein höchst seltenes öffentliches Erscheinen, und endlich bei Beiden die sonderbare Zusammenstellung veranlaßte, einen anständigen schottischen Geistlichen in einer altmodischern Tracht, als irgend Einer in der Kirchenversammlung Schottlands aufzuweisen vermöchte, höchst vertraulich Arm in Arm mit einem persischen Kaufmann einhertreten zu sehen. Sie blieben einen Augenblick im Thorwege stehen, die Façade des alten Rittersitzes zu betrachten, welcher durch den so ungewöhnlichen Laut jubelnder Fröhlichkeit aufgestört ward.

Shaw-Castle zeigte trotz dieser Benennung keine Spur von Befestigung, und das jetzt noch stehende Gebäude hatte nie einen andern Zweck, als zum Wohnsitz einer friedlichen Familie zu dienen. Das Frontispice des Gebäudes war niedrig, schwerfällig und mit einigen jener verunstaltenden Zierathen beladen, in welchen sich griechische und gothische Bildhauerkunst vereinen, oder vielmehr verworren mischen, deren man sich sehr häufig unter der Regierung Jakobs VI. und seines unglücklichen Sohnes zu bedienen pflegte. Der Hof bildete ein kleines Viereck, von welchem zwei Seiten von den für die Familien bestimmten Gemächern eingenommen wurden; die dritte enthielt die Ställe, für deren vollkommene Instandhaltung der jetzige Besitzer große Sorge trug. Die vierte Seite nahm eine schirmende Mauer ein, in welcher das Thor, das den Eingang gewährte, befindlich war; kurz, das Ganze war in dem Styl erbaut, den man noch in allen schottischen Besitzungen finden kann, wo nicht die Wuth, ihre Wohnsitze parkartig, wie die Modephrase war, umzuschaffen, die Eigenthümer verleitete, die ehrwürdigen, schützenden Umgebungen zu verbannen, womit ihre klügern Vorältern ihre Rittersitze beschirmten, und sie dem feindlichen Hauche des Nordostwindes bloß zu stellen, gleich einem fünfzehnjährigen Fräulein, welches vor Kälte zittert, um dem Publikum das Glück zu gewähren, ihre rothen Ellbogen, den fröstelnden Nacken und Busen zu betrachten.

Eine Flügelthür, an diesem Tage gastlich geöffnet, führte die Gesellschaft in eine finstere, niedrige Halle, wo Mowbray selbst in dem griechischen Unterkleid des Theseus, doch ohne zur Zeit den herzoglichen Mantel und die Stirnbinde zu tragen, bereit stand, seine Gäste mit gebührender Artigkeit zu empfangen, und einem Jeden den Weg anzuweisen, den er einschlagen sollte. Denn Diejenigen, welche Antheil an den dramatischen Darstellungen nahmen, wurden nach einem alten Saal geführt, der, ehemals zu einem Gewächshause bestimmt, mit einer Reihe Gemächer rechter Hand in Verbindung stand, welche man eilig zu Garderobezimmern, so gut es gehen wollte, eingerichtet hatte. Die Zuschauer dagegen traten linker Hand in einen großen, unmeublirten ehemaligen Eßsaal ein, der seit langer Zeit zu seiner frühern Bestimmung nicht genutzt, durch eine Glasthür nach dem Garten führte, der mit hohen Hecken von Eibenbaum und Stechpalmen durchzogen war, die des alten grauköpfigen Gärtners Hand mit gewohnter Sorge zierlich beschnitten erhielt, ganz nach jenen Grundsätzen der Gartenkunst, welche ein Holländer würdig erachtete, in einem belehrenden Epos über die Ars topiaria dichterisch zu verherrlichen.

Eine kleine Wildniß, deren schattende Bäume einen wunderschönen Rasenplatz umgaben, der in sich wiederum durch die obenerwähnten Hecken durchschnitten ward, erwählte man zum Schauplatze der dramatischen Darstellungen. Er eignete sich besonders gut zu diesem Zwecke, denn eine sich allmählig erhebende Anhöhe, die ihm gegenüber lag, war mit Sitzen für die Zuschauer versehen worden, welche so eine vollkommene Uebersicht des ländlichen Theaters erhielten. Alle hindernden Büsche und Gesträuche waren hinweggeräumt, und die Scene selbst mit einem leichtbeweglichen Schirm oder Vorhang verhüllt, welchen die dazu angewiesenen Domestiken leicht aufziehen und niederlassen konnten. Ein dichtbewachsener Laubengang, der durch einen großen Theil des Gartens nach einer Seitenthür des Gebäudes, und so nach dem Gewächshause führte, schien recht eigentlich dazu bestimmt, den handelnden Personen des Schauspiels einen geheimen und sichern Eingang zu ihrem Theater zu gewähren. Durch so erleichternde Bequemlichkeiten angezogen, ließen sich die Darstellenden auch leicht willig finden, ihren ersten Plan einigermaaßen weiter auszudehnen, und statt der einen Gruppe, welche sich zeigen sollte, sahen sie sich in den Stand gesetzt, drei oder vier derselben, den verschiedenen Momenten des Schauspiels gemäß anzuordnen, und so der Vorstellung sowohl längere Dauer, als auch durch die Verschiedenheit den wohlthuenden Wechsel des Tragischen und Komischen zu ertheilen.

Nachdem man etwas im Garten umher geschweift war, der wenig Anziehendes darbot, sich mit dem Ausforschen der einzelnen Masken unterhaltend, welche der Sitte des Tages gemäß als Minnesänger, Schäfer, Hochländer u. s. w. gekleidet erschienen, begann die Gesellschaft allmählig sich an dem Orte zu versammeln, wo die bereit stehenden Sitze und der herabgelassene Vorhang des umgrünten Theaters ihnen eine Augenlust versprach, um so mehr, da eine im Frontispice angebrachte Schrift die Worte des Schauspiels selbst trug: »Dieser Rasen soll unser Theater, diese Weißdornhecke unser Ankleidezimmer, und wir selbst die Schauspieler sein!« Etwa zehn Minuten hatte man der Dinge, die da kommen sollten, geharrt, und schon wollte hier und da ein ungeduldiges Murren laut werden, als plötzlich Gows Violinenstrich hinter der nächsten Hecke erklang, wo er sein kleines Orchester aufgeschlagen hatte. – Lauschend verstummte Alles,

»Als er der Saiten Klang mit Hochlands Kraft erweckte!«

Und als er dann wieder zum Adagio überging, und endlich den hervorgezauberten Wohllaut in den klagenden Tönen des volksthümlichen Sangs von Roslin-Castle ersterben ließ, da wurde das Echo der alten Mauern nach langem Schlummer durch jenen enthusiastischen Beifall erweckt, mit welchem die Schotten gewöhnlich die begabten Sänger ihres Vaterlandes zu begrüßen und zu belohnen pflegen.

»Er ist der ächte Sohn seines Vaters!« sagte Touchwood zu dem Geistlichen, mit welchem er fast in der Mitte der Zuschauer saß. »Es ist so manches Jahr hingeschwunden, seit ich zu Inverary dem Spiel des alten Neil lauschte, und die Wahrheit zu gestehen, eine ganze Nacht mit ihm bei Pfannkuchen und dem Gebräusel von Athole zubrachte; niemals hätte ich erwartet, in meinem Leben noch seines Gleichen wieder zu hören. Doch still! – Der Vorhang hebt sich.«

Wirklich wich er zurück, und zeigte Hermia, Helena und ihre Liebhaber in Stellungen, welche die Verwirrung, die Pucks Irrthum veranlaßt hatte, deutlich ausdrückten.

Die Herren Chatterley und der Maler spielten ihre Rollen nicht besser und schlechter, als es der gewöhnliche Fall bei Liebhaber-Theatern zu sein pflegt; und das Beste, was sich von ihnen sagen läßt, war, daß sie ihre fremde Tracht und das allgemeine Erstaunen wirklich mit Beschämung zu erfüllen schien.

Aber ihr hoher Eigendünkel schützte Lady Penelope vor einer so unziemenden Schwäche. Sie zierte und blähte sich, und schien, trotz ihrem unbedeutenden Aeußern und den Verheerungen der Zeit auf einem nie ausgezeichnet schönen Gesicht, höchst begierig, die Rolle der schönen Tochter des Aegeus unübertrefflich darzustellen. Zur höchsten Natur ward der Mißmuth, welcher dem Charakter der Hermia gebührte, durch die Bemerkung, wie sehr Miß Mowbray sie verdunkelte, – eine Entdeckung, welche sie nur ganz zuletzt machte, da diese junge Dame nur einer der Proben, und zwar in ihrem Reitkleide, beigewohnt hatte. Doch ließ Ihro Herrlichkeit dieses unangenehme Gefühl, sich da übertroffen zu sehen, wo sie des Sieges sich sicher wähnte, nicht so ganz Herr über sich werden, daß es ihrem Wunsche, sich höchst vortheilhaft zu zeigen, so bedeutenden Eintrag gethan hätte, um zu sichtlich die Art ihrer Darstellung, welche sie sich einstudirt hatte, zu stören. Die Gattung dieses so eben beginnenden Schauspiels untersagte zwar viel Gestikulation, aber Lady Penelope suchte dem daraus entstehenden Mangel des Ausdrucks durch eine Folgereihe von Grimassen abzuhelfen, welche in der Verschiedenheit mindestens mit denen wetteiferten, die Garrick, einen höchst seltsamen Anblick dadurch gewährend, »seine Runde machen« zu nennen pflegte. Sie zwang ihre armen Züge zu dem Ausdruck der verzweiflungvollsten Liebe gegen Lysander; zu dem des Staunens und des beleidigten Stolzes, wenn sie auf Demetrius fielen, und ließ sie endlich auf Helena mit der allergelungensten Nachahmung einer wüthenden Nebenbuhlerin verweilen, welche es unmöglich findet, ihr hochwallendes Herz durch Thränen allein zu erleichtern, und so eben zu ihren Nägeln ihre Zuflucht nehmen will.

Nie konnte es in Haltung, Bewegung und Blick einen schärferen Contrast geben, als zwischen Hermia und Helena. Die wunderbare Schönheit und fremde Tracht Miß Mowbray's zog in dieser Rolle alle Augen auf sich. Sie nahm ihren Platz auf der Bühne ein, wie eine Schildwache pflichtmäßig den ihr angewiesenen Ort behauptet; denn sie hatte ihrem Bruder schon zuvor erklärt, daß, wenn sie auch seinen Bitten nachgäbe, an der Darstellung Theil zu nehmen, sie schlechterdings nur als eine scenische Staffage, durchaus nicht als handelnde Person zu betrachten sei, folglich konnte kein gemaltes Bild unbeweglicher bleiben als sie. Der Ausdruck ihres Gesichtes trug ganz das Gepräge des tiefen Kummers und der Bestürzung, welches ihrer Rolle geziemte, nur zuweilen flog eine Art spöttische Ironie darüber hin, als ob sie im Geheim die ganze Darstellung, und sich selbst für den Antheil, den sie daran nahm, mit Verachtung betrachte. Ueberdem hatte ein Gefühl der Beschämung auf ihren Wangen einen Anflug von Farbe hervorgerufen, die, so unendlich zart sie auch sein mochte, dennoch bei weitem bedeutender war, als sonst je ihre Züge zeigten; und als jetzt nun die Zuschauer sie, die man sonst nur höchst nachlässig gekleidet sah, in aller Grazie und Pracht reicher orientalischer Kleidung erschauten, da waren Alle von dem unerwarteten Anblick um so überraschender ergriffen, so daß man sagen könnte, ihr allein hätten die rauschenden Ausbrüche des Beifalls gegolten, welche man der Gruppe weihte, ja sie könnten dreist um den Preis der Aufrichtigkeit mit denen ringen, welche die ausgezeichnetsten Schauspieler je einem Publikum entlockten.

Die ehrliche Mistreß Blower, die, seit ihre Skrupel gegen die Darstellung überhaupt einmal beseitigt waren, mit großer Aufmerksamkeit zusah, sagte: »Ach die arme Lady Penelope! Ich bedaure wirklich ihr armes Gesicht recht sehr, denn sie geht wahrhaftig damit um, wie der Sturm mit John Blowers Schiffssegeln zuweilen verfahren konnte. – Ach Doctor Cakleben, glauben Sie nicht, es werde ihr nöthig thun, wenn es nur möglich wäre, über ihr Gesicht mit einem heißen Eisen hinzufahren, um die vielen verzerrten Falten wieder heraus zu bringen?«

»Still, still! meine gute, theure Mistreß Blower,« sagte der Doctor; »Lady Penelope ist eine vornehme Frau und meine Patientin, und solche Leute spielen immer höchst vortrefflich; – auch müssen Sie wissen, bei einem Privattheater wird nicht gepfiffen!« –

»Sie mögen immerhin sagen was Sie wollen, Doctor, aber nichts ist ärger als eine alte Närrin. – Ja, wenn sie so jung und schön wäre, wie Miß Mowbray; – nein wahrhaftig, für so hübsch hätte ich die auch nicht gehalten – aber Kleider – ja Kleider machen Leute! – Ihr Shawl da zum Beispiel – ich behaupte, solch' ein Shawl ist in ganz Schottland nicht mehr aufzutreiben – es ist ein ächt indischer Shawl – ich sage gut dafür!«

»Aecht Indisch!« sagte Mr. Touchwood mit verächtlichem Tone, der sogar Mistreß Blowers Gleichmuth erschütterte. »Was, Madam, soll er denn sonst sein?«

Etwas näher an den Doctor rückend, weil ihr, wie sie nachher gestand, weder der scharfe Ton noch die fremdartige Erscheinung des Reisenden besonders zusagte, warf sie dennoch ihren eigenen Shawl muthig genug um ihre Schultern, und entgegnete entschlossen: »Ich weiß das nicht eben so ganz gewiß, denn auch in Paisley werden schöne Shawls gearbeitet, die man kaum von den ausländischen unterscheiden kann.«

»Wie Madam, indische Shawls nicht von denen zu Paisley unterscheiden?« fragte Touchwood: »Ei, ein Blinder kann den ächten mit der kleinsten Berührung seines Fingers erkennen. Jener Shawl ist der schönste, den ich in England sah – und selbst in dieser Entfernung kann ich ihn für einen ächten Tozie Tozie = ein Shawl von thibetanischem Ziegenhaar. erklären, ohne mich darin stören zu lassen!«

»Ei,« rief Mistreß Blower, »ich erkläre, wenn ich mir ihn noch genauer betrachte, daß er von der höchsten Schönheit ist.«

»Madam,« fuhr der Reisende fort, »die Kaufleute zu Surat sagten mir 1801, daß man diese Shawls von den feinsten Haaren der Ziegen bereite.«

»Der Schafe wollen Sie sagen, wie ich denke, denn die Ziegen haben ja keine Wolle!«

»Nicht viele wenigstens, Madam. Aber Sie müssen auch beachten, daß sie nur die allerinnerste Wolle des Felles benutzen; und dann ihre Färbereien. – Der Tozie da wird seine Farbe behalten so lange nur noch ein Lumpen daran ist. – Oft vererbt man sie in den Testamenten auf die Enkelkinder.«

»Auch eine schöne Farbe ist's;« sagte die Dame, »so eine Art Mausefarbe, nur einen Gedanken mehr in's Röthliche spielend – ich möchte wohl wissen wie sie die Farbe nennen?«

Touchwood, der nun bei einem Lieblingsgegenstand war, erwiederte: »Man bewundert diese Farbe sehr, Madam; die Moslems sagen, sie stehe zwischen der Farbe eines Elephanten und der Brust des Faugtha so eben in der Mitte.«

»Wahrlich, ich bin nun eben so klug als ich war!« entgegnete Mistreß Blower.

»Der Faugtha, Madam, so von den Mohren, von den Hindus Hollah genannt, ist eine Art Taube, die von den Muselmännern in Indien heilig gehalten wird, weil sie glaubten das Thierchen habe seine Brust in dem Blute Alis gefärbt. – Aber ich sehe, man läßt den Vorhang herab. – Mr. Cargill, studiren Sie jetzt Ihre nächste Predigt, mein guter Freund? oder worüber in aller Welt sinnen Sie wohl nach?«

Mr. Cargill hatte während der ganzen Zeit tiefsinnend und ängstlich zagend, wenn auch fast ohne sich dessen bewußt zu sein, das Auge auf Clara Mowbray geheftet; und als die Anrede seines Nachbars ihn aus seinem Nachdenken aufschreckte, rief er aus:

»So liebenswürdig! – So unglücklich – ja – ich will – ich muß sie sehen!« Zu sehr mit seines Freundes Sonderbarkeiten bekannt, um viel Zusammenhang oder Vernunft in seinem Treiben und Schaffen zu erwarten, entgegnete Touchwood:

»Gut, Sie sollen sie sehen und mit ihr sprechen, wenn es Ihnen Freude macht.« – Flüsternd fuhr er fort: »Sie sagen Alle, der Mowbray sei gänzlich ruinirt. – Ich sehe davon doch nichts, da er seine Schwester einer indischen Fürstin gleich kleiden kann. – Sahen Sie je solch einen prachtvollen Shawl?«

»Theuer erkaufte Pracht!« sagte Mr. Cargill mit einem tiefen Seufzer. »Ich wollte, daß der Preis schon ganz bezahlt sein möchte.«

»Wahrscheinlich ist das nicht der Fall,« sagte der Reisende. »Sehr wahrscheinlich ist er auf Rechnung geschrieben; und ob er theuer ist? Beim Himmel, ich sah schon tausend Rupien für einen solchen Shawl zahlen! – Aber still, still, wir werden wieder Musik zu hören bekommen – richtig – sieh, und schon ziehen sie den Vorhang auf. – Gut das. – Sie haben doch einige Barmherzigkeit – sie lassen uns mindestens nicht in langen Zwischenakten auf ihre Albernheiten warten – ich liebe es, wenn solche Narrenstreiche rasch hinter einander prasselnd empor lodern. Die Thorheit, die ernsthaft wie zum Leichenbegängniß einher schreitet und nach der Todtenglocke Takt die eigenen Schellen ertönen läßt, ist ein gar widerlich Ding.«

Eine sanfte Musik, die leise anfing und in ein lebhaftes, wildes Allegro überging, führte jene wunderlieblichen Gestalten auf die Bühne, welche die reichste Einbildungskraft aus dem Reiche der Wunder herabzog; Shakspeare's Oberon und Titania. Miß Diggs war keine schlechte Stellvertreterin der kleinen Majestät, als Anführer des Zuges der Elfen; allein da ihre Bescheidenheit keineswegs so groß war, sie abzuhalten, den Oberon in aller seiner Würde darzustellen, so bewegte sie sich ziemlich frei, der zierlichen Form ihres schönen Beines sich wohl bewußt, welches, mit einer Reihe Perlen umgeben und in fleischfarbene Seide so fein wie Spinngewebe gehüllt, sich lieblich in den karmoisinrothen Sandalen zeigte. Ihre mit Juwelen besetzte Königsbinde gab der Stirn die volle Würde, womit dieser König der Schatten erzürnt seine Gemahlin betrachtete, als Beide an der Spitze ihres Gefolges auf der Scene erschienen.

Die Unruhe, welche Kindern eigen zu sein pflegt, hatte man gehörig beachtet, daher sie auch bei der Aufführung mehr als bewegliche Staffage, und nicht als ein fest stehendes Bild erschienen. Die kleine Elfenkönigin blieb in ihrer Mimik nicht hinter ihrem launigen Gemahl zurück, und begegnete mit weiblicher Ungeduld und Verachtung im Blick dem hochmüthigen Wesen, welches diese Worte finster auszudrücken schien:

»Ungern begegne ich dir im Mondenlicht – stolze Titania!«

Einige Kinder waren wie gewöhnlich etwas unruhig, einige drängten sich vor, andere waren ziemlich tölpisch und linkisch, allein die Beweglichkeit der Kindheit ist immer des Beifalls sicher, wenn er auch gleich von den etwas ältern oft nur mit Mitleiden und Neid gezollt wird. Auch gibt es in der Gesellschaft immer zärtliche Papa's und Mama's, deren geräuschvolles Klatschen, wenn es auch dem Ganzen zu gelten scheint, in ihrem Herzen sich doch nur einzig auf ihre kleinen Jack's und Maria's bezieht – denn Mary, obgleich der schönste und klassischste Name Schottlands, ist jetzt im Lande unbekannt geworden.

Die Elfen also machten ihren Spaß, führten einen leichten Tanz auf, und verschwanden mit vielem Beifall.

Die Gegenfüßler, wie man sie nennen möchte, Zettel nämlich und seine Schauspieler, erschienen nun auf der Scene. Ein wüthender Beifall empfing den jungen Grafen, welcher sich so täuschend in einen atheniensischen Rüpel verwandelt hatte, daß er das griechische Kostüm zwar beibehielt, aber so gewissenhaft abstechend von den Masken der höhern Personen des Dramas, daß es ganz treu den Charakter eines dickhäutigen gemeinen Handwerkers zeigte. Touchwood vorzüglich brach in überlaute Bewunderung aus, weil er allerdings über die Richtigkeit des Kostüms entscheiden konnte, denn wenn gleich dieser gute Mann, wie mancher andere Kritiker, sich eben nicht durch Geschmack auszeichnete, so hatte er doch für kleinliche Dinge ein vortreffliches Gedächtniß, und wenn vielleicht der ausdrucksvolle Blick oder die Bewegung eines Schauspielers ihn wenig kümmerte, würde er eine Sünde wider den Schnitt eines Aermels oder die Farbe eines Schuhbandes streng gerügt haben.

Allein des Grafen Etherington Verdienst war nicht blos auf seine äußere Erscheinung beschränkt, denn hätte ihn, so zu sagen, sein Gedächtniß verlassen, so würden seine Geistes-Abwesenheiten, gleich denen des Hamlets, ihn allein zum würdigen Gefährten der größten Schauspieler gestempelt haben.

Obgleich nur mit stummen Zeichen, legte er zur unendlichen Belustigung derjenigen, welche mit dem Original wohl bekannt waren, allen naseweisen Dünkel Zettels an den Tag. Als er durch Puck verwandelt wurde, trug er die neu erlangte Würde, seinen Eselskopf, mit solchem Anschein unendlicher Selbstgenügsamkeit, daß es die an sich schon höchst lächerliche Metamorphose unwiderstehlich komisch machte. Weiterhin zeigte er denselben Muthwillen bei seinen Scherzen mit den Elfen, und in seinen Scenen mit dem Herrn Spinnweb, Senfkorn, Erbsenblüthe und übrigem Gefolge der Titania, welche bei der Ehrbarkeit, mit welcher er sie ersuchte, seine haarige Schnauze zu kratzen, fast alle ihre Ernsthaftigkeit einbüßten. Die Scene schloß sich mit einer glänzenden Gruppe aller Personen, die gespielt hatten, wobei Mr. Mowbray hoffte, daß der junge Lord Zeit genug gewinnen würde, wenigstens die äußere Gestalt seiner Schwester Clara zu betrachten, welche, wie er in dem Stolze seines Herzens fand, so gekleidet, wie sie heute war, mit jedem Schmuck, den die Kunst verleiht, selbst die brillante Amazone Lady Binks an Schönheit überstrahlte. Freilich war Mr. Mowbray nicht der Mann, die geistigen Reize der armen Clara den gleichsam sultanischen Reizen der hochmüthigen Lady Binks vorzuziehen, welche ihrem Bewunderer alle die Abwechselungen versprach, die ein in jeder Lage reizendes Aeußere gewähren kann, das eben so oft sich verändert, als feurige und heftige Anlagen, jeden Zwanges ungewohnt, wie jede Ermahnung verachtend, dazu Veranlassung gaben. Doch, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, obgleich sein Vorzug mehr durch brüderliche Parteilichkeit, als durch Reinheit des Geschmacks bestimmt ward, empfand er gewiß die ganze Größe von Clara's Ueberlegenheit, und seine Lippen umschwebte ein stolzes Lächeln, als er am Ende des Festes den Grafen befragte, wie er sich unterhalten habe. Die übrigen Schauspieler hatten sich schon zerstreut, nur der junge Lord war noch auf dem Theater beschäftigt, sich seines Visirs zu entledigen, als Mowbray ihm die Frage vorlegte, welche zwar in allgemeinen Ausdrücken abgefaßt, dennoch einen eigenen Sinn enthielt. »Ich wollte meinen Eselskopf ewig tragen,« entgegnete der Lord, »wenn meine Augen immer so entzückend beschäftigt würden, als während der letzten Scene. – Mowbray – Ihre Schwester ist ein Engel!«

»Nehmen Sie sich in Acht, ob Ihr Kopfschmuck Ihnen nicht den Geschmack verdorben hat, Mylord,« erwiederte Mowbray. »Aber warum trugen Sie diese Verkleidung bei Ihrer letzten Erscheinung, da, dächte ich, hätten Sie unverhüllt sein sollen?«

»Ich schäme mich Ihnen darauf zu antworten,« sagte der Graf; »allein wahr ist es, die ersten Eindrücke sind von Wichtigkeit, und ich glaubte, ich würde klug handeln, vor Ihrer Schwester nicht zuerst im Charakter des gemeinen Zettels zu erscheinen.«

»Sie werden also Ihre Kleider noch vor der Mittagstafel wechseln? – wenn wir unser Bischen Essen so nennen wollen.«

»Ich wollte jetzt eben deßhalb nach meinem Zimmer gehen,« entgegnete der Graf.

»Und ich,« sagte Mowbray, »muß vortreten, das Auditorium zu entlassen, denn ich sehe, sie sitzen noch und lauern auf eine andere Scene.«

Sie trennten sich, und Mowbray als Theseus trat vor den Schirm und machte die Beendigung der lebenden Bilder bekannt, welche sie die Ehre gehabt hätten vor dieser hohen Gesellschaft darzustellen, und dankte den Zuschauern für die gute Aufnahme, die sie ihnen gewährt hätten. Zugleich deutete er ihnen an, daß es ihnen jetzt frei stehe, eine Stunde im Garten zu verbringen; die Glocke würde dann Alle nach dem Hause zum Empfange einiger Erfrischungen zurück berufen.

Diese Anzeige ward mit dem Beifalle empfangen, welchen man dem Amphitryon où l'on dine schuldig ist, und die Gäste, aufstehend und das ziemlich weitläufige Theater verlassend, zerstreuten sich in dem Garten, sich dort irgend eine Aufheiterung zu suchen oder zu schaffen. Die Musik beförderte hauptsächlich diesen Endzweck, denn es währte nicht lange, so war ein Dutzend Paare auf der Terrasse beschäftigt, »trippelnd auf leichter, luftiger Zeh,« (ich liebe eine Phrase, die nicht gewöhnlich ist) nach heitern Weisen zu tanzen.

Andere gingen in dem Garten umher, fast am Ende jeder Allee sonderbar Verkleideten begegnend, und sich dann wieder gegenseitig den Scherz und das Erstaunen mittheilend, welches sie selbst in diesem wunderlichen Treiben empfunden oder erregt hatten. Durch die verschiedenartige Kleidung und die Freiheit belebt, womit ein Jeder seiner Laune den Zügel schießen ließ, war das allgemeine Streben, Freude zu geben und zu empfangen. Dieses Alles machte die kleine Maskerade unterhaltender, als solche Scenen gewöhnlich sind, wenn prächtigere und weitläufigere Vorkehrungen dazu getroffen werden. Ein eben so sonderbarer als komischer Contrast fand auch darin Statt, daß diese fantastischen Gestalten eben zwischen diesen Gängen wanderten, und die Ruhe der Scene, die alten verschnittenen Hecken, der ordnungsmäßig abgetheilte Rasen, der alterthümliche Anblick zweier Springbrunnen und künstlicher Kaskaden, an welchen die Najaden absichtlich zur Erneuung ihrer Scherze gezwungen worden waren, gaben dem Ganzen einen Anstrich ungewöhnlicher Natürlichkeit und Abgeschlossenheit, welcher vielmehr den frühern Tagen, als dem jetzigen Zeitalter anzugehören schien.



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