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Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Fortsetzung des Briefes.

Muß ich es jetzt enthüllen,
Der Thorheit tief verborgenes Gewebe?

Shakspeare.

 

»Ich nehme die Feder wieder auf, dir mitzutheilen (doch ohne zu versuchen, dir mein höchstes Erstaunen dabei zu schildern), wie endlich von den Umständen gezwungen Francis mich zum Vertrauten seiner Liebesintrigue machte. Mein ernster Vetter verliebt, ja sehr gesonnen, das gefährliche Wagniß einer heimlichen Heirath zu unternehmen – er, der hin und wieder keinesweges zum Vortheil unserer größeren Eintracht mir Vorstellungen über die kindlichen Pflichten zu machen pflegte, gerade auf dem Punkte sich befindend, selbst über den Strang zu schlagen! – Ich kann bei meinem Leben nicht entscheiden, ob Erstaunen oder ein Gefühl boshafter Schadenfreude bei mir die Oberhand hatte. – Ich versuchte, ihm das zu wiederholen, was er mir zu sagen pflegte; aber ich hatte entweder keine Ueberredungsgabe, oder er keinen Sinn, meine klugen Warnungen zu begreifen. – Er blieb dabei, unsere Lage sei ganz verschieden – seine unglückliche Geburt ertheile ihm mindestens die Macht, sich dem despotischen Willen seines Vaters zu entziehen – er besitze durch das Vermächtnis eines Verwandten seiner Mutter ein mäßiges Erbtheil, welches Miß Mowbray mit ihm zu theilen eingewilligt habe; endlich verlange er nicht meinen Rath, sondern meinen Beistand. Die Ueberlegung eines Augenblicks reichte bin, mich zu überzeugen, daß ich sowohl gegen mich selbst als gegen ihn unfreundlich handeln würde, wenn ich in seinem gewagten Unternehmen ihm meinen Beistand versagte. – Ich gedachte unsers höchstzuverehrenden Vaters Erklärungen gegen schottische Ehen und gegen jede Art heimlicher Heirath – Erklärungen, die vielleicht um so eindringlicher gegeben wurden, da er eben hier wohl selbst nicht von Gewissensbissen frei war. Ich erinnerte mich, daß mein ernsterer Bruder stets sein Liebling war, und ich vergaß nicht – wie war es möglich, daß ich es vergessen konnte – jene unheimlichen Worte, die eine Möglichkeit andeuteten, daß die Besitzungen und Würden meines Vaters dem älteren statt dem jüngern Sohne anheimfallen könnten. Nun gehörte eben keine Zauberei dazu, vorherzusehen, daß, wenn Francis das unaustilgbare Verbrechen begehen sollte, sich mit einer schottischen Schönen zu verbinden, unser Herr und Vater alle Lust verlieren würde, solch' eine Uebertragung zu seinen Gunsten zu veranstalten, und daß, während die Verdienste meines Bruders durch einen unverzeihlichen Ungehorsam gänzlich verdunkelt würden, die meinigen um so glänzender hervortreten müßten. Diese Betrachtungen, die mich mit Blitzesschnelle durchdrangen, vermochten mich, Frank meines Beistandes in dem gewagten Spiele, das er unternahm, zu versichern. Ich brauchte bloß dafür Sorge zu tragen, daß mein Antheil an der Geschichte nicht so in die Augen fallend sei, daß er meines Vaters Aufmerksamkeit auf sich zöge, und das befürchtete ich weniger, denn seine Wuth war gemeinhin von jener heftigen aufbrausenden Art, die gleich dem Blitze von einem bestimmten Punkte angezogen, dort mit eben so gewaltsamer, ungetheilter, als ungezügelter Heftigkeit ausströmte.

»Bald fand ich, daß die Liebenden meines Beistandes dringender bedurften, als ich es vermuthet hatte, denn sie waren vollkommene Neulinge in einer Gattung von Intrigue, die mir eben so leicht und natürlich als jede andere Art von Lüge erschien. Durch irgend einen plauderhaften Späher waren Clara's Spaziergänge mit Frank dem alten Mowbray zu Ohren gekommen, der höchst erzürnt seine Tochter zur Rede stellte, obwohl er wenig ahnete, daß sie sich eines noch größeren Vergehens schuldig mache, als ihren Umgang einem unbekannten Edinburger Studenten zu gewähren. Er untersagte jedes weitere Zusammensein und beschloß – wie die Friedensrichter sagen würden – das Land von uns zu reinigen; vorsichtigerweise aber keinen Tadel seiner Tochter laut werden lassend, klagte er Francis unter dem Vorwande an, daß er in seinen Wildgehegen jage, und hoffte so ihn aus der Nachbarschaft zu vertreiben. – Francis selbst wurde allen Hegereutern und Dienern des Laird's so deutlich und umständlich beschrieben, daß jede Zusammenkunft zwischen ihm und Clara höchst gefährlich, wenn nicht fast unmöglich wurde. Ja, sie waren in solcher Angst, daß Mr. Francis es der Vorsicht gemäß fand, zum Wohl der Miß Mowbray, sich in die ziemlich entfernte Stadt Marchtown zurückzuziehen, und sich dort zu verbergen, nur einen Briefwechsel noch mit ihr unterhaltend.

»Damals war es, daß ich selbst zum Noth-Anker der Hoffnungen der Liebenden erkoren ward, und daß meine frühzeitige Geschicklichkeit und Erfindungsgabe die Probe bestanden. Zu langwierig und umständlich würde es sein, wollte ich dir erzählen, in wie vielen verschiedenen Gestalten und Formen, und durch welche Listen ich bald als Briefträger, bald als Bote das Verständniß der getrennten Turteltauben unterhielt. Ich habe in solchen Angelegenheiten für mich selbst oft viel und mancherlei Mühe gehabt, aber nie halb so viel, als ich für jenes Liebespaar zu bestehen hatte. Ich überstieg Mauern und schwamm durch Ströme; Spürhunden, drohenden Büchsen und Knotenstöcken, allem bot ich Trotz; und doch hatte ich, außer jener fernen selbstsüchtigen Hoffnung, die ich schon andeutete, weder Lohn noch Ruhm für meine Anstrengungen zu erwarten. Ich will dir zwar gestehen, Clara Mowbray war so ungemein reizend – so vertraulich hingebend gegen den Freund ihres Geliebten – und allmälig in so höchst genauen Umgang mit mir gekommen, daß ich zuweilen, auf mein Gewissen, dachte, sie hätte eigentlich nicht anstehen sollen, einigermaßen seine so thätige Bemühung auch zu belohnen. Aber sie war das eigentlichste Bild der reinsten Unschuld, und ich zur Zeit noch ein solcher Neuling, daß ich nicht wußte, wie ich mich wieder hätte zurückziehen sollen, wenn ich zu vorwitzig einen zu kühnen Schritt wagte – kurz ich dachte, es sei am besten, mich damit zu begnügen, der treuen Liebe ihren Pfad zu erleichtern, da ihr folgenreicher Lauf mir hoffentlich eine Grafenkrone, und gräfliches Vermögen sichern sollte.

»Ich enthielt mich also jedes Benehmens, welches irgend einen Verdacht hätte erregen können, und leitete als der vertraute Freund der Liebenden alles Nothwendige zu einer heimlichen Heirath ein. Der Prediger des Kirchspiels willigte ein, die Trauung zu verrichten, wozu ich ihn durch Gründe bestimmte, für welche Clara, wenn sie es hätte ahnen können, mir wenig Dank gewußt hätte. Ich ließ den ehrlichen Mann nämlich glauben, daß, wenn er sich weigere, sein Amt hier auszuüben, er einen zu glücklichen Liebhaber an der Erfüllung seiner Pflicht, einem verrathenen Mädchen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hindern würde; und so entschloß sich der Prediger, in dessen Sinn ich einen gewissen romantischen Anflug entdeckte, bei so dringender Lage der Sachen, ihnen die Wohlthat der kirchlichen Einsegnung zu gewähren, wenn auch die Folgen nachtheilig für ihn selbst sein möchten. Der alte Mowbray war fast immer in seinem Krankenzimmer festgebannt, und Clara genoß seit Franks Entfernung wieder größere Freiheit – der Bruder (welches ich eigentlich hätte früher sagen sollen) war damals nicht hier im Lande, und so ward bestimmt, daß die Liebenden sich bei später Abenddämmerung in der alten Kirche treffen und unmittelbar nach der Ceremonie nach England abreisen sollten. –

»Als alles dieß bis auf die Bestimmung des Hochzeittages in Ordnung war, kannst du dir keine Vorstellung von dem Glück und der Dankbarkeit meines weisen Herrn Bruders machen. Es schien ihm, er nahe sich dem siebenten Himmel, statt daß er höchst wahrscheinlich ein glänzendes Glück von sich stieß, und im achtzehnten Jahre sich eine Gattin und alle Sorgen eines höchst beschränkten Auskommens und einer immer wachsenden Familie aufbürdete. Obwohl ich noch jünger war, als er, konnte ich nicht umhin, mich über seinen Mangel an Weltkenntniß zu wundern, und große Beschämung zu empfinden, daß ich es zuweilen geduldet hatte, daß er sich das Ansehen eines Vormundes über mich gab; dieß innere Bewußtsein meiner Ueberlegenheit waffnete mich gegen den mich oft durchzuckenden eifersüchtigen Schmerz, der mich erbeben ließ, wenn ich daran dachte, daß er den reizenden Preis hinweg nehmen sollte, den er ohne meine Geschicklichkeit sich nie hätte aneignen können. – Aber eben in diesem gewichtigen Augenblicke erhielt ich einen Brief meines Vaters, der zufälligerweise längere Zeit in unserer Wohnung zu Edinburg gelegen hatte, dann nach unserm frühern Aufenthalt in den Hochlanden, und endlich über Edinburg zurückkehrend, mich in Marchtown zu einer höchst kritischen Zeit erreichte.

»Es war eine Antwort auf einen meiner Briefe, in welchem ich, unter andern Materien, mit denen gewöhnlich gut gerathene Söhne ihre Papa's erfreuen, dem meinigen mit den Beschreibungen der Gegend, Berichten über meine Studien und desgleichen, auch, um das Blatt pflichtmäßig anzufüllen, etwas über die Familie zu St. Ronans sagte, in deren Nachbarschaft ich jene Zeilen schrieb. Ich hatte keinen Begriff davon, welchen Eindruck dieser Name auf meinen höchstzuverehrenden Vater hervorbringen konnte, bis dieser Brief es mir anschaulich machte. Er forderte mich auf, mir die Bekanntschaft des Herrn Mowbray so schnell und so genau zu erwerben, als es sich nur thun lassen wollte; ja wäre es nöthig, ihm aufrichtig unsere wahre Namen und Lebensverhältnisse zu entdecken. Wohlweislich überlegend, daß diese väterliche Erinnerung vernachlässigt werden könnte, wenn sie nicht durch eindringliche Gründe unterstützt würde, offenbarte mir Se. Herrlichkeit freimüthig das Geheimniß jenes Testamentes meines mütterlichen Großonkels, Nettlewoods reiches Besitzthum betreffend, welches mich zu meinem höchsten Erstaunen und großer Beunruhigung belehrte, daß jene schönen herrlichen Güter dem ältesten Sohne und Erben, Lord Etherington, anheim fielen, unter der Bedingung, daß er mit einer Dame aus dem Hause Mowbray von St. Ronans sich vermähle. – Barmherziger Himmel, wie erstarrte ich! – So hatte ich also selbst alle Vorbereitungen getroffen, Francis mit eben dem Mädchen zu verbinden, dessen Hand mir Reichthum und Unabhängigkeit sichern konnte? – Und selbst dieser erste Verlust, so groß er war, blieb nicht einmal das letzte daraus entstehende Uebel. Von der Heirath selbst sprach mein Vater im Geschäftsstyl, aber von den Nettlewood'schen Gütern wie ein feuriger leidenschaftlicher Liebhaber. Er schien mit Entzücken bei jedem Morgen Acker derselben zu verweilen, und ließ sich höchst wohlgefällig über ihre an seine eigenen Besitzungen gränzende Lage aus, welche die Vereinigung beider Ländereien nicht nur wünschenswerth machte, sondern sie als eine recht eigentliche Bestimmung der Natur erkennen ließ. Obwohl er nun hinzufügte, die große Jugend der betheiligten Parteien hindere zwar, daß eine eheliche Verbindung sogleich Statt finde, so leuchtete es doch klar in die Augen, er würde im Herzen jeden kühnen Streich billigen, der den Zwischenraum verkürzen möchte, welcher sonst verstreichen müßte, ehe Oakendale und Nettlewood einen Eigenthümer erhielten.

»Dieß entschied nun den Schiffbruch aller meiner schönen Hoffnungen! Es war klar wie das Sonnenlicht, daß ein an sich unerhörtes Vergehen, eine heimliche Heirath, verzeihlich, ja höchst löblich in meines Vaters Augen werden könne, wenn sie seinen Sohn und Erben mit Miß Mowbray verband; und war meine Furcht gegründet, sah er sich wirklich im Besitz der Mittel, die Legitimität meines Bruders anerkennen zu lassen, nichts konnte ihn mehr dazu reizen, als die Gewißheit, daß eben dadurch Nettlewood und Oakendale in Eins vereinigt würden. So ward also eben das Ereigniß, welches ich herbeiführte, um meinen Nebenbuhler aus der Gunst meines Vaters zu verdrängen, höchst wahrscheinlich, wenn ich es nicht noch zu verhindern vermochte, ein kräftiger Sporn und Grund, daß der Graf die Rechte Franks den meinigen vorziehe.

»Ich eilte in mein Schlafzimmer, schloß die Thür, las den Brief meines Vaters, und überlas ihn wieder; und statt mich einem thörichten Zorne zu überlassen (beachte dieß, Heinrich, selbst nicht in der verzweiflungsvollsten Lage), überlegte ich mit dem äußersten Scharfsinn, ob sich kein Gegenmittel ersinnen lasse. – Für den Augenblick die Heirath abzubrechen, das war gar leicht! – eine kleine geheime Anzeige an Mr. Mowbray hätte das vollgiltig bewirkt. – Aber dann konnte die Angelegenheit gar unter dem Schutze meines Vaters späterhin wieder in Gang gebracht werden; in jedem Falle war der Antheil, den ich an der Sache genommen hatte, ein fast unübersteigliches Hinderniß für mich, jetzt selbst als Bewerber aufzutreten. – Während ich diesen verworrenen Schwierigkeiten umsonst mich zu entziehen trachtete, fuhr es mir plötzlich durch meinen abenteuerlichen Sinn und mein erfindungsreiches Gehirn – wie, wenn du selbst den Bräutigam vorstelltest! – Erinnere dich, daß dieser seltsame Gedanke in einem sehr jungen Kopfe entsprang. – Zuerst verscheucht, kehrte er wieder – und noch einmal – und immer wieder – ward unter jeder verschiedenen Form betrachtet – ward mir vertrauter – klarer – und endlich als letzte Zuflucht erwählt. – Leicht war es, die Zusammenkunft mit Clara und dem Prediger festzusetzen, denn ich führte die ganze Correspondenz – die Aehnlichkeit meiner Gestalt in Größe und Verhältnissen mit Francis – die Verkleidung, welche wir anlegen sollten – das trübe Dunkel in der Kirche – die flüchtige Hast des Augenblicks – Alles sollte, hoffte ich, Clara abhalten mich zu erkennen. Dem Prediger brauchte ich nur zu sagen, daß wenn ich auch bis jetzt nur eines Freundes erwähnt hätte, ich selbst der glückliche Mann sei. Mein erster Name war ebenfalls Francis, so gut wie der seinige, und ich hatte in meinem Umgange mit Clara sie so freundlich, so schmeichelnd zutraulich gegen mich gefunden, daß wenn sie nur einmal in meine Macht gegeben, und von Scham und tausend widersprechenden Gemüthsbewegungen befangen wäre, so glaubte ich, mit der Eitelkeit eines Amoureux de seize ans, mir zutrauen zu können, daß ich die schöne Dame mit dem Tausch auszusöhnen vermögen würde.

»Gewiß, in keines Wahnsinnigen Gehirn entspann sich je ein abenteuerlicherer Gedanke, und was noch wunderbarer ist – doch das weißt du schon – er gelang in so fern, daß die eheliche Einsegnung über uns Beide in Gegenwart eines meiner Diener und ihrer gefälligen Begleiterin von dem Prediger ausgesprochen ward. – Wir stiegen in den Wagen und waren etwa eine Meile von der Kirche schon entfernt, als mein glücklicher oder unglücklicher Bruder den Wagen mit Gewalt anhielt. – Durch welche Mittel er sich Kenntniß von meinen Plänen verschaffte, habe ich nie ergründen können. – Solmes hat sich mir zu treu in mannigfachen Dingen bewiesen, als daß ich ihn bei dieser gewichtigen Krisis beargwohnen sollte. Ich sprang aus dem Wagen, schickte die brüderliche Eintracht zu allen Teufeln, und zwischen Verzweiflung und Etwas, das fast der Scham glich, schwankend, hieb ich mit einem Hirschfänger, mit dem ich für den Nothfall versehen war, wild um mich her. – Alles war umsonst – ich ward zur Erde unter die Wagenräder geschleudert, und die sich scheuenden Rosse rissen ihn über mich hinweg.

»Hier schließt meine Erzählung, denn meiner Sinne beraubt, vermochte ich nichts zu sehen und zu hören, bis ich endlich, viele Meilen von jenem Orte entfernt, mich auf dem Krankenbette unter Solmes' Pflege wieder fand. Auf meine leidenschaftlichen Fragen ward mir die Antwort, daß Mr. Francis die junge Dame nach ihrer eigenen Wohnung zurückgesandt habe, und daß sie von dem erlittenen Schreck heftig erkrankt sei. Er versicherte mir, daß meine eigene Gesundheit noch immer in großer Gefahr wäre, und fügte hinzu, daß Tyrrel, der sich mit mir in einem Hause befinde, in der höchsten Angst darüber sei. Die bloße Erwähnung seines Namens erregte mich so, daß eine Krisis erfolgte, in welcher ich sehr viel Blut auswarf; und sonderbar genug erklärte der Arzt – ein ernster Mann mit einer Perücke – dieß als ein höchst wohlthätiges Ereigniß für mich. – Ich weiß, daß es mich ungemein erschreckte und mich auf einen Besuch von Mr. Francis vorbereitete, den ich so gelassen ertrug, wie er mich nicht gefunden haben würde, wenn die sonst gewohnte Fülle heißen Blutes meine Adern durchströmt hätte. – Endlich, um von seiner verdammten Gegenwart und dem Laut seiner höllisch ruhigen Stimme erlöst zu werden, willigte ich zögernd und unmuthig in die Uebereinkunft, daß wir ein ewiges Lebewohl uns gegenseitig und Beide vereint an Clara Mowbray sagen sollten. – Ich suchte der letzteren Clausel auszuweichen, indem ich behauptete: Clara sei mein Weib, und ich hätte das Recht, meine Ansprüche als ihr Gatte geltend zu machen.

»Dieß zog einen Strom höchst moralischer Vorwürfe und die Erklärung auf mich nieder – daß Clara die Verbindung mit mir verabscheue, und ihr auf immer entsage, und daß, wo ein so entscheidender Irrthum in der Person Statt gefunden habe, die kirchliche Ceremonie allein in keinem christlichen Reiche als giltig bindend von den Gesetzen anerkannt werde. Ich wunderte mich, daß mir das nicht gleich eingefallen war; aber meine Begriffe von Heirathen waren hauptsächlich den Schauspielen und Romanen entlehnt, in denen solche Kunstgriffe, wie ich angewendet hatte, sehr oft zur Lösung des Knotens gebraucht werden, ohne daß man ihrer Gesetzwidrigkeit erwähnt; überdem hatte ich vielleicht ein wenig zu rasch auf meine eigene Macht gerechnet, ein so junges Mädchen, wie Clara, leicht zu überreden, einen andern hübschen Jungen an die Stelle des ersten Liebhabers treten zu lassen.

»Solmes breitete sich noch weiter über diesen Punkt aus, als Frank mir durch seine Entfernung Erleichterung verschaffte. Er erwähnte des Zornes meines Vaters, sollte dieß Ereigniß ihm zu Ohren kommen – der Rache Mowbrays von St. Ronans, dessen eben so stolze als rauhe Sinnesart wir kannten – der Strafe, welche die Gesetze mir zuerkennen konnten, und Gott weiß, womit er mir sonst noch bange machte, worüber ich in spätern Jahren freilich nur gelacht haben würde. – Kurz, ich ging die Kapitulation ein, gelobte ewige Entfernung, und verbannte mich, wie man hier zu Lande sagt, hinfort aus Schottland.

»Und dennoch, Heinrich, höre und bewundere meine Klugheit! – Alle Umstände sprachen bei dieser Verhandlung gegen mich. – Ich war allein der angreifende Theil gewesen – ich ward verwundet und gleichsam ein Kriegsgefangener in meines Feindes Hand – dennoch wußte ich so vorzüglich Mr. Martignys größern Friedenseifer zu benutzen, daß ich die Verhandlung mit einer eben so höchst vortheilhaften Bedingung für mich, als sie ihm schädlich war, abschloß. – Besagter Mr. Martigny nämlich verband sich, die ganze Last des Unwillens meines Vaters allein zu tragen, und unsere Trennung, die bestimmt dessen großen Zorn erregen mußte, sollte ganz als sein Werk in des Grafen Augen erscheinen. Ich blieb als ein zärtlicher, pflichtmäßiger Sohn fest dabei, daß ich in keine Maßregel willigen würde, die mir des lieben Papa Unzufriedenheit zuziehen könnte. Dies war das sine qua non unserer Verhandlung.

Voilà ce que c'est que d'avoir des talents!

Mr. Francis, glaube ich, hätte sich die Welt auf seine Schultern gebürdet, um nur eine ewige Trennung zwischen seiner Turteltaube und dem Falken, der so kühn auf sie niederschoß, zu bewirken. – Ich weiß nicht, was er meinem Vater schrieb; ich stellte ihm mit gebührender Demuth den üblen Zustand meiner Gesundheit vor, den ich einem Zufall Schuld gab, und fügte hinzu, da mein Bruder und Gefährte durch irgend eine mir unbekannte Veranlassung von mir hinweggerufen sei, habe ich es nothwendig erachtet nach London zu gehen, um bessern ärztlichen Rath zu erhalten, und harre jetzt nur auf die Erlaubniß Sr. Herrlichkeit, in das väterliche Haus zurückzukehren. Bald erfolgte die Genehmigung; ich fand meinen Vater, wie ich es erwartet hatte, schäumend vor Wuth über meinen Bruder, und nach einiger Zeit durfte ich mir sogar schmeicheln, (wie konnte es auch anders sein, Heinrich?) daß, indem er immer genauer die Verdienste und Liebenswürdigkeit seines anscheinenden Erben kennen lernte, er jeden Wunsch verlor, den er vielleicht früherhin empfand, irgend Etwas in meinen weltlichen Aussichten und Erwartungen zu ändern. Vielleicht schämte sich der alte Pair ein wenig seines ehemaligen Betragens, und wagte nicht, der Verbrüderung der Rechtgläubigen (denn er gehörte in seinen letzten Lebensjahren zu den Frommen), die allerliebsten Thorheiten einzugestehen, deren er sich in seiner Jugend schuldig gemacht hatte. Vielleicht hatte auch der Tod meiner höchstzuverehrenden Mutter günstigen Einfluß für mich, da bei ihrem Leben meine Lage viel unangenehmer war, – denn Niemand kann Alles ergründen, was ein Mann zu thun vermag, um seinem Weibe zu trotzen – kurz, er starb – ging ein zur Ruhe bei seinen höchstzuverehrenden Vorältern, und ich ward ohne allen Widerstand der Höchstzuverehrende an seiner Stelle.

»Wie ich meine neue Würde zu tragen verstehe, das weißt du, Heinrich, und unsere lustigen Brüder am besten. Newmarket und Tattersall mögen das Weitere darüber berichten. – Ich denke, ich war so glücklich als die am höchsten gepriesenen Schooskinder Fortunens, folglich will ich über diesen Gegenstand nichts weiter hinzufügen.

»Und nun, Heinrich, will ich mir deine Person in einer moralisirenden Stimmung vergegenwärtigen, nämlich, als ob die Würfel schlecht gefallen wären – oder deine Doppelbüchse habe versagt – oder eine gewisse Dame zeige ein verdrießliches Angesichtchen – oder sonst irgend eine solche wichtige Ursache der Unzufriedenheit habe sich ereignet, und mir käme nun dein unmuthiger Ernst zu gut. – Mitleidig würdest du sagen: ›Mein theurer Etherington, du bist ein kostbarer Narr! – Da bist du nun beschäftigt, eine an sich schon ziemlich skandalöse Geschichte aufzuregen, die allen Theilnehmern nur Unglück bringen kann – eine Geschichte, die vielleicht ewig schlummern würde, wenn du sie ruhen ließest, die aber gewiß wie die Steinkohlen zur Flamme auflodert, wenn du sie fortdauernd anschürst. Ich möchte Ew. Herrlichkeit nur zwei Fragen vorlegen,‹ setzest du hinzu – indem du mit deinem gewöhnlichen anmuthigen Anstande deinen Hemdkragen gerade rückst, und mit der Hand über den zierlich geschlungenen Knoten deiner Halsbinde herabstreichst, der einer ganz besondern Erwähnung in der Tietania Tietania von to tie, die Kunst die Schleifen zu binden. verdient. – ›Nur zwei Fragen – nämlich – Ob Sie nicht das Vergangene bereuen – Ob Sie nicht die Zukunft fürchten?‹ – Sehr verständliche Fragen, die du da zu Tage förderst, mein guter Heinrich, denn sie fassen, in kurzen Sylben, die entflohene und die uns noch bevorstehende Zeit – kurz, ein ganzes menschliches Leben in sich. Demungeachtet will ich versuchen, sie so gut es gehen will zu beantworten.

»›Die Vergangenheit bereuen,‹ sagtest du nicht so? Ja, Heinrich, ich glaube, ich bereue die Vergangenheit – nämlich nicht mit der Reue, die der Prediger auf der Kanzel uns vorpinselt, die der deinen gleicht, wenn du Kopfweh hast, sondern wie ich es bereuen würde, ein schönes Spiel nach einer falschen Ansicht durchgeführt zu haben. Ich hätte mit dem jungen Mädchen zuerst mein Heil versuchen können – Mr. Martignys Abwesenheit und meinen eignen vertraulichen Umgang mit ihr besser benutzen, und so wo möglich ihn in ihrer Neigung ausstechen sollen. Der Plan, den ich befolgte, war, wenn er auch Kühnheit und Geschicklichkeit bewies, der eines Neulings von frühzeitigem Talente, der aber das mögliche Spiel des Zufalls nicht zu berechnen verstand. So stehts mit meiner Reue. – ›Ob ich die Zukunft nicht fürchte?‹ – Heinrich, ich will dir nicht gleich den Hals abschneiden, weil ich die Frage von dir voraussetze, sondern dir nur ganz gelassen versichern, daß ich noch nie in meinem ganzen Leben irgend Etwas gefürchtet habe. Ich glaube, ich ward ohne dies Gefühl geboren, mindestens ist es mir gänzlich fremd. Als ich jenes verfluchte Rad über meine Brust gehen, als ich die Pistolenkugel in meinen Arm eindringen fühlte, empfand ich keine stärkere Erschütterung, als bei dem Knall eines Champagnerkorks. Aber du sollst dennoch nicht glauben, daß ich Narr genug bin, mich der Qual, Mühe, Gefahr (die mir, der beträchtlichen Ausgaben nicht zu gedenken, höchst wahrscheinlich alle bevorstehen) auszusetzen, ohne daß irgend ein triftiger Grund dazu vorhanden sei. – Vernimm ihn also:

»Von verschiedenen Seiten sind mir Winke, Gerüchte, Besorgnisse mitgetheilt worden, daß dem Range und dem Platze, den ich in der Gesellschaft behaupte, ein Angriff bevorstehe, und das kann einzig nur auf diesen Menschen, den Martigny, Bezug haben, denn ich will ihn nicht mit seinem gestohlnen Namen Tyrrel benennen. Dies sehe ich nun als einen Bruch jenes zwischen uns getroffenen Uebereinkommens an, durch welches – nämlich der wahren Absicht des Inhalts nach – er es meinem höchstzuverehrenden Vater und mir überlassen sollte, unsere Angelegenheiten ohne seine Dazwischenkunft abzumachen, welches natürlich eine tugendhafte Entsagung seiner Rechte mit einbegriff, wenn der Schurke jemals deren besaß. Kann er erwarten, daß ich mein Weib, und was noch viel besser ist, des alten Scroggie Mowbray's herrliche Besitzung Nettlewood aufgebe, den Launen eines Burschen volle Genüge zu leisten, dem es einfällt, meine Titel und mein ganzes Eigenthum in Anspruch zu nehmen? – Nein, beim Teufel! Nein, er kann sich darauf verlassen, greift er mich in einem so wichtigen Punkte an, will ich es ihm in einem andern vergelten, der ihn eben so tief verwunden soll. – Nun, scheint es mir, droht mir eine zweite Ausgabe deiner ernsten Vorstellungen über Familien-Zwistigkeiten, unnatürlich blutige Ereignisse, die jedem weltlichen Gesetz und Gefühl entgegen sind, welches du Alles höchst erbaulich mit den alten abgedroschenen Sprüchen über Brüder, die einträchtiglich bei einander wohnen sollen, ausstatten kannst. Ich will mich nicht mit der Untersuchung aufhalten, ob alle diese zarten Besorgnisse das Wohl und den Ruf des Grafen von Etherington berücksichtigen, oder ob mein Freund Heinrich Jekyl nicht zagend bedenkt, in wie fern seine Einmischung in einer so garstigen Geschichte im Hauptquartiere gut aufgenommen werden möchte; – ohne bei dieser Frage zu verweilen, will ich nur ganz offen und kurz sagen, daß du nicht mehr als ich die Raserei einsehen kannst, die es wäre, die Dinge zu jenem Aeußersten zu treiben. – Ich betheure dir, ich hege keine solche Absicht, und nicht mit so feindlichen Plänen rufe ich dich hieher. – Wollte ich Martigny fordern, so würde er mir doch nur ein Duell verweigern, und die Art, solche Dinge mit geringerer Feierlichkeit auszumachen, ist doch schon längst aus der Mode.

»Wahr ist's, bei unserer ersten Zusammenkunft unternahm ich wirklich das gefährliche Wagestück, wovon ich dir sagte – aber es ging mir wie dir, wenn du etwas blos aus einer instinktmäßigen Bewegung, ohne über das Ungeheure deiner That nachzudenken, eine Fasanenhenne, die in einiger Entfernung aufstieg, geschossen hättest (oder vielmehr nach ihr zu schießen versuchtest, denn darin, glaube ich, bist du eben nicht sattelfest). Die Wahrheit ist, ein unheimliches Irrlicht scheint bösen Einfluß auf unser Haus auszuüben – ein wildes Feuer strömte glühend durch meines Vaters Adern – in voller Kraft ist es in mich übergegangen, und hin und wieder übt es unwiderstehliche Macht über uns. – Dort stand mein Feind, und hier in meiner Hand lag mein Pistol! – Das war Alles, was ich damals zu denken vermochte. Aber in Zukunft will ich besser auf meiner Hut sein; um so gewisser, da ich von ihm nie irgend eine Anreizung empfangen kann, im Gegentheil, ich muß die Wahrheit bekennen, obgleich ich beim ersten Bericht über die Sache Lust hatte, die Geschichte ein wenig zu bemänteln (wie die Zeitungen, wenn sie eine Niederlage berichten), ich bin überzeugt, nie hätte er freiwillig auf mich gefeuert, und nur zufällig, im Niederstürzen, ging seine Pistole los. Du kennst mich zu gut, um nicht gewiß zu sein, daß ich nie einen Gegner angreifen werde, der mir keinen Widerstand entgegen setzt, und wäre er zehnmal mein Bruder.

»Was nun jene lange Rede über den Bruderhaß anbetrifft – Heinrich, ich hasse ihn nicht mehr als die Erstgebornen in Aegypten gemeinhin von denen gehaßt werden, denen sie die Lehensgüter und so weiter entziehen. – Unter zwanzigen von uns Güter besitzenden Leuten ist nicht Einer, den die jüngern Brüder nicht genugsam hassen, ihm die sanfte Grabesruhe zu wünschen, da er ein gewaltiger Stein des Anstoßes auf ihrem Lebenswege ist – und in so fern nur hasse ich Mr. Martigny. Uebrigens im Gegentheil kann ich ihn sogar gut leiden; wenn er nur sterben möchte, wollte ich meine freimüthige Beistimmung zu seiner Heiligsprechung sogleich ertheilen; nur während er lebt wünsche ich nicht, daß er den Versuchungen des Ranges und der Reichthümer blos gestellt werde, diesen gewichtigen Hindernissen eines der Selbstverläugnung geweihten Lebenswandels, wodurch doch der Geruch der Heiligkeit allein erworben werden kann.

»Du unterbrichst mich schon wieder mit deinen unbescheidenen Fragen – ›Wenn ich nicht den Vorsatz habe, in persönlichen Streit mit Martigny mich zu verwickeln, warum trete ich ihm überhaupt in den Weg? – warum verbleibe ich nicht, dem zu Marchtown abgeschlossenen Traktate treu, in England, ohne wieder nach St. Ronans zurück zu kehren, und meine jungfräuliche Braut in Anspruch zu nehmen?‹

»Sagte ich dir nicht, ich muß ihn dahin bringen, alle Angriffe auf mein Vermögen und Rang aufzugeben? – Sagte ich dir nicht, daß ich mein Weib und die durch die Heirath mit ihr rechtmäßig gewonnenen Nettlewood'schen Besitzungen begehre? – Und damit dir das ganze Geheimniß klar werde, obwohl Clara sehr hübsch ist, so hat sie dennoch so wenig Gewicht in den Augen ihres leidenschaftlosen Bräutigams, daß ich hoffe, einige Nachgiebigkeit in Hinsicht meiner Rechte über sie wird das Mittel werden, mir die für mich ungleich wichtigeren zu sichern.

»Läugnen will ich nicht, daß eine Abneigung Aufsehen, vielleicht Tadel zu erregen, mich so langmüthig machte, meinen Vortheil nicht früher wahrzunehmen, als so kurze Zeit vor dem festgesetzten Zeitraum, der mich als den anerkannten Gatten Miß Mowbray's zum Erben des alten Scrog Mowbray nach seinem Testamente macht. – Die Zeit war – sie ist – und erhasche ich sie im Vorübereilen nicht beim flüchtigen Haar, so kehrt sie nie wieder – Nettlewood ist verloren – und wird wirklich gesetzlich Oakendale und meine Titel in Anspruch genommen, so stehe ich in Gefahr, vollkommen zu Grunde gerichtet zu werden. Folglich muß ich, was ich auch wage, handeln, und zwar nachdrücklich handeln. – Dies ist im Allgemeinen der Plan meines Feldzuges, der sich natürlich nach den Umständen richten und fügen muß. – Mowbray's Einwilligung, mich um seine Schwester zu bewerben, habe ich erhalten – erkauft, sollte ich vielmehr sagen. Den Vortheil habe ich auch bei Clara, daß wenn sie einwilligt, mir ihre Hand zu geben, sie Ein- für Allemal alle unangenehmen Gerüchte und Erinnerungen an ihr früheres Benehmen zum Schweigen bringt. In diesem Falle ist mir der Besitz Nettlewoods gesichert, und gern bin ich bereit, einen Kampf für mein väterliches Erbe zu wagen. Auch glaube ich wirklich, sollte Alles sich so glücklich fügen, Mr. Martigny würde viel zu zerknirschten Herzens sein, um noch großen Widerstand zu versuchen; nein im Gegentheil, er würde das Heft der Klinge nachwerfen, und wie ein ächt verzweifelnder Liebesritter weithin über die See eilen, sich und seinen Schmerz in irgend einer Wüste zu verbergen.

»Aber gesetzt den Fall, die Dame hat so schlechten Geschmack, mich nicht zu wollen, so glaube ich immer noch, daß ihr Glück oder ihre Gemüthsruhe dem Martigny so theuer sind, als Gibraltar den Spaniern, und daß er sehr viel aufopfern wird, mich zur Entsagung meiner Ansprüche zu vermögen. Ich bedarf also eines Mannes, der als mein Anwalt mit dem Burschen unterhandelt; denn ich will nicht läugnen, daß meine alte Lust, ihm die Gurgel zu durchbohren, plötzlich wieder erwachen könnte, sollte ich persönlich etwas mit ihm zu schaffen haben. So komm denn ohne zu zögern zu meinem Beistand herbei. Komm, denn du weißt, daß ich eine Gefälligkeit nie unbelohnt lasse. Um noch deutlicher zu sein, du sollst die Mittel erhalten, eine gewisse unbequeme Verpfändung abzulösen, ohne den Stamm Isaschars deßhalb in Bewegung zu setzen, wenn du mir nur in dieser Angelegenheit treu zur Seite stehen willst. – Komm also ohne weitere Zögerung und Ausflüchte. Ich gebe dir mein Wort darauf, die Rolle des Dramas, welche ich dir zu ertheilen gedenke, soll weder gefährlich noch beleidigend für dich sein.

»Da vom Drama die Rede ist, wir hatten einen elenden Versuch solcher quasi theatralischen Vorstellung hier in Mowbray's morschem kahlgefressenen Rittersitz. Zwei Dinge nur waren der Bemerkung werth. Das eine, daß ich selbst allen Muth, dessen ich mich sonst rühme, verlor, und richtig dem Kampfplatze den Rücken wandte, als es galt, der Miß Mowbray entgegen zu treten. Und deßhalb bitte ich dich, wohl zu bemerken, daß ich ein höchst bescheidener und zartfühlender Mann sein muß, statt daß ich dem Drawcansir und Daredevil gleiche, als welche du mich darstellen möchtest. Die andere Merkwürdigkeit ist noch zarterer Art, da sie das Benehmen einer schönen Frau betrifft, die entschlossen zu sein scheint, sich mir an den Kopf zu werfen. Es waltet doch ein wunderbarer Grad von Freimaurerei unter uns klugen Leuten ob, und es ist erstaunlich, wie schnell wir uns auf einen gewissen Fuß bei vernachlässigten Gattinnen und unzufriedenen Töchtern zu setzen vermögen. Wenn du nicht bald kommst, wird eine der Belohnungen, die ich dir biete, dir gewiß vorenthalten werden. Kein Schulknabe verwahrt Pfefferkuchen für seinen Spielgefährten, ohne Lust zu haben, davon zu naschen; wenn du nun nicht bald kommst, deines Vortheils wahrzunehmen – sage mindestens – ich war gewarnt. Ich meines Theils werde durch die Aussicht eines solchen Handels mehr in Verlegenheit gesetzt als erfreut, da ich einen andern ganz entgegengesetzter Natur im Schilde führe. Dies Räthsel löse ich dir beim Wiedersehen.

»Jetzt ist meine lange Erzählung beendet. Scheinen dir die Gründe meines Benehmens nicht hinlänglich aufgeklärt zu sein, so bedenke, in welches Labyrinth mich das Geschick verwickelte, und wie viel nothwendigerweise von der gebietenden Laune des Zufalls abhängt.

»Man kann sagen, daß ich gestern die Belagerung eröffnete, denn ich wagte es, vor Clara zu erscheinen. – Mir ward eben kein schmeichelhafter Empfang – aber das hat nichts zu sagen, denn ich erwartete ihn auch nicht. Indem ich ihre Furcht erregte, gelang es mir, ihre Einwilligung zu erringen, daß ich als ihres Bruders Gast bei ihr erscheinen darf, und das ist kein unbedeutender Vortheil. Sie wird sich daran gewöhnen, mich zu sehen, und mit geringerer Bitterkeit des Streichs gedenken, den ich ihr einst spielte, indessen ich meinerseits ebenfalls durch die Macht der Gewohnheit Herr über gewisse befangende Gefühle zu werden denke, die mich fast zerknirschend ergriffen, wenn mein Blick sie traf. – Lebewohl! Gesundheit und Brüderschaft mit dir! –

Dein
Etherington



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