Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.

Der ältere Philippson war an den Anblick kriegerischen Glanzes gewöhnt; dennoch war er fast geblendet von dem Reichtum und der Pracht des burgundischen Lagers, in dem unweit der Mauern von Dijon Karl, der wohlhabendste Fürst Europas, seine Prachtliebe entfaltete. Die Zelte der geringsten Hauptleute waren von Seide und Samt, während die des Adels und der Oberanführer in Silber und Goldstoff erglänzten. Reiterei und Fußvolk hatte die reichsten, prunkendsten Rüstungen an. Ein schöner, überaus zahlreicher Geschützzug war nahe am Eingange aufgestellt, und in dem Befehlshaber dieses Zuges erkannte Philippson (um dem Grafen De Vere von Oxford seinen Reisenamen zu lassen, an den unsere Leser gewöhnt sind) einen Engländer von niederer Herkunft, Heinrich Colvin, der sich durch seine Geschicklichkeit in der Lenkung dieser furchtbaren, erst jüngst zum Kriegsgebrauch erfundenen Werkzeuge auszeichnete. Die Paniere und Fähnlein, die jeder Ritter aufgesteckt hatte, wehten über den Zelten, und die Einwohner dieser wandelbaren Behausungen saßen am Eingange halb gerüstet und schauten dem Ringen, Springen und anderen athletischen Uebungen der Söldner zu.

Lange Reihen der edelsten Rosse sah man stampfend und mähneschüttelnd dastehen, oder man hörte sie wiehern über den Krippen, die reich gefüllt vor ihnen standen. Die Kriegsknechte, bildeten heitere Gruppen um die Minnesänger und wandernden Gaukler her oder hielten Zechgelage vor den Zelten der Marketender.

Inmitten dieses blendenden Wirrwarrs kriegerischer Rüstungen erreichten die Reisenden endlich das Zelt des Herzogs. Im Abendscheine flatterte das breite, reiche Panier, auf dem die Wappenschilde eines Fürsten erglänzten, der ein Herzog von sechs Provinzen, ein Herr von fünfzehn Grafschaften und vermöge seiner Macht, seiner Gesinnungen und seiner stets vom Glück begleiteten Unternehmungen, der allgemeine Schrecken Europas war. Die Engländer wurden sofort höflich aufgenommen, doch nicht in solchem Maße, daß die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie gelenkt worden wäre. Man führte sie in das angrenzende Zelt eines Oberhauptmanns, das zu ihrem Aufenthalt bestimmt worden war und wo ihnen Erfrischungen aller Art geboten wurden.

Nicht lange währte es, so wurden sie vor den Herzog befohlen, und der ältere Philippson wurde durch einen Seiteneingang in das herzogliche Zelt geführt. Das Zelt war im Innern schlicht, fast armselig eingerichtet, so prunkvoll es auch von außen erschien. Auf dem Tische lagen ausgediente Bürsten und Kämme, abgetragene Hüte und Wämser, Hundekoppeln, Ledergürtel und andere dergleichen Dinge; dazwischen aber, wie zufällig, der große Diamant, Sanci genannt, die drei Rubinen, die die drei Brüder von Antwerpen hießen – noch ein großer Diamant, die sogenannte Leuchte von Flandern, nebst mehreren Edelsteinen von geringerem Werte und minder großer Seltenheit. Diese sonderbare Zusammenwürflung glich einigermaßen dem Charakter des Herzogs selbst, der Grausamkeit mit Gerechtigkeit, Seelengröße mit Kleinlichkeit, Sparsamkeit mit Verschwendung und Freigebigkeit mit Geiz paarte.

Der Herzog begrüßte den englischen Reisenden mit den Worten: »Willkommen, Herr Philippson, der Ihr von einer Nation seid, deren Handelsleute Fürsten und deren Krämer Mächtige dieser Erde sind. Mit welcher neuen Ware wollt Ihr uns jetzt prellen?« – »Keine neuen Waren, mein hoher Herr,« antwortete der Engländer, »bringe ich mit, sondern nur die, die ich Euer Hoheit schon vorigesmal zeigte. Ich lege Sie Euch nochmals vor, in der Hoffnung, sie möchten Euer Hoheit beim zweiten Anblick annehmlicher erscheinen.« – »Gut so, Sir – Philipville, glaub ich, nennt man Euch? Entweder seid Ihr ein einfältiger Kaufmann, oder Ihr haltet mich für einen törichten Käufer, daß Ihr mir eben die Waren aufzuhalsen gedenkt, die mir schon einmal nicht gefielen. Eure Lancasterwaren haben ihre Zeit hinter sich. York ist jetzt Mode.«

»Bei dem Pöbel muß es so sein,« sagte der Graf von Oxford, »allein für Seelen, wie Eure Hoheit, sind Treue, Ehre und Lehensanhänglichkeit Juwelen, die weder wechselnde Laune noch Wandelbarkeit des Geschmackes außer Mode bringen kann.« – »Nun, es mag sein, edler Oxford,« sagte der Herzog, »daß ich im Innersten meines Gemütes diese altmodisch gewordenen Gegenstände immer noch wertschätze. Doch meine Lage ist sehr heikel, und sollte ich in dieser Krisis einen falschen Schritt tun, so könnten die Pläne, denen ich mein ganzes Leben gewidmet habe, scheitern. Hört mir zu, Herr Handelsmann! Da ist hier Euer alter Nebenbuhler Blackburn herübergekommen, den einige Eduard von York und London nennen, mit einer Kriegerschar, wie man sie seit König Arthurs Zeiten in Frankreich nicht mehr gesehen hat, und ladet mich ein, gemeinsam mit ihm gegen meinen verächtlichsten, hartnäckigsten Feind, den König von Frankreich zu ziehen, mich loszumachen von den Ketten des Vasallentums und zum Range des unabhängigen Fürsten aufzusteigen. Ich frage nun Dich, als einen Ehrenmann, welche Einwürfe Du gegen den mir gemachten Vorschlag erheben kannst? Sage Deine Meinung frei heraus!«

»Ich weiß, Euer Hoheit hält alles für leicht ausführbar, was Ihr einmal beschlossen habt. Jedoch obwohl diese fürstliche Sinnesart in etlichen Fällen sehr förderlich sein mag, es auch oft schon gewesen ist, so ist manchmal doch solches Beharren auf einem Vorsätze, bloß um der Beharrlichkeit willen, Veranlassung nicht zum Siege, sondern zum Untergange. Betrachtet daher dieses englische Heer! der Winter nähert sich – wo soll es unterkommen? wie soll es sich ernähren? von wem soll es besoldet werden? Soll Eure Hoheit etwa alle Kosten und Mühseligkeiten der Ueberwinterung bis zum Sommerfeldzug tragen? Ich gebe zu, es sind Männer, die die besten Streiter der Welt abgeben; allein noch sind sie es nicht, erst müßten sie auf Eurer Hoheit Kosten dazu erzogen werden. Und was geschieht weiter? Ihr zieht nach Paris, verleiht der angemaßten Macht Eduards ein zweites Königreich, setzt ihn wieder ein in alle die Besitztümer, die England je in Frankreich sein nannte, die Normandie, Maine, Anjou und die Gascogne. Dürft Ihr diesem Eduard dann noch trauen, wenn Ihr ihn auf diese Weise stärker gemacht habt, als es bis jetzt Ludwig ist, den Ihr gemeinsam mit England zu Boden strecken wollt?«

»Beim St. Georg, ich will Dir reinen Wein einschenken! Ueber eben diesen Punkt hege ich auch mein Bedenken, Eduard ist zwar mein Schwager, allein ich bin ein Mann, der wenig Lust hat, den Kopf unter meines Weibes Gürtel zu verbergen. Und Familienliebe? – Possen! sie mag warm sitzen am Herde eines Bürgersmannes; jedoch auf die Schlachtgefilde, in die Halle der Fürsten, wo die Winde kalt wehen, kann sie nicht kommen. Nein, meine Verwandtschaft mit Eduard dürfte mir zur Zeit der Not wenig helfen. Aber er führt Krieg gegen König Ludwig, und wer von beiden auch siegen mag, ich werde durch ihre beiderseitige Schwächung stärker und ziehe stets den Vorteil daraus.«

»Und wenn mittlerweile Eure Hoheit sich herablassen will, die ehrenvollste Sache, für die jemals ein Ritter die Lanze einlegte, durch eine mäßige Geldsumme und tausend Hennegauische Landsknechte zu unterstützen, so möchten diese in ihrem Dienste Ruhm und Glücksgüter ernten und den geschmähten Erben von Lancaster wieder in sein angestammtes, rechtmäßiges Eigentum einsetzen.«

»Trefflich, Herr Graf,« sagte der Herzog, »kommt Ihr sofort auf den Hauptpunkt; aber wir haben so manchem Strauß zwischen York und Lancaster zugesehen und sind noch nie ins klare darüber gekommen, welcher Sache der Himmel und die Liebe des Volkes das Recht zusprechen. Ihr seid verschmitzte Gesellen, Ihr Engländer beider Parteien, doch weder York noch Lancaster, weder Bruder Blackburn noch Base Margarethe von Anjou und John de Vere als ihr Geleitsmann sollen mich hinter das Licht führen. Man lockt keinen Habicht mit leeren Händen. Wenn es sich darum handelt, Krontaler hinzuzählen und große Geschwader einzuschiffen, da müssen wir unseren Untertanen erkleckliche Gründe vorzulegen haben, da müssen wir selber Gründe haben, die das allgemeine Wohl oder, was dasselbe ist, unsern persönlichen Vorteil angehen. Das ist der Weltlauf, und, Oxford, die Wahrheit zu sagen, ich denke, diesem Laufe mich anzuschließen!«

»Der Himmel verhüte, daß ich erwarte, Eure Hoheit würden die Rücksicht auf Eure Untertanen und auf die Vermehrung Eurer eigenen Macht und Herrschaft außer acht lassen. Das Geld, das wir begehren, soll kein Geschenk, sondern eine Anleihe sein, und Margarethe ist bereit, diese Juwelen, deren Wert Eurer Hoheit bekannt sein wird, so lange dagegen zu verpfänden, bis die Summe zurückgezahlt ist, die Eure Freundschaft ihr in ihrer Bedrängnis zugestehen will.« – »Ha! Ha!« sagte der Herzog, »will meine Base einen Pfandverleiher aus uns machen, daß wir nachher mit ihr wie ein jüdischer Wucherer mit seinem Gläubiger zu verfahren hätten? – Doch in der Tat, Oxford, möchten wir dieser Diamanten bedürfen, denn ich muß vielleicht selbst Geld aufnehmen, um meiner Base in ihren Nöten beizustehen. Legt die Juwelen einstweilen auf den Tisch. Und dann sprecht, wird dieser irrende Ritterzug, den Ihr mir vorschlagt, mir nicht etwa Verlust bringen?« – »Verlust?« entgegnete Oxford. »Gewinn vielmehr! Hat Eure Hoheit noch nie an die Provence gedacht?«

»Die Provence?« versetzte der Herzog lebhaft, »kann ich doch keine Apfelsine verzehren, ohne mich an die duftenden Wälder und Haine voll Oliven und Zitronen und Granatäpfel in der Provence zu erinnern! Doch Schande wäre es, den alten König René, den harmlosen Greis, aufzuscheuchen; auch würde das einem nahen Verwandten übel anstehen. Dann ist er der Ohm Ludwigs und hat höchst wahrscheinlich, indem er seine Tochter hintansetzt, oder vielleicht weil er ihr Ludwig vorzieht, den König von Frankreich zu seinem Erben ausersehen.« – »Besseres Recht dürfte Eure Hoheit darauf haben,« sagte der Graf von Oxford, »sobald Ihr Margarethe von Anjou den durch mich erbetenen Beistand angedeihen laßt.« – »Nimm hin den Beistand, den Du begehrst,« erwiderte der Herzog, »nimm hin den doppelten Betrag in Kriegsvolk und in Gelde! Nur laß mich auf die Provence ein Recht haben, wäre es auch noch so klein wie ein einziges Haar auf dem Kopfe der Königin Margarethe, und gönne mir Muße, es zu einem vierfachen Kabeltaue zu drehen. Doch ich bin ein Tor, daß ich den Träumen eines Mannes Gehör gebe, der selbst zugrunde gerichtet ist und wenig dabei verlieren kann, wenn er andere in überspannte Hoffnungen wiegt.« – Karl atmete tief und wechselte die Farbe, als er sprach.

»Ich bin kein solcher Mann, mein Herr Herzog,« sagte der Graf. »Hört mich – René wird gebeugt von der Last der Jahre, liebt nichts als Ruhe und trägt Verlangen, seinem Lande zu entsagen, ja, allem, was er wirklich besitzt! das heißt auch, den weitläufigeren Staaten, die zu fordern er das Recht hat, die jedoch seinem Scepter entzogen wurden.« – »Ihr raubt mir den Atem!« sagte der Herzog. »René der Provence entsagen! Und was spricht Margarethe, die Stolze, hochherzige Margarethe dazu? Wird sie in ein so demütigendes Tun willigen?«

»Für das Glück, Lancaster in England triumphieren zu sehen, würde sie nicht bloß der Herrschaft, sondern dem Leben entsagen. Und in Wahrheit, das Opfer ist leichter, als es scheinen mag. Gewiß ist es, daß, wenn René stirbt, der König von Frankreich die Provence als männliches Lehen zurückbegehren wird, und keiner ist stark genug, dagegen Margarethens Ansprüche, wie rechtmäßig sie auch sein mögen, zu schützen.« –

»Sie sind rechtmäßig,« sprach der Herzog, »das ist unleugbar. Ich will nichts von einer Herausgabe hören – das heißt, wenn es dereinst in unsere Hände wird gegeben sein. Burgund mit der Provence vereinigt – ein Besitztum, das von der Nordsee bis zum Mittelländischen Meer reicht! Oxford, Du bist mein besserer Engel!« – »Eure Hoheit muß jedoch erwägen,« sagte Oxford, »daß dem König René ehrenvoller Unterhalt dafür – gewährt werden muß!«

»Gewiß, Mann! Er soll ihn haben! Soll ein Schock Fiedler und Gaukler haben, die ihm vom Morgen bis in die Nacht vorsingen. Er soll einen Hofhalt von Troubadours haben, die alle nichts tun sollen, als trinken und essen, pfeifen und geigen. Und auch Margarethe soll ehrenvoll bedacht werden, ganz wie Ihr festsetzen werdet.«

»Das wird bald getan sein,« antwortete der englische Graf. »Glückt unser Versuch in England, so wird sie keine solche Unterstützung von Burgund nötig haben. Mißlingt unser Vorhaben, so zieht Margarethe sich in ein Kloster zurück, und nicht lange Zeit wird sie alsdann des Unterhaltes bedürfen, den Euer Hoheit Großmut Ihr, wie ich überzeugt bin, gern anweisen wird.«

Mit diesen Worten legte der Graf von Oxford dem Herzog eine Schrift vor und erklärte ihm den Plan des Feldzuges, der durch einen allgemeinen Aufstand der Freunde des Hauses Lancaster unterstützt werden sollte: ein Plan, den man wohl kühn bis zur Verwegenheit nennen dürfte; doch war er so wohl ersonnen und so kunstvoll gefügt, daß er in jenen Zeiten flugschneller Umwälzungen und unter einem Heeerführer von Oxfords kriegerischer Geschicklichkeit und staatskluger Einsicht starke Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Ausganges in sich trug. –

Während Herzog Karl über die Einzelheiten einer seiner eigenen Gesinnung zusagenden Unternehmung nachsann, während er im Geiste die Beleidigungen überzählte, die er von seinem Schwager Eduard IV. erlitten hatte, und die gegenwärtige günstige Gelegenheit erwog, ausgiebige Rache zu nehmen, zumeist aber des reichen Länderzuwachses gedachte, der ihm durch die Abtretung der Provence zuteil würde, ermangelte der Engländer nicht, eindringlich zu betonen, daß man keine Zeit verlieren dürfe.

»Die Ausführung dieses Planes,« sprach er, »verlangt die größte Eile. Um auf einen glücklichen Ausgang hoffen zu können, muß ich mit Eurer Hoheit Hilfskriegern in England sein, bevor Eduard von York aus Frankreich dahin zurückkehren kann.« – »Und da unser werter Bruder einmal herüber gekommen ist, wird er so hurtig nicht wieder umkehren. Er wird mit schwarzäugigen Französinnen und am rubinfarbenen Weine Frankreichs sich vergnügen.« – »Herr Herzog, laßt mich auch vom Feinde Wahrheit reden! Eduard ist träg und wollüstig, wenn alles gut steht; doch laßt ihn den Sporn der Notwendigkeit fühlen, so wird er eifrig wie ein stampfender Hengst. Auch Ludwig, dem es selten an Mitteln zu seinen Zwecken fehlt, wird den englischen König so bald wie möglich wieder über das Meer schaffen wollen – deswegen ist Hurtigkeit, edler Herr, Hurtigkeit die Seele Eures Unternehmens. Verzeiht, edler Herr, die Ungeduld eines Unglücklichen, der, dem Ertrinken nahe, dringend um Beistand nachsucht. – Wann ziehen wir zur Anordnung dieser wichtigen Maßregel gegen Flanderns Küste?«

»Nun, binnen vierzehn Tagen oder vielleicht binnen einer Woche, oder, mit einem Worte, sobald ich eine gewisse Rotte von Dieben und Wegelagerern gezüchtigt habe, die gleich dem Schaum auf dem Kessel stets oben schwimmen, sich aus ihren Bergfesten zwischen den Alpen hervorgemacht und von dort aus unsere Grenze mit Schleichhandel, Raub und Gewalttat verletzt haben.« – »Euer Hoheit meint die Schweizer Eidgenossenschaft?« – »Ei, die Bauernlümmel legen sich dergleichen Namen selbst bei. Sie sind freigelassene Sklaven von Oesterreich, und gleich einem Fanghunde, dessen Kette zerriß, benutzten sie ihre Freiheit, um niederzubeißen und zu zerzausen, was ihnen in den Weg kommt.«

»Ich reiste durch ihr Land, als ich Italien verlassen hatte,« sagte der verbannte Graf, »und wie ich hörte, hatten die Kantone die Absicht, Gesandte an Eure Hoheit zu schicken, um Frieden zu erbitten.« – »Frieden!« rief Karl, – »Eine eigene Art friedlichen Verfahrens haben diese sogenannten Abgesandten bewiesen! Sie benützten die Meuterei der Bürger zu La Ferette, der Grenzstadt meiner Lande, erstürmten die Wälle, ergriffen Archibald von Hagenbach, der an meiner Stelle dort befehligte, und töteten ihn auf öffentlichem Markt. Solche Schmachtat muß bestraft werden, Herr Johann de Vere, und ich habe schon Befehl erteilt, diese elenden Landstreicher, die sich Abgeordnete nennen, aufzuknüpfen.« – »Um Gottes willen!« rief der Engländer, indem er sich zu Karls Füßen warf. – »Um Eures eigenen Ranges willen, edler Herzog, um des Friedens der Christenheit willen widerruft solchen Befehl, wenn er wirklich schon erteilt wurde! hört mich, Herr Herzog! Ich bin eine Strecke weit mit diesen Männern zusammengereist,« – »Ihr!« sprach der Herzog; »Ihr ein Genoß der edlen Schweizerbauern? So hat Mißgeschick den Stolz des englischen Adels herabgebracht, daß er sich solche Reisegefährten sucht?« – »Der Zufall führte mich mit ihnen zusammen,« sagte der Graf. »Etliche unter ihnen sind edler Geburt und überdies Männer, für deren friedfertige Gesinnungen ich mich selbst zum Bürgen anzubieten wage.«

»Bei meiner Ehre, Mylord von Oxford, Ihr erzeigt ihnen, wie mir nicht minder, viele Gnade, daß Ihr Euch zum Vermittler zwischen den Schweizern und mir macht. Gestattet mir zu sagen, daß in Rücksicht auf frühere Freundschaft ich Euch von Euren eigenen englischen Angelegenheiten sprechen ließ. Doch dünkt mich, daß Ihr Eure Meinung über Gegenstände sparen könnt, die Euch nichts angehen!«

»Mein Herr Herzog von Burgund,« versetzte Oxford, »ich zog einst mit Euch nach Paris und hatte das gute Glück, Euch im Treffen bei Mont L'Hery zu befreien, als französische Gewappnete Euch hart bedrängten.«

»Wir haben es nicht vergessen,« sagte der Herzog Karl, »und des zum Zeichen haben wir Euch jetzt gestattet, so lange vor uns zu weilen. Doch geschah dies nicht, um Euch Gelegenheit zu lassen, eine Rotte von Schelmen zu verteidigen, die für den Galgen bestimmt sind.« – »Mein hoher Herr! Ich bitte um ihr Leben nur, weil sie in friedlicher Botschaft hierhergekommen sind und mindestens die Führer unter ihnen keinen Teil an dem Verbrechen haben, worüber Ihr Euch beklagt.«

Mit ungleichen Schritten ging der Herzog, heftig bewegt, auf und ab, die großen Brauen tief über die Augen herabgezogen, die Hände geballt, die Zähne zusammengebissen, bis er endlich seinen Entschluß gefaßt zu haben schien. Er läutete mit einer silbernen Handklingel, die auf dem Tische stand. »Hierher, Contay,« sagte er zu dem eintretenden Kämmerer. »Sind jene Schweizer schon hingerichtet?« – »Euer Hoheit, nein! allein der Henker wartet ihrer, sobald der Priester ihre Beichte gehört haben wird.« – »Laßt sie am Leben!« sagte der Herzog, »wir wollen morgen hören, auf welche Weise sie es anfangen, ihr Verfahren gegen uns zu rechtfertigen.«

Contay verbeugte sich und ging hinaus; dann sagte der Herzog, indem er sich an den Engländer wendete. »Wir haben nun unsere Verbindlichkeit gegen einander ausgeglichen, Mylord von Oxford – Ihr habt Leben für Leben – ja, sogar sechs Leben für ein einziges erhalten. Ich werde Euch also keine Aufmerksamkeit mehr schenken, so es Euch nochmals einfallen sollte, mir mein strauchelndes Pferd bei Mont L'Hery oder Eure Tat bei dieser Gelegenheit vorzuhalten. Die meisten Fürsten begnügen sich damit, im geheimen diejenigen Menschen zu hassen, die ihnen außerordentliche Dienste leisteten – ich hege solche Gesinnung nicht – ich verabscheue es nur, daran erinnert zu werden. Pah! ich bin halb erstickt über der Anstrengung, meinen einmal gefaßten Beschluß umzustoßen. Nun nichts mehr davon. Gute Nacht! Begebt Euch in Colvins Zelt. Er hat Auftrag, Euch zu bewirten. – Contay, führe diesen Engländer zu Colvin!«

»Haltet zu Gnaden, hoher Herr,« antwortete Contay, »ich ließ den Sohn des Engländers schon bei dem General.« – »Was, Deinen Sohn, Oxford? Und er ist mit Dir hier? Warum sprachest Du mir nicht von ihm? Ist er ein wackerer Sprößling des uralten Baumes?« – »Es ist mein Stolz, solches zu glauben, Herr Herzog. Er ist der treue Genoß aller meiner Fährlichkeiten und Wanderungen gewesen.« – »Glücklicher Mann!« rief Karl mit einem Seufzer aus. »Ihr, Oxford, habt einen Sohn, der Eure Armut und Eure Bedrängnis mit Euch teilen kann. Ich habe keinen, der Teilnehmer und Erbe meiner Größe sei.«


 << zurück weiter >>