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Sechsunddreißigstes Kapitel.

Matt erklang der Lärm der Schlacht
Fernher auf den trägen Winden.
Krieg und Schrecken geht voraus,
Tod und Wunden bleiben hinten.

Mickle.

Als Arthur allein war, ritt er, vielleicht um den Rückzug des Grafen zu decken, der burgundischen Reiterabtheilung entgegen, die unter dem Banner des Herrn von Contay herankam.

»Willkommen, willkommen!« sagte dieser Edelmann, und beeilte sich, in die Nähe des jungen Ritters zu gelangen. »Der Herzog von Burgund hält eine Viertelmeile von hier mit einer Reitertruppe, um die Rekognoscirenden zu decken. Es ist noch keine halbe Stunde, daß Euer Vater im Galopp zurückkehrte und behauptete, Ihr wäret durch die Verrätherei der Stratioten in einen Hinterhalt gerathen und gefangen worden. Er hat Campo-Basso des Verraths beschuldigt und ihn zum Kampfe gefordert. Man hat sie Beide in's Lager geschickt und unter die Aufsicht des Großmarschalls gestellt, um sie von augenblicklichem Kampf abzuhalten, obgleich nach meiner Ansicht der Italiener wenig Lust verrieth, sich zu schlagen. Der Herzog hat ihre Fehdehandschuhe aufgenommen und bestimmt, daß sie am Dreikönigstag ihren Strauß ausfechten sollen.«

»Ich fürchte, daß dieser Tag Einigen nie aufgeht, die auf ihn warten,« versetzte Arthur; »aber wenn es der Fall ist, so werde ich mit meines Vaters Erlaubniß den Handel für mich in Anspruch nehmen.«

Hierauf kehrte er mit Contay um, und bald vereinigten sie sich mit einer größeren Reiterschaar unter dem breiten Banner des Herzogs. Alsbald wurde er vor Karl geführt. Dieser hörte mit einiger Unruhe, daß Arthur seines Vaters Beschuldigungen gegen den Italiener aufrecht hielt, für welchen er so sehr eingenommen war. Als man ihn aber versicherte, daß die Stratioten über den Berg gegangen wären, und sich mit ihrem Führer einen Augenblick vorher besprochen hätten, ehe dieser Arthur aufforderte, mitten in den Hinterhalt hinein vorzudringen, der sich nachher vorfand, schüttelte der Herzog den Kopf, senkte seine buschigen Augenbrauen, und murmelte vor sich hin, – »vielleicht böser Wille gegen Oxford – die Italiener sind rachsüchtig.« – Dann hob er das Haupt und befahl Arthur, fortzufahren.

Er vernahm mit einer Art von Entzücken den Tod Rudolph Donnerhügels, nahm eine schwere, goldene Kette vom Halse und hing sie Arthur'n um.

»Wie, du hast uns Allen die Ehre vorweggenommen, junger Arthur – das war der größte Bär von ihnen Allen – die Anderen sind blos Junge gegen ihn, die noch an der Mutter saugen! Ich glaube, ich habe einen jungen David gefunden, um es mit ihrem gewaltigen, dickköpfigen Goliath aufzunehmen. Aber der Dummkopf, zu meinen, ein solcher Bauer, wie er, könne eine Lanze führen! Gut, mein wackerer Junge – was sonst noch? Wie kamst du davon? Durch einen schlauen Streich oder eine schnelle List, wollt' ich wetten?«

»Ich bitte um Verzeihung, gnädiger Herr,« antwortete Arthur. »Ihr Anführer, Ferrand, nahm mich in Schutz; er betrachtete meinen Zweikampf mit Rudolph Donnerhügel als etwas nur uns Beide Angehendes; und da er, wie er sagte, einen ehrlichen Krieg zu führen wünschte, entließ er mich ehrenvoll mit Roß und Waffen.«

»Hm!« sagte Karl, und seine üble Laune kehrte zurück; »Euer abenteuernder Prinz will den Großmüthigen spielen – hm – gut, es gehört zu seiner Rolle, wird aber keine Richtschnur abgeben, nach welcher ich mein Betragen abmesse. Macht weiter in Eurer Geschichte, Herr Arthur von Vere!«

Als Arthur in seinem Bericht darauf kam, wie und unter welchen Umstanden Graf Albert von Geierstein des Fürsten Namen genannt, warf der Herzog einen scharfen Blick auf ihn, und zitterte vor Ungeduld, als er die Frage dazwischen warf: »– Und Ihr – Ihr habt ihm Euren Dolch unter die fünfte Rippe gestoßen, nicht?«

»Nein, gnädiger Herr Herzog – wir waren gegenseitig verpflichtet, Einer den Andern zu schützen.«

»Und doch wußtet Ihr, daß er mein Todfeind ist?« sagte der Herzog. »Geht, junger Mann, die laue Gleichgültigkeit hat Euer Verdienst vernichtet. Das Entkommen Alberts von Geierstein wiegt den Tod Rudolph Donnerhügels auf.«

»Sei's drum, gnädiger Herr,« entgegnete Arthur keck. »Ich verlange weder Euer Lob, noch scheue ich Euern Tadel. Ich hatte in beiden Fällen für mein Benehmen Beweggründe, die nur mich angehen – Donnerhügel war mein Feind und dem Grafen Albert bin ich einigermaßen verpflichtet.«

Die burgundischen Edeln, welche umherstanden, geriethen in Besorgniß wegen der Folgen dieser kühnen Rede. Aber es war nie möglich, genau zu errathen, wie solche Dinge von Karl aufgenommen werden würden. Er sah sich lachend um. – »Hört Ihr diesen englischen Hahn, meine Herren – aus was für einem Tone wird er sich einmal hören lassen, da er schon jetzt in Gegenwart eines Fürsten so wacker kräht?«

Ein paar Reiter traten jetzt von verschiedenen Seiten herzu und meldeten, der Herzog Ferrand und seine Begleiter hätten sich in ihr Lager zurückgezogen, und die Gegend wäre vom Feinde gesäubert.

»Nun, so wollen wir auch zurückgehen,« sagte Karl, »denn heute ist keine Aussicht auf ein Lanzenbrechen vorhanden. Und du, Arthur von Vere, verlaß mich nicht!«

In des Herzogs Zelt angekommen, bestand Arthur ein Verhör, in welchem er nichts von Anna von Geierstein oder ihres Vaters Absichten mit ihm sagte, denn er war der Ansicht, damit habe Karl nichts zu schaffen; aber offen gestand er ihm die Drohungen, welche der Graf ganz laut gegen den Herzog ausgestoßen. Der Herzog hörte ihm mit ziemlicher Ruhe zu, und bei dem Satz: »daß ein Mensch, der keinen Werth mehr auf sein eigenes Leben setze, das der Anderen völlig in seiner Gewalt habe,« erwiderte er: »Aber es gibt ein anderes Dasein nach diesem, in welchem der verrätherisch Ermordete und sein elender und verzweifelter Mörder den Lohn empfangen werden, den ihre Werke verdienen.« Er nahm hierauf ein goldenes Kreuz aus dem Busen, küßte es mit dem Anschein großer Andacht und sagte: »Darauf will ich mein Vertrauen setzen. Wenn ich in dieser Welt Fehler begehe, so finde ich wohl in einer andern Gnade. – He, Herr Marschall!« rief er, »führet uns die Gefangenen vor.«

Der Marschall von Burgund trat mit dem Grafen von Oxford ein und meldete, sein anderer Gefangener, Campo-Basso, hätte so eindringlich gebeten, man möchte ihn gehen und Schildwachen an dem Theil des Lagers aufstellen lassen, der dem Schutz seiner Truppen anvertraut wäre, daß er, der Marschall, es für passend gefunden hätte, seinem Verlangen nachzugehen.

»Es ist gut,« sagte Burgund ohne weitere Bemerkungen. – – »Was Euch betrifft, Graf Oxford, so würde ich Euch Euern Sohn vorstellen, wenn Ihr ihn nicht schon begrüßt hättet. Er hat sich viel Ehre und Ruhm gewonnen, und mir gute Dienste geleistet. Wir sind in einer Zeit, da gute Menschen ihren Feinden vergeben; ich weiß nicht warum – meine Gemüthsart eignet sich immer wenig zu derartigen Dingen – aber ich fühle ein unwiderstehliches Verlangen, den bevorstehenden Kampf zwischen Euch und Campo-Basso zu hemmen. Willigt um meinetwillen ein, Freunde zu werden, und nehmt Euern Fehdehandschuh zurück. Laßt mich dieses Jahr – vielleicht das letzte, das ich sehe – mit einer Handlung des Friedens beschließen.«

»Gnädiger Herr,« erwiderte Oxford, »es ist etwas Unbedeutendes, was Ihr von mir fordert, da Euer Verlangen nur auf eine Christenpflicht dringt. Ich war wüthend über den Verlust meines Sohnes, und danke dem Himmel und Eurer Hoheit, daß er wieder da ist. Der Freund Campo-Basso's zu sein, ist mir unmöglich. Treue und Verrath, Aufrichtigkeit und Falschheit könnten sich eben so gut die Hände reichen und einander umarmen. Aber der Italiener wird mir nichts mehr und nichts weniger gelten, als vor diesem Bruch, d. h. durchaus nichts. Ich lege meine Ehre in Euer Gnaden Hände; – wenn er seinen Handschuh zurücknimmt, so bin ich geneigt, es auch zu thun. Johann von Vere braucht nicht in Besorgniß zu sein, die Welt möchte glauben, er fürchte Campo-Basso.«

Der Herzog stattete ihm dafür seinen aufrichtigen Dank ab, und hielt die Offiziere auf, daß sie den Abend in seinem Zelte zubrachten. Sein Betragen erschien Arthur'n ruhiger, als er es je gesehen, und den Grafen von Oxford erinnerte es an die früheren Tage, in welchen ihre Vertraulichkeit begonnen hatte, ehe die unumschränkte Gewalt und ein unbegränztes Glück Karls rauhe, aber nicht unedle Gemüthsart verdarb. Der Herzog ließ Essen und Wein an die Soldaten austheilen, und legte lebhafte Theilnahme dafür an den Tag, daß sie gut untergebracht würden. Er erkundigte sich nach den Kranken und Verwundeten und dem Zustand des Heeres im Allgemeinen. Aber er erhielt auf alle seine Fragen nur unerfreuliche Antworten, und sagte zu einigen seiner Räthe, die er auf die Seite nahm: »Wäre es nicht wegen unseres Gelübdes, so würden wir den Plan bis zum Frühling aufgeben, damit unsere Truppen das Feld halten könnten, ohne so viel leiden zu müssen.«

Sonst zeigte sich nichts Auffallendes in dem Benehmen des Herzogs, außer daß er wiederholt nach Campo-Basso fragte. Zuletzt berichtete man ihm, er wäre unwohl und der Arzt hätte ihm Ruhe anempfohlen. Er sei deßhalb zu Bette gegangen, um bei Tagesanbruch seine Pflicht erfüllen zu können, da die Sicherheit des Lagers hauptsächlich von seiner Wachsamkeit abhänge.

Der Herzog bemerkte nichts über diese Entschuldigung, und schrieb sein Ausbleiben einem versteckten Widerwillen des Italieners zu, wornach er nicht wünschte, Oxford zu begegnen. Die Gäste wurden eine Stunde vor Mitternacht aus dem Zelte des Herzogs entlassen.

Als Oxford und sein Sohn sich in ihrer eigenen Wohnung befanden, versank der Graf in eine tiefe Träumerei, welche fast zehn Minuten andauerte. Endlich fuhr er plötzlich zusammen und sagte: »Mein Sohn, gib Thiebold und deinen Leuten Befehl, unsere Pferde bei Tagesanbruch vor dem Zelte bereit zu halten, oder lieber noch früher. Vielleicht wäre es nicht übel, wenn du unsern Nachbar Colvin bätest, uns auf unserem Gang zu begleiten. Ich will mit dem frühesten Morgen die Vorposten besichtigen.«

»Woher rührt dieser plötzliche Entschluß, gnädiger Herr?« fragte Arthur.

»Und doch dürfte er zu spät kommen,« entgegnete sein Vater. »Wäre es Mondschein, so hätte ich die Runde bei Nacht gemacht.«

»Es ist so finster, wie in einem Sack,« versetzte Arthur. »Aber warum, mein Vater, erregt gerade diese Nacht Eure Besorgniß?«

»Sohn Arthur, du hältst vielleicht deinen Vater für kindisch. Aber meine Amme, Martha Nixon, war eine Frau aus dem Norden und voll Aberglaubens. Besonders sagte sie oft, ein plötzlicher, ohne Ursache eingetretener Wechsel im Wesen eines Menschen, wie vom Leichtsinn zur Besonnenheit, von der Mäßigkeit zur Ausschweifung, vom Geiz zu übertriebenen Ausgaben, von der Verschwendung zur Geldliebe oder dergleichen, deute auf eine bevorstehende Aenderung seines Schicksals, eine große Umwandlung der Verhältnisse zum Guten oder zum Bösen, und am wahrscheinlichsten zum Bösen (weil wir in einer schlimmen Welt leben), steht dem bevor, dessen Gemüthsart so sehr verändert ist. Des alten Weibes Gedanke hat sich mir so lebhaft aufgedrängt, daß ich entschlossen bin, mich mit eigenen Augen vor dem Grauen des Tages zu überzeugen, ob alle unsere Wachen und die Patrouillen um's Lager munter sind.«

Arthur theilte Colvin und Thiebold das Nöthige mit, und begab sich dann zur Ruhe.

Es war vor Tagesanbruch am ersten Januar 1477, einer durch die Vorfälle, welche sie bezeichneten, für immer merkwürdigen Zeit, als der Graf von Oxford, sein Sohn und Colvin, blos von Thiebold und zwei andern Dienern gefolgt, ihre Runde um das Lager des Herzogs von Burgund begannen. Auf dem größern Theil ihres Weges fanden sie die Wachen munter und auf ihren Posten. Es herrschte eine strenge Kälte, der Boden war an einzelnen Stellen mit Schnee bedeckt, und diesen hatte ein zwei Tage lang andauerndes Thauwetter theils geschmolzen, theils war er durch einen starken Frost in Eis verwandelt worden, welcher am Abend zuvor anfing und noch fortdauerte. Man hätte sich keine trübere Scenerie denken können.

Aber wie groß wurde das Erstaunen und die Unruhe des Grafen von Oxford und seiner Begleiter, als sie zu dem Theile des Lagers kamen, welchen den Tag zuvor Campo-Basso mit seinen Italienern besetzt gehabt. Wenn man Gewappnete und Stratioten zählte, so belief sich seine Schaar auf fast zweitausend Mann – aber nirgends wurden sie angerufen – kein Roß wieherte, keine Feldwache ließ sich erschauen. Man durchsuchte mehrere Hütten und Zelte – sie standen leer.

»Wir wollen zurück und Lärm im Lager machen,« sagte der Graf von Oxford; »hier ist Verrätherei im Spiele.«

»Ei, mein gnädiger Herr,« versetzte Colvin; »wir wollen keine unvollständigen Nachrichten bringen. Ich habe hundert Schritte vorwärts eine Batterie, welche den Zugang zu diesem Hohlweg deckt; laßt uns sehen, ob meine deutschen Kanoniere auf ihrem Posten sind; ich wollte schwören, wir werden sie an ihrer Stelle finden. Die Batterie beherrscht einen Engpaß, durch welchen man sich allein dem Lager zu nähern im Stande ist, und wenn meine Leute ihre Schuldigkeit thun, so wollte ich mein Leben verwetten, daß wir den Platz vertheidigen können, bis Ihr von dem Hauptheere Unterstützung bringt.«

»Vorwärts also, in Gottes Namen!« rief der Graf Oxford.

Sie galoppirten auf jede Gefahr hin über unebenen, hie und da mit Eis bedeckten und an anderen Orten mit Schnee belegten Boden. So kamen sie bis zu den Kanonen, die geschickt und so aufgestellt waren, daß sie den Weg bestrichen, der sich aufwärts bis zu dem Geschütz hinzog, und dann auf der andern Seite langsam sich gegen den ebeneren Boden senkte. Der blasse Wintermondschein vermischte sich mit dem zunehmenden Tageslicht und zeigte ihnen, daß die Stücke an ihren Stellen standen, aber von einer Schildwache konnte man nichts erblicken.

»Die Schurken können nicht ausgerissen sein!« sagte der bestürzte Colvin – »aber seht, da ist Licht in ihren Quartieren. – O diese unselige Weinaustheilung! Sie haben sich ihrem gewöhnlichen Fehler, der Trunksucht, überlassen. Ich werde ihrem Gelage bald ein Ende machen.«

Er sprang vom Pferde und stürzte in das Zelt, von dem das Licht ausging. Die Kanoniere oder doch die meisten von ihnen waren noch da, lagen aber auf dem Boden unter ihren Bechern und Flaschen. Sie befanden sich in einem Zustand so völliger Betrunkenheit, daß Colvin blos zwei oder drei durch Drohungen und Befehle aufzuwecken vermochte. Aber auch diese konnten sich kaum auf den Füßen halten, gehorchten mehr unwillkürlich als mit Bewußtsein, und taumelten so an die Batterie. Ein dumpfes Geräusch, wie das von schnell gehenden Männern, ließ sich jetzt von dem Engpaß her vernehmen.

»Das ist das entfernte Rollen einer Lawine,« sagte Arthur.

»Ja, einer Lawine von Schweizern, nicht von Schnee,« entgegnete Colvin. »O, die verfluchten Saufbolde! – Die Kanonen sind scharf geladen und gut gerichtet, die erste Ladung muß sie aufhalten und wenn es Teufel wären, und der Lärm wird das Lager früher in Bewegung bringen, als wir es könnten. – Aber ach, die besoffenen Schurken!«

»Verlangt von ihnen keinen Beistand,« versetzte der Graf: »mein Sohn und ich wollen Jeder eine Lunte nehmen und einmal Artilleristen vorstellen.«

Sie stiegen ab, und hießen Thiebold mit den Dienern auf die Pferde Acht geben. Der Graf von Oxford und Arthur nahmen den Deutschen, die sich nicht zu rühren vermochten, das Zündkraut ab. Nur drei von ihnen waren so nüchtern, daß sie bei ihren Stücken stehen konnten.

»Brennt!« rief der kühne Artilleriegeneral; – »nie ist eine Batterie von so edlen Händen bedient worden. Nun, meine Kameraden – Verzeihung, meine Herren, es ist jetzt nicht Zeit, Umstände zu machen – und Ihr, betrunkene Schufte, habt Acht, daß ihr kein Feuer gebt, bis ich es befehle. Und wären die Rippen dieser Trampler so hart, als ihre Alpen, so sollen sie erfahren, wie der alte Colvin sein Geschütz ladet.«

So standen sie, fast ohne Athem zu holen, Jeder bei seiner Kanone. Das gefürchtete Geräusch näherte sich mehr und mehr, bis das unvollkommene Tageslicht eine dunkle und dämmerige, aber starke Truppe von Männern erkennen ließ, die mit langen Spießen, Streitäxten und Anderem bewaffnet waren. Auch Fahnen flatterten wie Schatten darüber hin. Colvin ließ sie bis auf etwa sechzig Schritte herankommen und kommandirte dann: »Feuer!« Aber sein Geschütz allein ging los; eine leichte Flamme fuhr aus dem Zündloch der andern heraus. Die davongelaufenen Italiener hatten sie vernagelt und zum Dienst unbrauchbar zurückgelassen, während es den Anschein hatte, man könne sie noch dazu verwenden. Wären sie alle in demselben Zustand gewesen, wie die Kanone Colvins, so hätte sich seine Voraussagung wahrscheinlich erfüllt; denn schon diese einzige Ladung brachte eine furchtbare Wirkung hervor, und machte eine lange Gasse von Todten und Verwundeten in den Reihen der Schweizer; auch die erste und Hauptfahne ward zusammengeschossen.

»Steht fest!« rief Colvin, »und helft mir, wenn's möglich ist, das Stück wieder laden.«

Hierzu blieb aber keine Zeit. Ein Mann von kolossaler Gestalt wurde vor der schwankenden Heeresabtheilung sichtbar, hob das gefallene Banner auf und rief mit donnernder Stimme: »Was, Landsleute? Habt Ihr Murten und Granson gesehen und fürchtet Euch vor einer einzelnen Kanone? – Bern – Uri – Schwyz – Banner vor! Unterwalden, hier ist Eure Standarte! – Erhebt Euer Kriegsgeschrei, stoßt in die Hörner; Unterwalden, folgt Eurem Landammann.«

Sie stürzten vorwärts mit eben so betäubendem Lärm und mit eben so viel Ungestüm, als das empörte Meer. Colvin beschäftigte sich noch damit, sein Geschütz wieder zu laden, und ward dabei niedergestoßen. Oxford und sein Sohn wurden von der Menge zu Boden geworfen, aber die Gedrängtheit des Haufens verhinderte, daß Hiebe nach ihnen geführt werden konnten. Arthur schützte sich zum Theil dadurch, daß er sich unter der Kanone versteckte, bei der er stand; sein Vater hatte weniger Glück; man trat ihn mit Füßen, und ohne seine starke Rüstung wäre er gewiß zu Grunde gegangen. Der Menschenstrom, der aus wenigstens viertausend Mann bestand, wälzte sich nieder in das Lager, und setzte dabei immer sein entsetzliches Geschrei fort. Bald aber mischte sich damit ein gellendes Gekreisch, Aechzen und Lärmruf.

Ein heller, rother Schimmer, der hinter den Angreifenden aufstieg, und das blasse Licht des Wintermorgens erbleichen machte, rief Arthur zuerst wieder zum Bewußtsein seiner Lage zurück. Das Lager hinter ihm stand im Feuer und ertönte von alle den verschiedenen Sieges- und Schreckensrufen, die man in einer erstürmten Stadt zu hören bekommt. Er sprang auf die Füße und sah sich um nach seinem Vater. Dieser lag nicht weit von ihm ohne Bewußtsein, wie die Artilleristen, welche ihre Trunkenheit verhindert hatte, zu fliehen. Arthur öffnete ihm den Helm und hatte die Freude, zu sehen, daß er wieder Lebenszeichen von sich gab.

»Die Pferde! die Pferde!« rief Arthur. »Thiebold, wo bist du?«

»Zur Hand, gnädiger Herr,« sagte der treue Diener, der sich und die seiner Sorge anvertrauten Thiere durch einen klugen Rückzug in ein kleines Dickicht gerettet hatte, welches die Stürmenden vermieden, um ihre Reihen nicht in Unordnung zu bringen.

»Wo ist der tapfere Colvin?« fragte der Graf; »gebt ihm ein Pferd; ich will ihn nicht in der Gefahr verlassen.«

»Seine Kriege sind beendigt, gnädiger Herr,« versetzte Thiebold; »er wird kein Roß mehr besteigen.«

Ein Blick auf Colvin und ein Seufzer war Alles, was der Augenblick verstattete. Den Ladstock in der Hand, lag er vor der Mündung der Kanone, sein Kopf war von einer schweizer Streitaxt gespalten.

»Wohin sollen wir uns wenden?« fragte Arthur seinen Vater.

»Zu dem Herzog,« erwiderte der Graf von Oxford. »An einem Tage, wie dieser, will ich ihn nicht im Stich lassen.«

»Wenn Ihr das wollt,« sagte Thiebold, »ich habe den Herzog gesehen. Etwa ein Dutzend Leute von seiner Wache folgten ihm, er ritt in voller Eile über den tiefen Bach und wandte sich der Ebene gegen Norden zu. Ich glaube, daß ich Euch auf seine Spur werde bringen können.«

»In diesem Fall,« versetzte Oxford, »wollen wir aufsitzen und ihm nacheilen. Das Lager ist an mehreren Orten zugleich angegriffen worden, und Alles muß verloren sein, da er geflohen ist.«

Mit Mühe brachten sie den Grafen von Oxford auf's Pferd, und ritten so stark, als es seine wiederkehrenden Kräfte erlaubten, in der Richtung fort, die der Provençale angegeben hatte. Ihre andern Begleiter waren zerstreut oder getödtet.

Mehr als einmal schauten sie nach dem Lager zurück, welches jetzt das Schauspiel eines großen Brandes darbot. Bei dem rothen und schimmernden Licht desselben entdeckten sie auf dem Boden Spuren von dem Rückzug Karls. Noch immer vernahmen sie von dem Ort ihrer Niederlage das Geschrei der Stürmenden, vermischt mit den Glocken von Nancy, welche den Sieg verkündigten, und nach etwa fünf Viertelstunden erreichten sie einen halb gefrorenen Sumpf, um welchen mehrere Leichname herlagen. Der erste, den sie unterschieden, war der Karls von Burgund, einst des Besitzers einer so unbegränzten Macht – so ungeheurer Reichthümer. Sein Körper war von mehreren Wunden durchbohrt, die ihm verschiedene Waffen beigebracht. Noch hielt er das Schwert in der Hand, und die auffallende Wildheit, welche seine Züge gewöhnlich in der Schlacht belebte, war noch auf seinem erstarrten Gesicht zu sehen. Dicht hinter ihm lag die Leiche des Grafen Albert von Geierstein, als wären sie im Gefecht mit einander gefallen; die von Eitel Schreckenwald, dem ergebenen, aber gewissenlosen Diener des Letzteren, war wenige Schritte davon ausgestreckt. Beide trugen die Kleidung der Gewappneten bei des Herzogs Leibwache; wahrscheinlich hatten sie sich in diese Verkleidung gesteckt, um das Todesurtheil des geheimen Gerichts zu vollziehen. Man vermuthet, daß eine Abteilung von des verrätherischen Campo-Basso's Leuten an dem Scharmützel Antheil nahm, in welchem der Herzog fiel; denn sechs oder sieben von ihnen und ungefähr eben so viele von des Herzogs Leibwache wurden nahe bei dem Platze gefunden.

Der Graf von Oxford stieg vom Pferde und untersuchte die Leiche seines gefallenen Waffenbruders mit allem Schmerz, welchen ihm die Erinnerung an seine alte Zuneigung einflößte. Während er sich aber den Gefühlen überließ, welche ein so trauriges Beispiel gefallener menschlicher Größe in ihm erregte, rief Thiebold, der nach dem Wege hinblickte, auf welchem sie eben herangekommen waren: »zu Pferd, mein Herr! Es ist hier keine Zeit, den Todten zu betrauern, kaum werdet Ihr das Leben retten – die Schweizer sind uns auf den Versen.«

»Fliehe du, guter Bursche,« antwortete der Graf, »und du, Arthur, ebenfalls; rette deine Jugend für glücklichere Tage. Ich werde mich an meine Verfolger ergeben; wenn sie meiner schonen, so ist es gut; wo nicht, so ist Einer über uns, der mich zu sich aufnehmen wird.«

»Ich gehe auch nicht,« sagte Arthur, »und lasse Euch nicht ohne Schutz, und will stehen und Euer Schicksal theilen.«

»Und ich bleibe auch,« setzte Thiebold hinzu; »die Schweizer führen einen ehrlichen Krieg, wenn ihr Blut nicht durch den Widerstand erhitzt wird, und sie haben dessen heute nicht viel erfahren.«

Es fand sich, daß die herankommende Schaar Schweizer aus Siegmund, seinem Bruder Ernst und einigen andern jungen Leuten aus Unterwalden bestand. Siegmund nahm sie freundlich und freudig unter seinen Schutz, und leistete auf diese Art Arthur zum Drittenmale einen wichtigen Dienst als Vergeltung für die Güte, mit der dieser ihn behandelt hatte.

»Ich will Euch zu meinem Vater bringen,« sagte Siegmund, »und er wird recht erfreut sein, Euch zu sehen; nur werdet Ihr ihn für den Augenblick etwas betrübt finden über den Tod unseres Bruders Rüdiger, der mit dem Banner in der Hand gefallen ist, und das durch die einzige Kanone, welche diesen Morgen gelöst wurde, die andern konnten nicht bellen; Campo-Basso hatte den Kläffern das Maul gestopft, sonst wären noch Viele von uns bedient worden, wie der arme Rüdiger. Aber Colvin selbst ist auch todt.«

»Campo-Basso war also mit Euch im Einverständniß?« fragte Arthur.

»Nicht mit uns – wir verachten solche Genossen – aber der Herzog Ferrand hatte einen Handel mit den Italienern. Nachdem dieser die Kanonen unbrauchbar und die deutschen Artilleristen gehörig betrunken gemacht hatte, kam er mit fünfzehnhundert Mann in unser Lager und erbot sich, mit uns zu kämpfen. Aber mein Vater sagte: ›Nein! nein! Verräther dürfen nicht in unser Schweizerheer.‹ So gingen wir zwar zu der Thüre hinein, die er offen gelassen, aber von seiner Kameradschaft wollten wir nichts wissen. Er zog darauf mit dem Herzog Ferrand aus, um das andere Ende des Lagers anzugreifen, und sie ließen ihn ein, weil er angab, er komme von einer Rekognoscirung.«

»Nun denn,« rief Arthur, »ein ausgemachterer Verräther hat nie geathmet, Keiner hat noch sein Netz mit mehr Glück zusammengezogen!«

»Das ist wahr,« antwortete der junge Schweizer. »Der Herzog wird nie wieder im Stande sein, eine andere Armee zu sammeln, wie sie sagen.«

»Nie, junger Mann,« erwiderte der Graf Oxford, »denn er liegt todt vor Euch.«

Siegmund war erstarrt; denn er hegte Achtung und einige Furcht vor dem bloßen Namen Karls des Kühnen. Kaum konnte er glauben, daß der zerfetzte Leichnam, der vor ihm lag, dem Manne zugehörte, welcher ihm so furchtbar erschien. Aber in seine Ueberraschung mischte sich Betrübniß, als er den Körper seines Oheims, des Grafen Albert von Geierstein, erblickte.

»O, mein Oheim!« rief er – »mein theurer Oheim Albert! Hat Euch alle Eure Größe und Klugheit nichts zuwege gebracht als den Tod neben einem Graben, wie einem elenden Bettler? – Kommt, wir müssen diese traurige Nachricht gleich meinem Vater mittheilen. Seines Bruders Tod wird ihn betrüben und Galle zu der Bitterkeit fügen, die der Hingang des armen Rüdiger in ihm erregt hat. Indessen liegt einiger Trost darin, daß Vater und Oheim sich nie ausstehen konnten.«

Mit einiger Schwierigkeit halfen sie dem Grafen von Oxford abermals auf's Pferd und machten sich auf den Weg, als der englische Lord sagte: »Ihr müßt eine Wache daher stellen, um die Leichen vor weiterer Beschimpfung zu schützen, damit sie mit gehöriger Feierlichkeit bestattet werden können.«

»Bei der lieben Frau von Einsiedeln! Ich danke Euch für den Wink,« versetzte Siegmund. »Ja, wir werden Alles für den Oheim Albert thun, was die Kirche vermag. Es steht zu hoffen, daß ihm seine Seele nicht schon im Voraus verloren ging, wenn er mit dem Teufel Gerade und Ungerade gespielt hat. Ich wollte, wir hätten einen Priester, der bei seinem armen Leichnam bliebe; aber es liegt nichts daran, denn man hat nie von einem Gespenst gehört, das vor dem Frühstück erschienen wäre.«

Sie begaben sich in das Quartier des Landammanns, und stießen dabei auf Bilder und Auftritte, welche Arthur und selbst sein Vater, die doch den Krieg schon in allen seinen Gestalten gesehen hatten, nicht ohne Schaudern betrachten konnten. Aber der schlichte Siegmund, der neben Arthur herging, lenkte das Gespräch auf einen so anziehenden Gegenstand, daß er die Aufmerksamkeit seines Freundes von den Schrecknissen abzog, die sie umgaben.

»Habt ihr noch Geschäfte in Burgund, da es jetzt mit eurem Herzog ein Ende hat?«

»Mein Vater weiß das am besten,« versetzte Arthur; »aber ich besorge, daß es nicht der Fall ist. Die Herzogin von Burgund, welche nun einen Theil der Gewalt ihres verstorbenen Gemahls in seinem Gebiet übernehmen muß, ist die Schwester Eduards von York, die Todfeindin des Hauses Lancaster und Aller, welche demselben treu geblieben sind. Es wäre weder klug, noch sicher für uns, in einem Lande zu bleiben, welches sie beherrscht.«

»In diesem Fall wird mein Plan nach Wunsch gelingen. Ihr kehret nach Geierstein zurück und wohnet bei uns. Dein Vater wird der Bruder des meinigen, und ein besserer wird er sein, als mein Oheim Albert, den er nicht besuchte, und mit welchem er nur selten redete. Mit deinem Vater aber wird er sich von Morgen bis Abend unterhalten, und uns die Feldarbeiten überlassen. Du, Arthur, gehst mit uns, du wirst uns Allen den armen Bruder Rüdiger ersetzen. Er war freilich mein rechter Bruder, und das wirst du nie werden können, aber ich konnte ihn nie so lieb haben, wie dich, weil er kein so gutes Gemüth hatte. Und dann, Anna, meine Base Anna – ist ganz der Sorge meines Vaters überlassen. Sie ist jetzt auf Geierstein – und du weißt, König Arthur, wir nannten sie immer die Königin.«

»Da habt ihr eine große Dummheit gesagt,« versetzte Arthur.

»Aber das ist ganz wahr – denn, siehst du, ich erzählte Annen gerne unsere Geschichten von der Jagd u. s. w., aber sie wollte nichts hören, bis ich Etwas vom König Arthur fallen ließ, dann versichere ich dich, hielt sie sich so ruhig, wie eine Auerhenne, wenn der Habicht in der Luft umherkreist. Und jetzt ist Donnerhügel gefallen, und du weißt, daß du Anna heirathen kannst, wenn ihr wollt, du und sie, denn es bringt Niemand Vortheil, das zu hindern.«

Arthur erröthete vor Vergnügen unter seinem Helm, und vergaß fast alles Unglück, was an diesem Neujahrsmorgen zusammengekommen war.

»Du bedenkst nicht,« erwiderte er Siegmund mit so viel Gleichgültigkeit, als er anzunehmen vermochte, »daß ich in deiner Heimath wegen Rudolphs Tod mit ungünstigen Augen angesehen werden dürfte.«

»Keineswegs, nicht im geringsten; wir tragen nicht nach, was im ordentlichen Gefecht unter'm Schilde geschieht. Das macht nicht mehr, als wenn du ihn beim Ringen oder Werfen besiegt hättest – nur daß das ein Spiel ist, was man nicht zum zweiten Male machen kann.«

Sie zogen jetzt in die Stadt Nancy ein; die Fenster waren mit Teppichen geschmückt und die Straßen durch lärmende und fröhliche Haufen gesperrt, welche der Sieg von der großen Unruhe wegen der Rache Karls von Burgund befreit hatte.

Die Gefangenen wurden von dem Landammann äußerst gütig aufgenommen, und er versicherte sie seines Schutzes und seiner Freundschaft; den Tod seines Sohnes Rüdiger schien er mit stiller Ergebung zu tragen.

»Es sei besser,« sagte er, »daß sein Sohn in der Schlacht gefallen sei, als wenn er gelebt, die alte Einfalt seiner Heimat verachtet und geglaubt hätte, der Zweck des Kampfes sei die Erwerbung von Beute. Das Gold des todten Karl,« fügte er hinzu, »würde den Sitten der Schweizer einen unersetzlicheren Schaden zufügen, als sein Schwert ihrem Leben.«

Auch den Tod seines Bruders vernahm er ohne Verwunderung, aber, wie es schien, nicht ohne Bewegung.

»Es war der Schluß,« sagte er, »eines langen Gewebes von ehrgeizigen Unternehmungen, welche oft hübsche Aussichten darboten, aber sammt und sonders fehlschlugen.«

Der Landammann erklärte überdieß, sein Bruder hätte ihn benachrichtigt, daß er in eine gefährliche Sache verwickelt wäre und fast sicher darin umkommen würde. »Dabei hat er,« fuhr Biedermann fort, »seine Tochter meiner Sorgfalt überwiesen, und mir Anweisungen in Bezug auf sie gegeben.«

Hier trennten sie sich für jetzt; aber kurz darnach drang der Landammann ernstlich in den Grafen von Oxford, ihm zu sagen, welche Absichten er für die Zukunft habe, und ob er ihm etwas helfen könne.

»Ich habe im Sinne, die Bretagne zum Zufluchtsort zu wählen,« antwortete der Graf, »wo meine Frau gewohnt hat, seit wir durch die Schlacht bei Tewkesbury aus England vertrieben sind.«

»Thut das nicht,« sagte der gute Landammann, »sondern kommt mit der Gräfin nach Geierstein. Wenn sie, wie Ihr, sich an die Sitten und das Leben in den Bergen und an den Anblick unserer Gebirge gewöhnen kann, so werdet Ihr in meinem Hause so willkommen sein, wie mein Bruder, und einen Aufenthalt haben, dem Verschwörungen und Verrath immer fremd geblieben sind. Bedenkt wohl, der Herzog von Bretagne ist ein schwacher Fürst, und wird völlig durch einen elenden Günstling, Peter Landais, beherrscht. Er ist auch im Stande, d. h. der Minister, das Blut wackerer Leute zu verkaufen, wie ein Metzger mit Ochsenfleisch handelt, und Ihr wißt, daß es in Frankreich, wie in Burgund, nicht an Leuten fehlt, die Euch nach dem Leben trachten.«

Der Graf von Oxford sprach seinen Dank aus für den Vorschlag und erklärte, er sei entschlossen, auf denselben einzugehen, wenn es Heinrich von Lancaster, der Graf von Richmond, genehmige, den er jetzt als seinen Fürsten betrachtete.

Wir kommen zum Schluß. Etwa drei Monate nach der Schlacht bei Nancy nahm der verbannte Graf Oxford wieder den Namen Philipson an, und brachte mit seiner Gemahlin einige Ueberreste ihres früheren Reichthums mit, welche ihn in Stand setzten, sich eine bequeme Wohnung bei Geierstein zu bauen. Des Landammanns Einfluß im Kanton verschaffte ihnen das Bürgerrecht. Die hohe Geburt und das mäßige Vermögen Anna's von Geierstein und Arthurs von Vere, in Verbindung mit ihrer gegenseitigen Neigung, ließen ihre Heirath in jeder Beziehung als vernünftig erscheinen. Hannchen und ihr Liebhaber nahmen ihre Wohnung bei dem jungen Paar, nicht als Diener, sondern als Aufseher bei den Feldarbeiten. Denn Arthur zog noch immer die Jagd dem Ackerbau vor. Dieses hatte aber nicht viel zu sagen, weil er mit seinem eigenen Einkommen in diesem armen Lande für wohlhabend gelten konnte. Die Zeit verging, und es waren schon fünf Jahre, daß die verbannte Familie in der Schweiz ihren Wohnsitz genommen hatte. Im Jahr 1482 starb der Landammann Biederman den Tod des Gerechten, und wurde allgemein betrauert als ein Muster der redlichen und tapferen, schlichten und klugen Häuptlinge, welche die alten Schweizer im Frieden regierten und in der Schlacht befehligten. Im nämlichen Jahre verlor der Graf Oxford seine edle Gemahlin.

Aber der Stern des Hauses Lancaster fing zu dieser Zeit wieder an zu glänzen und bewirkte, daß der verbannte Lord nebst seinem Sohne ihren einsamen Aufenthalt verließen und sich abermals in Staatsangelegenheiten mischten. Das kostbare Halsband Margarethens erhielt jetzt die Verwendung, zu welcher es bestimmt war, und der Verkauf desselben machte die Aushebung der Truppen möglich, welche kurz nachher die berühmte Schlacht bei Bosworth lieferten, worin die Waffen Oxfords und seines Sohnes so viel zum Sieg Heinrichs VII. beitrugen. Dadurch erhielt das Geschick Arthurs und seiner Gattin eine Aenderung. Ihr Gut in der Schweiz wurde Hannchen und ihrem Manne überlassen, und das Betragen und die Schönheit Anna's van Geierstein erregten am englischen Hofe eben so viel Bewunderung, als früher in den ländlichen Hütten der Schweiz.


Druck von C. Hoffmann in Stuttgart.

 


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