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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

So sprach der Herzog – führt' der Herzog an.

Richard III.

Die Augen des älteren Reisenden waren wohl gewöhnt an den Anblick kriegerischen Glanzes, aber auch er wurde geblendet, als sich das reiche und stolze burgundische Lager vor ihm entfaltete, in welchem unweit der Mauern von Dijon Karl, der reichste Fürst in Europa, alle seine Pracht zur Schau gestellt, und auch sein Gefolge zu ähnlicher Verschwendung angeregt hatte. Die Zelte der niedrigsten Offiziere bestanden aus Seide und Sammt; die des Adels und der Oberanführer glänzten von Silber- oder Goldstoffen, von bunten Tapeten und anderen kostbaren Dingen, die bei keiner andern Gelegenheit zum Schutz gegen das Wetter verwendet, sondern für sich selbst der sorgsamsten Aufbewahrung werth geachtet worden wären. Reiter und Fußgänger, welche die Wache bezogen, standen in den reichsten und prachtvollsten Rüstungen da. Ein schöner und sehr zahlreicher Geschützpark war beim Eingang des Lagers aufgestellt, und in dem Befehlshaber desselben erkannte Philipson (um dem Grafen den Namen zu geben, unter dem er unseren Lesern mehr bekannt ist) Heinrich Colvin, einen Engländer von niedriger Geburt, aber ausgezeichnet durch seine Geschicklichkeit in der Bedienung der furchtbaren Maschinen, welche seit Kurzem im Kriege in allgemeinen Gebrauch gekommen waren. Die Banner und Fahnen, die jeder Ritter, Freiherr und Mann von Stand wehen ließ, flatterten vor ihren Zelten, und die Eigenthümer dieser wandelnden Wohnungen saßen halb gewaffnet an den Thüren und sahen den kriegerischen Spielen der Soldaten zu, welche sich mit Ringen, Speerwerfen und anderen Körperübungen belustigten.

Lange Reihen der edelsten Pferde sah man da an Pfähle gebunden, wie sie mit den Füßen stampften und wiehernd die Köpfe bewegten, als wären sie der Unthätigkeit müde, zu welcher man sie verdammt, oder von Zeit zu Zeit dem Futter sich zuwandten, welches in Fülle vor ihnen lag. Die Soldaten bildeten fröhliche Gruppen um Minnesänger und herumziehende Gaukler, oder saßen trinkend in den Marketenderzelten. Andere wandelten mit gekreuzten Armen herum, und wandten ihre Augen dann und wann auf die untergehende Sonne, als wünschten sie die Stunde herbei, die einem müssigen und darum langweiligen Tage ein Ende machen sollte.

Zuletzt erreichten die Reisenden in der blendenden Mannigfaltigkeit des militärischen Prunks das Zelt des Herzogs selbst. Vor diesem flatterte schwer im Abendwinde das große und reiche Banner, in welchem das Wappen eines Fürsten strahlte, eines Herzogs von sechs Provinzen und eines Grafen von fünfzehn Grafschaften, der durch seine Macht, seine Sinnesart und den Erfolg, welcher seine Unternehmungen begleitete, ganz Europa Furcht einjagte. Der Herold gab sich einigen von des Herzogs Leuten zu erkennen, und die Engländer wurden alsbald mit Höflichkeit aufgenommen, doch ohne daß die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt worden wäre. Man geleitete sie in ein benachbartes Zelt, den Aufenthalt eines Oberoffiziers, und bedeutete ihnen, dasselbe sei für ihre Bequemlichkeit bestimmt. Hier wurde daher auch ihr Gepäck abgelegt und ihnen Erfrischungen angeboten.

»Da das Lager,« sagte der Bediente, welcher ihnen aufwartete, »mit Soldaten aus verschiedenen Völkern und von zweifelhaftem Charakter angefüllt ist, so hat der Herzog von Burgund zum Schutz für eure Waaren die Ausstellung einer regelmäßigen Schildwache befohlen. Unterdessen haltet euch bereit, Seiner Hoheit aufzuwarten, denn ihr könnet darauf zählen, daß man sogleich nach euch senden wird.«

Wirklich wurde auch der ältere Philipson kurz darnach vor den Herzog gefordert, und durch eine Hinterthüre in denjenigen Theil des beweglichen Zeltes geführt, welchen dichte Vorhänge und Schranken von Holz einfaßten, und welcher Karls besonderes Gemach bildete. Die Einfachheit des Geräths darin und der nachlässige Anzug des Herzogs bildeten einen besonderen Gegensatz zu dem äußeren Aussehen des Zeltes. Denn Karl blieb sich hierin, wie in anderen Dingen, keineswegs immer gleich, und zeigte im Kriege eine Strenge gegen sich selbst, oder vielmehr eine Ungezwungenheit in der Kleidung und manchmal im Betragen, welches mehr für die Rohheit eines groben, deutschen Lanzknechts paßte, als mit dem Benehmen eines Fürsten von hohem Rang im Einklang stand. Er beförderte, ja verlangte zugleich viel Pracht und kostspieligen Aufwand von seinen Lehensträgern und Hofleuten, als ob ein gleichgültiger Anzug und die Verachtung jeden Zwangs, die Befreiung von allen Höflichkeiten ein Vorrecht des Fürsten allein wäre. Doch wußte Niemand besser als Karl von Burgund, sich, wenn es ihm darum zu thun war, zu schmücken und zu benehmen, und ein vornehmes Wesen an den Tag zu legen.

Auf seinem Putztisch lagen Bürsten und Kämme, die durch ihre langen Dienste Ansprüche auf Abdankung gehabt hätten, abgetragene Hüte und Wämser, Leinen für Hunde, lederne Gürtel und ähnliche geringe Gegenstände. Zufällig, wie es schien, lagen hier aber auch die großen Diamanten, Sauci genannt, die drei Rubinen, welche man die drei Bräute von Antwerpen hieß – ein weiterer großer Diamant, der den Namen der Lampe von Flandern führte, und andere kostbare Steine, welche diesen an Werth und Seltenheit kaum nachstanden. Eine solche wunderliche Schaustellung glich einigermaßen dem Charakter des Herzogs selbst. Er vermischte Grausamkeit mit Gerechtigkeit, Großmuth mit Niedrigkeit, Sparsamkeit mit Verschwendung und Freigebigkeit mit Geiz. In nichts blieb er übereinstimmend mit sich, als in der Hartnäckigkeit, mit der er eine Meinung, die er einmal gefaßt, in jeder Lage der Dinge und durch alle Wechsel der Gefahr befolgte.

Mitten aus diesen werthlosen und unschätzbaren Gegenständen heraus rief der Herzog von Burgund dem englischen Reisenden zu: »Willkommen, Herr Philipson – willkommen – aus einem Volke, dessen Handelsleute Fürsten sind, und dessen Kaufleute zu den Mächtigen der Erde gehören. Was für neue Waaren habt Ihr mitgebracht, uns zu betrügen? Ihr Krämer seid, bei St. Georg! ein verschmitztes Volk.«

»Meiner Treu', gnädiger Herr, ich bringe Euch keine neuen Waaren,« antwortete der alte Engländer; »blos die, welche ich Eurer Hoheit vor Kurzem vorgelegt. Ich hoffe jetzt, Euer Gnaden möchten sie der Besichtigung würdiger finden, als da Ihr sie zum Erstenmal gesehen.«

»Nun, Herr – Philipeille, heißt Ihr, mein' ich? – Ihr seid ein einfältiger Hausirer, oder Ihr haltet mich für einen dummen Käufer, wenn Ihr glaubet, mich mit den nämlichen Waaren anführen zu können, an denen ich früher keinen Geschmack gefunden habe. Modewechsel, Mann – Neuigkeiten – das ist das Losungswort des Handels; Eure Lancasterwaaren haben ihre Zeit gehabt, und ich habe davon gekauft, wie Andere, und sie wahrscheinlich theuer genug bezahlt. Jetzt findet York Abnehmer.«

»Das mag beim Pöbel der Fall sein,« erwiderte der Graf von Oxford; »aber für Leute, wie Euer Hoheit, sind Treue und Ehre Juwelen, welche kein Wechsel der Laune, keine Veränderlichkeit des Geschmacks aus der Mode bringen kann.«

»Meiner Treu', edler Oxford,« versetzte der Herzog, »es mag sein, daß ich insgeheim noch einige Anhänglichkeit an diese alten Sachen habe, wie sollte ich sonst so viel Achtung für Euch hegen, welcher sie immer in so hohem Grade besessen. Aber ich bin in einer peinlichen und gedrückten Lage, und würde ich in diesem entscheidenden Augenblick einen Fehltritt thun, so könnte ich das Ziel verfehlen, das ich mein ganzes Leben hindurch verfolgt habe. Hört wohl auf, Herr Kaufmann. Da ist euer alter Nebenbuhler, Blackburn, den Einige Eduard von York und London heißen, mit einer Ladung Bögen und Streitäxte herübergekommen, wie sie nie seit König Arthurs Zeiten in einen französischen Hafen eingelaufen ist. Er erbietet sich, mit mir in Verbindung sein Geschäft zu treiben, oder um deutlich zu reden, mit Burgund gemeinschaftliche Sache zu machen, bis wir den alten Fuchs Ludwig mit Rauch aus seinem Bau vertrieben und seine Haut an die Stallthüre genagelt hätten. Mit einem Wort, England ladet mich zu einem Bündniß ein gegen meinen schlauesten und hartnäckigsten Feind, den König von Frankreich; so könnte ich mir die Kette der Lehensabhängigkeit vom Halse streifen, und mich zum Range der unabhängigen Fürsten erheben; wie meint Ihr nun, edler Graf, daß ich dieser verführerischen Versuchung widerstehen könnte?«

»Da müßt Ihr einen von Euren burgundischen Räthen fragen,« antwortete Oxford, »das ist eine Frage, die meiner Sache zu verderblich ist, um mir eine unparteiische Meinung darüber möglich zu machen.«

»Dessenungeachtet,« sagte Karl, »frage ich dich als einen Ehrenmann, welche Einwürfe du gegen den Vorschlag zu erheben findest, der mir gemacht worden ist? Sage deine Meinung und sprich sie frei heraus!«

»Euer Gnaden, ich weiß, es liegt im Wesen Eurer Hoheit, keinem Zweifel über die Leichtigkeit der Ausführung dessen Raum zu geben, was Ihr Euch einmal vorgesetzt habt; obgleich aber diese fürstliche Art in gewissen Fällen den Erfolg verbürgt und ihn oft herbeigeführt hat, so gibt es doch auch andere Umstände, in welchen das Beharren auf einem Entschluß, blos weil er einmal gefaßt ist, nicht das Gelingen, sondern den Untergang bewirken kann. Blickt einmal auf das englische Heer; – der Winter kommt heran, wo soll es untergebracht werden? Wo soll es Nahrungsmittel herkriegen? Wer soll es besolden? Wird Eure Hoheit Kosten und Mühe auf sich nehmen, um es für den Sommerfeldzug im Stand zu erhalten? Denn, seid davon überzeugt, eine englische Armee war und wird nie zum Kriegsdienst tauglich sein, wenn sie nicht lange genug von unserer Insel entfernt gewesen ist, um sich an ihre Obliegenheiten zu gewöhnen. Es gibt, ich wollte wetten, keine Leute in der Welt, die sich besser zu Soldaten eigneten, aber sie sind jetzt noch keine, und müssen auf Euer Hoheit Kosten dazu abgerichtet werden.«

»Sei es so!« versetzte Karl; »ich denke, die Niederlande werden die Ochsenfleisch fressenden Schelme ein paar Wochen füttern können, man wird auch Dörfer finden, sie hineinzulegen, Offiziere, um ihre unbeholfenen Glieder für den Krieg einzuüben, und Profosen genug, um die Widerspenstigen zum Gehorsam zu bringen.«

»Und was wird dann geschehen?« fragte Oxford. »Ihr geht nach Paris und fügt Eduards angemaßter Herrschaft ein anderes Königreich hinzu; Ihr gebt ihm alle Besitzungen zurück, welche England früher in Frankreich, der Normandie, in Maine, Anjou, Gascogne inne hatte; Ihr sichert ihm auch alles Andere. – Könnt Ihr diesem Eduard trauen, wenn Ihr seine Macht gesteigert und ihn stärker gemacht habt, als Ludwig, zu dessen Demüthigung Ihr Euch vereinigt?«

»Beim Sankt Georg! Ich will mich nicht gegen Euch verstellen. Gerade über diesen Punkt habe ich Zweifel, die mich beunruhigen. Eduard ist freilich mein Schwager, aber ich bin ein Mann, der wenig Lust hat, unter den Pantoffel meines Weibes zu treten.«

»Und die Erfahrung,« fuhr Philipson fort, »hat zu oft bewiesen, daß Familienverbindungen nicht hinreichen, um den gröbsten Treubruch zu hindern.«

»Ihr habt recht, Graf. Clarence hat seinen Schwiegervater verrathen, Ludwig seinen Bruder vergiftet – häusliche Neigungen, pah! sie mögen warm genug am Herd eines Privatmanns sitzen, aber auf Schlachtfelder und in die Säle von Fürsten, wo die Winde kälter wehen, können sie nicht kommen. Nein, meine Verbindung mit Eduard durch die Heirath wäre mir im Fall der Noth von geringem Nutzen. Wollte ich mich darauf verlassen, so wäre das eben so, als wenn ich ein nicht dressirtes Pferd ritte und keinen bessern Zügel hätte, als das Strumpfband einer Dame. Aber was folgt daraus? Er bekriegt Ludwig; wer auch immer den Sieg davon tragen mag, ich kann nur Kräfte dabei gewinnen, wenn sie sich gegenseitig schwächen, mein ist der Vortheil davon. – Die Engländer tödten die Franzosen mit ihren langen Pfeilen, und die Franzosen schädigen, schwächen und vernichten die Engländer in kleinen Gefechten. Mit dem Frühling rücke ich mit einer ihnen beiden überlegenen Armee in's Feld und dann, Sankt Georg und Burgund!«

»Und wenn Eure Hoheit indessen geruhen wollte, auch nur in der unbedeutendsten Weise die ehrenwertheste Sache, für welche je ein Ritter eine Lanze einlegte, mit einer Summe Geldes und einer kleinen Anzahl Hennegauer Lanzenreiter zu unterstützen, so würden diese Ruhm und Reichthum bei dem Dienste erwerben, und Ihr würdet den in seinen Rechten gekränkten Erben von Lancaster in den Besitz des Gebiets einsetzen, das ihm von Geburts- und Rechtswegen zugehört.«

»Meiner Treu, Herr Graf,« sagte der Herzog; »Ihr geht ohne Umschweife auf Euer Ziel los; aber wir haben so manchen Glückswechsel zwischen York und Lancaster mit angesehen und zu manchem zum Theil geholfen, daß wir einigermaßen im Zweifel sind, welcher Seite der Himmel das Recht und die Neigung des Volks, die wirkliche Gewalt, gegeben hat; so viele außerordentliche Wendungen im Schicksal von England haben uns völligen Schwindel verursacht.«

»Ein Beweis, gnädiger Herr, daß diese Veränderungen noch nicht zu Ende sind, und daß Eure edelmüthige Beihülfe der besseren Seite den Vortheil zuwenden könnte.«

»Soll ich meiner Base, Margarethe von Anjou, meinen Arm leihen, um meines Weibes Bruder vom Throne zu stoßen? Er verdient vielleicht nicht viel Rücksicht von meiner Seite, da er und sein unverschämter Adel mich mit Vorstellungen, ja mit Drohungen überhäuft haben, ich solle alle meine wichtigen Geschäfte liegen lassen und mich mit Eduard vereinigen, da er wie ein irrender Ritter gegen Ludwig zog. Ich werde gegen Ludwig marschiren, wenn es mir Zeit dazu scheint, und nicht früher; und bei Sankt Georg, weder ein König noch ein Ritter von der Insel soll Karl von Burgund Gesetze vorschreiben. Ihr seid sehr eingebildete Gesellen, Ihr Engländer, auf beiden Seiten, daß Ihr meinet, die Angelegenheiten Eurer Narreninsel seien für alle Welt eben so anziehend, als für Euch selbst. Aber weder York, noch Lancaster, weder Bruder Blackburn, noch Base Margarethe von Anjou, und wenn Johann von Vere hinter ihr steht, werden mich verführen. Man lockt den Falken nicht mit leeren Händen.«

Oxford kannte des Herzogs Weise, und ließ ihn seine Hitze über den Gedanken, daß Jemand ihm Vorschrift über sein Verfahren geben wollte, völlig austoben. Als er endlich schwieg, versetzte der Graf mit Ruhe: »Höre ich da wirklich den edlen Herzog von Burgund, den Spiegel der europäischen Ritterschaft, wenn er sagt, es sei ihm kein guter Grund für eine Unternehmung angegeben worden, durch die einer unglücklichen Königin Recht verschafft und ein Königshaus aus dem Staub erhoben werden soll? Ist hier nicht unvergängliche Ehre einzuernten? Wird der Ruf nicht den Fürsten verherrlichen, der in einem entarteten Zeitalter allein die Pflichten eines edlen Ritters mit denen eines Fürsten vereint?« –

Der Herzog unterbrach ihn und klopfte ihm auf die Schulter – »Und König René's fünfhundert Fiedler werden dann ihre zerbrochenen Geigen zu meinem Preise stimmen? Und König René selbst wird ihnen zuhören und sagen, brav gefochten Herzog, gut gespielt Fiedler! – Ich sage dir, Johann von Oxford, da du und ich noch jungfräuliche Rüstungen trugen, waren Worte, wie Ruhm, Ehre, Ritterthum, Frauenliebe u. s. w. gute Losungsworte für unsere schneeweißen Schilder und ein hinreichender Grund, um ein paar Lanzen zu brechen – ei, und auf dem Stechplatz wollte ich, obschon ich etwas alt bin für solche wilde Thorheiten, mich noch in einen solchen Streit einlassen, wie es sich für einen Ritter ziemt. Aber wenn davon die Rede ist, Kronen auszuzahlen und große Truppengeschwader einzuschiffen, so müssen wir unseren Unterthanen eine handgreifliche Entschuldigung angeben können, warum wir sie in Krieg stürzen, eine Berufung auf das allgemeine Beste – oder bei Sankt Georg, auf unseren eigenen Privatvortheil, was dasselbe ist. Das ist der Welt Lauf, und Oxford, um dir reinen Wein einzuschenken, ich will diesen Weg einschlagen.«

»Der Himmel verhüte, daß ich erwartete, Eure Hoheit würde anders als mit Rücksicht auf die Wohlfahrt Eurer Unterthanen handeln, nämlich auf das Wachsthum Eurer Macht und Eures Gebiets, wie es Euer Gnaden glücklich ausgedrückt hat. Wir wollen das Geld, was wir verlangen, nicht geschenkt, sondern lehnungsweise; und Margarethe ist geneigt, diese Juwelen, deren Werth Euer Gnaden wohl kennen wird, bei Euch niederzulegen, bis sie die Summe zurückbezahlt, welche ihr Eure Freundschaft in ihrer Noth vorschießen soll.«

»Ha, ha,« rief der Herzog, »meint unsere Base, wir sollen auf Pfänder leihen und mit ihr schachern wie ein jüdischer Wucherer mit seinem Schuldner? Indessen, Oxford, ist es meiner Treu' möglich, daß uns diese Diamante nöthig werden, denn wenn ich mich entschließe, in Eure Plane einzugehen, so könnte es leicht geschehen, daß ich selber Geld entlehnen müßte, um den Bedürfnissen meiner Base abzuhelfen. Ich habe mich an die Stände des Herzogthums gewendet, die eben versammelt sind, und erwarte, wie das billig ist, einen bedeutenden Zuschuß. Aber es gibt unruhige Köpfe und geschlossene Hände unter ihnen, und sie könnten die Knauser spielen – darum legt nur die Juwelen unterdessen auf den Tisch. – Nun, setzt einmal den Fall, ich habe nichts aus dem Beutel zu verlieren bei dieser Handlung der fahrenden Ritterschaft, wie Ihr sie vorschlaget; die Fürsten fangen keinen Krieg an, wenn nicht irgend welcher Vortheil in Aussicht steht.«

»Höret mich, edler Fürst. Eure Absicht geht natürlich auf Vereinigung der weiten Länder Eures Vaters mit denen, welche Eure Kriege hinzugefügt, um daraus ein geschlossenes Herzogthum zu bilden.«

»Nennt es ein Königreich,« fuhr Karl dazwischen; »das ist das bessere Wort.«

»Ein Königreich, dessen Krone sich eben so schön auf Eurer Gnaden Stirn ausnehmen wird, als die von Frankreich Eurem gegenwärtigen Lehensherrn, Ludwig, ansteht.«

»Es bedarf nicht so viel Schlauheit, als Ihr besitzt, um zu errathen, daß das meine Absicht ist,« sagte Karl; »warum wäre ich sonst hier, den Helm auf dem Kopf, das Schwert zur Seite? Und warum hätten sich meine Truppen der festen Plätze in Lothringen bemächtigt, und den bettelhaften Vaudemont vor sich hergetrieben, der die Unverschämtheit hat, es als sein Erbe anzusprechen? Ja, mein Freund, die Vergrößerung Burgunds ist eine Aufgabe, und für diese ist der Herzog dieses schönen Landes zu kämpfen gehalten, so lang er einen Fuß in den Steigbügel setzen kann.«

»Aber glaubt Ihr nicht«, sprach der englische Graf, »da Euer Gnaden mir erlaubt, frei und mit dem Vorrecht eines alten Bekannten zu sprechen, glaubt Ihr nicht, daß auf der Karte Eurer Besitzungen, die so gut abgerundet sind an der südlichen Gränze, sich etwas findet, was für einen König von Burgund vortheilhafter eingerichtet werden könnte?«

»Ich kann nicht errathen, wo Ihr hinaus wollet,« erwiderte der Herzog. Er blickte dabei auf eine Karte des Herzogthums und seiner anderen Besitzungen, auf welche der Engländer seine Aufmerksamkeit gelenkt, und wandte dann sein großes scharfes Auge auf das Gesicht des verbannten Grafen.

»Ich wollte sagen,« versetzte dieser, »daß es für einen so mächtigen Fürsten, als Euer Gnaden, keine so sichere Gränze gibt, als das Meer. Da ist die Provence, welche zwischen Euch und dem Mittelmeer liegt; die Provence mit ihren prächtigen Häfen, ihren fruchtbaren Kornfeldern und Weingärten. Wäre es nicht passend, sie der Karte Eures Fürstenthums einzuverleiben und so mit der einen Hand das Mittelmeer zu berühren, während die andere auf der Küste von Flandern ruht?«

»Die Provence, sagt Ihr?« entgegnete der Herzog eifrig. »Was, Mann, ich träume von nichts, als der Provence. Keine Orange kann ich riechen, ohne daß sie mich an ihre Gehölze und duftenden Lauben, an ihre Oliven, Citronen und Granaten erinnert. Aber wie soll ich Ansprüche darauf erheben? Es wäre eine Schande, die letzten Augenblicke des guten, alten René zu stören, und stände auch einem nahen Verwandten nicht wohl an. Dann ist er Ludwigs Oheim, und es ist sehr wahrscheinlich, daß er mit Uebergehung seiner Tochter Margarethe bereits den König von Frankreich zu seinem Erben eingesetzt hat.«

»Euer Gnaden könnte bessere Anrechte darauf geltend machen,« sagte der Graf von Oxford, »wenn Ihr Margarethen von Anjou den Beistand leistet, um welchen sie Euch durch mich bittet.«

»Nimm die Hülfe, die du verlangst,« erwiderte der Herzog; »nimm doppelt so viel Geld und Leute. Nur laß mir einen Anspruch auf die Provence, und wäre er so dünn als eines von den Haaren deiner Königin Margarethe. Ich will schon sorgen, daß es sich zu dem zähen Gewebe eines vierfachen Taues zusammendreht. Aber ich bin ein Narr, auf die Träume eines Menschen zu horchen, der sich selbst zu Grunde gerichtet, und wenig dabei zu verlieren hat, wenn er Andern die ausschweifendsten Hoffnungen vorhält.«

Bei diesen Worten athmete Karl tief und wechselte die Farbe.

»Ein solcher Mann bin ich nicht, mein Herr Herzog,« versetzte der Graf. »Hört auf mich – René ist von Alter gebeugt, nach Ruhe begierig und zu arm, um seinen Stand mit der nöthigen Würde zu behaupten; zu gutmüthig oder zu schwach, um seinen Unterthanen weitere Steuern aufzulegen, müde des Streits mit dem Unglück und geneigt, seine Güter abzutreten.«

»Seine Güter!« rief Karl.

»Ja, Alles, was er wirklich besitzt, und die noch ausgedehnteren Ländereien, auf die er Ansprüche hat, die aber nicht mehr unter seiner Herrschaft stehen.«

»Ihr nehmt mir den Athem!« sagte der Herzog, »René tritt die Provence ab, und was sagt Margarethe, die stolze, hochmüthige Margarethe dazu – will sie zu einem so erniedrigenden Schritt Ja sagen?«

»Wenn sie Lancaster in England triumphiren sähe, würde sie nicht blos diesen Besitzungen, sondern dem Leben selbst entsagen. Und in Wahrheit, das Opfer ist geringer als es aussieht. Gewiß ist, daß beim Tode René's der König von Frankreich des alten Mannes Ländchen Provence als Mannslehen einziehen würde, und Niemand ist im Stande, das Recht Margarethens auf die Erbschaft geltend zu machen, wie gegründet es auch sein möge.«

»Es ist unangreifbar,« sagte Karl, »und ich werde keinen Eingriff in dasselbe dulden oder zugeben, daß man es in Frage ziehe – d. h. wenn es einmal auf uns übergegangen ist. Um des allgemeinen Besten willen muß es Grundsatz bleiben, daß man keines der großen Lehen an die Krone Frankreichs zurückfallen läßt, wenigstens so lange sie auf einem so schlauen und grundsatzlosen Haupte ruht, wie das Ludwigs. Die Provence mit Burgund vereinigt! – Ein Land, das sich vom deutschen Meere bis an's mittelländische erstreckt! – Oxford, du bist mein guter Engel!«

»Eure Hoheit muß indessen bedenken,« versetzte Oxford, »daß König René ordentlich versorgt werden muß.«

»Gewiß, ganz gewiß; er soll die Fiedler und Gaukler dutzendweise haben, um mit ihnen zu spielen, zu singen und zu erzählen von Morgen bis Abend. Er soll einen Hof von Troubadours haben, die nichts thun, als trinken, auf der Flöte blasen, fiedeln und Sprüche in Liebessachen loslassen. Und er soll sie dann als oberster König der Minne bestätigen oder verwerfen, wenn an ihn Berufung eingelegt wird. Auch Margarethe soll anständig und so unterhalten werden, wie es Ihr bestimmt.«

»Das wird leicht festzusetzen sein,« antwortete der englische Graf. »Wenn unser Versuch auf England gelingt, so braucht sie keine Hülfe mehr von Burgund. Schlägt er fehl, so geht sie in ein Kloster und wird den ehrenvollen Unterhalt nicht lange brauchen, den Euer Gnaden Edelmuth, wie ich wohl weiß, ihr gerne anweisen wird.«

»Das ist keine Frage,« erwiderte Karl, »und der Unterhalt wird ihrer und meiner würdig sein – aber bei meiner Seligkeit, Johann von Vere, die Aebtissin des Klosters, in welches sich Margarethe von Anjou zurückzieht, wird eine unlenksame Büßerin unter ihrer Aufsicht haben. Ich kenne sie gar wohl, und, Herr Graf, ich will unser Gespräch nicht unnöthigerweise durch Zweifel daran verlängern, sie werden ihren Vater nicht dazu vermögen können, seinen Besitzungen zu Gunsten dessen zu entsagen, den sie ihm nennt. Sie gleicht meiner Dogge Gorgo. Die zwingt jeden Hund, der mit ihr zusammengekoppelt wird, zu gehen, wohin sie will, oder sie erwürgt ihn, wenn er Widerstand leistet. So hat es Margarethe mit ihrem einfältigen Gemahl gemacht, und ich weiß, daß ihr Vater, ein Narr von anderem Schlag, nothwendig sich ebenso gefügig zeigen muß. Ich glaube, ich hätte ihr die Stange gehalten, aber mein Hals thut mir schon bei dem Gedanken an die Mühe weh, die wir gehabt hätten, sie zu meistern. Aber Ihr sehet so ernsthaft drein, weil ich über den Eigensinn meiner unglücklichen Base scherze.«

»Mein gnädiger Herr,« sagte Oxford, »welches auch die Fehler meiner Gebieterin sind oder waren, sie ist im Unglück und fast in Verzweiflung. Sie ist meine Fürstin und die Base Euerer Hoheit.«

»Genug, Herr Graf,« antwortete der Herzog. »Wir wollen ernsthaft reden. Was wir auch über die Abdankung König René's denken mögen, ich fürchte, wir werden es schwer finden, Ludwig die Sache in einem so günstigen Lichte zu zeigen, als sie uns erscheint. Er wird sich daran halten, daß die Grafschaft Provence ein Mannslehen sei, und daß weder die Abdankung René's, noch die Einwilligung seiner Tochter, den Rückfall desselben an die Krone Frankreich verhindern könne, da der König von Sicilien, wie sie ihn nennen, keine männlichen Erben hat.«

»Mit Eurer Gnaden Erlaubniß, das ist eine Frage, die man durch eine Schlacht entscheidet, und Eure Hoheit hat Ludwig schon für geringeren Ersatz mit Glück die Spitze geboten. Alles was ich sagen kann, ist, daß wenn Euer Gnaden thätiger Beistand den jungen Grafen von Richmond in Stand setzt, sein Unternehmen durchzuführen, daß Euch dann dreitausend englische Bogenschützen zu Dienste stehen, und müßte sie der alte Johann von Oxford aus Mangel an einem besseren Führer selbst herüberbringen.«

»Eine nicht zu verachtende Hülfe,« sagte der Herzog; »noch mehr werth durch den, der sie anzuführen verspricht. Deine Unterstützung, edler Oxford, wäre mir kostbar, und kämest du nur mit dem Schwert an der Seite, und einen einzigen Diener hinter dir. Ich kenne dich wohl, nach Herz und Kopf. Aber gehen wir auf unser Geschäft zurück; Verbannte, und wären sie noch so klug, haben das Recht, viel zu versprechen, und manchmal – verzeih' mir, edler Oxford – täuschen sie sich so gut, als ihre Freunde. Welches sind die Hoffnungen, auf welche hin Ihr wünscht, daß ich mich abermals auf den stürmischen und unsicheren Ocean Eurer bürgerlichen Kriege einschiffen soll?«

Der Graf von Oxford zog einen Zettel aus der Tasche und erklärte dem Herzog den Plan für den Zug, der durch einen Aufstand der Freunde des Hauses Lancaster unterstützt werden sollte. Wir begnügen uns, zu sagen, daß der Entwurf verwegen war bis zur Tollkühnheit; er war jedoch so gut aufgefaßt, und zeigte ein so vollendetes Ganzes, daß in diesen Zeiten rascher Umwälzungen und unter der Leitung eines in militärischer Geschicklichkeit und politischem Scharfsinn erprobten Mannes, wie Oxford, große Aussicht auf wahrscheinlichen Erfolg vorhanden war.

Während Herzog Karl über die Einzelnheiten einer Unternehmung nachsann, die mit seinem eigenen Wesen verwandt war, und darum etwas Anziehendes für ihn hatte, – während er die Beleidigungen überzählte, die ihm sein Schwager, Eduard IV., angethan, die gegenwärtige Gelegenheit, eine ausgezeichnete Rache zu nehmen, und die reiche Erwerbung erwog, die er in der Provence zu machen hoffte, wenn René von Anjou und seine Tochter sie ihm überließen, versäumte der Engländer nicht, ihn zu erinnern, wie dringend nöthig es wäre, keine Zeit entschlüpfen zu lassen.

»Die Ausführung dieses Planes,« sagte er, »verlangt die äußerste Schnelligkeit. Um einen Erfolg möglich zu machen, muß ich mit den Hülfstruppen Euer Gnaden in England sein, ehe Eduard von York mit seinem Heere aus Frankreich zurückkehren kann.«

»Da unser würdiger Bruder hierher gekommen ist,« versetzte der Herzog, »so wird er mit der Rückkehr nicht so sehr eilen. Er wird schwarzäugige französische Weiber und rothen französischen Wein antreffen, und Bruder Blackburn ist nicht der Mann, der solche Waaren so geschwind im Stiche läßt.«

»Mein Herr Herzog, ich will von meinem Feinde Wahrheit reden. Eduard ist faul und wollüstig, wenn Alles um ihn in Ruhe ist; aber laßt ihn den Sporn der Noth fühlen, und er wird so hitzig, wie ein wohl genährter Renner. Ueberdieß ist Ludwig, dem es selten an Mitteln fehlt, seine Absichten zu erreichen, entschieden, alle Minen springen zu lassen, um ihn zur Heimkehr zu bewegen – darum, edler Fürst, ist Eile, Eile die Seele unsers Unternehmens.«

»Eile!« sagte der Herzog von Burgund, – »ich werde mit Euch gehen und der Einschiffung selbst beiwohnen; und wackere, erprobte Soldaten sollt Ihr haben, wie man sie nur in Artois und im Hennegau findet.«

»Entschuldigt noch, edler Herzog, die Ungeduld eines Unglücklichen, der ertrinkt und um Hülfe fleht. – Wann werden wir nach der Küste von Flandern abgehen, um die wichtige Maßregel in's Werk zu setzen?«

»In vierzehn Tagen, vielleicht in einer Woche; kurz, sobald ich einen Haufen Diebe und Räuber gehörig gezüchtigt habe, welche sich, wie der Schaum immer oben auf den Kessel steigt, auf den Höhen der Alpen festgesetzt haben, und von da aus unsere Gränzen durch Schmuggelhandel, durch Raub und Plünderung belästigen.«

»Eure Hoheit meint die Schweizer Eidgenossen?«

»Ja, diesen Namen geben sich die Bauernlümmel. Sie sind eine Art freigelassener östreichischer Leibeigener, und wie ein Hofhund, der seine Kette zerrissen, benutzen sie ihre Freiheit, um Alles anzugreifen und zu zerreißen, was sie auf ihrem Wege finden.«

»Ich habe ihr Land von Italien aus bereist,« sagte der verbannte Graf, »und gehört, die Cantone beabsichtigten Gesandte an Euch zu schicken, und bei Eurer Hoheit um Frieden zu bitten.«

»Frieden!« rief Karl. – »Eine eigene Art von friedlichem Verfahren ist das, was ihre Gesandtschaft eingehalten hat! Sie benutzen einen Aufstand unter den Bürgern zu La Ferrette, der ersten besetzten Stadt, welche sie betraten, und nehmen den Platz mit Sturm, bemächtigen sich Archibalds von Hagenbach, der für mich dort befehligte, und richten ihn hin auf dem Marktplatze. Solch' eine Beleidigung muß bestraft werden, Herr Johann von Vere; und wenn Ihr mich nicht in dem Sturm der Leidenschaft sehet, welcher derselben angemessen wäre, so ist das blos der Fall, weil ich schon Befehl gegeben habe, die elenden Ausreißer, die sich selber Gesandte nennen, aufzuhängen.«

»Um Gottes Willen, edler Herzog,« rief der Engländer, und warf sich Karl zu Füßen – »um Eures eigenen Ranges, um des Friedens der Christenheit willen, nehmt den Befehl zurück, wenn er wirklich gegeben ist.«

»Was soll diese Leidenschaftlichkeit?« sagte der Herzog Karl. – »Was ist das Leben dieser Männer für dich, außer daß die Folgen eines Krieges deinen Zug um ein paar Tage verzögern?«

»Ein solcher kann, ja muß ihn scheitern machen. – Höret mich, Herr Herzog: Ich habe diese Gesandten auf einem Theil ihrer Reise begleitet,« entgegnete der Graf.

»Ihr?« schrie der Herzog. – »Ihr der Gefährte elender Schweizer Bauern? Das Unglück hat den Stolz des englischen Adels grausam gebeugt, wenn Ihr solche Gefährten wählt.«

»Der Zufall hat mich unter sie geworfen,« antwortete der Graf. »Einige von ihnen sind aus edlem Blut und überdieß Männer, für deren friedliche Absichten ich mich selbst zu verbürgen gewagt habe.«

»Bei meiner Ehre, gnädiger Herr von Oxford, Ihr habt ihnen viel Ehre angethan und mir nicht weniger, da Ihr Euch zum Vermittler zwischen den Schweizern und mir aufwerfet. Erlaubt mir, Euch zu sagen, es ist eine Gefälligkeit von mir, wenn ich Euch Rücksicht auf frühere Freundschaft gestatte, mir von Euren englischen Angelegenheiten zu sprechen. Mich dünkt, Ihr könntet mich mit Eurer Meinung über Gegenstände verschonen, die Euch von Haus aus nichts angehen.«

»Gnädiger Herr von Burgund,« erwiderte Oxford. »Ich bin Euren Fahnen bis Paris gefolgt, und habe das Glück gehabt, Euch in der Schlacht bei Montl'héry zu retten, da Ihr von französischen Geharnischten umringt waret.« – –

»Wir haben es nicht vergessen,« sagte Herzog Karl; »und es ist ein Zeichen, wie wir die That im Gedächtniß behalten, daß wir Euch so lange vor uns die Sache einer Bande von Schuften vertheidigen lassen. Und Ihr verlangt von uns, ihnen den Galgen zu ersparen, der ihrer wartet, weil sie die Reisegefährten des Grafen von Oxford gewesen sind.«

»Nicht so, gnädiger Herr. Ich bitte um ihr Leben, weil sie auf einer friedlichen Botschaft begriffen sind, und die Häupter derselben wenigstens keinen Antheil an dem Verbrechen haben, über welches Ihr Euch beklaget.«

Der Herzog durchschritt das Gemach mit ungleichen Schritten und in großer Bewegung. Seine dicken Augenbrauen verdeckten fast gänzlich die Augen, seine Hände waren zu Fäusten geballt, und er knirschte mit den Zähnen. Zuletzt schien er einen Entschluß zu fassen. Er schellte mit einer silbernen Glocke, die auf seinem Tische stand.

»Contay,« sagte er zu dem Kammerherrn, der hereintrat, »sind die Schufte aus den Bergen schon hingerichtet?«

»Nein, gnädiger Herr; aber der Scharfrichter wartet ihrer, sobald der Priester ihre Beichte angehört hat.«

»Laßt sie am Leben,« sprach der Herzog. »Morgen wollen wir hören, wie sie ihr Benehmen gegen uns rechtfertigen wollen.«

Contay entfernte sich mit einer Verbeugung aus dem Gemach. Der Herzog wandte sich hierauf gegen den Engländer und sagte mit einer unbeschreiblichen Mischung von Hochmuth, Vertraulichkeit und selbst Güte, aber mit aufgeheiterter Stirn und ruhigem Blicke: – »Wir sind quitt jetzt, mein Herr von Oxford – Ihr habt Leben um Leben erhalten – ja, um den Unterschied auszugleichen, der sich zwischen den getauschten Waaren finden dürfte, habt Ihr sechs für eins bekommen. Ich werde also nicht mehr darauf achten, wenn Ihr mir davon sprechet, daß mein Pferd bei Montl'héry gestürzt, und was Ihr dabei für Thaten gethan. Viele Fürsten begnügen sich, in's Geheim diejenigen zu hassen, welche ihnen ähnliche Dienste erwiesen; das ist nicht meine Art – es ärgert mich blos, wenn man mich erinnert, daß ich eines solchen Dienstes bedurft habe. Meiner Treu' ich ersticke fast an der Anstrengung, die es mich gekostet hat, einem bestimmten Entschlusse zu entsagen. – So ho! wer hat den Dienst? bringt mir zu trinken!«

Ein Diener trat ein mit einer großen silbernen Flasche. Sie war aber statt mit Wein mit einem Gerstentrank gefüllt, leicht versetzt mit gewürzhaften Kräutern.

»Ich bin so hitzig und zornmüthig von Natur,« sagte der Herzog, »daß unsere Aerzte mir das Weintrinken verbieten. Aber Ihr, Oxford, seid nicht an solche Vorschriften gebunden. Geht zu Eurem Landsmann, Colvin, unserem Artilleriegeneral. Wir empfehlen Euch seiner Sorge und Gastfreundschaft bis morgen. Da wird's viel zu thun geben, denn ich erwarte die Antwort der Schlauköpfe aus der Dijoner Ständeversammlung. Dann haben wir auch, Dank der Vermittlung Eurer Herrlichkeit, die elenden Schweizer Gesandten anzuhören, wie sie sich nennen. Doch nichts mehr davon. – Gute Nacht. Ihr könnt frei mit Colvin reden; er ist, wie Ihr, ein alter Lancaster. – Aber horcht, nicht ein Wort von der Provence – selbst nicht im Schlaf. – Contay, führe diesen englischen Herrn in Colvin's Zelt, Er weiß meinen Willen in Bezug auf ihn.«

»Gnädiger Herr,« antwortete Contay, »ich habe den Sohn des englischen Edelmannes bei Herr von Colvin gelassen.«

»Was, dein eigener Sohn, Oxford? Er ist hier bei dir? Warum hast du mir nichts von ihm gesagt? Ist er ein würdiger Sprosse des alten Baumes?«

»Es ist mein Stolz, das zu glauben, gnädiger Herr. Er ist der treue Geführte aller meiner Gefahren und Wanderungen gewesen.«

»Glücklicher Mann!« sagte der Herzog mit einem Seufzer. »Ihr, Oxford, habt einen Sohn, Eure Armuth und Noth zu theilen – ich habe Niemand, der an meiner Größe Theil nehmen und mir nachfolgen könnte.«

»Ihr habt eine Tochter, gnädiger Herr,« sagte der Edle von Vere, »und es ist zu hoffen, daß sie eines Tages einen mächtigen Prinzen heirathen wird, der die Stütze des Hauses Eurer Hoheit bildet.«

»Nie! bei Sankt Georg, nie!« gab der Herzog kurz und entschieden zur Antwort. »Ich will keinen Tochtermann, welcher der Tochter Bett zum Schrittstein macht, um nach des Vaters Krone zu greifen. Oxford, ich habe offener gesprochen, als ich gewöhnt bin, vielleicht offener, als ich gesollt – aber ich halte einige Männer meines Vertrauens würdig und glaube, Ihr, Herr Johann van Vere, seid Einer davon.«

Der englische Edelmann verbeugte sich und wollte weggehen, aber der Herzog rief ihn zurück.

»Da ist noch etwas, Oxford. – Die Abtretung der Provence ist nicht genug. René und Margarethe müssen sich von dem heißblütigen Ferrand von Vaudemont lossagen, welcher tolle Unruhen in Lothringen erregt, und Rechte darauf von seiner Mutter Jolanthe ableitet.«

»Gnädiger Herr,« antwortete Oxford, »Ferrand ist der Enkel von König René, der Neffe der Königin Margarethe; aber doch« – –

»Aber doch müssen, bei Sankt Georg, seine Rechte, wie er sie nennt, für völlig ungültig erklärt werden. Ihr sprecht mir von Verwandtenlieben und dringt in mich, mit meinem Schwager Krieg anzufangen.«

»René's beste Entschuldigung, wenn er seinen Enkel im Stich läßt,« erwiderte Oxford, »wird die sein, daß er gar nicht im Stand ist, ihn zu unterstützen. Ich werde ihm die Bedingung, die Euer Gnaden macht, so hart sie ist, mittheilen.«

Damit verließ er das Zelt.



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