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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Ich danke Euer Gnaden unterthänig,
Und freue mich bei der Gelegenheit
Gehörig durchgesiebt zu werden, daß
Sich Spreu und Korn in meinem Kopfe trennen.

König Heinrich VII.

Colvin, der englische Offizier, welchem der Herzog von Burgund, mit einem glänzenden Gehalt, die Sorge für sein Geschütz anvertraut hatte, war der Eigenthümer des Zeltes, das dem Engländer zur Wohnung angewiesen war. Er empfing den Grafen von Oxford mit der seinem Range gebührenden Achtung, und nach den besonderen Befehlen, die er vom Herzog hierüber empfangen. Er war selber ein Anhänger der lancastrischen Partei gewesen, und also zum Voraus eingenommen für einen von den wenigen ausgezeichneten Männern, die er persönlich gekannt, und die jenem Hause durch eine Reihe von Unglücksfällen Treue bewahrt hatten, obgleich es schien, sie seien durch diese völlig vernichtet. Ein Mahl, an welchem sein Sohn bereits Theil genommen, wurde dem Grafen von Colvin angeboten, und dieser unterließ nicht, durch Lehre und Beispiel den guten Burgunder zu empfehlen, dessen sich der Herr des Landes selbst zu enthalten gezwungen war.

»Seine Gnaden zeigt sich hierin als Herr über seine Leidenschaft,« sagte Colvin. »Denn, leise und unter Freunden zu reden, er ist zu hitzig, um den Sporn ertragen zu können, welchen diese Herzstärkung dem Blute einlegt, und beschränkt sich daher klüglich auf solche Getränke, die sein natürliches Feuer eher abkühlen, als entflammen.«

»Ich habe es bemerkt,« versetzte der lancastrische Edelmann. »Als ich den edlen Herzog zuerst kennen lernte – er war damals noch Graf von Charolois – war er, obgleich immer feurig genug, ruhig im Vergleich mit der Heftigkeit, die er jetzt bei dem geringsten Widerspruch an den Tag legt. Das ist die Folge ununterbrochenen Glücks. Er hat sich durch eigenen Muth und die Gunst der Umstände aus der unsicheren Stellung eines lehen- und zinspflichtigen Fürsten auf gleiche Höhe mit den mächtigsten Fürsten Europa's erhoben, und sich eine unabhängige Gewalt geschaffen. Aber ich hoffe, daß die Züge von Edelmuth, welche die Handlungen der Willkür und Laune sonst ausgleichen, nicht seltener geworden sind, als sie ehemals waren.«

»Ich kann mit vollem Recht sagen, daß dieß nicht der Fall ist,« erwiderte der Glückssoldat, der Edelmuth in dem engeren Sinn von Freigebigkeit nahm. »Der Herzog ist ein edler Herr und seine Hand immer offen.«

»Ich hoffe, seine Güte werde sich besonders gegen Männer zeigen, die so treu und standhaft in ihrem Dienste sind, als Ihr, Colvin, immer gewesen seid. Aber ich sehe eine Veränderung in Eurem Heere. Ich kenne die Banner der meisten alten Häuser in Burgund. – Wie kommt's, daß ich so wenige davon in des Herzogs Lager sehe? Ich sehe Fahnen und Fähnlein und Standarten; aber die Wappen darauf sind selbst mir unbekannt, der ich doch so viele Jahre mit dem französischen und flanderischen Adel in Verbindung gestanden habe.«

»Mein edler Graf von Oxford,« antwortete der Offizier, »es steht einem Mann, der in des Herzogs Solde steht, schlecht an, das Betragen desselben zu tadeln; aber Seine Hoheit vertraut, wie es mir scheint, seit einiger Zeit mehr den in der Fremde angeworbenen Söldnern, als seinen eigenen Unterthanen und Anhängern. Er hält es für besser, große Haufen von deutschen und italienischen Miethtruppen in Sold zu nehmen, als sich auf die Ritter und Knappen zu verlassen, die durch Eid und Lehenstreue an ihn gebunden sind. Er nimmt seine Zuflucht zu seinen eigenen Unterthanen, blos um die Geldsummen von ihnen zu bekommen, die er für seine Söldner braucht. Die Deutschen sind ehrliche Burschen, so lange sie ordentlich bezahlt werden; aber der Himmel bewahre mich vor des Herzogs italienischen Banden und ihrem Anführer Campo-Basso, welcher blos auf einen Preis wartet, der ihm groß genug scheint, um Seine Hoheit wie ein Schaf an's Messer zu liefern.«

»Denkt Ihr so übel von ihm?« fragte der Graf.

»So schlimm,« versetzte Colvin, »daß ich glaube, es gibt keine Art von Verrätherei, die der Kopf ersinnen und der Arm ausführen kann, zu welcher seine Seele und seine Hand nicht bereit wären. Es ist schmerzlich, gnädiger Herr, für einen ehrlichen Engländer, wie ich, in einem Heere zu dienen, in welchem solche Verräther den Befehl führen. Aber was kann ich thun, da ich keine Gelegenheit finden kann, in meinem Vaterland auf's Neue die Waffen zu tragen? Ich hoffe manchmal, es werde dem Himmel gefallen, in unserem lieben England die guten Bürgerkriege wieder zu entzünden, wo es immer ein ehrliches Gefecht gab, und man von Verrath nichts wußte.«

Oxford gab seinem Wirth zu verstehen, es sei eine Möglichkeit vorhanden, daß sein frommer Wunsch, im Vaterlande und in Ausübung seines Geschäfts zu leben und zu sterben, in Erfüllung gehen könnte. Hierauf bat er ihn, auf nächsten Morgen früh einen Paß und ein Geleite für seinen Sohn zu verschaffen, den er augenblicklich nach Aix, dem Aufenthalt des Königs René, schicken müsse.

»Was!« rief Colvin, »will mein junger Graf von Oxford einen Grad am Minnehof erwerben? Denn in König René's Hauptstadt beschäftigt man sich mit nichts als mit Liebe und Dichtkunst.«

»Ich trachte nicht nach solcher Auszeichnung für ihn, mein guter Wirth,« antwortete Oxford; »aber Königin Margarethe ist bei ihrem Vater, und es nicht mehr als schicklich, daß ihr der junge Mann die Hand küßt.«

»Ich verstehe,« sagte der alte Lancastrier; »ich glaube, obgleich der Winter vor der Thüre ist, könnte doch die rothe Rose im Frühling blühen.«

Er ließ hierauf den Grafen von Oxford in den Theil des Zeltes eintreten, welchen er bewohnen sollte, und worin sich auch ein Lager für Arthur befand. Ihr Wirth, wie man Colvin wohl nennen konnte, versicherte sie, ehe er sich entfernte, daß bei Tagesanbruch Pferde und zuverlässige Diener bereit sein würden, den jungen Mann nach Aix zu geleiten.

»Und nun, Arthur,« sagte sein Vater, »müssen wir uns abermals trennen. Ich wage es in diesem gefährlichen Lande nicht, dir einen Brief an meine Gebieterin, die Königin Margarethe, mitzugeben; aber sage ihr, ich habe den Herzog fest an seinem eigenen Vortheil haltend, aber nicht abgeneigt gefunden, ihn mit dem des Hauses Lancaster zu verbinden. Sag' ihr, ich zweifle kaum daran, daß er uns die verlangte Unterstützung gewähre, aber nur wenn der König René und sie selbst zu seinen Gunsten abdanke. Sag' ihr, ich würde ihr niemals zu einem solchen Opfer für die unsichere Möglichkeit, den Thron des Hauses York umzustürzen, gerathen haben, wenn ich nicht fest überzeugt wäre, daß der König von Frankreich und der Herzog von Burgund wie zwei Geier über der Provence schweben, und daß der Eine oder der Andere, oder Beide bei ihres Vaters Ableben bereit sind, über die Besitzungen herzufallen, die sie ihm während seines Lebens nur ungern lassen. Eine Uebereinkunft mit dem Herzog von Burgund kann uns also einerseits seine thätige Mitwirkung bei der Unternehmung auf England sichern, und auf der anderen Seite wird, wenn unsere edle Gebieterin nicht in die Forderung des Herzogs willigt, die Gerechtigkeit ihrer Sache ihren Erbrechten auf ihres Vaters Besitzungen keine größere Sicherheit verleihen. Bitte also die Königin Margarethe, sie solle sich, wenn sie nicht ihre Absichten geändert hat, von König René eine förmliche Urkunde verschaffen, worin er mit ihrer eigenen ausdrücklichen Zustimmung seine Güter dem Herzog von Burgund abtritt. Das nöthige Einkommen für den König und sie selbst könne Ihre Gnaden nach eigenem Gutdünken festsetzen und auf der Urkunde ausfüllen, oder auch Raum dafür lassen. Ich kann darauf bauen, daß des Herzogs Großmuth dieses anständig einrichtet. Alles, was ich fürchte, ist, daß sich Karl in« –

»Einen tollen Kriegszug verwickelt, der für seine eigene Ehre und die Sicherheit seines Landes nöthig ist,« antwortete eine Stimme hinter dem Zelte; »und dadurch mehr für seine als für unsere Angelegenheit sorgt? Nicht wahr, Herr Graf?«

Hiebei wurde der Vorhang auf die Seite geschoben, und ein Mann trat ein, in welchem Oxford augenblicklich die harten Züge und stolzen Augen des Herzogs von Burgund erkannte, die unter dem Pelz und der Feder hervorfunkelten, mit denen sein Barett geschmückt war, obgleich er die Tracht eines gemeinen Soldaten von der wallonischen Leibwache trug.

Arthur, welcher den Fürsten nicht persönlich kannte, fuhr über die Zudringlichkeit auf und legte die Hand an den Dolch; aber sein Vater gab ihm ein Zeichen, welches seinen Arm zum Sinken brachte. Er blickte überrascht auf die feierliche Ehrfurcht, mit welcher der Graf den unverschämten Soldaten empfing. Das erste Wort erklärte ihm aber das Geheimniß.

»Wenn diese Maske angelegt worden ist, um meine Treue zu prüfen, edler Herzog, so erlaubt mir zu sagen, daß sie überflüssig ist.«

»Gesteht, Oxford,« antwortete der Herzog, »ich war ein artiger Spion; denn ich hörte auf, den Horcher zu spielen, sobald ich Grund hatte, zu erwarten, Ihr würdet Etwas sagen, was mich hätte ärgern können.«

»So wahr ich ein ächter Ritter bin, mein Herr Herzog; wäret Ihr hinter der Tapete geblieben, Ihr würdet blos dieselben Wahrheiten gehört haben, die ich in Eurer Gnaden Gegenwart auszusprechen bereit bin, obgleich sie vielleicht etwas plumper ausgesprochen worden wären.«

»Nun, so sprecht sie aus, in welchen Ausdrücken Ihr wollt – der lügt in seinen Hals, der sagt, Karl von Burgund sei je durch den Rath eines wohlmeinenden Freundes beleidigt worden.«

»Ich würde also gesagt haben,« antwortete der englische Graf, »Alles, was Margarethe von Anjou zu fürchten habe, sei, daß sich der Herzog von Burgund in dem Augenblick, wo er seine Rüstung umschnallen, die Provence für sich gewinnen und durch seinen mächtigen Beistand ihre Rechte auf England zu behaupten im Stande wäre, von so wichtigen Gegenständen durch den unklugen, aber eifrigen Wunsch abbringen lassen könnte, für eingebildete Beleidigungen Rache zu nehmen, die ihm seiner Vermuthung nach von gewissen Genossenschaften unter den Alpenbewohnern angethan worden. Und doch würde er über diese weder einen wichtigen Vortheil davon tragen, oder sich Ruhm erwerben können, wohl aber Gefahr laufen, beide zu verlieren. Diese Leute wohnen in Felsen und Einöden, die fast unzugänglich sind, und führen eine so armselige Lebensweise, daß der ärmste Eurer Unterthanen stürbe, wenn man ihm eine solche Kost reichte. Sie bilden die natürliche Besatzung der Bergfesten, in welche die Natur sie gesetzt hat; – um des Himmels willen, laßt Euch nicht mit ihnen ein, sondern verfolget Eure eigenen und wichtigeren Plane, ohne in ein Nest von Hornissen zu greifen, die Euch, einmal in Bewegung, bis zum Wahnsinn stechen könnten.«

Der Herzog hatte Geduld versprochen und versuchte sein Wort zu halten; aber die geschwollenen Gesichtsmuskeln und seine funkelnden Augen bewiesen, wie schwer es ihm wurde, seinen Zorn zu meistern.

»Ihr seid schlecht unterrichtet, mein Herr,« sagte er; »die Leute sind keine harmlosen Hirten und Bauern, wie Euch zu vermuthen beliebt. Wären sie das, so könnte ich sie verachten. Aber aufgeblasen auf ein paar Siege über die trägen Oestreicher, haben sie alle Achtung vor der Macht aus den Augen gesetzt; sie geben sich das Aussehen, als wären sie unabhängig, sie bilden Einigungen, machen Einfälle, erstürmen Städte, verurtheilen Männer von edler Geburt und richten sie nach Belieben hin. – Das ist Euch dunkel, und Ihr seht aus, als verständet Ihr mich nicht. Um dein englisches Blut aufzuregen und dich in meine Gedanken rücksichtlich dieser Bergbewohner eingehen zu machen, will ich dir sagen, daß die Schweizer für meine Besitzungen in ihrer Nähe wahre Schotten sind; arm, stolz, wild, leicht beleidigt, weil sie beim Kriege gewinnen; schwer zu besänftigen, weil sie sehr rachesüchtig sind, immer bereit, den günstigen Augenblick zu benutzen und den Nachbar anzufallen, wenn er in andere Geschäfte verwickelt ist. Dieselben unruhigen, treulosen und eingewurzelten Feinde, wie die Schotten für England, sind die Schweizer für Burgund und meine Verbündeten. Was sagst du dazu? Kann ich etwas Wichtiges vornehmen, ehe ich den Stolz eines solchen Volkes gedemüthigt? Das wird mich blos ein paar Tage kosten. Ich will den Bergigel und seine Stacheln mit einem Stahlhandschuh erfassen.«

»Euer Gnaden wird also bälder mit ihnen fertig werden,« erwiderte der Edelmann, »als unsere englischen Könige mit Schottland. Die Kriege haben dort so lange gedauert, und sind so blutig gewesen, daß kluge Männer bedauern, sie je angefangen zu haben.«

»Ei,« antwortete der Herzog, »ich will den Schotten nicht die Unehre anthun, und sie in jeder Beziehung mit den Bauern aus den Schweizerkantonen vergleichen. Die Schotten haben Leute von Geburt und Adel unter sich, und wir haben manches Beispiel davon gesehen; die Schweizer aber sind bloße Bauernbrut, und die wenigen Edelleute von Geburt, deren sie sich rühmen können, müssen ihre Auszeichnung unter der Tracht und dem Betragen dieser Lümmel verstecken. Sie werden, denk' ich, kaum Stand halten gegen einen Angriff von Hennegauern.«

»Wenn die Hennegauer Platz finden, um gehörig aufzureiten, nicht. Aber« – –

»Um Eure Bedenklichkeiten zum Schweigen zu bringen,« fiel der Herzog ein, »wisset, dieses Volk ermuthigt durch Schutz und Beihülfe die Bildung der gefährlichsten Verschwörungen auf meinem Gebiet. Seht einmal – ich habe Euch gesagt, daß mein Diener, Herr Archibald von Hagenbach, ermordet wurde, als Eure harmlosen Schweizer die Stadt La Ferrette verrätherischerweise einnahmen. Und hier ist eine Pergamentrolle, welche besagt, mein Diener sei nach dem Urtheil des Vehmgerichts zum Tode gebracht worden, also durch eine Bande Meuchler, die ich nie auf meinen Besitzungen dulden werde. Könnte ich sie nur eben so leicht auf der Erde finden, als sie unter ihr herumkriechen, sie sollten erfahren, was das Leben eines Edelmanns werth ist! Da, seht einmal die Unverschämtheit ihres Zeugnisses.«

Der Zettel besagte mit Angabe des Tages und Monats, daß ein Todesurtheil an Archibald von Hagenbach, wegen Tyrannei, Gewaltthat und Unterdrückung, auf Befehl der heiligen Vehme ausgesprochen und von ihren nur diesem Gericht verantwortlichen Dienern vollzogen worden sei. Er war mit rother Tinte unterzeichnet und mit dem Wahrzeichen der geheimen Gesellschaft, einem Bündel Stricke und einem bloßen Dolch, versehen.

»Diese Urkunde habe ich mit einem Messer auf meinen Nachttisch geheftet gefunden,« sagte der Herzog. »Das ist auch einer ihrer Streiche, daß sie etwas Geheimnißvolles zu ihrer mörderischen Taschenspielerei fügen.«

Die Erinnerung an die Gefahr, welcher er in Mengs Herberge ausgesetzt gewesen, und der Gedanke an die Ausdehnung und Gewalt dieser geheimen Verbindungen machten den jungen Engländer unwillkürlich schaudern.

»Um aller Heiligen willen,« sprach er, »gnädiger Herr, sprecht doch nicht von dieser furchtbaren Gesellschaft, deren Werkzeuge über, unter und um uns sind. Kein Mensch ist seines Lebens sicher, wie sehr er auch bewacht sei, wenn es ihm Einer nehmen will, dem das seinige gleichgültig ist. Ihr seid von Deutschen, Italienern und anderen Fremden umgeben – wie Viele unter ihnen mögen mit diesen geheimen Ketten gebunden sein, welche jedes andere gesellschaftliche Band auflösen und sie in einen unentwirrbaren, aber geheimen, Bund vereinigen? Denkt, edler Fürst, an die Lage, in der sich Euer Thron befindet, wenn er schon allen Glanz der Macht von sich strahlt und auf einer so festen Grundlage ruht, als sie sich für ein so herrliches Gebäude eignet. Ich – der Freund Eures Hauses – und wäre das mein letzter Athemzug – muß Euch sagen, daß die Schweizer wie eine Lawine über Eurem Haupte hängen, und daß die geheimen Genossenschaften unter Euren Füßen thätig sind, um die ersten Stöße eines Erdbebens hervorzubringen. Beschwört den Kampf nicht, und der Schnee wird ruhig auf der Bergspitze liegen bleiben; die Gährung der unterirdischen Dünste wird sich legen; aber ein einziges drohendes Wort, ein Blick des Unwillens oder der Verachtung können ihre Schrecknisse augenblicklich in Bewegung setzen.«

»Ihr sprecht mit mehr Furcht von einem Haufen nackten Gesindels und einer Bande nächtlicher Mörder, als ich Euch in wirklichen Gefahren habe zeigen sehen. Indessen verachte ich Euren Rath nicht. Ich werde die Schweizer Abgeordneten in Geduld anhören, und ihnen wo möglich nichts von der Verachtung zeigen, mit welcher ich ihre Anmaßung, als unabhängige Staaten verhandeln zu wollen, anzusehen nicht umhin kann. Ueber die geheimen Verbindungen werde ich Schweigen beobachten, bis mir die Zeit die Mittel zum Handeln liefert, und ich sie in Verbindung mit dem Kaiser, dem Reichstag und den Fürsten des Reichs aus allen ihren Löchern vertreiben kann. – Nun, Herr Graf, habe ich recht geredet?«

»Gut gedacht ist es, gnädiger Herr, aber vielleicht unklug gesprochen. Ihr seid in einer Lage, in welcher ein einziges Wort, das ein Verräther hört, Untergang und Tod herbeiführen kann.«

»Ich habe keine Verräther um mich,« erwiderte Karl. »Wenn ich glaubte, daß es deren in meinem Lager gäbe, so möchte ich lieber augenblicklich unter ihren Händen umkommen, als beständig in Angst und Argwohn leben.«

»Die alten Diener Eurer Hoheit sprechen nicht günstig von dem Grafen Campo-Basso,« sagte der Graf, »und er steht so hoch in Eurem Vertrauen.«

»Es ist leicht,« versetzte der Herzog ruhig, »für den einstimmigen Haß aller Höflinge, den treusten Diener eines solchen anzuschwärzen. Ich stehe dafür, daß Euer stierköpfiger Landsmann, Colvin, Euch gegen den Grafen aufgebracht hat, wie alle Anderen. Und das darum, weil Campo-Basso, ohne Furcht oder Hoffnung auf Gunstbezeigungen, mich von Allem benachrichtigt, was irgendwo Unrechtes vorkommt. Seine Ansichten sind so übereinstimmend mit meinen eigenen, daß ich ihn kaum dazu bringen kann, sich über Etwas auszulassen, was er besser versteht, wenn er in irgend welcher Hinsicht von meiner Meinung abweicht. Denkt Euch hierzu ein edles Aeußere, Anstand, Lustigkeit, Geschicklichkeit in allen Kriegsübungen und in den zarten Künsten des Friedens – und Ihr habt Campo-Basso. Ist das nicht ein Edelstein für einen Fürsten?«

»Die Stoffe, aus denen man einen Günstling macht,« antwortete der Graf von Oxford; »aber etwas weniger geeignet für einen getreuen Rathgeber.«

»Was, du mißtrauischer Narr,« sagte der Herzog, »muß ich dir mein innerstes Geheimniß über diesen Campo-Basso eröffnen? Gibt es nur dieses Mittel, um dich von dem eingebildeten Argwohn zu heilen, zu dem dich dein neues Gewerbe als herumziehender Kaufmann so geneigt gemacht hat?«

»Wenn mich Eure Hoheit mit Ihrem Vertrauen beehrt,« erwiderte der Graf von Oxford, »so kann ich blos sagen, daß meine Treue demselben entsprechen wird.«

»Wisse denn, du ungläubiger Mensch, daß mein guter Freund und Bruder, Ludwig von Frankreich, mir insgeheim durch keine geringere Person als seinen berühmten Barbier, Oliver den Teufel, Nachricht davon gegeben hat, Campo-Basso habe sich für eine gewisse Summe erboten, mich lebend oder todt in seine Hände zu liefern. – Du zitterst?«

»Wirklich, wenn ich an Eurer Hoheit Gewohnheit denke, leicht bewaffnet und mit geringer Begleitung auszureiten, um zu rekognosciren und die Außenposten zu besichtigen, wie leicht könnte da ein verräterischer Plan ausgeführt werden!«

»Pah!« versetzte der Herzog. – »Du siehst die Gefahr für wirklich vorhanden an, und doch kann nichts gewisser sein, als daß mein Vetter von Frankreich der Letzte gewesen wäre, mich vor dem Anschlag zu warnen, wenn ihm solch' ein Anerbieten gemacht worden wäre. Nein, er kennt den Werth, den ich auf Campo-Basso's Dienste lege, und hat die Anklage geschmiedet, um mir ihn zu entziehen.«

»Und doch, gnädiger Herr,« entgegnete der englische Graf; »wenn Ihr meinem Rathe folgen wollt, so lasset Eure erprobte Eisenrüstung nicht ohne Noth oder aus Ungeduld zu Hause, und reitet nicht ohne eine gute Bedeckung Eurer treuen Wallonen aus.«

»Still, Mann, du würdest mit der brennenden Sonne und dem funkelnden Eisen einen Rostbraten aus einem Unglücklichen, wie ich, machen, der immer von einem hitzigen Fieber verzehrt wird. Aber ich werde vorsichtig sein, obgleich ich jetzt Spaß treibe, und du, junger Mann, kannst meine Base, Margarethe von Anjou, versichern, daß ich ihre Angelegenheiten als meine eigenen ansehen werde. Erinnere dich, daß die Geheimnisse der Fürsten gefährliche Geschenke sind, wenn es Denen an Verschwiegenheit fehlt, denen sie vertraut werden; daß sie aber das Glück derer begründen, welche sie treu bewahren. Du sollst den Beweis davon sehen, wenn du mir die Abdankungsurkunde von Aix mitbringst, von welcher dein Vater mit mir gesprochen. – Gute Nacht – gute Nacht!«

Er verließ das Gemach.

»Du hast so eben,« sagte der Graf von Oxford zu seinem Sohne, »das Bild dieses außerordentlichen Fürsten von seinem eigenen Pinsel gesehen. Es ist leicht, seinen Ehrgeiz zu erregen und den Durst nach Macht, aber fast unmöglich, ihn auf die Gränzen zu beschränken, durch welche derselbe am besten befriedigt werden kann. Er ist gleich dem jungen Bogenschützen, dessen Auge vom Ziel durch eine Schwalbe abgezogen wird, die vorüberfliegt, während er den Bogen spannt. Bald ist er ohne Grund und auf beleidigende Art mißtrauisch, bald gibt er sich gränzenlosem Zutrauen hin – kaum vor ein paar Augenblicken der Feind der Linie Lancaster und der Verbündete ihres Todfeindes – ist er jetzt die letzte Hoffnung, die einzige Stütze derselben. Gott führe Alles zum Besten! – Es ist schmerzlich, dem Spiele zuzusehen und zu wissen, wie es gewonnen werden könnte, aber durch die Laune Anderer verhindert zu sein, es nach eigener Geschicklichkeit durchzuführen. Wie Vieles hängt von dem Entschluß ab, den der Herzog Karl morgen faßt und wie wenig Macht habe ich, so auf ihn einzuwirken, wie es seine Sicherheit und unser Vortheil erheischt! Gute Nacht, mein Sohn, wir wollen die Sorge für die Ereignisse Ihm anheimstellen, der sie allein zu lenken vermag.«



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