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8. März.

Meine Freundin, die Milchfrau, ist soeben bis in meine Stube gedrungen, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen und sich zu vergewissern, daß ich glücklich davongekommen bin.

Sie wollte ihren Augen nicht trauen, als sie mich so vollkommen heil und gesund sah, und wiederholte mir ohne Unterlaß, daß sie mich eine ganze Stunde lang für tot gehalten habe.

So geht's übrigens im Leben – der liebenswürdige Esel, der so sicher war, das beste Teil erwählt zu haben, muß nun mit einem entsetzlichen Schnupfen den Stall hüten, hat die Beine mit Stroh umwickelt und kriegt im Stalleimer heißen Thee zu trinken, während mir kein Finger weh thut!

Die wackere Frau ist jedoch nicht in Sorge um ihn; er scheint derartige Zustände des öfteren zu haben und wird immer wieder gesund, wenn sie ihm die Hufe in ihre Pantoffeln steckt.

Somit ist denn alles wieder im Blei und ich habe meinen Besuch sitzen heißen und ihn möglichst lange festgehalten, ganz glücklich, doch ein wenig schwatzen zu können.

Selbstverständlich kam mein abenteuerliches Unternehmen von neulich immer wieder aufs Tapet, und da ich bei ihren nachträglichen Mitleidsbeteuerungen und Schreckensrufen herzlich lachen mußte, sagte sie ganz nachdenklich: »Freilich ist's hier kein lustiges Leben für so ein junges Fräulein, und das begreift sogar unsereins, daß Sie gern ein bißchen Abwechslung hätten.«

Zeichnung: E. Bayard

Drauf hatte sie sich ein Weilchen besonnen und mich dann ganz unbefangen gefragt, ob ich es nicht für das beste hielte, zu heiraten und von hier fort zu ziehen, und ob meine Tante nicht dafür Sorge tragen werde.

Letztere Frage beantwortete ich mit nein, und zwar ohne zu lachen, im Augenblick jedoch, als die gute Seele zum Zimmer hinausging, hörte ich sie vor sich hin sagen: »Vielleicht, daß die Mutter Lancien Rat wüßte.«

Leider kam ich nicht auf den Gedanken, mich näher zu erkundigen, was sie damit meinte, und nun kann ich's kaum erwarten, daß es morgen wird und ich mir sagen lassen kann, wer die Mutter Lancien ist, die so goldne Ratschläge feil hat und mich möglicherweise aus allem Elend befreien kann, wenigstens nach Ansicht meiner Milchfrau.


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