Levin Schücking
Der Kampf im Spessart
Levin Schücking

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Fünfzehntes Kapitel.

Benedicte legte ihre Hand auf Wilderichs Arm. Sie gab ihm einen Wink, ihr zu folgen, und führte ihn hinaus, hinauf in ihres Vaters Wohnzimmer.

»Kommen Sie hierher,« sagte sie dort, »ich mochte nicht die Freude meiner Stiefmutter durch mein Bleiben stören; es hätte ihr diesen Augenblick vergällen müssen, wenn ich dabeigestanden, wenn sie in meinen Augen den Triumph, so wider sie gerechtfertigt zu sein, hätte lesen und die Reue fühlen müssen, die mein Anblick ihr einflößen muß.«

»Dies ist ein Gefühl, welches Ihrem Herzen Ehre macht, Benedicte,« antwortete Wilderich, »und mir machen Sie es jetzt um so leichter, vor Ihnen den ganzen Inhalt meiner Seele auszuschütten ...«

Benedicte reichte ihm bewegt die Hand.

»Glaubten Sie denn, ich hätte Sie ziehen lassen, bevor wir gegeneinander uns ausgesprochen? Setzen Sie sich da in den Sessel, und nun hören Sie erst, was ich Ihnen zu sagen habe.«

Sie nahm neben ihm in dem Sofa Platz, stützte das Kinn auf den Arm und fuhr fort: »Ich weiß, daß Sie ein edler Mensch mit einer reinen Seele sind, Wilderich; deshalb kann ich zu Ihnen reden, wie ich reden werde. Sie dürfen mich aber nicht unterbrechen, bis ich zu Ende bin, Sie müssen mich alles sagen lassen, damit Sie mich ganz verstehen. Versprechen Sie mir das?«

Wilderich nickte mit dem Kopfe, sie mit großen gespannten Augen ansehend.

»Wenn man,« fuhr sie leise fort, »so verlassen und verloren in der Welt gestanden hat wie ich, gedrückt vom Bewußtsein einer Schuld – denn es war doch eine, daß ich dem Vaterhause entlief – und unter dem Verdachte, eine viel größere begangen zu haben, dann lernt man das Leben ernst nehmen und fühlt eine große Sorge und Angst auf sich ruhen bei allem, was man beschließt, denkt oder vorhat. Ich ängstige mich deshalb vor den Worten, welche Sie jetzt zu mir sprechen wollen, vor dem, was diesen Worten folgen wird, und vor der ganzen Zukunft. Ich sehe nur dann ein Heil voraus für diese, für unsere Zukunft, nur dann ein ungetrübtes Glück, wenn nicht Sie, sondern wenn ich jetzt spreche – Wilderich, ich liebe Sie, und,« fügte sie ernst und ohne alle Verlegenheit, aber leise weiter redend hinzu, »ich werbe um Ihre Hand; versagen Sie mir diese, so würde ich auf ewig unglücklich sein, unglücklicher, als ich je gewesen. Ich weiß wenig von Ihren Verhältnissen, aber mögen diese sein, wie sie wollen, können Sie mir im entferntesten Winkel der Erde nur einen stillen Platz neben einer freundlichen Herdflamme einräumen, so nehmen Sie mich auf, lassen Sie mich Ihr Weib werden; ich werde glücklich sein, beneidenswert glücklich, und werde meinen letzten Blutstropfen hergeben, um Sie glücklich zu machen.«

»O mein Gott,« rief Wilderich bestürzt von diesem Glück, das ihm so überwältigend entgegenkam, aus, »das sagen Sie, Sie, Benedicte, mir, der es kaum gewagt hätte, Ihnen zu gestehen, welchen Himmel ich darin sehe –«

»Sie hätten es kaum gewagt?« antwortete sie mit sanftem Lächeln, während er vor ihr niederkniete und ihre Hand mit den seinen umschloß, »Sie, der es so kühn wagte schon am ersten Tage, nachdem Sie mich gesehen? Gewiß, gewiß, Sie hätten es heute wieder gewagt – und dann, dann hätte ich freudig ja gesagt, und ich wäre Ihnen gefolgt, Wilderich, in Ihr stilles, verfallenes Forsthaus – und dort, dort würden Sie sich erinnert haben, daß ich ein verwöhntes Kind aus einem üppigen Patrizierhause bin, und es würde Sie gequält haben, daß Sie mir die Umgebung nicht schaffen könnten, die ich im Vaterhause gehabt, daß Sie mich entbehren lassen müßten, und Ihre Liebe würde in ihrer Demut nicht glauben, daß sie diese Entbehrungen aufwiegen könne, und würde sich diese Entbehrungen hundertfach vergrößert vorgestellt haben. Ist es nicht so?«

Wilderich sah sie verwundert an.

»Ganz sicherlich,« fuhr sie eifrig fort, »so wäre es gekommen und es hätte unser ganzes Glück zerstören können – und sehen Sie, darum habe ich gesprochen; ich, ich werbe um Ihre Hand, Wilderich, ich verlange Ihnen zu folgen, wohin auf Erden Sie mich führen. Wollen Sie mir Ihre Hand gewähren?«

»Sie sind das engelhafteste Wesen auf der Welt, Benedicte,« sagte er. »Haben Sie aber wohl auch bedacht, daß, wenn Sie Einem, das unser Glück stören könnte, so vorgebeugt haben, Sie ein Anderes in meiner Seele heraufbeschwören, das mein Glück schlimmer, weit schlimmer bedroht? Und das ist der Gedanke: wie bin ich eines solchen Engels würdig, wie kann ich ihr je lohnen –«

Sie unterbrach ihn mit einem heitern Lächeln.

»Ach,« sagte sie, »vor diesem Wurm in unserm Zukunftsglücke fürchte ich mich nicht! Sie werden bald sehen, daß ich weiter nichts bin als Ihr sehr irdisches, schwaches, der Leitung bedürftiges, aber treues Weib. Und wollen Sie mich so, Wilderich?«

Er zog sie stürmisch, überselig an sein Herz.


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