Levin Schücking
Der Kampf im Spessart
Levin Schücking

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Viertes Kapitel.

Es war am Mittag dieses Tages. Der gestrenge Leutnant hatte eben die Eßglocke für das Gesinde läuten lassen, aber die zwei Knechte, die unter seinem Befehle standen, hatten es nicht der Mühe wert gefunden, sich einzustellen; nur Frau Afra, die Beschließerin und ein paar erschrockene Mägde drängten sich jetzt auf dem Hofe um ihn. Die Mägde wollten gehört haben, daß man es in südöstlicher Richtung brennen sehe, über Heidenfeld hinaus; einer der Knechte, der am Vormittag oben auf der nächsten hohen Bergkuppe war, sollte es gesehen haben.

»Und wo ist der Kasper, der Schlingel?« rief der Schösser aus. »Weshalb kommen die Burschen nicht?«

»Sie sind davongelaufen, ihre Büchsen zu holen, die sie im Walde versteckt hatten – die verwegenen Mannen,« rief Frau Afra.

»Der Tod stand darauf!« fiel eine der Mägde ein. »Die Franzosen hatten den Tod darauf gesetzt, wenn einer ein Feuergewehr habe, und doch hatte der Kasper wie der Jobst eine Büchse, Gott weiß woher; damit sind sie fortgelaufen; es gehe los, sagten sie, der Förster Buchrodt führe sie an.«

»Und man hört schon die Kanonenschläge; der Botenfritz, der von Lindenfurt kam, hat sie selber gehört,« rief die andere aus.

»Und ich sag' euch, der Botenfritz ist ein Lügner!« schrie im zornigsten Diskant der gestrenge Schösser sich aufreckend mit steif aufgerichtetem Kopfe auf die erschrockene Gruppe hinab. »Wenn da irgendwo eine Hütte brennt, so brennt eine Hütte – Punktum! Und Kanonenschläge? Dummheit! Es müßt' denn sein, die Franzosen schössen Viktoria von der Marienburg herab, daß man's bis hierher hören könnte! Sonst nicht! Ich sag' euch, die stehen heut näher bei Wien als bei uns! Werden sich haben zurückwerfen lassen, daß man's in Goschenwalde hören könnte, wie sie sich mit den Kaiserlichen herumschießen! Dummheit noch einmal! Könnt Gift darauf nehmen, ihr Weibsbilder! Geht zum Essen! – Aber wer kommt denn da? Ich glaub', der Herr Förster ist's! Macht sich seit einiger Zeit nicht just rar, der Herr Förster Buchrodt!«

In der Tat war es Wilderich, der rasch, erregt und mit gerötetem Gesicht durch das Torhaus schritt.

»Ich möchte die fremde junge Dame sprechen!« rief er schon von weitem.

»Dacht's mir!« antwortete der Schösser trocken. »Kann ich's nicht bestellen?«

»Nein, es ist nicht für Euch, sondern für sie, was ich ihr mitzuteilen habe.«

»Doch nicht, daß es in der Ferne brennt und daß man Kanonenschläge hört?« sagte der Schösser ironisch. »Das wissen meine Mägde allbereits!«

»Es hängt ein wenig damit zusammen,« erwiderte Wilderich. »Ich bitte, zeigt mir den Weg, ich habe Eile.«

»Die Demoiselle kommt just,« rief Frau Afra aus, auf das Portal des Hauses deutend, aus dem die Demoiselle Benedicte in diesem Augenblick hervortrat.

Wilderich wandte sich rasch ihr zu; er reichte ihr ohne weiteres wie einer alten Bekannten die Hand, und sie abseits führend, so daß seine Worte von den übrigen nicht verstanden werden konnten, sagte er: »Demoiselle, ich komme mit einer Nachricht, die nicht gar erfreulicher Art für die Bewohner von Haus Goschenwald ist. Meine Leute da unten haben eine Art von Kriegsrat gehalten, ich komme eben daher; es ist beschlossen worden, eine Strecke weit unterhalb der Mündung meiner Talschlucht auf der Heerstraße einen Verhau anzulegen und da einen Hauptangriff zu machen; die Folge ist, daß sich das Franzosenvolk davor in Masse aufstauen wird, daß sie Seitenwege, den Verhau zu umgehen, suchen, daß sie also die Schlucht empordringen und dann sich in dies Tal ergießen werden. Ich fürchte deshalb sehr, daß sie Haus Goschenwald nicht unberührt lassen werden. Ich werde es von einem Teil meiner Leute besetzen lassen – aber Sie, mein Gott, welcher Schrecken, welche Gefahren für Sie, – ich möchte alles drum geben, Sie dem entziehen zu können. Wollen Sie ein anderes Asyl aufsuchen – ich bin bereit, alles andere beiseitezusetzen, um Sie zu einem solchen zu führen.«

»Ich habe Ihnen gesagt,« versetzte das junge Mädchen erschrocken über diese Mitteilung, »daß ich kein anderes Asyl auf Erden habe als dieses, und hätte ich eins, – Sie begreifen –«

Benedicte wandte den Blick leicht errötend zu Boden und vollendete nicht.

»Ich begreife, ich begreife,« fiel Wilderich tief aufatmend ein; »gewiß, Sie würden nicht glauben, daß Sie sich von mir dürften dahin führen lassen. O mein Gott, ich begreife alles, auch wie aufdringlich Ihnen meine Sorge um Sie vorkommen muß, wie unschicklich, wie lästig vielleicht, aber in Stunden der furchtbarsten Erregung, wie sie dieser Tag uns bringt, vergißt man die Rücksichten, und das fieberhaft schlagende Herz sprengt die Fesseln der kühlen, von der Sitte gebotenen Zurückhaltung, die es in ruhiger Zeit vielleicht noch lange ertragen hätte. O zürnen Sie mir deshalb nicht, wenn ich in dieser Stunde Worte zu Ihnen spreche, die Ihnen wie die eines Toren vorkommen müssen! Aber Ihre Ruhe, Ihre Sicherheit ist nun einmal, seit ich Sie gesehen, der Angelpunkt meiner Gedanken gewesen; alles andere ist für mich dahinter zurückgetreten; der Gedanke an Sie, an das, was Sie mir gesagt, an Ihr Los, von dem Sie mit dem Tone einer Klage, die mein Herz bluten machte, gesprochen – der Gedanke daran verläßt mich nicht, er hat mich umgewandelt, er hat mich zu einem andern, all seinem frühern Wesen und Leben, allen seinen früheren Interessen entfremdeten Menschen gemacht! Ihr Schicksal und meines – nur über das eine noch kann ich sinnen und denken und grübeln – Ihr Schicksal und meines, sie stehen vor mir so verschwistert, so aufeinander angewiesen, so vom Himmel zusammengeführt, um sich zu verketten – o mein Gott, was sage, was gestehe ich Ihnen da alles! Welche Torheit, so mein innerstes Herz Ihnen zu enthüllen und Sie zu erzürnen, mir vielleicht auf ewig zu entfremden – um des Himmels willen, Benedicte, vergeben Sie es mir – ich kann in dieser Stunde, wo die Erregung, die Leidenschaft, der Gedanke an den blutigen Kampf, der beginnen soll, in mir stürmen wie ein Meer mit seinen Wogen, ich kann nicht anders reden. Ich will ja auch keine Antwort, keine, keine – nein, nicht jetzt – lassen Sie mir nur, ich flehe Sie darum an, die Gelegenheit, Ihnen zu zeigen, was ich bereit bin, für Sie zu tun – und wäre es, für Sie zu sterben!«

Benedicte stand vor ihm wie ein wachsbleiches Bild bei diesen leidenschaftlich hervorgesprudelten Worten; sie öffnete ein paarmal die Lippen, um ihn zu unterbrechen, aber wie hätten ihre leisen Worte dem stürmischen Redestrom des aufgeregten Mannes Einhalt tun können – sie vermochten nichts dawider, sie mußte ihn enden lassen, und dann schien es, als ob sie selber den Mut verloren, noch eine Silbe zu sprechen. Sie hatte nur beide Arme erhoben, wie um angstvoll etwas furchtbar Erschreckendes, was vor ihr plötzlich aus dem Boden aufgestiegen wäre, abzuwehren.

Er ergriff die beiden Hände, die sich vor ihm erhoben, und drückte sie stürmisch an seine Brust.

»So ist's recht,« rief er heftig aus, »sagen Sie mir nichts, kein Wort, keine Silbe. Ein Wort, das mich glücklicher machte, als je ein Mensch gewesen, können Sie mir nicht sagen, noch ist es unmöglich – und eins, das mich unselig machte, das mich in den Tod treiben würde – ich will, ich mag es nicht hören, es wäre zu entsetzlich, zu furchtbar, wenn ich es anhören müßte – jetzt – heute!«

»Und doch, doch – Sie müssen es anhören!« rief Benedicte, wie all ihren Mut zusammenraffend, mit halb von ihrer Bewegung erstickter Stimme. »Unglücklicher Mensch, der so an sich, an seinem Leben, an seinem Glück, seiner Ehre frevelt – wie ist es möglich – wie können Sie in der ersten Stunde sich wegwerfen an die Fremde, die Flüchtige, die Verbannte – an eine Verlorene –«

»Was ist es mir, ob Sie fremd, flüchtig, verbannt und verloren sind! Sie sind mir tausendmal teurer, liebenswürdiger, kostbarer, höher darum –«

»Halten Sie ein, Sie wissen nicht, was Sie sagen! Wenn ich nun fremd, flüchtig und verbannt wäre um der eigenen Schuld willen, weil ich verdiente ausgestoßen zu werden von den Meinen, weil ich eine Verbrecherin bin –«

»Sie – Sie – Sie eine Verbrecherin! Und das sollte ich glauben?« Wilderich zwang sich aufzulachen.

Sie faltete wie in tiefstem Schmerz ihre Hände zusammen, und ein Strom von Tränen schoß ihre Wangen nieder. »Mein Gott, mein Gott, was ist Ihnen? Was kann die arge Welt Ihnen zugefügt haben, welche Bosheit, welche teuflischen Schlingen können Sie umgarnt haben, daß Sie sich so anklagen, daß Ihr Schicksal Ihnen diese Tränen erpreßt, diese Perlen, von denen ich jede einzeln wie einen Himmelstau trinken möchte? O mein Gott, die Welt ist böse, ist teuflisch – o sprechen Sie, jetzt, jetzt will ich, daß Sie sprechen, daß Sie dies Rätsel erklären. Was verführt Sie, sich anzuklagen, sich eine Schuldige, eine Verbrecherin zu nennen?«

»Soll ich Ihnen noch mehr gestehen? Ist es nicht genug. Ihnen zu zeigen, wohin Sie sich verirrt haben? Nein, gehen Sie, gehen Sie, um nie wieder ein solches Elend über mich zu bringen, wie es Ihre Worte soeben taten.«

»Ein Elend – ich, ich bringe ein Elend über Sie? Welch ein Wort das ist – ein Elend!«

»Nun ja, ist es das nicht, gezwungen zu sein, so reden zu müssen, solche Geständnisse machen zu müssen, wie Sie sie mir abzwingen?«

»Und,« fiel Wilderich erschüttert ein, »ist es für mich kein Elend, so mir rätselhafte, unverständliche Selbstanklagen zur Antwort zu erhalten, wo mein ganzes Herz mit all seiner Fülle sich Ihnen offen legt, während ich doch weiß, während ich doch jeden Augenblick diese Hand emporstrecken will zum Schwure, daß Sie nichts Unwürdiges, nichts Schlechtes, daß Sie nichts, nichts getan haben können, um das Schicksal zu verdienen, welches Sie verfolgt?«

»Doch, doch,« fiel Benedicte ein, »ich habe dies Schicksal, wenn nicht verdient, doch mir selbst zugezogen; ich bin schuldig, ja, ich bin es, und wäre ich es auch nicht – würde ich daran denken dürfen, eines andern Menschen Leben hineinzuziehen in das Unglück einer solchen Lage, wie die meine, Ihr Leben hineinzuziehen?«

»Ob Sie das dürfen – mein Gott, was fragen Sie – da, wo ich ja will, nichts anderes will, wo es mir wie eine Seligkeit erscheint, mich Ihretwegen in jedes Unglück, in jeden verzweifelten Kampf, in jeden Abgrund zu stürzen!«

»O wie töricht Sie reden! Ich soll zugeben, daß Sie sich in Kämpfe und Abgründe stürzen! Würden Sie denn dulden, daß ich so etwas täte, daß ich so mich ins Verderben stürzte, wenn Sie der Ungückliche, Verbannte wären, wenn auf Ihnen der Verdacht eines Verbrechens ruhte, wenn Sie sich verbergen müßten, wie ich es muß? Würden Sie dann um mein Herz werben, würden Sie zugeben, daß ein anderes, ein harmloses und zu allen Ansprüchen auf Glück berechtigtes Wesen käme und sein Schicksal an das Ihre kettete und sich mit Ihnen in einen Abgrund stürzte? Nie, niemals würden Sie es!«

Wilderich verstummte bei diesen Worten Benedictens; er sah betroffen und verwirrt zu Boden.

»Ich höre aus dem allen nur heraus,« sagte er dann, langsam sein verstörtes Gesicht wieder zu ihr erhebend, »wie edel und groß Sie denken; wie furchtbar groß also auch das Unrecht sein muß, welches man an Ihnen begangen hat, und wie erbärmlich ich sein müßte, wie gründlich verächtlich, wenn ich, weil irgendein abscheulicher Verdacht auf Ihnen lastet, je von Ihnen ablassen könnte –«

»O genug, genug,« unterbrach ihn Benedicte fast heftig. »Sie sind ein Mann, und über alles muß Ihnen die Ehre stehen. Ich habe genug gesagt, um Sie fühlen zu lassen, daß es wider Ihre Ehre wäre, je wieder so zu mir zu sprechen!«

»Gerechter Himmel!« lachte Wilderich gezwungen auf, »wenn man Sie so reden hört, sollte man denken, Sie hätten einen Hochverrat oder einen Mord –«

»Einen Mord?« sagte sie, scheu zu ihm aufsehend. »Wenn es nun so etwas wäre, dessen man mich beschuldigen kann?«

»Unmöglich – unmöglich!« rief Wilderich.

»Das einzige, was unmöglich,« versetzte sie, nach Atem ringend, »das ist, daß wir uns je wiedersehen! Gehen Sie mit Gott, Gott schütze und beschirme Sie!«

Dabei reichte sie ihm ihre Rechte, entzog sie ihm wieder, als er kaum die Fingerspitzen berührt, und wandte sich, um wankenden Schrittes davonzueilen. »Rätselhaftes Geschöpf!« murmelte Wilderich, in tiefer Bestürzung ihr nachblickend. »Dich nicht wiedersehen? Lieber den Tag, die Sonne nie wiedersehen, als darauf verzichten, dich wiederzusehen und Klarheit zu erhalten über diese entsetzlichen Worte – diese Worte von Verbrechen – von Niewiedersehen – über diesen ganzen teuflischen Waffensegen für jemand, der in einen grimmen Kampf gehen will, in die blutige Todesgefahr!«

Er stand noch eine Weile wie erstarrt, wie in sich verloren, dann rief er, heftig seine Büchse auf den Boden stoßend: »Fort damit, fort, fort mit all diesen Gedanken! Ein Mann hält seine Hoffnungen, seine Entschlüsse fest zum Äußersten – und nun auf und dem Kommenden entgegen!«

Er wandte sich, um fortzueilen, als er plötzlich dem Herrn Schösser, der während des Gesprächs unbemerkt an ihn herangetreten sein mußte, in sein graugelbes Gesicht blickte.

»Na,« sagte der Ritterschaftliche ironisch, »haben ja einen sehr eifrigen Diskurs mit der Demoiselle gehalten – der Herr Revierförster kennen wohl die Demoiselle schon länger?«

Wilderich hatte Mühe, sich zu fassen und dem Manne in anscheinend gleichmütigem Tone eine Antwort zu geben.

»Nein,« versetzte er dann, »ich sah die Dame früher nie.«

»So, so! Wär' mir sonst lieb gewesen, etwas über sie zu erfahren. Die Frau Äbtissin von Oberzell sind in ihrem gnädigen Anschreiben an mich ein wenig kurz und wortkarg über dieselbe. Da sich die Schwesterschaft aus dem Kloster flüchte von wegen der dräuenden Kriegsgefahren und die Demoiselle Benedicte, die bishero als Novize im Kloster aufgenommen gewesen, ohne Verwandte oder andere Zuflucht, dahin sie sich wenden könne, sei, so ergehe der ehrwürdigen Frau geziementliches Ansuchen an mich, besagte junge Dame mit allen derselben als einer wohlkonditionierten Person schuldigen Rücksichten auf Haus Goschenwald aufzunehmen. Das ist alles – nicht einmal den Namen der Demoiselle Benedicte tut sie mir vermelden; und wenn es eine wohlkonditionierte junge Person ist, weshalb geruht die Hochwürdige nicht, sie unter dero eigene Obhut und Schutz mit sich gen Würzburg zu nehmen, wohin die meisten der frommen Jungfern sich begeben, wie ich von der Demoiselle höre?«

»Sie wird ihre Gründe dazu haben, mein Herr Schösser,« versetzte Wilderich aufhorchend. »Wer ist diese hochwürdige Mutter Äbtissin?«

»Die Frau Apollonia Gronauer, eine Frankfurter Geschlechterin; dero Herr Bruder ist Reichshofrat in Wien und mein hochansehnlicher Gönner, der Lehnsträger allhier in Goschenwald.«

»Alsdann,« fiel Wilderich ein, »bin ich überzeugt, daß Ew. Gestrengen alles tun werden, was die ehrwürdige Mutter von Ihnen für die junge Dame erwartet, und unter das, was sie erwartet, möchte auch gehören, daß die Demoiselle nicht mit neugierigen und lästigen Forschungen nach ihrer Herkunft und ihren Verhältnissen behelligt und geplagt werde; weshalb es auch wohl für uns beide am angemessensten ist, dieser Unterhaltung über das junge Mädchen ein Ende zu machen. Übrigens werden der Herr Schösser, wie ich besorge, demnächst eine lästigere Einquartierung bekommen, als ein junges Klosterfräulein ist, und ich ersuche Sie, Ihre Gedanken vorderhand darauf zu wenden. Es ist möglich, daß ich mit einer kleinen Truppe zurückkehre, die ich Ihnen hier als Schutzwache für Ihr Haus aufzustellen gedenke.«

»Eine Truppe – eine Schutzwache?« fiel der Schösser erschrocken ein.

»So ist es, alter Herr; vielleicht blüht Ihnen auch die Freude, einmal wieder Pulver zu riechen, und das, bevor die Zeit, seit Sie mit Ihrem wackern Kontingent zum letztenmal ins Feld rückten, um vierundzwanzig Stunden länger ist.«

»Oho, glauben Sie denn wirklich mir altem, erfahrenem Manne aufbinden zu können, daß die Franzosen geschlagen und in die Retraite gedrängt würden, und daß ihr Förster und Holzknechte und was ihr an Gesindel zusammengetrieben habt –«

Wilderich lachte kurz und trocken auf.

»Gestrenger Herr,« sagte er, »ich habe nicht Zeit, darüber mit Euch zu streiten. Sorgt nur für Unterkunft und Lebensmittel in Eurem Kastell hier und verpflegt mir anständig meine Leute; haltet die fremde Dame, die Eurer Obhut anbefohlen, wohl im Auge, und – das übrige wird Euch die Zeit lehren!«

Damit ging er davon. Die kurze Unterhaltung mit dem gestrengen Herrn hatte ihm genügt, um ihm Zuversicht und innere Ruhe zu geben, und die beste Bestätigung dessen, was ihm sein innerstes Seelenbedürfnis, an Benedicte zu glauben, zur festesten Überzeugung gemacht.

Wenn eine so vornehme, so hochstehende Dame, wie die ehrwürdige Äbtissin von Oberzell, das junge Mädchen so warm empfahl, wenn sie sie im Hause ihres eigenen Bruders, eines hochgestellten Mannes am Kaiserhofe, unterbrachte, konnte dann ein Makel, eine Schuld, ein Verbrechen auf diesem selben jungen Mädchen haften?

Es war undenkbar, es war unmöglich!


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