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6

Als Georg die Augen öffnete, sah er in den lichten Tag hinein. Aus dem Wiesenthal klang Wachtelruf. Der Morgenwind rauschte durch den Wald, und Lerchenwirbel rieselte vom schimmernden Himmel hernieder.

Gott sei Dank, es war nur ein Traum! sagte er zu sich.

Dann sah er umher und richtete sich verwundert auf. Wo war er? Er saß auf einem Schutthaufen und war umgeben von den Trümmern einer Brandstätte. Der klarblaue Himmel schaute herein, und ringsum zwitscherten die Vögel in den Zweigen.

Georg besann sich. Wie war er hierher gekommen? Die Ereignisse der letzten Nacht traten ihm nach einander vor die Seele, aber sie lagen vor ihm, wie ein wüstes Trümmerfeld daliegt, über das eine Hochflut gerauscht ist. Was war Traum, was Wirklichkeit?

Der Kopf schmerzte ihn, und er fühlte sich wie zerschlagen. Hier mußte er von der Erschöpfung übermannt niedergesunken und eingeschlafen sein. Es stand wieder vor ihm, wie er sich in dem grausigen Wetter unter Blitz und Donner den Weg in diese Trümmer getastet hatte. Aber was war dies für eine Stätte?

Ein jähes Entsetzen durchschüttelte ihn: hinter ihm rauschte der Bach, da drüben glänzte die Landstraße, und thalauf thalab lagen die wohlbekannten Hügel. Kein Zweifel, das waren die Trümmer der Mühle!

Wo sind die Menschen, die hier gehaust haben? Und die, die in dieser Nacht an seinem Halse hing, wo kam sie her? wo weilt sie jetzt?

Es schauderte ihn, als er sich dies fragte. Er sprang auf und wandte sich um, dem Bache zu, als müßte ihm dieser, dessen Rauschen in seinen Ohren tönte, antworten können. Da sah er einem zerlumpten Manne ins Gesicht, der an einer Mauer stand und mit einer Mischung von Angst und Neugier zu ihm herüberschaute. Der Mann hatte einen Stecken in der Hand, mit dem er den Schutt durchsucht haben mochte. Ihm zu Füßen stand ein Holzkorb, der mit gefundnen Eisenstücken halb gefüllt war.

Als Georg hastig auf ihn zugehen wollte, nahm der Mann eilig seinen Korb auf die Schulter und wollte sich davon machen.

Angenehmer Morgen, sagte er, und seine Stimme zitterte vor Angst. Heute Nacht wars nicht so angenehm!

Georg blieb stehen, wandte sich dann zurück und setzte sich wieder auf den Schutt; die Kniee wankten ihm, und er fühlte sich schwach. Lassen Sie sich durch mich nicht stören, sagte er. Ich habe mich gestern Nacht verirrt und suchte hier während des Gewitters Zuflucht.

Der Mann stellte seinen Korb wieder auf den Boden, warf eine Hand voll Eisenstücke hinein, die bei einander auf dem Boden lagen, und fuhr dann in seiner Arbeit fort. Er wühlte mit seinem Stecken den Schutt auf und zog heraus, was ihm brauchbar schien. Dabei murmelte er unverständliche Worte vor sich hin.

Wann ist denn die Mühle abgebrannt? Wie ist das gekommen, und wo sind die Müllersleute? fragte Georg. Krieg die Kränk! rief der Mann. Er hatte die Hand an einem spitzen Eisen, das er aus einem verkohlten Brett herausziehen wollte, verletzt, sodaß sie blutete.

Ist es bei Nacht geschehen? fragte Georg wieder.

Grad unter den Nagel ists gegangen! Verdammt weh thuts. Da muß man den Schmerz töten!

Er zog eine Flasche aus seinem Kittel, zog mit den Zähnen den Kork heraus und träufte Branntwein auf die Wunde.

Die Hand zuckte ihm vor Schmerz. Gelt, du Simpel, murmelte der Mann, das brennt! Was sagst jetzt, du Aff?

Und er schlenkerte den Finger. Dann hielt er die Schnapsflasche an den Mund und trank.

Das thut besser! sagte er, als er abgesetzt hatte, und lachte albern vor sich hin. Er sperrte den Mund auf, daß es greulich anzusehen war, deutete mit dem Finger darauf und sagte: Da will er hinein, das ist das rechte Loch. Und er trank von neuem.

Wann ist das Unglück geschehen? fragte Georg wieder.

Der Mann hatte seine Flasche wieder in den Kittel gesteckt und den Stecken vom Boden aufgehoben.

Gerad alleweil, sagte er, aber der Schmerzen ist im Schnaps ersoffen.

Ich meine das Unglück mit der Mühle.

Der Mann richtete sich auf. Das? Ist denn das ein Unglück? Ja so! Richtig! Sie sind ja all miteinander –

Der Mann murmelte ein Wort zwischen den Zähnen, das Georg nicht verstand.

Wo sind die Müllersleute hingezogen? fragte Georg.

Der Mann sah Georg an.

Die? Gelt, Sie sind nicht aus der Gegend?

Nein.

Wo sind Sie denn her?

Das ist einerlei.

Sind Sie auf der Walz?

Ja. Wo wohnen jetzt die Müllersleute?

Metalldreher?

Nein.

Aha! Etwas höheres, Monteur? Oder Techniker? So was?

Ja. Aber gebt mir doch Antwort. Ich möchte wissen, wo die Müllersleute hingezogen sind.

Gelt, Sie sind mit dem Müller bekannt?

Ein wenig.

Oder mit der Tochter? Der Mann grinste Georg an.

So gebt mir doch einmal Antwort auf meine Frage! Wo sind die Müllersleute jetzt?

Der Mann gab zuerst keine Antwort. Er suchte gebückt in einem aufgewühlten Schutthaufen und zog einen eisernen Riegel heraus. Dann sagte er:

Die sind ausgewandert!

Ausgewandert? Wohin denn?

In eine bessere Welt, oder in eine schlechtere; was weiß ich! Der Teufel soll den holen, ders Bücken erfunden hat!

Sind sie denn verbrannt? rief Georg entsetzt.

Verbrannt? So tappig hats das Mädel nicht gemacht!

Gertraud?

Gertraud? äffte der Mann nach. Gelt, sie war einmal eine Bekanntschaft von Ihnen?

Georg hatte sich abgewandt, um seine Erschütterung zu verbergen.

Der Mann sah zu ihm hin.

Grad dort, wo Sie sitzen, da ist er gelegen! sagte er. Wer? rief Georg und sprang auf.

Der Müller. Er ist noch im Stall gesteckt, als der Giebel eingestürzt ist. Da sprang er aus den Flammen. Aber er war nicht flink genug. Der Balken war flinker, der hat ihn auf den Schädel getupft, und da lag der Müller, maustot.

Und Gertraud?

Die? Ach mein Vater! mein Vater! hat sie geschrieen und sich über ihn geworfen mitten in die Flammen hinein! Man hat sie hinaustragen müssen alle zwei. Der Müller hat alle Viere hängen lassen, und sie hat sich steif gemacht wie ein Ofenrohr. Aber dann hat sie fußeln können, wie sie dem Gendarm davon ist!

Dem Gendarm?

Ha ja, – Brandstiftung!

Georg barg das Gesicht in die Hände.

Gelt, Sie haben Zahnweh?

Wie kam die Unselige dazu? fragte Georg tonlos.

Sie ist vorher zu selig gewesen! Der Alte hat ihr die Seligkeit austreiben wollen mit dem Besenstiel und dem Feuerhaken und einem Seilende. Er hat sie gehauen, daß sie tanzte. Das war eine Gugelfuhr. Ei du meine Güte! Er hat ihr die Kleider weggenommen, als sie im Bette lag, und hat sie in ihre Kammer gesperrt. Drauf hat sie das Fenster hinaus geschlagen und ist hinausgestiegen, im Hemd, und ist in die Scheuer und hat ein Feuerlein angemacht.

Warum war sie von ihrem Vater so furchtbar mißhandelt worden? Georg war todesbleich, als er so fragte.

Der Mann war an den Bach getreten und raffte dürres Laub von einem Eichenbusch. Er kam wieder in die Brandstätte herein und legte das Laub auf das gestohlene Eisen in seinem Korb.

Sie ist eine läufige gewesen, so eine Randel! Drum hat sie ihr Vater in die Hauptstadt gethan zu einer Tante. Aber er hat ihr nicht getraut. Unter die Haube mit ihr, dann mag sie ihr Mann hüten, hat er gedacht. Er hat so einen an der Hand gehabt, so einen Mehlfreund, dem war sie recht gewesen. Drum ist der Alte in die Stadt gereist, um sie zu holen. Er hat sich mit seiner Schwester verzürnt und die Gertraud zu sich in sein Wirtshaus genommen. Der Mehlfreund kommt auch und führt die Gertraud zu einem Vergnügen, was nichts kostet, so zum Zusehen. Aufs Zusehen hat aber die Gertraud ihr Lebtag nichts gehalten. Wie deshalb ihr Zukünftiger ein bischen fort ist, so in die Restauration hinunter, denkt sie: ich hab das Zusehen dick! Und wie er wieder herauf kommt, sieht er sie fortgehen. Er denkt: sie wird wieder kommen, und wartet eine Weile. Dann geht er ihr nach, und wie er auf die Straße kommt, sieht er gerade noch, wie sie hinter so einem Schlapphut herläuft, einem Farbenkleckser. Hinein in die Bude! So ein bischen abseits! Verstehen Sie mich?

Der Mann kauerte auf dem Boden nieder und zerrte an einer Kette. Als er sie herausgezogen hatte, legte er sie in den Korb und steckte den verwundeten Finger in den Mund. Dann stand er auf und ging langsam auf den noch stehenden Thürpfosten zu.

Ob der Mehlmann hinein geguckt hat, weiß ich nicht, fuhr er fort. Aber wie sie morgens früh wieder anrückt, sagt er zum Alten: Bedank mich schön, bedank mich schön. Ich will keine offne Thür eintreten.

Der Mann machte von dem Thürpfosten das eiserne Beschläg los.

Was ist aus Gertraud geworden? fragte Georg mühsam. Er zitterte vor der Antwort.

Gelt, Sie sind noch nüchtern? Wollen Sie einmal dran?

Der Mann streckte Georg die Flasche hin.

Ich danke! Was ist aus ihr geworden?

Auch gut! Sie trinken bloß Champagner. Was aus dem Mädel geworden ist? Wie sie ihren Vater vorüber tragen, sagt sie zum Gendarm, sie möchte ihren Vater noch einmal sehen. Der Esel sagt: Meinetwegen. Sie geht hin und beugt sich über ihren Vater, und dann auf und davon, und dem Mühlbach zu. Haltet sie! fangt sie! ruft der Gendarm, und ein Haufen Buben springt ihr nach. Sie fliegt aber wie der Wind, als durchs Gebüsch, bis an den Bach. Dort macht sie einen Sprung, da, plumps, ins Wasser hinein. Sie hat schwimmen können wie eine Ratte. Aber sie hat nicht schwimmen mögen. Steigt mir wohin ihr wollt! hat sie gedacht, – ich fahr abwärts. – Man hat die zweie in ein Loch gelegt.

Tot? schrie Georg. Er hob entsetzt die Hände in die Höhe. Aber plötzlich ließ er sie sinken. Es schüttelte ihn ein Grauen, daß ihm die Glieder bebten. Wer war die gewesen, die heute Nacht an seinem Munde gesaugt hatte? Wo war sie hergekommen? Er preßte die Hand aufs Herz. Es war ihm, als ob das Leben drinnen schwände.

Der Mann schlug vor Vergnügen mit den flachen Händen auf die Kniee und rief: Komedi, Komedi! Dann stellte er sich an die Wand und grinste schamlos.

Hinaus, du Scheusal! schrie Georg in flammendem Zorn und sprang auf ihn zu.

Der Mann zuckte zusammen und brüllte vor Angst wie ein Tier. Dann floh er, ohne umzuschauen, der Landstraße zu. Den Korb mit dem gestohlenen Eisen ließ er stehen.

Georg aber schlug die Hände vors Gesicht. Der Zornesausbruch hatte seine Seele aus dem Banne des Entsetzens gelöst und dem Schmerze zurückgegeben. Er weinte bitterlich.

Die Sonne hatte die Mittagshöhe erreicht, und noch immer saß Georg auf dem Schutthaufen. Eine bleierne Traurigkeit drückte ihm das Herz nieder. Ich bin schuld an ihrem Tode! sagte er unzähligemale vor sich hin. Ich habe sie dem Stein geopfert. Plötzlich fiel ihm ein: sie hat meine Locke mitgenommen. Er stand auf und sah mit scheuem Blicke umher. Dort ist der Bach! flüsterte er schaudernd. Ich kann dir nicht folgen, Gertraud, ich habe eine Mutter! Mutter, Mutter, sagte er vor sich hin. Er war aufgestanden und verließ die Ruine, ohne es recht zu wissen. Er schaute sich nicht um. Gesenkten Hauptes schritt er die Landstraße hin. Wer dem barhäuptigen Manne begegnete, sah ihm erstaunt nach. Er sah weder rechts noch links, suchte keinen Schatten auf und hielt keine Rast. So ging er im Sonnenbrande dahin durch den Staub, auf den das regenlose Gewitter der letzten Nacht kein Tröpflein hatte fallen lassen.

Er durchzog Dorf um Dorf. Wenn sich die Landstraße dem Bache näherte, sodaß er das Gemurmel des Wassers hörte, schreckte er zusammen und beschleunigte seinen Schritt. Laß mich, Gertraud, flüsterte er dann, ich muß zu meiner Mutter! Wenn der Sonnenschein breit über der Wiese lag, dann sah er sie, wie sie unmittelbar vor ihm von der Landstraße über die Wiese dem dunkeln Erlengebüsch zusprang. Einen schaudernden Blick warf er hinüber und eilte vorbei. Wenn er ein Mühlrad rauschen hörte, schloß er die Augen und ging wie auf der Flucht. Dann zog es eiskalt hinter ihm her und küßte ihm den Nacken und wehte ihm um die Glieder. Verschone mich, Gertraud, flehte er dann; dein Vater ist tot, aber meine Mutter lebt.

Endlich hatte er die Eisenbahnstation erreicht, von wo er nach dem Wohnorte seiner Mutter fahren konnte. Aber er hatte keinen Pfennig in der Tasche. Er ging in ein Wirtshaus und verkaufte der Wirtin den Inhalt seiner Tasche mitsamt der Tasche selbst. Dann kaufte er sich eine Fahrkarte, tauschte von einem Bäckergesellen eine Mütze gegen sein Taschenmesser ein, verzehrte ein kärgliches Mittagbrot und wartete am Bahnhof, bis der Zug abging.

Nach dritthalbstündiger Fahrt kam er daheim an. Die Nacht brach herein. Die Abendglocke läutete. Hier und dort wurde ein Fenster hell.

Georg zog die Mütze ins Gesicht und eilte durch Seitengassen dem Hause der Mutter zu. Jetzt hatte er es erreicht. Das Fenster der Wohnstube war erleuchtet. Er trat in die finstere Flur und tastete nach der Klinke. Da hörte er drinnen ein Kind weinen und darauf begütigende Worte, die eine fremde Frauenstimme sprach.

Entsetzt zog er die Hand von der Klinke zurück. Er schlich wie ein Dieb zum Hause hinaus und lief, ohne umzublicken, die Straße zurück.

Gedankenlos ging er fort, bis er an das Ende des Städtchens kam. Da besann er sich. Wo wollte er hin? Zu seiner Mutter! Aber wo war sie?

Langsam ging er zurück. Er hielt sich im Schatten der Häuser. Klopfenden Herzens kam er an einer Gruppe schwatzender Burschen vorbei. Er kannte sie alle. Sie schwiegen still, als er vorüber ging, und er fühlte, daß sie ihm nachschauten. Dort kam ihm der Postverwalter entgegen, der seinen gewohnten Abendgang zum Biere machte. Georg bog vor ihm in eine Seitenstraße ab. Er kam bis vor eine offne Thür, aus der ein heller Schein auf die Straße fiel. Er wußte, daß der Wurstler und seine Frau hinter den Tischen standen, und daß jeden Augenblick ein Dienstmädchen heraustreten könne. Da kehrte er dicht vor der Ladenthür um und ging zurück. Der Postverwalter schritt hart an ihm vorüber und schaute scharf zu ihm her; aber Georg neigte den Kopf und wartete im Schatten, dann bog er um die Ecke und ging die Hauptstraße weiter. Aber da ihn dieser Weg zu dem hellerleuchteten Marktplatze führen mußte, bog er in ein finstres Gäßchen ein, das an der Kirche vorbei zum Gewerbskanal führte. Vor sich sah er ein großes, schwarzes Gebäude, dessen hoher Giebel gespenstisch in die mondklare Nacht hinausragte. Ganz oben im dritten Stock flimmerte ein Lichtchen aus einem Fenster, sonst war alles finster. Es war das Armenhaus. Da krallte sich die Angst um sein Herz. Mit zitternden Füßen stieg er die steinerne Treppe empor und tastete sich in den finstern Gang hinein bis zur Stiege und schlich, sich am Geländer haltend, die knarrenden Stufen hinauf. Als er oben war, griff er nach der Wand und tastete an der feuchten Mauer hin. Da kam er an ein Fenster. Ein trüber Schein fiel herein. Er strengte die Augen an und erkannte im Hintergrunde den zweiten Aufstieg. Er kletterte die leiterartige Treppe empor. Statt des Geländers diente ein Strick. Als er oben angelangt war, stand er in der schwärzesten Finsternis. Er tastete um sich und über sich und stieß mit der Hand an den Treppenbalken der dritten Stiege. Nach einigen Schritten stand er auf der untersten Stufe. Er griff mit der Hand rechts hinaus und griff widerstandslos in die Finsternis. So hielt er sich links an der modrig riechenden Mauer und stieg empor durch die Nacht in die Nacht. Jetzt sah er einen Lichtschimmer vor sich, der durch einen Thürspalt drang. Das Herz klopfte ihm bis zum Halse empor. Er hielt die Thürklinke in der Hand. Und jetzt öffnete er.

Eine alte Frau saß im Bett und hatte einen Fuß auf einen Stuhl gelegt. Sie wickelte gerade einen Lumpen um den Fuß.

Gott sei Dank, es ist nicht die Mutter, sagte Georg laut. Die Frau schaute auf und schüttelte entsetzt den Kopf. Da trat Georg an ihr Bett, legte seinen Geldbeutel mit den letzten Pfennigen darauf und verließ lautlos die Stube.

Es war ihm leicht ums Herz geworden. Im Nu stand er wieder unten auf der Straße. Der Mond war hinter dem Armenhaus hervorgetreten und füllte die Gasse mit seinem Glanze. Georg ging den Gewerbskanal entlang und dann über eine Brücke in die Vorstadt hinaus. Er verbarg sich nicht mehr vor den Leuten. Als er an einer Frau vorüberkam, sagte er mit lauter Stimme: Guten Abend.

Es war der einzige Mensch, der ihm hier außen begegnete. Georg ging langsam. Bei jedem Häuschen schaute er nach der dunkeln Pforte und in die erleuchteten Fenster. Vor einem Häuschen blieb er plötzlich stehen. Er sah eine Gestalt sich in der kleinen, von einer Lampe erhellten Stube bewegen. Jetzt kam die Gestalt ans Fenster, dies öffnete sich, und – Mutter! rief Georg, Mutter! Ein Aufschrei, und der wiedergekommene Sohn beugte sich weinend auf die Hände seiner Mutter nieder.


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